Glyphosat

Ein Symbolfoto mit Trecker und Spritze, bitte!

Das Thema Glyphosat ist ein bisschen komplex, lässt sich aber wenigstens schön bebildern.

Die Archive und Datenbanken sind voll von eindrucksvollen Motiven, in denen Traktoren mit weit ausladendem Gestänge über die Felder ziehen, und Giftzeug in dichten Schwaden verspritzen. Am Schönsten ist das natürlich mit dem satten Gelb eines blühenden Rapsfeldes:

glyphosat_raps_tagesschau

Das Problem ist nur: Was der Bauer da versprüht, ist mit Sicherheit kein Glyphosat. Um das zu wissen, muss man den Bauern nicht kennen. Nur die Wirkung und Anwendungsweise von Glyphosat.

Glyphosat ist ein Breitbandherbizid. Es ist praktisch für alle Pflanzenarten giftig. Wenn man es über einem Feld mit Getreide versprüht, vernichtet man nicht nur das Unkraut, sondern auch das Getreide.

Glyphosat wird nur über das Grüne der Pflanzen aufgenommen. Daher ist es zum Beispiel möglich, es unter Obstbäumen zu versprühen, ohne die Bäume zu vernichten. Auf Feldern wird es in der Regel aufgetragen, nachdem sie abgeerntet wurden.

(Es gibt eine Anwendung, bei der Glyphosat kurz vor der Ernte über Getreide versprüht wird, wodurch sie austrocknet. Dadurch kann der Landwirt auch bei ungünstiger Witterung ernten. Das ist allerdings seit einiger Zeit nur noch in Ausnahmefällen erlaubt.)

Wenn da auf dem schönen tagesschau.de-Bild also tatsächlich ein Glyphosat-Mittel auf dem Raps versprüht würde, wäre der Raps schnell hinüber.

Das Foto stammt von dpa, aber bei der Agentur ist von Glyphosat nicht die Rede. In der Bildbeschreibung heißt es:

Ein Traktor spritzt am 26.04.2011 bei Glauburg (Wetterau) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld mit Winterraps. In der konventionellen Landwirtschaft werden immer noch Chemikalien zur Abwehr von Schädlingen eingesetzt.

Klingt nach einem Insektizid. Es ist jedenfalls kein Glyphosat-Mittel, denn Glyphosat wird, wie gesagt, nicht so angewendet.

Außer in der „taz“ …

glyphosat_raps_taz

… bei der „Süddeutschen Zeitung“ …

glyphosat_raps_sz

… in der „Frankfurter Allgemeinen“ …

glyphosat_raps_faz

… und vielen anderen Medien.

Bei sueddeutsche.de fanden sie das Bild vom (nicht mit Glyphosat) besprühten Raps so attraktiv, dass sie eines davon sogar als Motiv genommen haben, um das ganze Thema „Glyphosat“ damit zu bebildern.

glyphosat_thema_sz

Bei „Zeit Online“ blüht er ihm Hintergrund:

glyphosat_zeit_teaser

Aber es muss ja nicht immer Raps sein:

glyphosat_traktor_tagesschau

Auch dieses Foto zeigt aus den obenen genannten Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Einsatz von Glyphosat – die Quelle dpa spricht nur von einem „Pestizid“. Für deutsche Medien ist es aber ein unwiderstehliches Symbolfoto für Glyphosat, von stern.de …

glyphosat_traktor_stern

… über sueddeutsche.de …

glyphosat_traktor_sz

… den Bayerischen Rundfunk …

glyphosat_traktor_br

… bis hin zu „Spiegel Online“:

glyphosat_traktor_spon

Nun handelt es sich bei dem, was auf diesen (und vielen anderen ähnlich irreführenden) Bildern versprüht wird, wenigstens noch um irgendeine Art von Pestizid. Die Online-Seite von „Geo“ zeigt zum Thema Glyphosat dieses Foto:

glyphosat_geo

Was dort gesprüht wird, ist gar kein Unkraut- oder Insektenvertilgungsmittel. Es ist Dünger. Und genau so steht es auch in der Bildbeschreibung der Agentur.

Nun kann man natürlich sagen, dass es doch nicht so darauf ankommt. Es sind halt nur Symbolfotos, die die Redaktionen da flächendeckend zeigen, die auf eine attraktive Art illustrieren, dass es um irgendetwas geht, das irgendwie auf deutschen Feldern versprüht wird.

Aber auf eine gar nicht subtile Art vermitteln diese Fotos natürlich, gerade in der Masse, immer wieder einen – falschen – Eindruck davon, wie dieses schwer umstrittene Mittel eingesetzt wird. Und jedem, der sich mit der Materie auskennt, signalisieren sie, dass es diese Redaktionen eben nicht tun.

