Die Medienschlacht um die Block-Kinder: Wäre es nicht eigentlich geboten, sie vor der Öffentlichkeit zu schützen?
Rundumschlag im „Spiegel“: Großvater Block und die vielen Vorwürfe
Der Großvater hatte noch gefehlt. Es haben sich ja schon viele geäußert in diesem kuriosen Fall, der die Öffentlichkeit in großen Teilen eigentlich gar nichts angeht: Anwälte, Angehörige, natürlich die Eltern. Und die „Zeit“ hatte dafür gesorgt, dass auch die minderjährigen Kinder, um die es geht, lang und breit zu Wort kommen. Und dass man sogar nachlesen kann, was sie in einer vertraulichen Anhörung vor Gericht gesagt haben; ein Gerichtssprecher bezeichnete das als „schlimme Grenzüberschreitung“, wir haben darüber und über andere problematische Medienaspekte kürzlich ausführlich berichtet. Und jetzt spricht im „Spiegel“ also auch noch der Opa.
Seit Monaten stürzt sich die deutsche Presse auf den Sorgerechtssreit in der Hamburger Unternehmerfamilie Block, die vor allem für ihre Steakhaus-Kette Block House bekannt ist. Christina Block, Tochter des Firmengründers Eugen Block, zofft sich seit zweieinhalb Jahren mit ihrem Ex-Mann Stephan Hensel um zwei der vier gemeinsamen Kinder. Nach einem Aufenthalt beim Vater im Sommer 2021 behielt der die Kinder, heute 10 und 13 Jahre jung, bei sich in Dänemark, wo er seit einigen Jahren lebt. Sie würden von der Mutter misshandelt, behauptete Hensel. Christina Block widersprach. Seither streiten die beiden, vor Gericht und auch medienöffentlich.
An Silvester eskalierte das Ganze dann: Die Kinder wurden aus Dänemark entführt und tauchten wenig später bei der Mutter in Hamburg auf. Wer sie entführte, ist so unklar wie die Rolle, die Christina Block dabei möglicherweise gespielt hat. Sie jedenfalls bestreitet, etwas damit zu tun zu haben.
Fünfeinhalb Wochen nach dieser Tat, also Anfang Februar, hat der „Spiegel“ Eugen Block getroffen und „mehr als zwei Stunden“ mit ihm „über die aktuelle Situation“ gesprochen. Schon im Vorspann des Interviews schreibt der „Spiegel“, dass Block in dem Gespräch seinem Ex-Schwiegersohn „mehrfach“ Vorwürfe gemacht habe. Und zwar, das kann man definitiv so sagen: nicht zu knapp. Erhellend ist das nicht. Es ist nur eine weitere Runde gegenseitiger Beschuldigungen, und der „Spiegel“ räumt dafür vier Seiten frei. Wieso?
Alle kriegen ihr Fett weg
Eugen Block holt ordentlich aus gegen Stephan Hensel: Er nennt ihn einen „Treiber“, einen „Irren“, der „rachsüchtig“ sei und „voller Hass“. Hensel lüge und verleumde seine Ex-Frau, und er wolle „die Familie, die Tochter und die Company kaputt machen“, sagt Block. Er habe als Mitarbeiter seiner Firma einst Leute „schlechtgemacht, schlecht behandelt“, sich „immer großkotzig verhalten“ und Menschen „manipuliert“.
Auch Hensels Anwalt bekommt sein Fett weg: Ihr eigener Anwalt, sagt Block, sei „immer ordentlich und fair“ gewesen, also „zu nett“ im Vergleich zu Hensels Anwalt, der sei ein „Ganove“: Er schüre Panik, trage Hensels „Verleumdungskampagne“ mit und verfolge zusammen mit seinem Mandanten die Strategie, Christina Block „als schlechte Mutter zu diffamieren“. Es ist wirklich ein Rundumschlag. Über Dänemark, wo Gerichte mehrfach zu ungunsten der Mutter entschieden hatten, sagt Block, das Land habe sich nicht nur gegen seine Tochter gestellt, sondern – kleiner geht’s nicht – „gegen Deutschland“. Womit er vermutlich meint, dass in Dänemark Beschlüsse in Sorgerechtsstreitigkeiten, die Gerichte anderer Länder treffen, nichts gelten.
