Neue Studie

Journalisten sind linker und grüner als die Bevölkerung. Ist das ein Problem?

Politisch in der Tendenz links und grün – so ticken die Journalistinnen und Journalisten in Deutschland. Dieser Befund ist seit Jahren stabil und führt immer wieder zu Debatten über mögliche Verzerrungen in der politischen Berichterstattung. Gerade erst hat eine neue Studie auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), an der ich beteiligt war, erneut bestätigt: Verglichen mit der Bevölkerung neigen Journalistinnen und Journalisten deutlich weniger der Union und stärker den Grünen zu.

Ist das problematisch? Anhänger der Union werden sagen: selbstverständlich. Anhänger der Grünen dürften entspannter reagieren. So wie Medienmenschen, die gern betonen, dass sie in ihrer Arbeit professionellen Regeln folgen, nicht ihrer persönlichen Agenda. Dieser Hinweis ist nicht verkehrt. Dennoch lässt sich der Verdacht einer Parteinahme nicht so einfach abtun.

Erstens spielen die eigenen Einstellungen mindestens im Meinungsjournalismus eine Rolle. Und dieser ist keineswegs auf klassische Kommentare beschränkt. Explizite Bewertungen und Forderungen lassen sich in vielen Darstellungsformen finden, ob es Essays oder Magazinstorys sind, Anmoderationen oder Rezensionen. Zweitens können Vorlieben und Abneigungen in subtiler Form auch die übrige Berichterstattung beeinflussen, beispielsweise die Auswahl von Themen und Gesprächspartnern.

Persönliche Einstellungen irrelevant?

Wie entspannt wären Grüne, wenn die Ergebnisse der Befragungen ganz anders ausfielen und Journalistinnen und Journalisten mehrheitlich, sagen wir, der FDP zuneigten? Oder, horribile dictu, der AfD? Würden sie das Argument, die persönlichen Einstellungen seien für den Beruf nicht so wichtig, genauso kraftvoll vorbringen?

Und wie sieht es mit der von vielen Grünen gewiss geteilten Forderung aus, in Redaktionen sollte es mehr Diversität geben? Also beispielsweise mehr Journalistinnen und Journalisten, die aus Arbeiterfamilien kommen oder aus Familien mit einer Migrationsgeschichte. Solche Forderungen werden nicht nur damit begründet, dass dies eine Frage der Gerechtigkeit im Zugang zum Beruf ist. Unterstellt wird auch, dass der soziale Hintergrund, eigene Erfahrungen und Einstellungen die Arbeit mitprägen und sie Auswirkungen auf die Inhalte und Formen der Berichterstattung haben. Doch ausgerechnet für Parteipräferenzen soll das nicht zutreffen?

Dennoch: Um die Studienergebnisse in ihrer Brisanz weder zu überschätzen noch zu unterschätzen, lohnt sich ein genauerer Blick auf den Forschungsstand.


1. Was besagen die Studien, wie eindeutig sind ihre Ergebnisse?

Es gibt nur wenige Studien, die auf der soliden Grundlage repräsentativer Stichproben die politischen Einstellungen von Journalistinnen und Journalisten in Deutschland erhoben haben. Mal folgt die Abfrage anhand einer Rechts-Links-Skala, mal anhand einer Liste der Parteien. In der „Worlds of Journalism“-Untersuchung aus den Jahren 2014/15 ist ein Mittelwert von 3,96 auf der Rechts-Links-Skala gemessen worden, mit 0 = ganz links bis 10 = ganz rechts. Die Parteineigung wurde nicht abgefragt.

Politische Einstellung (Selbsteinschätzung) Journalisten 3,96 Bevölkerung 4,60

Eine Tendenz nach links ist demnach erkennbar, sie geht aber nicht sehr weit. Die meisten verorten sich in der Mitte oder leicht links davon. Dies bestätigt so auch die erwähnte neue Studie auf Basis des SOEP. Aktuellere Ergebnisse aus einer neuen „Worlds of Journalism“-Welle werden demnächst erwartet. Es wäre überraschend, würden sie ein ganz anderes Bild zeichnen.

