Erregung und Ärgernis (5)

Angriff der Horrorclowns

Fotos: IMAGO Funke; Foto Services; Avalon.red; UPI Photo; NurPhoto

Spott als Instrument der Herrschaftskritik hat seine Wirkung vorerst verloren. Denn hinter dem demonstrativen Herumgekasper von Politclowns wie Donald Trump oder Javier Milei steckt harte Politik, die Spott und Kritik zum festen Bestandteil der eigenen Identität macht. Ein Plädoyer für mehr Humorlosigkeit.


Die erneute Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA stellt den vorläufigen Höhepunkt eines Phänomens dar, das man als „Clownspolitik“ bezeichnen könnte. Denn gerade in der Endphase des Wahlkampfes trieb er sein albernes Herumhampeln noch einmal auf die Spitze. Trump verkleidete sich als Müllmann, Trump arbeitete einen Tag bei McDonalds, Trump fellationierte ein Mikrophon. All das war nicht nur naheliegendes Material für die Comedy-Shows, die schon seit Jahren nichts anderes tun, als Trump zu verspotten, sondern auch ständiger Anlass für fast erleichtertes Gelächter über einen durch und durch peinlichen Mann. Doch dieses Lachen dürfte vielen Menschen nun endgültig vergangen sein.

Dass wir in einem „Zeitalter der Clowns“ leben, diagnostizierte Torsten Körner bereits in einem Radioessay aus dem Januar 2021. Er bezog sich dabei auf einen Artikel des Journalisten George Monbiot im „Guardian“, in dem es hieß: „Überall ergreifen die Killer-Clowns die Macht“. Monbiot nennt zahlreiche Beispiele: Boris Johnson, Nigel Farage, Donald Trump, Narendra Modi, Jair Bolsonaro, Rodrigo Duterte, Matteo Salvini, Viktor Orbán. All diese Politiker eint, dass sie in ihren öffentlichen Auftritten gegen die Regeln des normalen Umgangs verstoßen, und das auf eine Art, die gleichermaßen erschreckend und lächerlich erscheint. Es handelt sich um eine Politik der karnevalesken Transgression, eine Performance des Herumhampelns, die immer wieder den Eindruck vermittelt, man habe es mit zutiefst unernsten Menschen zu tun. Die Frage, die diese Inszenierung erzeugt, lautet: „Er hat was gemacht?“

Clownspolitik ist eine Form der politischen Kommunikation, die sich bewusst oder unbewusst, in jedem Fall aber sehr erfolgreich selbst der Lächerlichkeit preisgibt, und sich dabei auf die (bewusste oder unbewusste) Komplizenschaft der Medien verlassen kann. Für Monbiot sorgt diese Politik für Ablenkung von den eigentlichen Problemen der Gesellschaft: „Wir beobachten gebannt die Clowns, die uns ermutigen, die Wut, die eigentlich Milliardären vorbehalten sein sollte, auf Einwanderer, Frauen, Juden, Muslime, People of Color und andere imaginäre Feinde und die üblichen Sündenböcke zu richten.“

Billiger Ersatz für echte Systemkritik

Clownspolitik gedeiht daher in einer Zeit allgemeiner Unsicherheit. Das berechtigte Unbehagen vieler Menschen an einem Wirtschaftssystem, das unter der Last seiner Widersprüche immer mehr zusammenzubrechen droht, wird durch ein Netz aus Verschwörungstheorien aufgefangen, die als Ersatz für eine effektive Systemkritik dienen. Weil echte Formen des Widerstands gegen die Exzesse der Eliten fehlen oder erfolgreich unterdrückt werden, fallen viele auf clownartige Ersatz-Rebellen herein, die meist selbst zur Elite gehören. Das aktuell beste Beispiel ist der vollkommen enthemmt herumkaspernde Elon Musk, einer der mächtigsten Männer der Welt, der sich für seine unzähligen Fans dennoch erfolgreich als Außenseiter und Widerstandskämpfer zu inszenieren vermag. Eine Auseinandersetzung mit systemischen Problemen und struktureller Ungerechtigkeit wird durch die Befriedigung karnevalesker Verstöße gegen die guten Sitten der politischen Kommunikation ersetzt.