Wie viele der Vorwürfe, die Block im Interview gemacht hat, es letztlich in die autorisierte Fassung geschafft haben, lässt sich nicht sagen. Bei Interviews, die in Zeitungen oder Magazine gedruckt werden, ist es üblich, dass sie nach dem Gespräch autorisiert, also vom Interviewten freigegeben werden. Nicht selten gehen sie mehrmals hin und her, bis eine endgültige Version gefunden ist. Und bei juristisch heiklen Themen schauen in der Regel auch Anwälte drauf, die des Interviewten und die Juristen des Magazins.
Auf die Frage, inwiefern Blocks Tochter Christina an der Entführung ihrer Kinder beteiligt gewesen sei, weicht Block mehrfach aus. Neben allem, was den Sorgerechtsstreit betrifft und also eigentlich privat ist, handelt es sich bei dieser Frage durchaus um eine von öffentlichem Interesse: Wer hat die Kinder gewaltsam aus Dänemark geholt?
Aber Block schweigt, aus Gründen: Es handle sich um ein schwebendes Verfahren, zu dem er nichts sagen könne und wolle. Am Ende etikettiert er das mutmaßliche Verbrechen noch um: „Das war eine Rückführung“, sagt Block, „keine Entführung, eine lange fällige Rückführung.“ Und dass das Freunde der Familie gemacht haben könnten, sie hätten von vielen Hilfe angeboten bekommen, und „Leute“ hätten auch gesagt: „Können wir die Kinder nicht holen?“ Die Polizei werde schon aufklären, wie es gewesen sei.
Was haben die Leser davon?
Blocks Ambition, ein solches Interview zu geben, dürfte klar sein: Er wollte, musste sich offenbar Luft machen. Block ist jetzt 83 Jahre alt, er hat über Jahrzehnte ein heute millionenschweres Unternehmen aufgebaut, es ist sein Lebenswerk. Und nun bröselt es, das gute Ansehen geht die Elbe runter: Der Name Block steht in der Öffentlichkeit nicht mehr nur für saftige Steaks, sondern auch für deftigen Beef um kleine Kinder, ausgetragen offensichtlich mit allen Mitteln. Den vielen Erzählungen, die über seine Familie kursieren, wollte Block mit dem Interview wohl etwas entgegensetzen.
Aber weshalb veröffentlicht der „Spiegel“ seinen Wutausbruch? Natürlich ist das verlockend: Den so genannten Patriarch der Familie, der sich noch nicht ausführlich zur Sache geäußert hat, exklusiv im Gespräch zu haben. Etwas anderes ist aber die Frage, was die Leser davon haben: Was ist, sieht man von einem gewissen Sensationsinteresse ab, der Erkenntnisgewinn?
Nach der Lektüre steht man da und ist so klug als wie zuvor, denn, so schreibt es auch der „Spiegel“: Wer sich mit dem „Familiendrama“ beschäftige, lande schnell in einem „Dickicht an Vorwürfen und Unterstellungen“. Das stimmt. Und das ist mit das Problem: Der eine sagt so, der andere so, alle haben eigene Interessen – und Medien breiten es aus. Der Wahrheitsfindung dient das allerdings schon lange nicht mehr.
Der „Spiegel“ hat neben das Interview eine Art Sicherungskasten gestellt, eine Box, in der Hensel und sein Anwalt die Möglichkeit bekommen, Stellung zu nehmen. Das ist einerseits journalistisch redlich und auch geboten, andererseits war es sicherlich auch juristisch ratsam angesichts der „teils schwerwiegenden Vorwürfe“. (Ob das Interview nicht trotzdem juristisch angreifbar ist bei all den Schlägen – „Irrer“, „Ganove“ –, die Block setzt, sei mal dahingestellt.)
