Wichtiges Foto unterschlagen?

Fotograf distanziert sich von NZZ-Reportage über Ort des „Geheimtreffens“

Exklusiv für Übonnenten

Das Eichhörnchen hat es Alexander Kissler angetan. Als der Autor der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) Anfang des Jahres den Ort des „Geheimtreffens“ in Potsdam besucht, über das Correctiv zuvor berichtet hatte, widmet er dem Tier den Einstieg in seinen Text. Denn für Kissler ist das Eichhörnchen, das im Garten des Landhauses Adlon mal hoch auf den Baum klettert und dann wieder unten im Gras sitzt, nicht nur eine idyllische Beobachtung „an diesem kalten Wintertag“. Es dient ihm als Allegorie dafür, dass „eben alles eine Frage der Perspektive“ sei, „auch das, was sich am 25. November des vergangenen Jahres abgespielt haben soll“.

Man weiß nicht, was das Eichhörnchen mitbekommen hat von den Besuchen verschiedener Journalisten in den Wochen nach der Correctiv-Enthüllung. Aber um das, was sich dann dort abspielte, ist nun ebenfalls eine erstaunliche Diskussion um die richtige Perspektive entstanden, ausgelöst durch den Fotografen, der Kissler damals begleitete.

Seit Monaten wird viel über die Correctiv-Recherche über ein Treffen von Konservativen und Rechtsextremisten diskutiert; darüber, was genau bei dem Treffen eigentlich besprochen wurde. Dass es Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Qualität der Geschichte gibt, schieben die einen auf die Vorgehensweise und Aufbereitung der Correctiv-Geschichte selbst. Zahlreiche kleinteilige Rechtsstreitigkeiten zum Text, aber auch (rechtspopulistische) Medien und Politiker, die die komplette Geschichte als „Lüge“ abstempeln, tragen ihren Teil dazu bei.

Versuchte Image-Rettung

NZZ-Hausbesuch im Landhaus Adlon: "Es gab keinen Masterplan Remigration"
Artikel vom 3.2.24 Ausriss: NZZ

Auch Wilhelm Wilderink, der Eigentümer des Landhauses Adlon, spricht in der NZZ von einem „Lügenkonstrukt“, das Correctiv aufgebaut habe. Einen „Masterplan Remigration“ gebe es nicht, behauptet er in der Geschichte, die am 3. Februar erschien. Dass Wilderink das sagt, ist nicht überraschend. Schließlich geht es für ihn um seinen Ruf und den seines Veranstaltungshauses. Ein Treffen, bei dem ein bekannter Rechtsextremist darüber spricht, wie man Leute, die in unserem Land leben, wieder loswird, ist vielleicht nicht gut fürs Image.

Der NZZ-Text ist ein reportagiger Hausbesuch über einen Unternehmer, der die Folgen der Correctiv-Recherche zu spüren bekam – und jetzt versucht, die Verantwortung von sich zu weisen und den Schaden zu begrenzen. Und die NZZ gibt ihm dafür viel Raum. Es sei „nichts Böses“ gesagt worden, er sei kein Gastgeber des Treffens gewesen, und dass bei dem Treffen auch Mitglieder der AfD waren, habe er nicht verhindern können und wollen. Das ganze Treffen sei „mittel aufgehängt, (…) ganz klein verlaufen und hatte keine finanzielle und inhaltliche Bedeutung.“ Dass Martin Sellner eine Stunde lang aus seinem Buch „Regime Change von rechts“ referierte, bestreitet im Artikel allerdings niemand, ebenso wenig, dass es bei dem Treffen um „Remigration“ ging.

Fotograf ließ seinen Namen aus Artikel entfernen

Begleitet wurden NZZ-Autor Kissler und sein Kollege bei dem Besuch von dem freien Fotografen Nikita Teryoshin und dessen Assistenten. Dass die Fotos, die die NZZ zu ihrem Online-Artikel veröffentlichte, von ihm stammen, ist allerdings nicht mehr zu erkennen. Denn Teryoshin, das erzählt er im Übermedien-Gespräch, habe die Redaktion gebeten, seinen Namen zu entfernen. Er wollte nicht mehr mit der Geschichte in Verbindung gebracht werden.

Am vergangenen Montag veröffentlichte Teryoshin bei Instagram einen Post, in dem er der NZZ vorwirft, ein wichtiges Detail des Ortstermins im Landhaus Adlon weggelassen zu haben. Auf dem Foto, das er auf seinem Kanal mit rund 37.000 Abonnenten teilte, ist ein Flipchart zu sehen, also eine Art Riesen-Klemmbrett für Workshops. Auf das vordere Blatt hatte jemand in großen Filzstiftlettern „REMIGRARE“ geschrieben, das lateinische Verb, von dem sich der Begriff „Remigration“ ableitet. Das Flipchart entdeckte Teryoshin ausgerechnet in dem Sitzungssaal, in dem auch das sogenannte Geheimtreffen stattfand.

Instagram-Post von Fotograf Nikita Teryoshin: Kritik an NZZ-Berichterstattung
Screenshot: Instagram / @teryoshi

In der NZZ-Geschichte steht darüber nichts. Auch das Bild veröffentlichte die Z…

6 Kommentare

  1. Es ist eine Wohltat, wie sachlich und gut solche Sachverhalte bei Übermedien dargelegt werden. Dass nicht immer gleich die NZZ-Leute die Bösen sind und die anderen gut oder – je nach Absender*in – umgekehrt, hilft beim Verstehen und entspannt mich beim Lesen, weil ich nicht immer mitdenken muss (wie sonst oft), dass das wahrscheinlich wieder nur die halbe Wahrheit ist. Dass ich Sie und die anderen Übermedien-Autor*innen dafür lobpreise, ist natürlich verdient, aber schockierend, weil es halt eigentlich eine journalistische Selbstverständlichkeit sein sollte.

  2. Was soll es eigentlich bringen, den Besitzer des Veranstaltungsortes zu der Sache zu befragen?
    Hört der seine Räume ab, Dr.-Mabuse-Stil?

  3. Mir gefällt am besten die Frage ob die NZZ villeicht nicht anspricht, was im Raum steht. Dazu hätte ich gerne ein werbeposter.

  4. Im Film „Four Lions“ gibt es ja unter anderem den Moment, als ein muslimischer Mann sich als Selbstmordattentäter ausgibt und eine vermeintliche Bombe zündet, die aber eine Attrappe ist und mit Konfetti explodiert. „nur weil ich Muslim bin, dachtet ihr es sei echt!“ beschuldigt er dann die Anwesenden.

    Daran fühle ich mich bei der Nius-Aktion erinnert. „Nur weil in diesem Raum die Remigration geplant wurde, glaubt die Presse gleich, das Flipchart sei echt!“

    Am Ende wird der junge Mann im Film zum Selbstmordattentäter, und der Typ von Nius womöglich auch zum Sellner-Fan. Wer weiß…

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