Es handelt sich dabei um ein international erfolgreiches Phänomen. Clownspolitik ist, wenn Boris Johnson – noch als Bürgermeister von London – an einem Drahtseil hängen bleibt, an dem er sich über einer Zuschauermenge abseilen wollte; oder wenn Hubert Aiwanger sich als Winnetou verkleidet. Ein gutes Beispiel ist auch der argentinische Rechtspopulist Javier Milei. Dieser inszeniert sich als irrer Kraftkerl, der mit Motorsäge und Lederjacke durch die Straßen zieht. Mit seiner wilden Tolle und den ungepflegten Koteletten sieht er aus wie ein gescheiterter Elvis-Imitator, der in Las Vegas auf die Straße gesetzt wurde. In den Medien wird er als „El Loco“ bezeichnet – der „Wahnsinnige“.

All das wirkt im Vergleich zur Ernsthaftigkeit, die man von modernen Politikern eigentlich erwartet, ausgesprochen lächerlich, vor allem, weil diese Performance von einer oft absurden Inkompetenz begleitet wird. Viel Spott erzeugte etwa die Nachricht, dass Milei (oder sein Redenschreiber) eine Rede des fiktiven Präsidenten Josiah Bartlet aus der Serie The West Wing plagiiert hatte. Diese Form des tölpelhaften Stolperns evoziert die Heiterkeit von politischem Slapstick. Ähnlich gelacht wurde auch, als 2016 bekannt wurde, dass Melania Trump aus einer Rede von Michelle Obama abgekupfert hatte.

Trügerisches Gefühl der Überlegenheit

Doch solche Pannen, die zum festen Repertoire der Clownspolitik gehören, schaden den politischen Karrieren ihrer Protagonisten nicht – im Gegenteil. Clownspolitik immunisiert sich erfolgreich gegen jede Form von Spott und Kritik, indem sie das Ausgelachtwerden zu einem festen Bestandteil der eigenen Identität macht. Durch die ausgestellte Inkompetenz wird eine Harmlosigkeit suggeriert, die dem Erschrecken über konkrete politische Überzeugungen den Stachel ziehen soll. Man hat ja auch keine Angst vor einem Menschen, der ständig auf einer Bananenschale ausrutscht.

Diese Art der politischen Kommunikation löst beim linksliberalen Bürgertum ein eigentümliches, fast behagliches Gefühl der Beruhigung und Überlegenheit aus. Handelt es sich am Ende nicht doch um harmlose Blödmänner, die viel zu inkompetent sind, um wirklich Schaden anzurichten? Clownspolitik erzeugt also bei den Verlierern dieser Politik ein beruhigendes Gefühl unterschwelliger Überlegenheit, während die Gewinner sich vor ihrer ressentimentgeladenen Stammwählerschaft weiterhin effektiv als Verlierer inszenieren können.

Torsten Körner hat diesen Mechanismus in seinem Essay anschaulich analysiert: „Stürzen kann der Clownspolitiker daher kaum, denn seine Anhänger sympathisieren mit ihm gerade als Gestraucheltem, als Gefallenem. Was er auf den Kopf bekommt, haben sie als Prügel längst eingesteckt, deshalb sind dem Politiker-Clown Fauxpas und Fettnapf hochwillkommen. Wer ihn verhöhnt, gehört zur Elite, wer ihn als Clown verspottet, verspottet sich selbst, denn einer wie Trump baut die Wirklichkeit um, während wir noch immer glauben, Zuschauer einer irren Reality-Show zu sein.“

Etablierte Medien sind am Erfolg der Clownspolitik in vielfacher Weise beteiligt. Zum einen liefern Verstöße gegen die Normen der politischen Kommunikation gute Geschichten, die garantiert Aufmerksamkeit erzeugen werden. Es gibt immer eine interessante Antwort auf die Frage: ‚Er hat was gemacht?‘ Zum anderen sind Clownspolitiker besonders geschickte Unternehmer in der Aufmerksamkeitsökonomie, weil sie wissen, wie man Bilder erzeugt, die viral gehen. Javier Milei mit der Motorsäge, Boris Johnson, der bei einem Ballspiel ein kleines Kind umrennt, Trump in der orangenen Weste eines Müllmanns – all diese Geschichten befriedigen ähnliche Bedürfnisse wie klassische Comedy-Formate. Transgression erzeugt Spannung, inkompetentes Stolpern erzeugt Spaß.

