Notizblog (29)

Promille für Prozente: Wolfgang Kubicki, das Alkohorakel der FDP

Der stellvertretende FDP-Chef wettet mit Journalisten immer wieder auf beste Wahlergebnisse für die FDP. Wenn er Glück hat, interpretieren die sogar noch mehr hinein als die Lust, Schlagzeilen zu generieren.

Wie vermittelt man als Politiker Journalisten, dass man irgendeinen Unsinn, den man ihnen erzählt, wirklich glaubt? Man verwettet seinen halben Weinkeller drauf.

Das ist die Wolfgang-Kubicki-Methode, und sie funktioniert beim stellvertretenden FDP-Vorsitzenden erstaunlicherweise seit Jahrzehnten.

Neulich zum Beispiel, im Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“, das wie folgt begann:

Wie hoch wetten Sie auf den Wiedereinzug der Liberalen ins deutsche Parlament, Herr Kubicki? - Wenn Sie dagegenhalten, meinen halben Weinkeller
Screenshot: NZZ

Herr Kubicki, die Freien Demokraten sind sehr gerupft herausgekommen aus der Koalition mit SPD und Grünen. Wie hoch wetten Sie auf den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag?

Wenn Sie dagegenhalten, meinen halben Weinkeller.

Ernsthaft?

Ich will Sie nicht überfordern. Also wenn wir bei weniger als neun Prozent landen, dann bekommen Sie von mir eine Kiste hervorragenden Rotwein. Ganz ohne Gegeneinsatz. Aber das wird nicht passieren.

Dem „Zeit“-Politikredakteur Paul Middelhoff machte Kubicki am Telefon kein ganz so gutes Angebot. Um „eine schöne Flasche Rotwein“ wette Kubicki, schrieb Middelhoff, dass die Liberalen bei der Bundestagswahl am 23. Februar bei „über neun Prozent“ landen würden. Der Journalist zögerte, weil er eine Flasche, „die ein geübter Weintrinker wie Kubicki für ‚schön‘ befindet, möglicherweise gar nicht bezahlen kann“, ging aber auf die Wette dennoch ein und beendete seine Kolumne sogar mit dem Hinweis:

Lieber Herr Kubicki, falls Sie diese Zeilen lesen: Ich schicke Ihrem Büro gerne schon einmal die Adresse der ZEIT-Redaktion, für die Flasche Wein.

Zuverlässiger Geschichtenlieferant

Dafür lieben Journalisten Wolfgang Kubicki: Er liefert ihnen zuverlässig guten Wein nach Hause lustige Geschichten, mit denen sie ihre Texte anfangen oder enden lassen können oder beides.

Da schadet es auch nichts, wenn es gelegentlich wirkt, als hätten beide, Interviewer und Interviewter, vor dem Gespräch schon an dem ein oder anderen Korken gerochen, wie im November, als „Bild“-Chefreporter Peter Tiede Kubicki zu einer Prozentprognose drängte. „Ich glaube, dass wir zweistellig werden können“, sagte Kubicki und fügte hinzu: „Ich bin gern bereit, mit Ihnen dann eine Flasche Wein zu trinken, wenn es nicht so wird, aber auch eine Flasche Wein zu trinken, wenn’s so wird.“ Am Ende wettete Kubicki auf 10 Prozent, Tiede auf 9 Prozent, Kubicki soll den Wein aussuchen, Tiede soll ihn bezahlen, und die KI, die das Video bei „Bild“ beschriftet hat, war auch nicht mehr ganz nüchtern:

[Kubicki] glaubt, dass seine Partei, die Union, 40 Prozent der Stimmen erreichen kann und dass sie gemeinsam mit einer anderen Partei eine Mehrheit bilden werden. Er ist bereit, eine Flasche Wein zu trinken, wenn seine Prognose nicht eintrifft.

Nun ist es gar nicht zwingend nötig, die Prozentzahl mit einem Promilleeinsatz zu verbinden. Gegenüber dem „Stern“ sagte Kubicki jetzt schlicht: „Wir werden zweistellig.“ Aber eine Wette zur Untermauerung kann auf Wähler offenbar immer noch Eindruck machen. Und auf Journalisten erst!

