„Jewiki“

Die vermeintliche AfD-Wahlempfehlung der jüdischen Gemeinde

Ein weitgehend unbekannter deutsch-schweizerischer Religionswissenschaftler, der den Islam verbieten will und Angela Merkel für eine Verbrecherin hält, empfiehlt auf seiner Internetseite, die AfD zu wählen.

Gut, das wäre normalerweise keine Nachricht, aber die Internetseite von Michael Kühntopf trägt den Namen „Jewiki“ und bezeichnet sich als „größte Online-Enzyklopädie zum Judentum“. Und deshalb wird Kühntopfs Wahlempfehlung in rechten Kreisen nun herumgereicht als Beweis dafür, dass die AfD schon deshalb nicht antisemitisch sein kann, weil die jüdische Community zu ihrer Wahl aufrufe.

Kühntopf hat früher viel an Wikipedia mitgeschrieben. Dann kam es zu einem Zerwürfnis. 2011 gründete er „Jewiki“, eine Seite die aus zigtausend Wikipedia-Artikeln besteht und rund 1300 originären Inhalten, in denen er offenbar das Buchprojekt einer „jüdischen Chronik“ fortsetzt. Kühntopf ist nicht nur der Betreiber der Seite, sondern aktuell auch ihr einziger aktiver Autor.

Auf seiner Facebook-Seite lebt er seine Wut auf den Islam, die Regierung und das System aus. Er teilt Bilder, Slogans und Verschwörungstheorien von rechten Wutbürgern und Rechtsextremen.

Dass dieser Mann dazu aufruft, die AfD zu wählen, ist nicht überraschend. Dass er seine Internetseite „Jewiki“ zu einem entsprechenden Wahlaufruf nutzt, auch nicht. Aber dadurch, dass es scheint, als sei die Seite ein großes gemeinsames Projekt der jüdischen Gemeinschaft, lässt sich diese Meinung eines einzelnen Wutbürgers als eine „Aufsehen“ erregende Parteinahme ausgeben.

So wird sie zum Beispiel vom Nürnberger Kreisverband der AfD verbreitet:

Auf Twitter verlinken ebenfalls viele AfD-Anhänger die Seite oder einen Screenshot davon, um damit vermeintlich zu beweisen, dass „die jüdische Gemeinde“ sich für die Wahl der AfD ausspreche und Berichte über Antisemitismus in der Partei nur „Fake News“ sein könnten.

Entsprechend genutzt wird die Wahlempfehlung Kühntopfs unter anderem vom AfD-Bundestagskandidaten Malte Kaufmann und dem bekannten Publizisten der Neuen Rechten, der sich Martin Lichtmesz nennt.

Die AfD hat in den vergangenen Monaten immer wieder in jüdischen Kreisen für sich geworben. Der Zentralrat der Juden warnt davor, die Partei zu wählen, weil sie „eine Bedrohung unserer Demokratie, unserer Freiheit“ darstelle.

Nachtrag, 24. September. Die israelitische Kultusgemeinde Nürnberg hat gestern unter ausdrücklichem Bezug auf die Facebookseite des AfD-Kreisverbandes eine Anzeige in der „Nürnberger Zeitung“ geschaltet, in der sie vor der AfD warnt. Die Darstellung der AfD nennt sie „infam, unverschämt und bösartig“.

21 Kommentare

  1. Die Pedigioten haben auch immer einen Fahnenschwenker dabei, der mit der isaraelischen Fahne herumfuchtelt. Da hat natürlich reine Alibifunktion: „Seht her, wir sind gar nicht rechtsradikal und auch gar nicht antisemitisch, nein nein nein! Echt jetzt“

    Schuster vom Zentralrat der Juden warnt vor der AfD:
    Zu den umstrittenen Äußerungen von AfD-Parteichefin Frauke Petry, die AfD sei ein Garant für jüdisches Leben in Deutschland, sagte Schuster: „Wenn das jüdische Leben in Deutschland der Verteidigung durch die AfD bedürfte, hätte ich längst gesagt, alle Juden sollen Deutschland verlassen. Dann wäre ein jüdisches Leben hier nur schwer vorstellbar.“

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-07/antisemitismus-zentralrat-afd-josef-schuster-judenhass

  2. Lustig diese Kritik wenn man sich ansieht, welchen ideologisch aufgeladenen Background Boris Rosenkranz und Stefan Niggemeier haben (die Gründer von ÜberMedien). Wer im Glashaus sitzt… Und ich frage lieber nicht danach, in welch totalitären und gewaltbereiten Kreisen man diesen Blog oder diesen Beitrag gut findet.