Auf Facebook haben Leute in einem Album noch viele weitere falsche oder irreführende Glyphosat-Bilder gesammelt.

16 Kommentare

  1. Das, was Sie schreiben und implizit verlangen, steht offensichtlich bei dem Spiegel-Online-Artikel direkt unter dem Bild: »Pestizideinsatz auf einem Feld in Brandenburg«. Auf dem Ausschnitt wird zwar nicht deutlich, ob im Artikel nochmal auf das Bild eingegangen wird, aber direkt darunter wird jedenfalls nicht behauptet, dass auf dem Bild ein Traktor Glyphosat versprüht. Was wollen Sie also damit genau erreichen? Bilder gehören nun einmal zu jedem Artikel hinzu, wie sie unschwer wissen dürften.

  2. @Ric. D.: Das heißt, bei einem Artikel, in dem es um den FC Bayern geht, könnte man Ihrer Meinung nach auch einen Spieler von Borussia Dortmund abbilden, solange man drunterschreibt: „Fußballspieler.“

  3. Das „satte Gelb eines reifen Rapsfeldes“ ist allerdings auch Unsinn. Gelber Raps blüht gerade. Reifer Raps sieht kurz vor der Ernte ziemlich grau und vertrocknet aus.
    Abgesehen davon: Ein „Vorteil“ von Glyphosat ist es, dass es im Paket mit transgenem Saatgut verkauft werden kann. Die daraus entstehenden Pflanzen sind gegen das Systemgift resistent, alles andere – etwa Unkräuter – werden abgetötet. Beim Raps und anderen Kulturpflanzen ist das erlaubt u.a. in USA und Kanada. Wäre die Quelle des Bildes also eine nord-amerikanische – was ich nicht weiß -, könnte also hier tatsächlich Glyphosat ausgebracht werden.

  4. Korinthe: in den USA oder dem Rest der Welt, in dem GVO selbstverständlich sind, wären die Bilder ebenso idiotisch. Die RR-Pflanzen sollen vor Konkurrenz geschützt werden, d.h. man hat genau dann einen Vorteil von der herbiziden Wirkung, wenn man diese Konkurrenz auch erreicht = wenn die Nutzpflanzen den Boden nicht selber bedecken, gleich nach dem Auflaufen also, bis zu dem Zeitpunkt, an dem „die Reihen zu“ sind (von da an können die Pflanzen dann ihre Konkurrenz selber unterdrücken durch lichtmangel. Wer also beim Raps wartet, bis der blüht, um dann Kraut zu bekämpfen, der verschwendet sein Geld und hat schon Monate vorher geschlafen. Sehr unwahrscheinlich, das.

  5. Stefan:

    Aber dieser (nicht unwichtige) Absatz im DLF findet sich leider nicht in vielen Artikeln:

    „In diesem Kampf um die Wahrheit kann man dem ausführenden Bundesinstitut für Risikobewertung nur bedingt einen Vorwurf machen: es macht schließlich nur das, was international gültige Gesetze und Regelungen ihm vorschreiben. Dass nach diesen Regeln Studien zu erhöhten Krebsraten bei Menschen, aussterbenden Amphibien und an Botulismus erkrankten Tieren nur am Rande berücksichtigt werden, ist besorgniserregend.“

    Ein weiteres Beispiel dafür, wie Glyphosat-kritische Studien gerne mit Hinweis auf (angebliche) methodologische Schwächen vom Tisch gefegt werden, war etwa die Sache mit den dänischen Kühen:

    http://www.bfr.bund.de/cm/343/erste-einschaetzung-von-glyphosatfunden-im-urin-von-milchkuehen.pdf

    Und dann dauert es nicht lange, bis die Glyphosat-Unternehmen den Ball aufnehmen und urteilen: „Aufgrund des fehlerhaften experimentellen Designs ist keine sinnvolle Interpretation der Daten möglich.“

    http://www.glyphosat.de/glyphosatruckstande-im-urin-danischer-kuhe-stellungnahme-der-glyphosat-task-force

  6. Soll die fehlerhafte Verwendung von Symbolfotos nun bedeuten, dass Gylphosat-Kritik an sich fehlerhaft sei? Welche Botschaft verfolgt Niggemeier denn sonst mit diesem inhaltlich schwachen Artikel?
    Statt Umweltschützer zu diskreditieren, hätte ich vielmehr gewünscht zu erfahren, aufgrund welcher Lobbystrategien es überhaupt noch diskutiert wird, dass so ein Gift wieder zugelassen werden soll!