Die genannten Werte beziehen sich auf alle, die hauptberuflich journalistisch tätig sind; nach Medientypen wird nicht unterschieden. In der SOEP-Studie waren solche Differenzierungen nicht möglich, zu den älteren „Worlds of Journalism“-Daten existieren aber vertiefende Analysen. Sie zeigen, dass diejenigen, die in Politikressorts arbeiten, mit einem Mittelwert von 3,6 noch ein bisschen weiter nach links geneigt sind. Allerdings ist auch zu erkennen, dass sich Journalistinnen und Journalisten umso stärker politisch in der Mitte verorten, je höher ihr Einkommen und ihre beruflichen Positionen sind. Das ist ein Hinweis darauf, dass an den entscheidenden Stellen im Journalismus oftmals jene das Sagen haben, die politisch gemäßigt und jedenfalls nicht auffallend links sind.

Grüne vorne, CDU/CSU abgeschlagen

Wie steht es nun um die Vorliebe für die Grünen?

Sie trat schon vor fast 20 Jahren in einer Stichprobe hervor, mit der ein Team um Siegfried Weischenberg den Journalismus in Deutschland untersuchte. Die Grünen lagen mit 35,5 Prozent vorne, CDU/CSU kamen auf magere 8,7 Prozent. Immerhin knapp 20 Prozent der Befragten gaben an, sie neigten keiner Partei zu. In einer anderen Studie – aus dem Jahr 2009 – erreichten die Grünen mit 27 Prozent wieder den höchsten Wert; 36 Prozent nannten keine Partei. Furore machte vor einiger Zeit auch eine Befragung von Volontären der ARD, in der die Grünen erneut vorne und CDU/CSU weit abgeschlagen hinten lagen. Die Befragung war jedoch nicht repräsentativ und beruhte auf einem recht kleinen Kreis von Befragten.

In der neuen SOEP-Studie, die auf Daten aus den Jahren 2014 bis 2020 beruht und sich auf alle Medientypen bezieht (die Öffentlich-Rechtlichen konnten nicht gesondert erfasst werden), kommen die Grünen auf 29 Prozent, während die Union an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte.

Gefragt wurde anhand einer Liste von Parteien: „Welcher Partei neigen Sie zu?“ Allerdings war der Frage eine andere vorgeschaltet: „Viele Leute in der Bundesrepublik neigen längere Zeit einer bestimmten Partei zu, obwohl sie auch ab und zu eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen: Neigen Sie einer bestimmten Partei in Deutschland zu?“ Wer hier mit Nein antwortete, wurde entsprechend gar nicht mehr nach einer spezifischen Partei gefragt.

Tatsächlich sagten nämlich fast die Hälfte der Befragten, sie würden keiner Partei zuneigen. Wer genau aus welchen Gründen zu dieser großen Gruppe gehört, ist nicht klar; vermutlich werden viele von ihnen am Wahltag ihre Stimme doch einer Partei geben. Auch in der übrigen Wahlbevölkerung geben viele Befragte keine Parteineigung an. Verständlich ist, dass gerade Journalistinnen und Journalisten sich nicht festlegen und eine enge Parteibindung vermeiden wollen. Dies kann, zumindest teilweise, mit ihrem beruflichen Ethos zusammenhängen.