Jeden Tag ein politisches Halloween

Besonders spannend ist da, dass die Figur des Horrorclowns in den letzten zehn Jahren großen Erfolg hatte. Filme wie „Joker“, die Neuverfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker „It“ oder zuletzt der Slasher-Erfolg „Terrifier 3“ nutzen die Figur des bösen Clowns, um ein Maximum an Unheimlichkeit zu erzeugen. Im Fall des Horrorclowns wird diese Wirkung verdoppelt. Nicht nur weichen die Clowns von den Menschen ab, denen sie ähnlich sind; im Fall von Pennywise oder Joker weichen sie auch von den Clowns ab, die traditionell ja eigentlich Freude und Gelächter ins Leben der Menschen bringen sollen. Als 2016 eine Panik ausbrach, dass echte Horrorclowns nachts die Straßen unsicher machen könnten, konnte man das als Vorboten eines politischen Albtraums sehen, der seitdem das öffentliche Leben plagt.

Der kulturelle Aufstieg des Genres Horror und des Horrorclowns vollzog sich also parallel mit dem Siegeszug der Clownspolitik, die einen Zustand des ständigen politischen Halloweens erzeugt hat. Damit verbunden ist ein Gefühl von Unwirklichkeit, eine Atmosphäre, die gleichzeitig bedrohlich und harmlos, gefährlich und lächerlich wirkt – erregend und ermüdend. Lachen und Grauen wechseln sich ständig ab, der „Context Collaps“ des Doomscrollens, wo lustige Memes und süße Katzenbilder ungeordnet auf Nachrichten über Gewalt und Katastrophen folgen, ist zum Normalfall der Mediennutzung geworden. Der gleiche Politiker erscheint in einem Moment als erschreckender Autokrat, im nächsten als harmlos-inkompetenter Kasper. Um aus dieser unwirklichen, albtraumhaften Stimmung herauszukommen, müssen sich die Medien und ihre Konsument:innen der Freude am Gelächter über die Performance der Clownspolitik entwöhnen. Spott als Instrument der Herrschaftskritik hat seine Wirkung vorerst verloren. Das Auslachen lächerlicher Politiker ist ein reines Beruhigungsmittel, das die Lachenden darüber hinwegtäuschen soll, dass hier erfolgreich harte Politik gemacht wird. Das Einzige, was dagegen helfen kann, ist – leider – Humorlosigkeit.

9 Kommentare

  1. Vergessen wir mal nicht den Vater dieser Politik. Silvio Berlusconi er hat die Clownsschuhe getragen in die jeder jetzt gerne schlüpfen vermag.

  2. Man muss dem Autor leider rcht geben. Das Lächerlichmachen dieser Figuren hat zusätzlich vnoch was von einer Ad Hominem Attacke. Und es hat in den 80ern und 90ern auch nicht funktioniert, was Mad, Titanic und co, versuchten: Kohl las fetten, tolpatschigen Doofman zu verunglimpfen. Man hätte sich lieber an seiner miesen Politik abarbeiten sollen anstatt, wie die meisten Karikaturisten, ihn als „Birne“ zu verunglimpfen

  3. Mir ist der Humor diesbezüglich spätestens seit dem Ausgang der US-Wahlen in diesem Jahr gründlich vergangen.
    Ich denke auch, dass dieser Art von Umgang mit den aktuell alptraumhaften Ereignissen in allen Bereichen der Erde nicht zu einer Besserung oder gar einer Lösung beiträgt. Sondern – im Gegenteil – all diese Spinner wie Trump, Musk, Corona-Schwurbler, AfD noch zusätzlich gefährlicher macht.
    Leider fällt mir da keine Alternative ein. Mein gewähltes Stilmittel gegen diese geistigen Tiefflieger war auch immer der Humor bzw der Sarkasmus. Auch dieser bleibt mir zur Zeit im Halse stecken.

