Wieso ist das so? (19)

Wieso darf ein Politiker ein Interview überarbeiten, bevor es gedruckt wird?

Zeitungsstapel
Autorisierung von Interviews: bei Zeitungen und Magazinen Alltag. Foto: IMAGO / Zoonar

In Deutschland ist es üblich, Interviews in Textform vor der Veröffentlichung an den Gesprächspartner zu schicken. Der kann dann Stellen aus dem Text streichen oder hinzufügen. Aber wieso ist das eigentlich so? Ist ist das nicht ein Eingriff in die Freiheit von Journalist:innen? Warum braucht es eine Autorisierung, wenn sowieso ein Aufnahmegerät mitläuft? Wir haben „Stern“-Journalist Veit Medick gefragt, wie er zur Autorisierung steht, ob ihm schonmal ein Interview zu sehr verfälscht wurde und ob bei Interviews mit AfD-Politiker:innen andere Regeln gelten. 


Übermedien: Herr Medick, Sie haben schon einige große Politiker-Interviews geführt, zum Beispiel mit Peer Steinbrück, Alice Weidel, zuletzt mit Olaf Scholz. Ist das Interview Ihre Lieblings-Darstellungsform?

Veit Medick: Nein, nicht grundsätzlich. Ein Portrait oder eine Reportage können nochmal eine andere Form von Tiefe schaffen. Aber Politiker-Interviews sind eine tolle Gattung, wenn sie lebhaft, analytisch und vielleicht sogar persönlich sind. 

Wie viele Ihrer Interviews haben tatsächlich so stattgefunden, wie Sie dann erschienen sind?

Keines zu 100 Prozent. Das liegt am Autorisierungsprozess, der in Deutschland eine geübte Praxis ist. Diese Gelegenheit zur Absprache, die man der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner bietet, erlaubt einen gewissen Spielraum für beide Seiten. Das kann das Produkt etwas verändern. Es ist aber in der Regel nicht so, dass der Autorisierungsprozess zu einem komplett anderen Interview führt als das, was man auf Band hat. Theoretisch könnte man das Gespräch von vorne bis hinten umbauen und umschreiben, solange das für die andere Seite in Ordnung ist. Aber das ist ja auch eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit. Wenn man nachher ohnehin alles umschreibt, braucht man sich nicht zusammensetzen.

Glauben Sie, den Lesern ist diese Autorisierungspraxis bewusst?

Sicher nicht allen. Die, die sich intensiver mit Medien auseinandersetzen und für die journalistische Praxis interessieren, wissen das wahrscheinlich. Ich halte es aber nicht für entscheidend, dass das alle unbedingt wissen.

Also sollte über Interviews kein Verweis auf die Autorisierung stehen?

Es geht häufig vor allem um sprachliche Glättung und um eine gewisse Form von Lebendigkeit, die man so noch zusätzlich erzeugen kann. Dafür braucht es keinen Disclaimer. Das klingt ja gleich so, als ob das was Illegitimes wäre.

Würden Sie ohne Autorisierung mehr Interviews führen?

Nein. Ein Interview, das nicht autorisiert werden muss, ist nicht zwangsläufig besser. Ich würde sogar sagen, es ist häufig schlechter. Der Gesprächspartner ist sich sonst immer bewusst, dass jedes seiner Worte genau so gesendet wird. Das sorgt für stärkere Selbstkontrolle. Live-Interviews können wahnsinnig langweilig, nichtssagend und unpointiert sein, weil jeder weiß: Hier darf mir kein Fehler unterlaufen.

Was ändert sich, wenn man dem Gesprächspartner eine Autorisierung zusagt?

Das öffnet einen vertraulicheren Rahmen, in dem man vielleicht etwas offener formuliert, als es der Interviewte live vor einer Kamera tun würde. Es hat atmosphärische Vorteile, wenn klar ist, dass man sich nach dem Gespräch nochmal abspricht.

Hebt sich dieser Vorteil durch die Autorisierung nicht manchmal auf? Dinge, die man nur wegen der lockeren Atmosphäre gesagt hat, können dann wieder weggestrichen werden.