Generell legen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland den Befragungen zufolge Wert auf Überparteilichkeit. Es dominiert ein Selbstverständnis unparteiischer Beobachter und Berichterstatter. Viele betonen die Aufgabe, den Mächtigen in Politik und Wirtschaft kritisch und mit Distanz zu begegnen. Nicht auszuschließen ist, dass einige Journalistinnen und Journalisten solche Bekenntnisse auch aus Gründen der sozialen Erwünschtheit abgeben. Dies würde allerdings bedeuten, dass sie zumindest eine Vorstellung davon haben, was von ihnen in ihrer Berufsrolle verlangt wird


2. Wie wichtig sind persönliche Einstellungen?

Ein häufig zitiertes Modell der Medienforschung von Pamela Shoemaker und Stephen Reese unterscheidet fünf Einflussebenen, von denen Effekte auf die mediale Berichterstattung zu erwarten sind:

  • die individuelle Ebene, z.B. persönliche Werte und politische Überzeugungen
  • die Ebene professioneller Regeln und Routinen, z.B. Nachrichtenwerte (was zählt als Nachricht?) und das Prüfen von Informationen auf Wahrheit (Sorgfaltspflicht)
  • die Organisationsebene, z.B. die einzelnen Medienunternehmen und Redaktionen mit ihren ökonomischen Zielen und Zwängen
  • die sozial-institutionelle Ebene, z.B. der Wettbewerb zwischen den Medien, der Kontakt zu Quellen oder die externe Ausbildung in Journalistenschulen
  • die Ebene des gesellschaftlichen Systems, z.B. das Wahlsystem, die Parteienlandschaft und die Bedeutung von Ideologien

Die Macht des Individuums darf diesem Modell zufolge nicht zu hoch veranschlagt werden. Darauf deuten auch Ergebnisse aus den USA hin, wo pauschale Vorwürfe, die Medien seien zu liberal und würden die Konservativen benachteiligen, ebenfalls populär sind.

Insgesamt ist die Studienlage, was mögliche mediale Verzerrungen aufgrund persönlicher Einstellungen betrifft, nicht eindeutig. Es gibt sehr wohl auch Argumente und Belege dafür, dass individuelle Einstellungen in manchen Konstellationen die Kraft professioneller Normen und struktureller Faktoren aushebeln oder schwächen können.

Zugleich lässt sich durch journalistische Regeln und Routinen aber gut erklären, warum sogar Redaktionen, in denen viele zuletzt eine Partei der Ampelkoalition gewählt haben dürften, aktuell sehr kritisch über die Bundesregierung berichten. „Absturz eines Besserwissers“ – dieses harte Urteil über Olaf Scholz stand Ende vergangenen Jahres auf einem „Spiegel“-Cover. Wittert eine Redaktion politisches Versagen oder einen Skandal, lässt es sich die Gelegenheit selten entgehen. Wer dann in einer Redaktion zu Mäßigung mahnt, läuft Gefahr, als unkritisch und parteinah zu erscheinen.

Selbst dort, wo im Grundsatz Einigkeit besteht oder Sympathie herrscht, beispielsweise für mehr Klimaschutz, bleiben große Spielräume für Kritik, wenn es konkret wird – wie beim Heizungsgesetz, das Robert Habeck in die Bredouille brachte.

Es war ja nicht nur die „Bild“-Zeitung, die Habeck und seine Politik immer wieder scharf angegriffen hat. Viele andere Medien machten mit, auch wenn sie weniger hysterisch berichtet und kommentiert haben als die Kolleginnen und Kollegen vom Boulevard. Der grüne Minister als Darling grün gepolter Redaktionen? So einfach läuft das nicht, obwohl bestimmt viele Journalistinnen und Journalisten Sympathien für den Typ Politiker haben, den Robert Habeck verkörpert. Auch die Spiegel-Cover, auf denen Habeck zu sehen war, sind nicht gerade Jubelposter gewesen, sondern hatten eine eher negative oder skeptische Tendenz.

Auf Distanz zu eigenen Ansichten?