Viele Weinflaschen mit Wolfgang Kubickis Gesicht auf dem Etikett. Dahinter das Logo der FDP.
Foto: Imago/HMB-Media; Montage: Übermedien

„Zeit“-Redakteur Middelhoff wagte es, in die ihm angebotene Wette um eine (1) Flasche „schönen Wein“ hineinzuinterpretieren, dass der Rückhalt in der FDP für den Vorsitzenden Christian Lindner immer noch sehr groß sein müsse:

Dass Kubicki zu einer so riskanten Wette bereit ist, steht für das nach wie vor beeindruckende Vertrauen der Partei in ihren Vorsitzenden.

Vielleicht steht es auch nur für die Treuherzigkeit von Politikredakteuren, die glauben, dass Kubicki sowas nicht sagen und auch noch ein bis viele Flaschen Wein drauf setzen würde, wenn er nicht selbst ernsthaft davon überzeugt wäre. Als wäre die Routinefrage nach dem erwarteten Ergebnis nicht das ganz normale Spiel, bei dem Politiker vor der Wahl die eigenen Chancen übertrieben positiv darstellen. Als hätte Kubicki als lustiges Krawall-Maskottchen seiner Partei irgendeinen Ruf zu verlieren. Und als würden Journalisten ihn später, bevor er wieder eine Wette anböte, auf frühere Wetten ansprechen.

Schön vertippt

Zum Beispiel auf die aus dem Jahr 2004, als Kubicki bei einem Besuch des NDR-Satiremagazins „extra 3“ seinen „halben Weinkeller“ darauf verwettete, dass die FDP bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg mehr als sechs Prozent der Stimmen bekommen würde – es wurden 2,8 Prozent.

Die „Hamburger Morgenpost“ notierte: „Französischer Weißwein, deutscher Riesling, italienischer Rotwein – Kostenpunkt allein für die 120 Flaschen an ‚extra 3‘: rund 1000 Euro. Das muss erst mal verdaut werden.“ Die ganzen guten 8,50-Euro-Weine! Kubicki sagte: „Mir blutet zwar ein bisschen das Herz, aber durch diese Aktion habe ich für die Neuankömmlinge aus dem besonders guten Weinjahrgang 2003 in meinem Keller Platz geschafft.“

Vor der Europawahl 2014 setzte Kubicki „eine gute Flasche Rotwein“ darauf, dass die FDP vor der AfD landen würde. Die AfD kam auf 7,1 Prozent, die FDP auf 3,4 Prozent.

2020 wettete er gegen acht Gäste eines Empfangs um jeweils eine Flasche Wein, dass die FDP bei der Hamburger Bürgerschaftswahl mindestens 8,5 Prozent erreichen werde – beim stellvertretenden Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“ schlug er sogar noch einen halben Prozentpunkt drauf. Die Partei scheiterte dann an der Fünf-Prozent-Hürde.

Besser lag Kubicki im Jahr zuvor, als er nach eigenen Angaben mit vielen Hauptstadtjournalisten wettete, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu SPD-Vorsitzenden gewählt würden: Kistenweise habe er damals Wein gewonnen, erzählte er dem „Abendblatt“.

Vielleicht ist Kubicki als Alkohorakel für Wahlen nicht schlechter als die durchschnittliche Krake beim WM-Tippen. Nur das Abschneiden der eigenen Partei scheint er immer wieder schlagzeilenträchtig grotesk zu überschätzen. Na sowas.

5 Kommentare

  1. Hübsch. Oder eigentlich doch nicht. Wie war das Zitat, mit dem Kubicki 2010 in einem Interview mit der Zeit begründete, warum er nicht aus Schleswig-Holstein in die Bundespolitik wolle? „Ich würde in Berlin zum Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock.“ Nun.

  2. 2003 war nicht wirklich ein toller Jahrgang. Allerdings gab es aufgrund der extrem vielen Sonnentage in 2003 sehr alkoholreiche Weine.

    Vielleicht ist es für Herrn Kubicki so, das nur ein Jahrgang mit ordentlich Prozent im Glas, ein guter Jahrgang ist.

  3. Vielleicht ist das ja auch 3-D-Schach: anstatt das Zeug selber zu trinken, wird er es auf diese Weise los.
    Wobei Wettsucht auch nicht ungefährlich ist.

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