Ich sehe schon die Schwächen. So ein Verhandlungsprozess kann auch total schiefgehen. Da bekommt man plötzlich eine Version, die der Interviewpartner komplett umgeschrieben hat. Ich erinnere mich an ein Interview mit Sigmar Gabriel vor einigen Jahren: Das habe ich mit 15.000 Zeichen hingeschickt und es kamen 30.000 von ihm zurück. Wir haben das in mehreren Verhandlungsrunden wieder auf etwa 15.000 Zeichen runter bekommen. Solche Exzesse nerven unheimlich. Oder man freut sich über eine bestimmte Formulierung, die man im Interview gehört hat, weil man weiß, dass sie Reibung erzeugt. Und dann ist die Aussage plötzlich nicht mehr in der autorisierten Fassung. Als Journalist, der das schon länger macht, stellt man sich darauf ein.

Interviews werden in der Regel aufgenommen. Warum braucht es eine Autorisierung, wenn es einen Beweis dafür gibt, wie das Gespräch abgelaufen ist?

Manche Formulierungen sind auf Band einfach nicht besonders klar. Nicht jeder ist in der Lage, seine Gedanken präzise ins Aufnahmegerät zu diktieren. Auch ich nicht. Die Autorisierung bietet Gelegenheit, das Gespräch zu schleifen, die Konturen klarer zu machen, etwas pointierter auszudrücken und vielleicht mal einen Fehler rauszunehmen. Ich finde, das ist ein fairer Prozess in beiderseitigem Interesse.

Warum werden eigentlich nur Interviews autorisiert und Zitate in einer Reportage nicht unbedingt? Ist da die Gefahr, etwas aus dem Kontext zu reißen, nicht höher?

Wenn ich ein Portrait schreibe oder einen Politiker länger begleite, lege ich ihm jedes Zitat nochmal vor. Mein Ziel ist es nicht, jemanden zu verarschen. Mich interessieren schon gute, prägnante Sätze, die vielleicht auch von anderen Medien zitiert werden. Aber ich will das nicht hinterrücks machen. Das muss schon im vollen Bewusstsein des Gesprächspartners geschehen. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Alles andere ist journalistisch unprofessionell und unfair.

Wann wird Autorisierung zur Zensur?

Ich habe selbst noch keine solche Erfahrungen gemacht. Es ist manchmal ärgerlich, wenn etwas rausgestrichen wird. Aber ich hatte noch nie eine Situation, in der mir mit einem Veröffentlichungsverbot gedroht wurde. Es gibt immer ein Argument dafür, warum etwas ersetzt oder verändert wird. Und es kann eben auch das Gegenteil passieren: Dass man das, was zurückkommt, noch viel besser findet, weil der Gedanke klüger und verständlicher ist als im Original.

Die „taz“ hat 2003 ein geschwärztes Interview mit Olaf Scholz veröffentlicht, weil zu viel geändert wurde. So einen Fall hatten Sie also noch nicht.

Bei Sigmar Gabriel gab es schon einen Punkt, an dem ich dachte: Moment mal – da brauchen wir kein Interview führen, wenn er mir danach ganze Aufsätze zumailt. Erstens haben wir den Platz nicht, zweitens bildet das den Charakter des eigentlichen Interviews nicht mehr ab. Da mitzumachen, würde mich selbst unglaubwürdig machen. Aber sowas passiert sehr, sehr selten.

Geschwärztes Interview in der "taz" 2003
Geschwärztes Interview in der „taz“ 2003 Ausriss: „taz“

Wie ist das mit Ihren Fragen – schleifen Sie die im Nachhinein auch nochmal nach?

Ich finde es eher unredlich, den Autorisierungsprozess dafür zu nutzen, seine eigenen Fragen nochmal kritischer zu machen. Das kann man hier und da mal tun, aber ich finde es nicht in Ordnung, aus einem freundlichen Interview ein scharfes Interview zu machen. Zu einer guten Gesprächsführung gehört, die richtigen Stellen zu identifizieren, an denen man hart reingeht und konfrontativ wird. Dafür kann man an anderen Stellen offener und ruhiger fragen. Genau daraus entsteht eine Dynamik.

Was halten Sie von nachträglich eingebauten Zwischenfragen?

Ich bin ein Fan von eher kurzen Antworten. Dadurch bekommt das Interview einen Rhythmus. Nichts ist schlimmer als eine ewig lange Antwort zu Beginn des Interviews. Trotzdem ist es manchmal so, dass jemand mehr Platz für seine Antwort braucht oder sie bei der Autorisierung verlängert. Da finde ich es schon der Stilistik und Leserfreundlichkeit wegen legitim, eine Zwischenfrage einzubauen – auch wenn sie im Grunde nichtssagend ist. So was wie: Wie genau meinen Sie das?