Niemand kann genau beziffern, wie groß der individuelle Faktor ist und wie stark persönliche Einstellungen im Journalismus durchschlagen. Ein guter Journalist ist darin geübt, auch auf Distanz zu den eigenen Ansichten und Vorurteilen zu gehen. Und er oder sie handelt eben nicht allein, sondern ist ein kleines Rad in einer größeren Maschine: der Redaktion, dem Verlag, der Gesellschaft mit ihren Bewegungen und Stimmungen. So kommt es nicht zuletzt darauf an, wo jemand arbeitet und wie die Medienlandschaft insgesamt aussieht. Welches sind die Leitmedien, die für die öffentliche Meinung prägend sind? Welche redaktionellen Linien begrenzen das weltanschauliche Spektrum der verschiedenen Medien?

Auf der individuellen Ebene mögen viele, die im Journalismus tätig sind, leicht nach links neigen, für das Medienangebot muss das aber nicht viel bedeuten. Die einflussreiche FAZ, die „Welt“ oder die „Bild“-Zeitung sind sicherlich nicht dezidiert links. Auch nicht die Wirtschaftspresse („Handelsblatt“, „manager magazin“ usw.), die für sogenannte Entscheider in Politik und Industrie wichtig ist. Die Lokal- und Regionalzeitungen wiederum versuchen in der Regel, für unterschiedliche Milieus attraktiv zu sein, und orientieren sich deshalb an einer breiten politischen Mitte.

Ähnliches gilt für viele Angebote des privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie Talkshows und Nachrichtensendungen. Die bei Konservativen beliebte Behauptung, die Öffentlich-Rechtlichen seien überwiegend links, müsste in systematischen Analysen überprüft werden. Der Eindruck speist sich womöglich nur aus wenigen Formaten, die Konservative als Provokation erleben, wie einigen Satiresendungen und Politikmagazinen.

In der Medienkritik, möglicherweise sogar in wissenschaftlichen Analysen, steht der „Hostile Media Effect“ einer fairen Bewertung oft entgegen: Wer links ist, empfindet den Journalismus gern als zu rechts – und wer rechts ist, hält ihn für zu links. Man habe demnach alles richtig gemacht, schlussfolgern Medienleute dann. Kann sein. Kann auch nicht sein. Es ist in vielen Fällen sicherlich ein Zeichen hoher journalistischer Qualität, wenn insgesamt ausgewogen berichtet und Kritik nicht nur in eine, sondern in verschiedene Richtungen geübt wird. Manchmal führt das aber auch zu einer fragwürdigen Ausbalancierung („false balance“) und zu Pseudo-Neutralität.

Die Mitte ist kein neutraler Ort

Irreführend ist es, so zu tun, als seien Positionen der politischen Mitte grundsätzlich besser und nobler als Positionen, die rechts oder links der Mitte liegen. Die Mitte ist weder ein neutraler noch ein per se vernünftiger Ort in politischen Auseinandersetzungen. Zumal die „Mitte“ hin und her wandert. Verschiebt sich das Meinungsspektrum nach rechts, befindet sich das, was früher in der Mitte lag, plötzlich weiter links.

Wie die Mitte definiert ist und was es in der Gegenwart bedeutet, rechts oder links zu sein, ist ein Thema, mit dem sich dicke Sonderbeilagen im Feuilleton füllen lassen. Niemand weiß es genau, und auch das erschwert die Interpretation der Daten zu den politischen Einstellungen im Journalismus. Manches, was in der FAZ und ihren recht unterschiedlichen Ressorts zu lesen ist, lässt sich gewiss noch immer als konservativ etikettieren, anderes genauso gut als liberal oder sogar als links. Und sind viele Grüne nicht mittlerweile ziemlich konservativ, während manche in der CDU ganz schön links sind? Jedenfalls für all diejenigen wirkt das so, denen noch ein Rechts-Links-Schema aus den 1980er oder 1990er Jahren eingebrannt ist.

