Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat vor zwei Wochen berichtet, dass es mit Michael Wendlers Comeback „einfach nicht so recht klappen will“. So ein Pech. Zwei Konzerte wurden abgesagt, bei einem anderen sprang angeblich der Ausrichter ab, als er mitbekam, wer da genau auftreten möchte. Nun soll dieses Konzert (nächstes Jahr) anderswo stattfinden, aber wer weiß. Und mit dem gerade erschienenen Wendler-Album läuft’s auch nicht so.
Ja, was macht man denn da mal? Interessiert sich denn niemand mehr für den Wendler, den Dinslakener Interpreten egaler Stampfmusik und weltbekannten Quersänger großer Verschwörungsschlager über Corona, das Klima und den Krieg in der Ukraine?
Oh, doch. Gerade ist die Presse, vor allem der Boulevard, wieder sehr interessiert an ihm bzw. an seiner Frau – seit sie, Laura Müller, ein Foto im Internet gepostet hat, das reicht ja schon. Dem Bauer-Portal „Wunderweib“ zufolge hat sie damit eine, muss man sich mal vorstellen, „Massenpanik unter ihren Fans“ ausgelöst. Mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Es ist so simpel.
Das Foto zeigt Laura Müller liegend auf einem schwarzen Metallbett der Marke German Amateur Porn, sie trägt Dessous, unter ihr ein gequältes rotes Laken, neben ihr zwei Typen, die aufgepumpten Oberleiber entblößt. So liegen sie da langweilig nebeneinander und schauen ganz eindringlich.
(Geben Sie es zu, Sie wollen es selbst begutachten.)
Es haben also alle wenig genug an, um das „Kopfkino“ anzuschmeißen, wie „Bild“ wissen lässt. „Irre Porno-Gerüchte um Laura“ würden die Wendlers erneut „befeuern“. Sie spielten ein, jawohl: „Spielchen um neue Geschmacklos-Grenzen“, schreibt das Fachblatt für guten Stil. Müller wolle „Appetit auf einen (angeblichen) Dreier vor laufender Kamera machen“:
„Das Kopfkino der Follower: Hier ist ein seeehr heißes Video in der Mache. Oder gar ein Porno!“
Ein Porno gar, oho.
Internet-Menschen und -Medien sind anständig bestürzt darüber, zu was der Wendler die Laura mutmaßlich zwinge, nur um abzukassieren – und jetzt also auch noch das! Zumal Müller in ihrem Instagram-Post ja geschrieben hatte, sie habe sich „getraut“ und ihren „ersten Clip“ gedreht. Und der Wendler tippte in seinen von Journalisten dauerbeobachteten Telegram-Kanal die geilen Zeilen, Laura gebe „mit gleich zwei heißen Typen Vollgas“.
Zwinkerzwonker.
Sherlock „Bild“ assoziiert natürlich nicht allein, worum es sich bei der Szene handeln könnte. Da packt der Boulevard rasch seine Schlagzeilen aus. Jetzt wird geklickt!
„Es wird alles noch viel schlimmer“, schreibt das Funke-Ramschportal „Der Westen“. Laura Müller habe sich „hergegeben“ für einen „heißen Clip“, sie habe „Erwachsenenfilm-Ambitionen“. Um aber zu sehen, was der Clip „genau“ zeige, müsse man „49,99 Dollar im Monat berappen“, für ein Abo der Erotik-Plattform Onlyfans, auf der sich Laura Müller schon länger gegen Geld so unangezogen wie möglich zeigt, das ist nichts Neues.
Aber jetzt also ein „Clip“!??!!
Klicken wir kurz rüber zu n-tv, dem Nachrichtenkanal:
Die Überschrift deutet schon an: n-tv hat das Foto von Laura Müller ganz genau analysiert, es quasi gefactcheckt, vor allem was die Männer betrifft.
