Wieso ist das so? (23)

Warum entstehen Schlagzeilen meistens aus Problemen – und selten aus Lösungen?

Exklusiv für Übonnenten
Krieg, Klimakrise, Rechtsruck, Armut: Negative Schlagzeilen sind in Medien überpräsent. Ist konstruktiver Journalismus besser?
Screenshots: tagesschau.de, Zeit, SWR, Handelsblatt

Krieg, Klimakrise, Artensterben, Populismus, soziale Ungleichheit: Stoff für negative Schlagzeilen gibt es ohne Ende. Geht das auch anders? Konstruktiver Journalismus versucht es zumindest. Er will nicht die Probleme in den Mittelpunkt stellen, sondern über Lösungen berichten. Aber ist das nicht Schönfärberei? Ist es nicht die Aufgabe von Journalismus darüber zu berichten, was schlecht läuft? Und warum verstehen manche Journalisten die Idee des konstruktiven Journalismus falsch? Darüber haben wir mit dem Medienwissenschaftler Uwe Krüger von der Uni Leipzig gesprochen.  


 

Übermedien: Liest man täglich Nachrichten, kann das schnell ermüdend sein: Negative Schlagzeilen sind allgegenwärtig. Ein Drittel der Deutschen vermeidet unter anderem deshalb aktiv Nachrichten. Sollten Journalisten mehr über Lösungen statt über Probleme berichten?

Uwe Krüger: Sie sollten wohl über beides berichten. Traditionell liegt es aber in den Genen von Journalisten, dass sie eher über die Probleme schreiben und senden. Das hat auch anthropologische Gründe, weil es schon den Urmenschen interessiert hat, ob da ein Säbelzahntiger hinter dem nächsten Busch lauert. Ich unterstütze aber die These, dass im Journalismus über Negatives öfter und größer berichtet wird als etwa über Lösungsansätze oder vielleicht auch langfristige und ermutigende Tendenzen. Wenn man redaktionell arbeitet, guckt man natürlich auf das, was anders ist als gestern, was sich knackig und überschaubar verändert hat. Und das ist oft etwas Negatives.

Journalisten sollten doch vor allem über Dinge berichten, die nicht gut laufen.

Wo steht das? Aus einer akademischen Perspektive würde ich jetzt sagen: Journalisten sollen über Themen berichten, die neu, faktisch und relevant sind.

Das ist eine gängige Berufsauffassung: Journalismus als Korrektiv. Wir müssen doch schauen, wo in der Politik Dinge falsch laufen und darüber berichten.

Journalisten sollten auf jeden Fall die vierte Gewalt sein und Kritik und Kontrolle üben. Aber nicht alles, was negativ ist, ist auch wirklich relevant. Und: Kritische Berichterstattung muss nicht immer nur das Aufdecken von Missständen bedeuten. Ich kann auch Beispiele recherchieren, wo es woanders besser gemacht wird und damit die lokalen oder nationalen Machthaber indirekt unter Druck setzen, weil das Publikum dann weiß: Es ginge ja auch anders.

Manche Leute haben dabei das Gefühl, man schreibe ihnen vor, was sie denken oder was sie gut finden sollen. Können Sie das verstehen?

Ja, absolut. Wenn ich Lösungsansätze vorstelle, tue ich das zwangsläufig auf einer Wertegrundlage und unter bestimmten Prämissen, die nicht alle teilen. Wenn ich eine Klima-Lösung vorstelle, sage ich auch, dass es einen menschengem…

1 Kommentare

  1. In der DDR und im „Tal der Ahnungslosen“ überwiegend ohne Westfernsehen aufgewachsen, war ich vor allem Berichterstattung der „unglaubwürdig positiven“ Art gewohnt.

    Nach der Wende nahm ich Nachrichten und Journalismus und überhaupt den „frühe 90er gesamtwestdeutschen TV-Moderatoren-Tonfall“ als grundsätzlich negativ und übermäßig dramatisierend wahr, woran sich bis heute wenig geändert hat.

    Mir sind beide Extreme zuwider. Ich finde auch nicht, dass es überhaupt Aufgabe der Presseorgane ist, gezielt bestimmte Emotionen zu wecken. Drum halte ich entsprechend auch nichts von Hetzblättern die mit krachgigantischen Buchstaben wieder irgendeine (meist frei erlogene) Kuh durchs Dorf treiben. Die können gern als Propaganda eingestufte Inhalte publizieren, aber bitte nicht als „Zeitung“.

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