  4. Dass diese Inszenierung gewollt (statt nicht besser gekonnt) ist, will ich bei den vielen Beispielen kaum in Abrede stellen, aber das hier:
    „Filme wie „Joker“, die Neuverfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker „It“ …“ verkürzt den popkulturellen Bezug erheblich.
    Der Joker ist eine der am besten etablierten Schurkenfiguren der Popkultur. Er ist das Gegenstück zu Batman, der für das Gute kämpft und seine geheime Identität nach einem möglichst unheimlichen Tier gestaltet. Der Joker scheint keine (feste) bürgerliche Identität zu haben, auch bleibt offen, was für eine Geisteskrankheit – wenn überhaupt – er eigentlich hat, weil er schockierenderweise auch einfach nur so tut. Also genau das, was der Artikel beschreibt, nur wurde er 1940 eingeführt.
    _Jede_ denkbare Verfilmung von Es (Roman aus 1986) würde einen Horrorclown beinhalten, weil das ein zentrales Element der Vorlage ist. Traurigerweise musste King dazu seine Phantasie nicht allzusehr bemühen: einer der schlimmsten Serienmörder der USA, John Wayne Gacy, war bekannt für sein soziales Engagement und seine ehrenamtlichen Auftritte als Clown, u.a. in Kinderhospizen.
    (Ich fand Clowns nie besonders lustig…)

  5. Ich widerspreche im Großen und Ganzen nicht, aber dem Einstieg schon: Wieso ist Arbeiten bei MacDonalds ein Beispiel für „albernes Herumgehampel“? So ein elitärer Blick auf die Dinge hilft auch nicht weiter. Und die Müllweste war eine Reaktion auf Biden Kommentar, dass die Trump Anhänger doch „Garbage“ sein. (Und konservative Kommentatoren haben diese Bilder auf X als genialen Marketing-move gefeiert.)

  6. Der Artikel spricht ein wichtiges Thema an, das Teil eines größeren Medienversagens im Umgang mit Populisten ist.

    Aber wie kann man denn nur den Oberkasper in Deutschland vergessen, der von der heute Show schon nur noch als „Food-Influencer“ bezeichnet wird? (und ja, die heute Show macht damit genau den Fehler, der in diesem Artikel angekreidet wird)
    Das Demokratie-Verständnis von Markus Söder und seiner Partei ist ziemlich fragwürdig und gefährlich. Man muss nur beobachten, wie lieber symbolische Sprachverbote verordnet werden statt reale Probleme in Ämtern & Schulen anzugehen oder wie einfach mal per „ich bin der Chef“ die Diskussion zur Abschaffung von Exen abgewürgt wird. Von dem ganzen faktenfreien Grünen-Bashing und Gekuschel mit Rechtspopulisten will ich gar nicht erst anfangen.

  7. Herr Pörksen hat am Ende seines Buchs _Die große Gereitzheit_ auch einen Clown-Politiker-Typus drin. Einer seiner Thesen ist, dass das Internet eine neue „Verwundbarkeit“ schafft. Und jeder kann dadurch unvorteilhaft gezeigt werden, z.B. wenn sie in der Nase bohrt. Menschen möchten aber zu Führungspersonen moralisch aufschauen können und nicht die Schwächen sehen. Angesichts dieser Schwächen müssten wir mehr Toleranz aufbringen und nicht jeden sofort bei einem Fehler schassen. Denn das träfe nur die Politiker:nnen welche noch ernsthaft moralisch handeln möchten.
    Wenn wir uns nicht daran gewöhnen, dass Poltiker:nnen Menschen mit vorhandenen Schwächen seien, dann würden nur noch Clowns als Politiker übrig bleiben, denen eigene Schwächen und Verfehlungen komplett egal sind.
    Damit war klar Trump gemeint.

    https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/bernhard-poerksen-die-grosse-gereiztheit-9783446259560-t-2641

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