Als Leser aber kann man am Ende nur mit den Schultern zucken, denn Hensel widerspricht Blocks Vorwürfen – natürlich – umfassend. Der Redaktion lägen „eidesstattliche Versicherungen aus dem privaten und beruflichen Umfeld der Familie Block vor sowie zahlreiche Dokumente aus deutschen und dänischen Gerichtsverfahren“, schreibt der „Spiegel“. Er habe für Blocks Behauptungen „Belege eingefordert und versucht, soweit möglich, die Aussagen zu überprüfen“ – was interessant formuliert ist: Der „Spiegel“ hat’s „versucht, soweit möglich“ – ganz gelungen ist es ihm also nicht.
Tja, dieses Dickicht, wer steigt da noch durch.
Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Geschichte als (mindestens) sechsteilige „True-Crime“-Serie verfilmt wird. Und bis dahin wird der Streit weitergehen, auch der Streit um das, was Medien dazu verbreiten: Hensel geht bereits gegen Veröffentlichungen vor. Zu dem Vorwurf, er wolle Rache üben und habe Mitarbeiter des Block-Unternehmens „schlecht behandelt“, schrieb er dem „Spiegel“, dass er sich dazu nicht äußern könne. Dies sei „Gegenstand laufender presserechtlicher Auseinandersetzungen“ – und jetzt steht der Vorwurf, halb widersprochen, eben auch noch mal im „Spiegel“.
Gegen wen sich Hensels presserechtlichen Schritte richten und worum es genau geht, ist nicht bekannt; Hensels Presseanwalt war dazu bisher nicht zu erreichen. Vielleicht geht es dabei um einen Artikel, der in der „Bild“-Zeitung erschienen ist. Ende Januar hatte Eugen Block dort behauptet, Hensel habe ihm und seiner Tochter gedroht, sie fertig zu machen. Er habe das „eidesstattlich bezeugt“, schreibt „Bild“. Über Hensel heißt es in dem Artikel, er lasse alle Vorwürfe auf Anfrage „von seinem Anwalt bestreiten“.
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
Vom fraglichen Erkenntnisgewinn mal ganz abgesehen.
Es gibt doch so viele Sorgerechtsstreitigkeiten, mit so vielen Kindern, die darunter leiden, und bestimmt auch sehr vielen Großeltern, die da eine mehr oder weniger starke Meinung zu haben – aber Opas Meinung interessiert nur, wenn Opa ein millionenschweres Unternehmen gegründet hat, weil ihn das qualifiziert in einer Frage, in der er klar voreingenommen und parteiisch ist?
Gebe ich das so richtig wieder?
1. Opa hat sich schon früher ausführlich in Print und TV zu dem Sorgerechtsstreit positioniert
2. Unstrittig ist zwischen beiden Parteien, dass die Kinder vor ca. 2 Jahren nach einem Besuch in Dänemark von Hensel nicht zurückgebracht und von Mutter (und Opa) ferngehalten wurden
3. Brisant und strittig ist und journalistisch aufzuarbeiten wäre die Eil-Entscheidung des hiesigen Gerichtes, die Kinder von Hensel nach Dänemark zurückholen zu lassen, da ja nun, nach gut 2 Jahren, sie dort ihren Lebensmittelpunkt hätten. Das könnte man zynisch nennen – ich weiß es aber wirklich nicht und würde gern mehr zu dieser Gerichtsentscheidung hören.
„… Beef um die Kinder …“ – ich kann nicht mehr :-D :-D :-D
Es hat mich von Beginn an gewundert, daß der SPIEGEL sich mit einer Story, die in BILD und den einschlägigen Yellow-Press-Organen von Burda und Bauer abzuhandeln völlig ausreicht, überhaupt beschäftigt.