Bei allem Wandel – im Vergleich zur schwammigen Rechts-Links-Einteilung sind Parteipräferenzen wenigstens klar umrissen. Auch wenn sich viele Journalistinnen und Journalisten nicht auf eine Partei festlegen wollen, ist die Stärke der Grünen in der Berufsgruppe beachtlich. Dennoch fällt es schwer, Medienangebote zu identifizieren, die sich unmissverständlich oder sogar unbeirrbar für diese Partei einsetzen. Die „taz“ als Kind des grün-alternativen Milieus mag sofort in den Sinn kommen; zugleich ist sie aber ein Beispiel dafür, dass weltanschauliche Nähe nicht unbedingt zu Kritiklosigkeit führen muss.

Die SPD als Verlegerin

Anderes Beispiel: Die SPD verfügt über ihre Beteiligungsgesellschaft ddvg noch immer über relevante Anteile an Verlagen, unter anderem an der „Neuen Westfälischen“ und an der Madsack-Gruppe, die Blätter wie die „Hannoversche Allgemeine“ und die „Leipziger Volkszeitung“ herausgibt. Nun mag es sein, dass die SPD es nicht zulassen bzw. als Teilhaber aussteigen würde, wenn sich diese Zeitungen zu Kampfblättern der Rechten entwickelten und sie tagein, tagaus nur noch gegen die Sozialdemokratie pöbelten. Doch daraus folgt im Umkehrschluss noch lange nicht, dass die SPD es derzeit wagt, sich in redaktionelle Entscheidungen einzumischen und die Zeitungen auf Linie zu bringen. Der Rahmen, der durch (Mit-) Eigentümer gesteckt wird, kann mal weiter, mal enger ausfallen.

Ein Faktor, den es zu beachten gilt, sind Eigentumsverhältnisse allemal. Wer als Verleger darüber entscheiden kann, wie die redaktionelle Linie aussieht und wer in der Chefredaktion sitzt, hat auch eine gewisse Macht, den politischen Kurs in der Berichterstattung zu bestimmen und womöglich sogar in Wahlkämpfe einzugreifen. Ein prominentes Beispiel dafür aus jüngerer Zeit ist der von der „Zeit“ enthüllte Versuch des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner, im Wahlkampf für die FDP trommeln zu lassen.

Überhaupt die FDP: Ist nicht womöglich (auch) sie, zumindest weltanschaulich, durch den Springer-Verlag, Teile der Wirtschaftspresse und einst den „Spiegel“, dessen Herausgeber Rudolf Augstein für die Liberalen sogar zeitweise im Bundestag saß, medial notorisch überrepräsentiert?


3. Wie sehr sollten Journalistinnen und Journalisten ein Abbild der Bevölkerung sein?

Es ist schier unmöglich, dass Journalistinnen und Journalisten ein genaues Abbild der Bevölkerung darstellen. Sie haben nun mal, damit geht es los, einen anderen Beruf als alle anderen. Sie wurden anders ausgebildet, verdienen oft okay, leben in Städten – und ticken politisch im Durchschnitt eben auch etwas anders als die Bevölkerung. Wie sehr sollten sie dieser denn gleichen, was ist anzustreben?

Ein exaktes Abbild bei den Einstellungen ist weder möglich noch wünschenswert. Denn das würde ja bedeuten, dass auch 30 Prozent aller Journalistinnen und Journalisten ans Spaghetti-Monster glauben müssten, sollten 30 Prozent in der Bevölkerung das tun. Für das Spaghetti-Monster lassen sich beliebige andere Absurditäten oder Ungeheuerlichkeiten einsetzen: der Glaube an eine jüdische Weltverschwörung, das Propagieren der Todesstrafe, das Leugnen der Klimakrise.