  3. @Fred Milkereit – #2

    Zitat: Die Pedigioten haben auch immer einen Fahnenschwenker dabei, der mit der isaraelischen Fahne herumfuchtelt. Da hat natürlich reine Alibifunktion: ‚Seht her, wir sind gar nicht rechtsradikal und auch gar nicht antisemitisch, nein nein nein! Echt jetzt'“

    Ganz so einfach ist das (leider will man fast sagen) nicht.
    Auch wenn die Neue Rechte mittlerweile zu einer breiten Bewegung herangewachsen ist, in der sich auch viele klassische Neonazis tummeln, hat sie sich ursprünglich demonstrativ pro-israelisch positioniert. Auch wenn dort schon in den Anfangsjahren latente antisemitische Tendenzen erkennbar waren, war und ist diese pro-israelische Positionierung nur teilweise eine bewusste Abgrenzung zum Nationalsozialismus und zu Neonazis. Das Prinzip, „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, spielt dabei eine nicht minder bedeutende Rolle, weshalb die Neue Rechte gern auch zwischen guten Juden (konservative Hardliner im Nahostkonflikt) und schlechte Juden (liberale Juden) unterscheiden.
    Vorbildfunktion hatten hier sicherlich konservative Evangelikale der USA, die eine ähnliche pragmatische, bzw. eigennützige pro-israelische Position einnehmen.
    Die Internetseite PI, deren Rolle man bei der Enstehung der Neuen Rechten nicht unterschätzen sollte, schmückt sich bis heute mit den Begriffen „pro-israelisch“ und „pro-amerikanisch“, auch wenn diese seit der Umstellung auf ein neues Layout mehr oder minder versteckt wurden.

    Zitat: „Schuster vom Zentralrat der Juden warnt vor der AfD:[…]“

    Stimmt und Broder nennt Schusters Warnung vor rechtspopulistischen Netzwerken eine „gute alte Dhimmi-Tradition: Überleben durch Unterwerfung.“
    http://www.achgut.com/artikel/ueberleben_durch_unterwerfung

    Wie gesagt, es ist schon ein bisschen komplizierter und zudem verstörend, weil man sich so manch politischen Schulterschluss, der sich in den letzten Jahren entwickelt hat, mit Blick auf die Geschichte kaum nachvollziehen kann.

  4. Schreibkraft,
    Sie wissen, dass wir es weltweit mit einer lügenhaften Gemengelage zu tun haben. Da muss es zu Widersprüchen und Konflikten kommen, zumal die Worte mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt sind.

    Die wenigsten Menschen wollen Krieg, doch die meisten leiden unter Kriegen. Eine wirkliche Chance sehe ich darin, dass durch die Überschuldung ganze Systeme kollabieren, die gescheitert sind. Das erlaubt eine Rückkehr zu Tugenden, wie sie bis 1918 unser Weltbild geformt haben.

    Allein, dass mein gestriger Kommentar nicht freigeschaltet wurde, lässt tief blicken. Es herrschen endlose Streitereien um Weltsichten vor, statt an Lösungen zu arbeiten. Jede Lösung beginnt bei mir selbst. Deshalb habe ich mich aus christlichen Gemeinden und aus der Parteipolitik zurückgezogen.

  5. @asturia: klären Sie uns doch bitte auf – welchen ideologisch aufgeladenen Background haben die beiden? Und in welch totalitären und gewaltbereiten Kreisen findet man denn diesen Blog oder diesen Beitrag gut, Ihrer Meinung nach?

  6. Aha! Stefan Niggemeier, ich habe wieder etwas gelernt: Links zur eigenen Internetseite sind unerwünschte Werbung!

    Das fand ich im Wikipedia-Artikel über Sie:

    Über das Bloggen schrieb er: „Für mich ist es eine Sucht. Ein unstillbarer Hunger nach Aufmerksamkeit. Oder, um es positiver und weniger egozentrisch zu sagen: nach Kommunikation.“

  7. Da Kühntopfs Webseite nie als _die repräsentative_, sondern nur als _eine_ jüdische Stimme ins Feld geführt wurde, gibt es auch nur ein relevantes Faktum: Ist Kühntopf Jude? Der Artikel schweigt hierzu.