Interviews wie das von Luke Mockridge im „Stern“ wurden kritisiert, weil sie ihm bei der Imagereparatur helfen. Finden Sie, ein Interview ist für jedes Thema eine gute Darstellungsform?

Ich finde schon. Das mögen andere anders sehen, aber warum sollte man als Journalist von vornherein sagen: Das traue ich mich nicht?

Es geht darum, dass es Themen gibt, bei denen man eigentlich verschiedene Positionen bräuchte, um ein ausgewogenes Bild zu zeichnen.

Man kann um ein Interview andere Artikel zu dem Thema stellen und kontextualisieren. Insofern würde ich sagen: Es ist grundsätzlich für alles geeignet.

Auch für Gespräche mit AfD-Politikern? Vor knapp einem Jahr haben Sie ein Interview mit Alice Weidel für die „Stern“-Titelstory geführt, das viel kritisiert wurde. Die „Spiegel“-Journalistin Ann-Katrin Müller sagte, autorisierte Interviews würden bei Menschen, die lügen, nicht funktionieren.

Wenn man sich entscheidet, ein Interview mit der AfD zu führen, muss man sich sehr gut vorbereiten, stärker noch als bei anderen Politikern. So haben wir es zumindest bei Alice Weidel gemacht. Wir haben beschlossen, strenger als sonst am gesprochenen Wort zu bleiben – auch da, wo wir selbst vielleicht nicht ganz so gut aussehen. Wir wollten nicht, dass Weidel plötzlich mit der Audiodatei um die Ecke kommt und uns vorwirft, wir würden ihr das Wort im Mund umdrehen. Es mag in dem Interview Passagen geben, an denen wir nochmal schärfer hätten nachhaken können. Aber uns war wichtig, nichts zu verfälschen.

Wie sehr unterscheidet sich das gedruckte Interview von dem Gespräch, das Sie tatsächlich mit Weidel geführt haben?

Fast gar nicht, es gab nur minimalste Änderungen. Wir hatten selten einen so einfachen und unkomplizierten Autorisierungsprozess wie mit Alice Weidel. 

"Stern"-Interview mit Weidel 2023
„Stern“-Interview mit Weidel 2023 Screenshot: stern.de

Der „Spiegel“ zum Beispiel hat sich entschieden, keine Wortlautinterviews mit AfD-Politikern zu führen, da deren häufig bewusst falsche Aussagen stärker kontextualisiert werden müssten, als dies in einem Interview möglich sei. 

Wenn jemand sagt, dass er das nicht machen möchte, finde ich das völlig in Ordnung. Ich habe eine andere Haltung. Ich finde, dass wir uns schon aufgrund der Bedeutung der AfD trauen sollten, auch ihre obersten Protagonisten zu interviewen. Außerdem machen uns solche Interviews als Journalisten besser. Wir müssen raus aus angestammten Argumentationen, müssen Thesen kontern, denen wir sonst gern ganz aus dem Weg gehen. Und wenn es anschließend Kritik an einem solchen Gespräch gibt? Ist das für mich ok. Wir können ja nicht nur dann ein Interview führen, wenn wir von vornherein wissen, dass wir darin gut aussehen. Ich finde, es gehört zu einem glaubwürdigen Journalismus, dass man etwas wagt. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass der „Stern“ permanent AfD-Interviews macht. Wir haben ein einziges mit Alice Weidel gemacht.

Anfang Mai erschien auch eins mit Maximilian Krah.

Richtig. Das war allerdings ganz anders vom Charakter, viel kleiner, tagesaktueller. Es wurde schnell am Telefon geführt. Übrigens musste dieses Interview nicht autorisiert werden. Krah arbeitet in Brüssel, wo die angelsächsische Praxis vorherrscht, Interviews nicht noch extra zu autorisieren. Auf unsere Frage, ob er das nochmal lesen will, bevor es erscheint, meinte Krah: Brauche ich nicht.

Unser Interview kann nur so veröffentlicht werden, weil Sie es autorisieren. Wie finden Sie das als interviewte Person?