Allzu simple Vorstellungen von Repräsentation, wie sie in einer ökonomischen Demokratietheorie vertreten werden, übersehen die politische und moralische Verantwortung, die nicht nur Parteien, sondern ebenso die Medien haben. Journalismus ist nicht dafür da, nur zu bedienen und widerzuspiegeln, was die Menschen ohnehin bereits glauben und wollen. Er hat die Funktion, individuelle und kollektive Lernprozesse anzustoßen und den Menschen zu helfen, ihre Präferenzen zu reflektieren und unter Umständen zu verändern. Das bedeutet nicht, dass Journalistinnen und Journalisten wie übergriffige Erzieher auftreten dürften. Ihre Rolle geht jedoch weit darüber hinaus, dem Publikum nur einen Spiegel vorzuhalten.

Guter Journalismus kann neue Einsichten vermitteln und dazu beitragen, dass relevante Themen und Probleme endlich beachtet werden und auf die Agenda kommen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn Menschen, die in den Medien arbeiten, bei einigen Themen der Bevölkerung „voraus“ sind. So hat die erwähnte SOEP-Studie ergeben, dass sich Journalistinnen und Journalisten um die Klimakrise mehr Sorgen machen als die Bevölkerung. Das könnte auch daran liegen, dass sie sich schon länger und intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Im Durchschnitt dürften Journalistinnen und Journalisten mehr über Politik wissen als die Bevölkerung. Ob das automatisch bedeutet, dass ihre Parteipräferenzen klüger und kompetenter sind, ist eine andere Frage.

14 Kommentare

  1. Für Grüne und Linke ist es kein Problem, dass Journalisten linker und grüner sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Bei der überregionalen Presse stört das genauso wenig wie im Internet, da es ein breites Meinungsspektrum gibt. Problematisch ist es im Lokaljournalismus, da es meistens nur noch eine Zeitung gibt. Wirklich ärgerlich ist die grün-rote Dominanz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da ihn auch konservative, liberale sowie populistisch und rechtsextremistische Menschen bezahlen müssen.

  2. Klingt wie die üblicher beschwichtigungs, Verharmlosungs- und ….
    „alles is gut“ Artikel :(
    Ich kann Herr Schulzt schon Verstehen…, viel bedeutet es für sich genommen nicht….

    Aber die steigende Zahl der alternativ Medien (Links wie rechts) , das gezielte Verschweigen von Nationalitäten und vor allem DAS GENDERN, bei einem großteil der Medien, sind dann doch ein guter Gegenbeweis.

    Auch hier bei Übermedien kommen vor allem linke und sehr Linke Kommentatoren und leider auch Kritiken zum Ausdruck ….
    WEnn mal was „Linkes“ kritisiert wird, wie die Aktienzeichen XY“ kritik , dann ist es so vorsichtig geschrieben, das es kaum verdient hat, als Kritik zu gelten….

    Ich habe PSychologie studiert, mit den Schwerpunkten Medien-/Kommunikations-psychologie. Und die Tatsache, das Journalisten Angeben, das sie versuchen, Objektiv zu sein ist mehr eine Hoffnung und „NA selbstverständlich sind haben wir nur die besten Absichten“-Verteidigung, als realität….

    Gerade sehr politische bzw Politik interessierte Menschen s ind sehr einseitig und kritik-/Objektivität resistent ….

    Ich sehe es nicht und halte das auch mehr für Wunschdenken ,… außerdem sehe ich leider auf Welt / Zeit online, wie immun „Kommentatoren und Journalisten gegen Kritik sind……
    Und wie einseitig selbst „ÜBER“ Kritiker sind……

  3. „Linker und grüner“… also mit einer ‚Linken‘ im eigentlichen Sinn hat die Partei, welche sich „Bündnis 90/die Grünen“ nennt, seit nun schon Jahrzehnten wenig bis nichts mehr zu tun. Dass in vielen Medien diesbezügl. immer noch gewisse Mythen gepflegt werden, zeigt Denkfaulheit und Contrafakitsches dort ziemlich offensichtlich auf. Aber klar, von „Prinzipien“ der Grünen zu reden, gar von „Idealen“ (ökologischen, haha, friedensbewegten, hahahahaha) scheint halt noch die ödeste Story über das traurige Programm dieser Partei noch irgendwie aufzupeppen. Nein, nicht einmal das. Dagegen ist das Gerede über „Zusammenwachsen“, „Nation“ oder „Gegensätze zwischen Ost und West“ schon fast spannend. Nein, auch das stimmt eigentlich nicht. Alles sehr eindimensional, neben Marcuse kommen einem auch Adornos Notizen aus dem beschädigten Leben in den Sinn.