  8. @Hans Kolpak – #5
    „Sie wissen, dass wir es weltweit mit einer lügenhaften Gemengelage zu tun haben.“

    Ja, vor allem in Foren und Kommentarspalten unter Artikeln wird derzeit weltweit massenweise Mist behauptet.
    Aber ich nehme mal an, dass Sie dies, trotz einer anschaulichen Demonstration dieses Umsstandes, nicht meinten, sondern vermute, dass Sie meine Antwort auf einen Diskussionsbeitrag als Anlass nehmen, hier ihre wahnwitzigen Theorien zu verbreiten, die sonst womöglich als Spam oder Derailing aussortiert worden wären.

    Zitat: „Das erlaubt eine Rückkehr zu Tugenden, wie sie bis 1918 unser Weltbild geformt haben.“

    Ich würde ja fragen, ob Sie denn die reichsbürgerliche Absicht hegen, in Ihrem Kleingarten ein neues Deutsches Reich auszurufen, in dem Sie dann der Regent sind oder als Untertan einem bereits bestehenden Adelsgeschlecht huldigen (wollen). Aber da man Könige so oder so nicht wählen kann, wäre jeder Versuch, mich von ihrem Weltbild zu überzeugen, sowohl für mich als Mitglied des niederen Pöbels, als auch für Sie als Mitglied des traditionsreichen Geschlechtes der Kolpaks insbesondere am heutigen Wahlsonntag, an dem ich aktiv mitentscheiden kann wer künftig regieren wird, schlichtweg Zeitverschwendung.

    Aber davon abgesehen mal eine Frage zur Klärung meiner Hypothese, dass der Ursprung der Neuen Rechten im neoliberalen Spektrum des Bürgertums liegt: Wie schafft man eigentlich den ideologischen Sprung von der FDP, über eine radikallibertäre Kleinpartei zu einer geradezu phantatischen Monarchie, mit politischen Schnittmengen zur AfD?

  9. Schreibkraft – was ich früher auch war – ,

    hätte ich geschrieben:
    Zitat: „Das erlaubt eine Rückkehr zu DEN Tugenden, DIE bis 1918 unser Weltbild geformt haben.“

    … dann stimmte ich Ihrer Skepsis vorbehaltlos zu. Aber so wende ich mich wieder meiner Gartenarbeit und Waldarbeit zu. Die erdet mich und weitet mein Umweltbewusstsein. Immerhin ist das Anwesen fast 12.000 qm groß.

  10. @Hans Kolpak – #5

    Sorry, aber manchmal zünden realsatirische Pointen spät, sind dann aber umso absurder. Deshalb ein Nachtrag…:

    Zitat: „Das erlaubt eine Rückkehr zu Tugenden, wie sie bis 1918 unser Weltbild geformt haben.“

    Kommt es Ihnen, als jemand der in den 50er-Jahren geboren wurde, nicht selbst irgendwie schräg vor, wenn Sie „UNSER“ in der Kaiserzeit geformtes Weltbild schreiben?

  11. Nö! Zeitgeist ist nichts Schräges, Kultur und Nation auch nicht! Lasst die Menschen endlich in Frieden so leben, wie sie wollen, dann hören auch die Kriege auf!

  12. @Hans Kolpak – #14

    Zitat:“Nö! Zeitgeist ist nichts Schräges, Kultur und Nation auch nicht!“

    Sie dramatisieren! Zudem habe ich das nicht geschrieben, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass Sie (in den 50ern geboren) mir (in den 70ern geboren) was von unserem Weltbild schreiben, dass vor 1918 geprägt wurde.
    Mein Weltbild wurde entsprechend ab den 70ern geprägt und auch wenn ich im Sinne einer solidarischen Gesellschaft ein gewisses Gemeinschaftsgefühl durchaus begrüße, können Sie sich sicher sein, dass Sie und ich niemals irgendwas gemeinsam sein werden, das Sie dazu legitimiert, mir Ihr WIR und UNS überzustülpen. Aber das haben Sie ja, wenn auch auf Ihre ganz eigene Weise, offensichtlich bereits verstanden…:

