Unnötige Duschszenen im deutschen TV

Kann mal bitte jemand das Wasser abdrehen?

Exklusiv für Übonnenten
Im ZDF-Thriller „Unsichtbare Angreifer“ beobachtet ein Roboter – und mit ihm das Fernsehpublikum – die weibliche Hauptfigur unter der Dusche.  Screenshot: ZDF

In der Münchner „Tatort“-Folge „Game Over“ stürmen Polizisten die Wohnung eines Verdächtigen. Er selbst ist nicht zu Hause, nur seine Schwester. Die Beamten erwischen die junge Frau nicht am Home-Office-Schreibtisch, beim Hula-Hoop oder beim Lesen, sondern unter der Dusche. Sie erschrickt und schreit, dabei hält die Kamera durch das beschlagene Glas frontal auf ihren nackten Körper. Schließlich reicht ihr ein Kommissar gnädigerweise ein Handtuch.

Wie kommen solche Szenen zustande? Wie muss man sich das vorstellen, im Writers‘ Room oder am Filmset? Brainstormen Autor*innen, wie sie das Drehbuch noch ein wenig aufpeppen könnten? Überlegen Regisseur*innen, welche Einstellung noch für den Schnitt fehlt? Klar, eine Duschszene muss her! Am besten mit einer Frau! Hat nichts mit der Handlung zu tun? Egal.

Klar ist jedenfalls: Im deutschen Fernsehen wird wahnsinnig viel geduscht. Keine andere Sequenz ist so überstrapaziert und so auserzählt wie die Duschszene. Und während literweise Wasser in den Abfluss rinnt, passiert, nun ja, nicht viel.

Ein paar Beispiele der vergangenen Monate aus den Mediatheken:

Im Smart-Home-Thriller „Unsichtbarer Angreifer“ (ZDF) steht die weibliche Hauptfigur unter der Dusche, als sich die Badezimmertür langsam öffnet und ihr Hausroboter reinfährt. Durch seine „Augen“ blicken wir von hinten auf die nackte Frau. Die Kamera nimmt sie in den Fokus. Als die Frau den Luftzug durch die offene Tür bemerkt und hinsieht, ist der Roboter schon wieder verschwunden.

Im ZDF-Film „Kleine Eheverbrechen“ steht die Frau unter der Dusche, als ihr Ehemann zur Tür reinkommt, weil er sich nach einem Streit mit ihr versöhnen will. Die Kamera filmt auf ihre Brüste, während er vollbekleidet in Lederjacke dasteht.

Gender-Nacktszenen-Gap: Im Drama „Kleine Eheverbrechen“ versöhnt sich ein Paar im Badezimmer.  Screenshot: ZDF<…

2 Kommentare

  1. Gut argumentiertes, belegtes und sehr nachvollziehbares Plädoyer, dem ich mich gerne anschließe – auch wenn ich fürchte, dass es noch eine Weile dauern wird, bis sich die Situation ändert.

    Freie Assoziation am Rande:
    Die TV-Duschszene, auf die ich persönlich ja seit 2021 warte, ist eine Montage des duschenden Wolfgang Kubicki, der immer mal wieder dezentem Klopfen an der Badezimmertür mit einem harschen: „Ich dusche solange, bis ich fertig bin!“ begegnet, während die Uhr an der Badezimmerwand (oder noch besser: die durchs Fenster zu sehenden, wechselnden Jahreszeiten) das Verstreichen der Zeit illustriert.

  2. Gleiches gilt übrigens für S*xszenen. Das ist mir schon in den 90ern aufgefallen. Während die Amis als prüde belächelt wurden und dort der GV nur unter der Decke bis zum Kinn gezeigt wurde gab es praktisch ständig im deutschen TV irgendwelche überflüssigen S*xszenen, gerne auch im Vorabendprogramm. Ich frage mich, ob es überhaupt eine Schauspielerin aus der Zeit (und auch später) gibt, die noch nicht ihre nackten Brüste im deutschen TV zeigen musste. Und spätestens seit Erfindung des Internets bleiben diese Szenen auch für immer bestehen. Dabei sind diese Szenen selten auf Ästhetik ausgelegt sondern nur auf plakative Fleischbeschau.

    Was den »Gender-Nacktszenen-Gap« angeht, ist natürlich das grundsätzliche Problem gegeben, dass Männer mit nacktem Oberkörper nichts Ungewöhnliches sind, Frauen dagegen schon, da die Brüste erogene Zonen sind. Das ist aber eh ein gesellschaftliches Ungleichgewicht, wobei ich persönlich dazu neigen würde gerne beides bedeckt zu halten. Denn auf oberkörperfreie Männer z.B. im Sommer kann ich gerne verzichten.

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