Ich finde es aus denselben Gründen gut, die aus meiner Sicht dafür sprechen, Interviews meinen Gesprächspartnern nochmal zu schicken. Es ist eine gute Gelegenheit, um zu gucken, ob ich etwas präzisieren oder ergänzen kann, was mir wichtig ist. Und es soll ja auch keinen falschen Zungenschlag bekommen. Deswegen finde ich es fair und richtig, dass auch ich da nochmal drüber gucken darf.

Anmerkung: Veit Medick hat im Zuge der Autorisierung dieses Interviews überwiegend sprachliche Kleinigkeiten geändert. An der Stelle, an der wir Medick mit der Praxis des „Spiegel” konfrontieren, der im Gegensatz zum „Stern“ keine Wortlaut-Interviews mit AfD-Politikern führt, haben wir ihn im Nachhinein gebeten, seine Antwort für unser Verständnis zu präzisieren.

9 Kommentare

  1. Sehr interessantes Interview!
    Mich hätte noch interessiert, ob es auch Politiker gibt, die von sich aus auf eine nachträgliche Autorisierung verzichten und wie dies das Interview verändert.

  2. Ich würde bei einem Beitrag mit Namen „Interview“ schon gerne wirklich genau lesen, was wirklich genau gesagt wurde. Es soll ein Interview sein, kein geskriptetes Unterhaltungsprodukt. Dann kann es auch ruhig mal stellenweise langweilig werden, solange es präzise wiedergibt, was da gefragt und gesagt wurde.

  3. Danke! Ich finde, die Vorzüge und Nachteile einer Autorisierung gut und praxisnah dargestellt. Und wie Herr Medick, sehe ich die Vorteile überwiegen, auch schlicht deswegen weil es eingeübt ist und daher funktioniert. Ja, Abstimmung nervt manchmal – aber sie dient eben auch der Qualitätssicherung.
    Autorisierung ist übrigens besonders nützlich bei Interviews mit Wissenschaftlern, Ingenieuren usw. Mir ist es selbst schon öfter passiert, dass ich als Interviewer Gedanken und Zusammenhänge schlicht falsch verstanden oder zumindest unglücklich ausgedrückt habe. Da war es für beide Beteiligten eine Wohltat, dass der Beitrag nicht unautorisiert veröffentlicht wurde.
    Ich will keinen Unsinn veröffentlichen und Wissenschaftler X will ja nicht mit Unsinn zitiert werden. Und der Leser will keinen Unsinn lesen. So hat dann jeder gewonnen.

  4. Weiß nicht, was deprimierender ist an Medicks Ausführungen. Seine beiläufige, unreflektierte Verachtung einer der aufregendsten journalistischen Formen, die gerade von ihrer Spontaneität und Ungeschliffenheit lebt? Oder doch die begeisterte Normalisierung eines einvernehmlichen und fürs Publikum komplett intransparenten Herumwurstelns zwischen Fragenden und Befragten hinter den Kulissen, die ihren Teil dazu beiträgt, das Vertrauen an kritische und unabhängige Medien zu untergraben?

    Wahrscheinlich aber ist es sein rührendes Eingeständnis, dass sich die richtig gute Vorbereitung und die richtige Strenge bei der Nachbearbeitung nur im Umgang mit Faschos lohnen, weil man sich zwar schon gern mit denen profiliert, gleichzeitig aber auch die Hosen voll hat, ihnen womöglich trotz aller Anstrengungen auf die Füße zu treten, während man sie hofiert.

    Man stelle sich vor, Journalist*innen wären einfach grundsätzlich bestmöglich vorbereitet und fühlten sich dem gesprochenen Wort verpflichtet, ganz egal, wer ihnen gegenübersitzt.

  5. @Chateaudur (#3):

    Ich finde, wichtig ist der Unterschied zwischen dem gesprochenen und dem gedruckten Wort (Druck meint hier auch Internet): Im Radio macht Autorisierung keinen Sinn, weil gesprochene Sprache ungeschliffen, holprig und grammatisch meist nicht sauber ist. Bei der Interpretation helfen Tonfall, Atmosphäre, etc. Das fällt bei Texten weg. Versucht man, gesprochene Sätze für den Druck aufzuarbeiten, muss man sie notwendigerweise anpassen – und da passieren dann leicht Missverständnisse.

    In diesem Sinne: Autorisierung ja, aber in Maßen. Wenn jemand versucht, seine eigenen Aussagen nachher ins Gegenteil zu verdrehen, sollte man die Sache stoppen. Wie es die Taz mit Scholz ja sehr wirksam getan hat.