  7. @Robert Strassheim: Es ist schon erstaunlich, welche Unterstellungen man herbei konstruieren kann.
    Das was Sie Niggemeier da zu unterstellen zu versuchen ist wie, wenn man sagt: „Heute war ein regnerischer, ekliger Montag.“ Und dann vorgehalten bekommt, dass man sich nicht einfach nur über das Wetter beschweren will, sondern das Ziel hat, mit dieser Aussage den Montag als Tag diskreditieren.

    Ich glaube, Niggemeier will einfach darauf hinweisen, wie fahrlässig und ungeprüpft zum Teil mit Informationen umgegangen wird. Und hier geht es einfach um Informationen, die über Bilder transportiert werden.

    Als Ergebnis dieser durch Medien verbreiteten Fehlinformation könnten Menschen übers Land fahren und bei jedem sprühenden Trecker, den sie auf den Feldern zu Gesicht bekommen, den Eindruck haben, dass Landwirte immer und überall Glyphosat versprühen. Obwohl sie eigentlich nur düngen oder andere, weit weniger gesundheitsgefährende Stoffe austragen.
    Das macht einen deutlichen Bewusstseinsunterschied.

  8. Die falsche Bebilderung der Artikel ist deswegen so bedenklich, weil sie dem Verbraucher zu suggeriert, Glyphosat würde direkt auf „seine Lebensmittel“ gesprüht, was üblicherweise eben gerade nicht der Fall ist.
    Des weiteren weist sie darauf hin, mit wie wenig Sachkunde sich Redaktionen dem Thema widmen – die einfache Frage „Was ist das überhaupt für ein Zeug“ wäre ja schon ausreichend gewesen.
    Last not least mangelt es nahezu allen Artikeln unter den verstellenden Bildern an einer praktikablen Alternative (*suprise – dazu hätte man ja auch wissen müssen, was Glyphosat eigentlich tut). Aber das wäre dann ein eigenes Album wert.

    Nach 40 Jahren Zulassung und Einsatz kann man meiner Ansicht nach schon „etwas“ mehr erwarten, wenn die Medien mal wieder über die Bauern herfallen.

  9. In der Neuen Osnabrücker Zeitung hat ein Redakteur in einem Kommentar zum Thema Bayer/Monsanto das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat als „umstrittenes“ (immerhin) „Düngemittel“ bezeichnet. Meine Anfrage, ob Irrtum, Unkenntnis oder Vorsatz zu dieser Titulierung geführt hätten, wurde nicht beantwortet.

  10. Nur gut, dass die Ausnahmefälle auf dem Acker jetzt bei den Wetterkapriolen nicht zunehmen, denn die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein empfiehlt zum Beispiel, Stand 3.5.2016, die beiden Monsanto Produkte, RoundUp Powerflex und RoundUp Rekord, auch 14 Tage vor der Rapsernte zu versprühen.
http://www.lksh.de/fileadmin/dokumente/Landwirtschaft/Pflanze/Pflanzenschutz/Glyphosat/Glyphosat_EinsatzRaps.pdf
    Und auch in der Gebrauchsanweisung eines deutschen RoundUP Produktes, steht groß und deutlich, dass Roundup „…neben der Zulassung in allen Getreidearten zur Unkrautbekämpfung bzw. Ernteerleichterung (Lagergetreide) eine Zulassung zur Unkrautbekämpfung und Sikkation in Brassica-Arten (z.B. Raps, Senf) sowie Futtererbsen und Ackerbohnen.“ hat, und dass der optimale Zeitpunkt für die RoundUp Behandlung mit Powerflex 7-14 Tage vor der Ernte ist.
    http://bsl-online.de/fileadmin/01_content/pflanzenschutz/Roundup_TipponProsp_2013_VE_BSL.pdf
    Und wenn man bedenkt, dass Glyphosat auf dem Acker eine Halbwertzeit von durchschnittlich 32 Tagen hat, ist es wesentlich schlimmer für den Menschen, wenn RoundUp vor der Ernte eingesetzt wird, und nicht schon während der Rapsblüte.

    Kurz: Die Bilder der blühenden Rapsfelder auf die angeblich RoundUp gespritzt werden, verharmlosen auch noch die Gefahren von Glyphosat für den Menschen.
    Und das ist der wahre Skandal.

    P.S.: Und dass Glyphosat auch auf grünen Pflanzen verspritzt wird, wie symbolhaft auf den Bildern vom Bayrischen Rundfunk, SPIEGEL, GEO und der Süddeutschen, kann man hier sehen:
    https://www.youtube.com/watch?v=QhrZ6jhe9Q8
https://www.youtube.com/watch?v=gLuOtOLweC0

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