Notizblog (25)

Was haben Reporter und Wirbelstürme gemeinsam? – Sie rasen nicht.

Wenn man Journalisten fragt, was Hurrikans eigentlich beruflich machen – jede Wette, die häufigste Antwort ist: rasen.

Dabei sind es tropische Wirbelstürme, keine Rasstürme; sie drehen sich mit großem Tempo, aber sie bewegen sich vergleichsweise langsam fort. Außer in den Nachrichten, wo sie fast immer gerade auf irgendeine Küste „zurasen“.

Aktuell tut das der Hurrikan „Milton“, der sich auf Florida zubewegt und – unter anderem aufgrund des sehr warmen Meerwassers – außergewöhnlich stark ist. Er erreicht Windgeschwindigkeiten von über 250 km/h, aber er bewegt sich aktuell mit bloß 20 bis 30 km/h vorwärts. Ein Wirbelsturm kommt üblicherweise gerade mal so schnell voran wie ein Radfahrer. Das ist gut zu wissen, wenn man mal in die Situation kommt, mit einem Fahrrad vor einem Wirbelsturm wegfahren zu wollen, macht diese Unwetter aber besonders gefährlich, weil sie entsprechend viel Zeit haben, an den einzelnen Orten Verwüstungen anzurichten.

Dass Hurrikans sich nur langsam fortbewegen, könnte man auch daran merken, dass sie sich regelmäßig mehrere Tage in den Nachrichten aufhalten, bevor sie irgendwo auf Land treffen. Ein Hurrikan, der am Wochenende schon vom Golf von Mexiko aus auf die Küste von Florida losraste, könnte ja spätestens am Dienstag oder Mittwoch mal eingetroffen sein, wenn man nicht davon ausgeht, dass er zwischendurch rechts ranfährt, um seine alten Sanifair-Bons einzulösen.

Nein, „Milton“ rast so wenig auf die Küste zu wie all die anderen tropischen Wirbelstürme, er kommt gemächlich angedackelt (was, zugegebenermaßen, angesichts der zu erwartenden Schäden und Opfer keine brauchbare semantische Alternative ist, aber Varianten von „sich nähern“ tun es ja auch).

Doch in den deutschsprachigen Redaktionen schreibt sich das Wort „rast“ in „Hurrikan“-Überschriften einfach von selbst (von Nachrichten in Hörfunk und Fernsehen ganz zu schweigen):

Hurrikan „Milton“ rast auf Florida zu
Überschriften zum Ausrasen Screenshots/Ausrisse: „Die Presse“, „Süddeutsche Zeitung“, „Handelsblatt“, „Tiroler Tagblatt“, „Kleine Zeitung“, „Berliner Morgenpost“, „Der Standard“, „Tagesspiegel“, AFP, „Tagesschau“, „Südkurier“, „Bild“, „Der Westen“, „Neue Presse“, „Kreiszeitung“

Und vielleicht es keine gute Idee, wenn ein Artikel schon seine Wirkungslosigkeit beschwört, aber: Das wird sich auch nach diesem Text nicht ändern.

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