Deutsche Synchronfassungen von Filmen und Serien wirken im Vergleich zum Original oft künstlich. Dabei ist viel Feinarbeit nötig, damit ein Satz glaubhaft klingt, erklärt Synchronregisseur Clemens Frohmann im Interview. Wie funkioniert diese Arbeit? Wie hat sie sich verändert? Und was macht Künstliche Intelligenz mit der Branche?
Übermedien: Herr Frohmann, schauen Sie Filme lieber synchronisiert oder im Original?
Clemens Frohmann: Englischsprachige Filme schaue ich auch mal im Original. Sonst kann ich keine anderen Sprachen gut genug und müsste ohne Synchronisation die Filme mit Untertiteln anschauen. Und das bedeutet, dass ich nicht dem Schauspieler zuschaue, sondern lese.
Mögen Sie keine Untertitel?
Untertitel sind eine sehr verkürzte Form des Gesprochenen. Und Sprache hat immer einen Subtext: Je nachdem, wie man Sätze ausspricht, sendet man unterschiedliche Signale. Da nützen mir Untertitel auch nichts. Wenn ich an den Buchstaben klebe, sehe ich nicht das Zucken im Auge, wenn er sagt „Ich liebe dich“, was mir klar macht: Der Kerl schwindelt doch. Und selbst, wenn man die Sprache kann: Wenn man nicht sämtliche aktuelle Anspielungen versteht, hört man vielleicht, was die Schauspieler sagen – aber nicht, was sie hintergründig meinen. Natürlich kann man mit einer schlechten Synchronisation einen Film verhunzen. Aber alle anderen Möglichkeiten sind schlechtere Kompromisse für mich.
Der Gesprächspartner
Clemens Frohmann ist preisgekrönter Dialogbuchautor und Synchronregisseur und war bei Filmen wie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ oder „The Wolf of Wall Street“ für die deutsche Synchronisation verantwortlich. Er ist Mitglied in verschiedenen Branchenverbänden.
Können Sie Filme überhaupt genießen oder hört das analytische Ohr immer mit?
Naja, ich kenne die meisten Sprecher. Also ich höre dann schon: Ach, das ist ja der! Das analytische Ohr setzt eigentlich nur da ein, wo ich finde, dass die Synchronisation nicht passt. Wenn es gut gemacht ist, dann vergesse ich das eigentlich.
Sie sind Synchronregisseur und Dialogbuchautor. Was genau machen Sie da?
Als Autor schaue ich mir erstmal den Film an. In der Regel bekomme ich eine Übersetzung von jemandem, der mir auch geflügelte Worte und Hintergründe zum Text erklären kann. Das hilft mir, den Film zu verstehen. Und dann muss ich versuchen, Texte so zu schreiben, dass sie zu den Mundbewegungen passen. Was schwierig ist. Oft haben wir bei englischen Filmen das Problem, dass wir im Deutschen mehr Wörter für einen Satz brauchen. Sich zu entscheiden, was man weglassen kann und wie man dem Gesagten am nächsten kommt, ist eine Knobelei.
Wie machen Sie das?
Satz für Satz. Wir nennen das einen Take, also ein Stück von vielleicht zehn Sekunden. Den sieht man sich immer wieder an, schaut sich das Lippenbild an, überlegt sich einen Satz, spricht ihn drauf, guckt, ob es klappt, korrigiert und stellt um, bis man sagt: So passt es. Das ist natürlich unterschiedlich schwierig. Wenn man eine Großaufnahme hat, muss man sehr genau sein.
Warum ist das so schwer?
Das Bild ist wahnsinnig stark. Wenn bei einem englischen „th“ die Zunge zu sehen ist, wird das richtig schwierig, da muss dann unbedingt ein „s“ hin. Es gibt den sogenannten McGurk-Effekt, der demonstriert, dass man etwas hört, was gar nicht gesagt wird. Und das nur, weil man das Bild sieht. Man kann also das Bild nicht ignorieren – es kann sogar dazu führen, dass man ein anderes, falsches Wort hört.