  4. Äh, „Contrafaktisches“ müsste es eigentlich heißen, sry. Wobei „Kitsch“ da durchaus auch reinpasst, ein Freudscher.

  5. Wieder mal ein von hinten aufgezäumtes Pferd durchs Dorf getrieben… Dass Journalisten statistisch* eher links sind, ist Forschungsstand seit den 1970ern. Journalismus ist aber kein geschützter Beruf, jeder kann sich Journalist nennen. Jeder kann auch Medienunternehmer sein, dank Internet sogar mit Minibudget. Umgekehrt gibt es aber auch keinen Berufszwang, niemand muss Journalist werden. Die spannende Frage ist also: Warum bleibt das so?

    Ein paar Forschungshypothesen:
    1) Medien perpetuieren ihre politische Haltung – provokant: „Linke stellen nur Linke ein“.
    2) Kommunikationsbedürfnis hängt mit politischer Einstellung zusammen – provokant: „Nur Linke wollen sich mitteilen“.
    3) Medienangebote orientieren sich am Markterfolg – provokant: „Nur Linke lesen (gegen Abogebühr)“
    Das wär doch mal was :-)

  6. @1: Ja, schon wirklich ärgerlich, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die verfassungsfeindlichen Positionen von Rechtsextremen, die ihn auch mitfinanzieren, nicht viel mehr Platz bekommen. Denn dafür ist der ÖR schließlich da, um Nazi-Propaganda zu veröffentlichen, nicht?

  7. Vielleicht sind Journalisten auch im Durchschnitt gebildeter als die Bevölkerung. Sich vor Zukunftsthemen nicht zu verstecken erfordert eine gewisse Weitsicht.

  8. 2 Dinge finde ich bei diesen Diskussionen immer extrem fragwürdig:

    1. Welche Rolle spielt die politische Einstellung eines Angestellten im Vergleich zur Einstellung der Chefetage und/oder Eigentümer:innen?. Welchen Sinn macht es, Praktikant:innen zu befragen?

    2. Was soll 2024 eigentlich „links“ sein? Die meisten Dinge, die heute angeblich linke Einstellungen indizieren sollen, lassen sich reduzieren auf „hat die letzten 50 Jahre nicht unter einem Stein gelebt und glaubt nicht, dass die 50iger irgendwie toll waren“.
    Grüne links? Das war 1970ish.

  9. Ach ja, was imho auch noch zu beachten wäre:
    Es gibt keinerlei Schamgrenze bei den ( durch die Bank eher rechten ) Boulevardmedien, Kampagnenjournalismus gegen den politischen Gegner-, sowie Protektionismus gegen die eigenen Favoriten ( „siehe Döpfner“) zu betrieben.

    Das ganze begleitet von einem Dauerlamento vom ang. „linksgrünversifften Mainstream Journalismus“, das aktuelle Geschrei“ Haltet den Dieb“ aus den Kehlen derjenigen, die sich dabei die Taschen mit Diebesgut füllen.

    Die Skrupel der ernsthaften Journalist:innen werden zum fatalen Handicap. Niemand will sie ernsthaft ignorieren, aber der Siegeszug der populistischen Agitatoren wird zum dröhnenden Deja Vu.

  10. @ 1 und 6: Zumal ich eine lange Weile lang nicht das Gefühl hatte, z.B. die AfD sei „unterrepräsentiert“ – insbesondere in den politischen Talkshows saß doch jede Woche einer von den Freaks (Gauland, Meuthen, Weidel). Und Populismus ist nun wirklich bis heute in jeder dieser Talkshows vertreten – gibt es eigentlich noch eine ohne Sahra Wagenknecht ???