Ergebnis:
„Fest steht: Um Michael Wendler handelt es sich bei keinem von den beiden.“
Kurz ist sich n-tv unsicher, ob Laura Müller womöglich wirklich, ähm, wie sagt man noch … ach ja: „in handfeste Aktion tritt“. Aber n-tv ist einer heißen Sache auf der Spur. Vielleicht gibt es nämlich gar keinen Porno! Vielleicht ist das alles, halten Sie sich fest, nur „aggressive Selbstvermarktung unterhalb der Gürtellinie“, ein ganz, ganz „durchsichtiger Schachzug“, um „abermals Aufmerksamkeit zu generieren“. Hat jetzt auch „Bild“ rausgefunden:
„Offenbar handelt es sich bei der scharfen Ankündigung um eine gezielte Promo-Aktion.“
Verrückt.
Wobei „t-online“ noch überlegt: Es sei „gut möglich“, dass „Laura Müller einfach mit zwei unbekannten Männern für ihre Onlyfans-Community auf einem roten Laken schmusen möchte“. Oder „das Kameraequipment“, das im Bild zu sehen ist, spreche dafür, dass sie „Teil eines Musikvideos“ sei. Weil Kameras immer auf Musikvideos hindeuten, logisch, nie auf Pornos.
n-tv findet das alles jedenfalls gar nicht gut: „Klar, diese Erregungsmasche funktioniert, stößt aber auch immer mehr ab.“ Genau! Es funktioniert abstoßend gut, Medien für die billige Promo der windigen Wendlers einzuspannen. In einer Woche will Laura Müller ihr Musikvideo enthüllen. Wie pornös das ist, erfahren Sie dann aus der Fachpresse.
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
9 Kommentare
Ich gebe zu. Ich habe auf dem Instagram-Link geklickt. Wer aber ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
@#1: Schmierfink!
Literaturverfilmung!
„aufgepumpte Oberleiber“ … nein danke, da klicke ich nirgendwohin.
Vielen Dank Boris! Genau wie bei dem famosen Apfelessig-Beitrag habe ich auch hier wieder mehrere Male herzlich gelacht. Es ist eine so kopfschüttelnd-grotesk-hanebüchene Medien-Realsatire…einmal mehr. Danke!
Hab irgendwie erwartet, dass mir jetzt wer sagt, was sich wirklich dahinter verbirgt. Hat schon irgendwie den Ruch von Prostitution und – mit Blick auf Laura Müller – Ausbeutung. Wenn das ne reine Promo-Nummer war, dann Chapeau, hat funktioniert.
Aus welcher Motivation heraus habe ich gerade diesen Artikel gelesen?
Für alle die es interessiert oder auch nicht: das neue Musikvideo von ihr hat Stand jetzt, 19.04.24 halb 6 am Abend 198.000 Zuschauer auf YouTube.
Ein Gemälde unserer Massenmedien. Großartiger Text.
Ich gebe zu. Ich habe auf dem Instagram-Link geklickt. Wer aber ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
@#1: Schmierfink!
Literaturverfilmung!
„aufgepumpte Oberleiber“ … nein danke, da klicke ich nirgendwohin.
Vielen Dank Boris! Genau wie bei dem famosen Apfelessig-Beitrag habe ich auch hier wieder mehrere Male herzlich gelacht. Es ist eine so kopfschüttelnd-grotesk-hanebüchene Medien-Realsatire…einmal mehr. Danke!
Hab irgendwie erwartet, dass mir jetzt wer sagt, was sich wirklich dahinter verbirgt. Hat schon irgendwie den Ruch von Prostitution und – mit Blick auf Laura Müller – Ausbeutung. Wenn das ne reine Promo-Nummer war, dann Chapeau, hat funktioniert.
Aus welcher Motivation heraus habe ich gerade diesen Artikel gelesen?
Für alle die es interessiert oder auch nicht: das neue Musikvideo von ihr hat Stand jetzt, 19.04.24 halb 6 am Abend 198.000 Zuschauer auf YouTube.
Ein Gemälde unserer Massenmedien. Großartiger Text.