    Zitat: „Lasst die Menschen endlich in Frieden so leben, wie sie wollen, dann hören auch die Kriege auf!“

    Da ich annehme, dass Sie mir nicht den Pluralis Majestatis zuteil werden lassen, gehe ich mal davon aus, dass Sie mich einer Gruppe zuordnen, von der Sie sich in ihrem Frieden bedroht fühlen.
    Das ist (so toll kann Demokratie sein) Ihr gutes Recht, obwohl ich in meinem Leben noch an keinem Krieg teilgenommen oder einen solchen auch nur befürwortet habe. Aber abschließend möchte ich dann doch noch feststellen, dass Sie zuerst auf meinen Kommentar geantwortet haben. Wollen Sie also vor Leuten wie mir Ihren Frieden suchen, wäre der erste Schritt in die richtige Richtung folglich, nicht mehr zu versuchen, diese in eine Diskussion zu verwickeln.

  13. Mit den Tugenden bis 1918 hören die Kriege auf. Köstlich, da hat einer während des Geschichtsunterichts den Höhlenausgang nicht gefunden.

  14. @ Hans Kolpak:
    Sie propagieren hier die das verdeckt nationasozialistische Menschenbild des „ethnischen Pluralismus“, der ideologisch und axiomatisch postuliert: „Gib jedem Volk sein eigens Lad und alle leben in ewiger Glückseeligkeit.“
    Diese These ist natürlich in keinster Weise belegt und mindestens so ideologisch aufgeladen, wie Sozialismus (Alle Gleich = Ewige Glückseeligkeit).

    Wenn man 15 Quadratkilometer Land besitzt ist ein gewisser Protektionismus ja durchaus nachvollziehbar. Da könnt‘ ja ein afghanischer Schafhirte kommen und das Land illegal bewitschaften. Oder so.
    Sie verstehen aber, dass es Menschen gibt mit weniger Privillegien?
    Mit echten Sorgen und Nöten, z. B. jeden Tag seinen Kindern genug Essen auf den Tisch zu servieren.

    Dass die Nationalkonservativen bei den Wohlhabeneden Großgrundbesitzern punkten konnten, geschenkt. Dass diese Angst haben, Privillegien zu verlieren, wenn sich in DE eine heterogenere Gesellschaftsstruktur entwickelt, klar. Bestest Beispiel ist der Herr Kolpak selbst.

    An dieser Stelle ein kurzer Exkurs: Natürlich sind Blogs eine Privatveranstaltung und Herr Niggemeier hat das (Haus-)recht Kommentare nicht freizuschalten. Auch das nennt sich freie Meinungsäußerung. Darüber können Sich sich wiederum dann in Ihrem Blog beklagen, usw.

    Was ich immer noch unbegreiflich finde ist, dass ein Trump, dass die AfD als „Stimme des kleinen Mannes“ angesehen wird.
    Wie schaffen es diese offen nationalistischen, elitären, superkapitalistischen Strömungen, dieses Punkrock-Image an sich zu binden?

  15. Nun ja, vor der AfD haben ja nun schon eine Reihe wichtiger Juden gewarnt, auch Frau Knobloch, die ich von vor 8 Jahren noch ganz anders bezüglich der Islamisierung in Erinnerung habe.
    Dass Juden sich nun wieder verstecken müssen, also sich besser nicht als Jude erkenntlich machen hat genau damit zu tun was die AfD bekämpft, nämlich der Islamisierung.
    Ich stelle viel Unlogik in der Argumentationskette fest.
    Dass in der AfD der eine oder andere Geschichtsrevisionist ist und unter den Wählern auch so mancher Antisemit damit kann ich besser umgehen als bei den, von „Die Linke“ welche die Hälfte ihrer Abgeordneten rausschmeißen müsste würde man den Maßstab Antisemitismus anlegen.
    BTW: Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wie bei WK 1 auch zu WK 2 die ersten ernst zunehmenden Historiker beginnen werden die Geschichte zu revidieren. Das hat nichts mit Liebe zur Wahrheit zu tun sondern wird aus reiner Eitelkeit geschehen.
    BTW: Zitat Napoleon „Geschichte ist eine Lüge, auf die man sich geeinigt hat.“

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