  11. Am Ende des Textes klingt es kurz an, was vielleicht das „links“ Geneigtsein erklären könnte: Viele Journalist:innen beschäftigen sich regelmäßig mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, z.B. über den Klimawandel, über soziale und gesellschaftliche Zusammenhänge usw. Wenn man sich dann die Forderungen der Parteien anschaut, würde ich vermuten, dass sich die politischen Ziele „linker“ Parteien eher mit wissenschaftlichen Erkenntnissen decken. Deswegen ist dann eine Präferenz der Grünen unter Journalist:innen auch nicht mehr verwunderlich, immerhin lehnt sich ihre Politik oft an wissenschaftliche Forderungen an, oder zumindest öfter als z.B. die Politik der CDU/CSU. Das fände ich mal einen sehr spannenden Aspekt, der mit untersucht werden sollte.

  12. Finde es etwas schade, dass in den Kommentaren unter diesem Artikel bisher wenige interessante und konstruktive Gedanken zum Thema stehen.

    Ich möchte es auch ml versuchen: Ich finde den Artikel gut, weil viele wichtige Punkte angesprochen werden, die das Thema, ob die „Linksdominanz“ unter den Journalistinnen ein Problem ist, beeinflussen. Danke dafür! Obwohl mir viele Punkte schon bekannt waren, fand ich das im Überlblick und seinen Zusammenhängen auf das Thema bezogen spannend und erhellend.

    Ich finde es richtig und wichtig, was im letzten Teil des Textes steht, dass Journalismus nicht dafür da ist, den Leuten nach dem Mund zu reden und sie nur zu spiegeln. Sondern auch Impulse und Anregegungen zu geben, die dem nicht entsprechen.
    Genauso richtig und wichtig finde ich gleichzeitig den Punkt vom Beginn des Textes: Wie würde es jemand, der sich links oder grün verortet, finden, wenn er wüsste, dass Journalisten im Mittel eher rechter/konservativer ticken. Fänden viele wahrscheinlich nicht so geil.

    Auch, obwohl ich mich selbst links-grün verorte, ich nehme die Inhalte, gerade im ÖRR, meinungsmäßig eher links ausschlagend wahr. So gut ich das einerseits inhaltlich/thematisch finden könnte, so stört es mich gleichzeitig. Weil ich den Eindruck habe, dass manche konservative Blickwinkel, Ansichten und Wertvorstellungen – die mir nicht sonderlich gefallen müssen und die ich kritisieren mag – zu wenig abgebildet sind/werden. Denn ich weiß ja, dass viele Menschen die Welt etwas anders sehen als ich und anders auf Themen blicken. Da ist es nur richtig, dass auch sie ihre Perspektiven im ÖRR ausreichend abgebildet/vertreten finden. Wenn das nicht so ist, wäre das für den ÖRR kontraproduktiv.

  13. Früher gab es im Fernsehen „Panorama“ und „Monitor“ für die linke Weltsicht und das „ZDF-Magazin“ für die rechte Weltsicht. Das war in Ordnung, denn es gibt nun mal ein linkes und ein rechtes Spektrum in der Politik. Wer will behaupten, dass es so eine Ausgewogenheit heute noch gibt? Und deshalb spielt die politische Einstellung von Journalisten doch eine Rolle. Wo bleibt die politische Vielfalt im ÖRR? Bei den Gebührenzahlern existiert diese doch auch.

  14. “ „ZDF-Magazin“ für die rechte Weltsicht. “

    Wie gut, dass auch für Rechte gilt:

    Schütze mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden komme ich selber klar!
    oder:
    Nun wissen wir, unter welchem Stein Herr Blechschmied schlief.
    LoL

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