    @Marc-Oliver (#4):

    Beeindruckend, wie Sie die Aussagen von Herrn Medick verdrehen, damit es für Sie passt. Grenzt an eine Verschwörungstheorie: Der Stern betreibe heimlich die Sache der AfD. Sowas lässt sich natürlich nicht ansatzweise durch Fakten belegen, aber wirkungsvoll ist die Behauptung trotzdem – weil man sich als einsamer, aufrechter Kämpfer gegen einen „rechten Mainstream“ moralisch überhöhen kann.

    Solche Vorwürfe sind praktisch: Man muss sie nie empririsch belegen (gefühlte Wahrheit reicht), und man kann sie drehen und wenden wie man will: Hätte Medick gesagt, er hätte sich auf das Gespräch mit Weidel nicht besonders vorbereitet, könnten Sie ihm jetzt vorwerfen, er habe Weidels Aussagen ohnehin nur 1 zu 1 wiedergeben wollen, um „rechte Narrative“ zu verbreiten. Wunderbar.

  6. Ich (Künstler) bin selber schon oft interviewt worden und pflege stets zu Journalisten zu sagen: Spontaneität wird überbewertet. Das Gespräch als Grundlage, um dann noch gründlich nachzuschärfen usw. ist eine gelungene Möglichkeit für einen – am Ende – wirklich interessanten Text. Bin froh, hier zu lesen, dass das auch ein Journalist so sieht, wo sonst diese deutsche Praxis des Autorisierens gerne kritisiert wird.

  7. @endolexis

    Hmm, für mich spielt es glaube ich eine größere Rolle, dass das Interview erstens sprachlich lesbar ist (Transkribierungen voller ähs und unvollendeter Halbsätze empfände ich als recht anstrengend) und zweitens korrekt und verständlich wiedergibt, was die interviewte Person zum Ausdruck bringen oder aber vielleicht eben auch nicht beantworten möchte. Es bringt mir ja wenig, wenn ich am Ende Aussagen nicht so wirklich oder gar falsch verstehe, weil die interviewte Person erst hinterher bemerkt hat, dass es da Kontext oder eine genauere Formulierung gebraucht hätte. In dem Fall, dass eine interviewte Person im Nachgang das ganze Interview abändern will, hätte ich dann allerdings auch die Erwartung, dass die journalistische Seite dem einen Riegel vorschiebt und es notfalls so rigoros wie die TAZ bei Scholz macht.

  8. Meine Erfahrungen aus dem angelsächsischen Sprachraum: Selbst Weltstars reagieren verwundert, wenn man sie fragt, ob sie das Gespräch autorisieren wollen. Das mag allerdings im Pop-Bereich anders sein.

  9. Seit meinem Vontariat führe ich Interviews, gut, weniger gut und schlecht vorbereitet. Im Lauf der Zeit habe ich gelernt, dass es besser ist, zuerste die Fragen gemeinsam durchzusprechen. Das löst die Sorge bei den Interviewten auf, falsch verstanden zu werden oder dass überhört wird, was ihnen wichtig ist. Danach lässt sich das Interview nicht nur kompakter führen, sondern anschließend auch mit weniger Mühe niederschreiben.
    Was die Autorisierung angeht, habe ich insbesondere bei denen Verständnis für den Wunsch, die wenig Erfahrung im Umgang mit Medien haben und besorgt sind, sie könnten flasch verstanden worden sein – und die wegen ihres Umfelds so im Medium erscheinen erscheinen wollen, dass ihnen deswegen keiner blöd kommt. Das sind zum Beispiel die Chefinnen und Chefs kleiner Unternehmen, Verbände oder Organisationen. Da geht es darum, das gewährte Vertrauen zu erwidern. Wenn dabei zuviel geändert oder gekürzt werden muss, dann ist das Interview die falsche journalistische Form gewesen und ich wechsle zum Bericht oder zur Reportage.
    Mir selbst gefallen Mischformen, wie man sie z.B. in den Magazinen von SZ oder ZEIT gelegentlich liest, gut: Zwischen die Fragen und Antworten werden szenische Beschreibungen oder erläuternde Passagen eingestreut. Das gleicht die atmosphärischen Defizite, wie sie @Kritischer_Kritiker mit Blick auf Audio und Video beschreibt, gut aus.

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