Symbolfotos mit Trecker und Spritze

Das ist kein Glyphosat. Das auch nicht. Das auch nicht. Das auch nicht.

Das Thema Glyphosat ist ein bisschen komplex, lässt sich aber wenigstens schön bebildern.

Die Archive und Datenbanken sind voll von eindrucksvollen Motiven, in denen Traktoren mit weit ausladendem Gestänge über die Felder ziehen und Giftzeug in dichten Schwaden verspritzen. Am Schönsten ist das natürlich mit dem satten Gelb eines blühenden Rapsfeldes:

Screenshot: „Handelsblatt“

Das Problem ist nur: Was der Bauer da versprüht, ist mit Sicherheit kein Glyphosat. Um das zu wissen, muss man den Bauern nicht kennen. Nur die Wirkung und Anwendungsweise von Glyphosat.

Glyphosat ist ein Breitband- oder Totalherbizid. Es ist praktisch für alle Pflanzenarten giftig. Wenn man es über einem Feld mit Getreide versprüht, vernichtet man nicht nur das Unkraut, sondern auch das Getreide. (Eine Ausnahme sind gentechnisch veränderte Pflanzen, deren Anbau in Deutschland allerdings verboten ist.)

Glyphosat wird nur über das Grüne der Pflanzen aufgenommen. Daher ist es zum Beispiel möglich, es unter Obstbäumen zu versprühen, ohne die Bäume zu vernichten. Auf Feldern wird es in der Regel nach der Ernte oder vor der Aussaat aufgetragen, um den Acker von Unkraut zu befreien.

Wenn da auf dem schönen „Handelsblatt“-Bild also tatsächlich ein Glyphosat-Mittel auf dem Raps versprüht würde, wäre der Raps schnell hinüber.

Kein Glyphosat, kein Glyphosat, kein Glyphosat

Falls Ihnen all das bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass ich das fast wörtlich vor siebeneinhalb Jahren hier schon einmal geschrieben habe. Mit zahlreichen Screenshots von vermeintlich renommierten Nachrichten- und Medienseiten, auf denen zum Thema Glyphosat Trecker auf grünen oder gelben Feldern zu sehen waren, die alles mögliche versprühten, nur ganz sicher kein Glyphosat. Teilweise werden es Insektizide gewesen sein, teilweise nicht einmal Pflanzenschutzmittel, sondern einfach: Dünger.

Seitdem hat sich nichts verbessert. Teilweise sind es dieselben falschen Symbolfotos, die auch heute wieder gedankenlos eingesetzt werden, zum Beispiel das hier beim RND:

Screenshot: RND

Die Medien sind voll von Glyphosat, aber erstaunlicherweise fast frei von Bildern, die Glyphosat zeigen.

Das hier ist kein Glyphosat:

Screenshot: „Capital“

Das hier ist kein Glyphosat:

Screenshot: Twitter/DerSpiegel

Das hier ist kein Glyphosat:

Screenshot: NOZ

Es gäbe noch viel, viel mehr Beispiele.

Symbolfotos für Nicht-Glyphosat

In einem Erklärvideo der Nachrichtenagentur dpa, das unter anderem bei der „Süddeutschen Zeitung“ eingebunden ist, heißt es gleich zu Beginn:

„Wo es versprüht wird, wächst kein Gras, Strauch oder Moos mehr.“

… während man sieht, wie ein Traktor großflächig etwas über einen riesigen Acker mit grünen Pflanzen versprüht:

Screenshot: sueddeutsche.de

Auch die Ippen-Gruppe hat für ihre zahlreichen Content-Ausspielstationen ein Erklärvideo produziert. Darin heißt es:

„Glyphosat tötet alle Pflanzen auf dem Feld.“

Diese Information hat aber niemanden davon abgehalten, in denselben Film Aufnahmen zu schneiden, in dem jemand fröhlich die Blätter eines Obstbaumes einsprüht:

Screenshot: „Frankfurter Rundschau“

Ebenso wie bei dpa ist zwar das Wort „Symbolbilder“ eingeblendet, aber das hilft wenig, denn es sind ja gerade keine Symbolbilder für Glyphosat, sondern für Nicht-Glyphosat.

Auch in ZDF-Beiträgen wird so getan, als würde man Gemüse mit Glyphosat besprengen:

Screenshot: ZDF

Nun kann man natürlich sagen, dass es doch nicht so darauf ankommt. Es sind halt nur Symbolfotos, die die Redaktionen da flächendeckend zeigen, die auf eine attraktive Art illustrieren, dass es um irgendetwas geht, das irgendwie auf deutschen Feldern versprüht wird.

Aber auf eine gar nicht subtile Art vermitteln diese Fotos natürlich, gerade in der Masse, immer wieder einen falschen Eindruck davon, wie dieses schwer umstrittene Mittel eingesetzt wird. Und jedem, der sich mit der Materie auskennt, signalisieren sie, dass es diese Redaktionen eben nicht tun.

So endete auch unser Artikel 2016. Vermutlich werden wir dasselbe 2030 nochmal schreiben können.

PS: Das hier ist Glyphosat:

Screenshot: rbb24

7 Kommentare

  1. Es erzeugt natürlich auch einen gewissen Spin, wenn das Zeug, dessen Gefährlichkeit/Wirksamkeit gerade diskutiert wird, in genau dieser Hinsicht völlig falsch dargestellt wird.

  2. Vielen Dank für den aufschlussreichen Hinweis (auch wenn er nicht neu ist). Die Bilder suggerieren halt, dass Glyphosat direkt auf Lebensmittel gesprüht wird. Und da Bilder viel stärker im Gedächtnis haften bleiben als Texte, ist das doppelt verwerflich.

  3. Kein Wunder, dass Landwirte eine linksgrün versiffte Medien-Kampagne gegen die konventionelle Landwirtschaft vermuten und den Eindruck haben, Leute ohne Ahnung von Landwirtschaft, mischen sich fachfremd ein. Auch die NGOs bekleckern sich da nicht mit Ruhm, weil ihre Forderungen damit unfundiert rüberkommen und damit jeglichen Rückhalt bei den Bauer verspielen. Dass sich dort Zynismus breit macht, verwundert eigentlich nicht. In einigen Kommentarspalten findet man immer wieder Äußerungen wie: Wenn ihr das gut erforschte Glyphosat nicht wollt, müssen wir halt zu schlimmeren, aber noch nicht verbotenen Mitteln greifen, oder eben welche, die weniger gut erforscht sind.

  4. #5: Soll diese verkürzte Aussage nun irgendjemanden weiterhelfen? Du sagst ja nicht mal, zu was du deine Erkenntnis selbst nutzt. Ist der Presse deshalb grundsätzlich nicht zu trauen? Und wo wurde je behauptet, Journalisten hätten besonders viel Ahnung? Die haben sie in der Regel nämlich tatsächlich nicht oder nur bruchstückhaft. Und genau deswegen sind viele Journalisten geworden, um sich entweder Ahnung zu verschaffen oder Leute mit Ahnung ausfindig zu machen. Die Leute, die wirklich tief in einer Materie stecken, haben meist weder Zeit noch Lust, diese so herunterzubrechen, dass jeder es nachvollziehen kann. Denn auch dieses Herunterbrechen in einfache Worte ist eine Kunst. Das ist mit eine Kernkompetenz von Journalismus. Hinzu kommt das Einordnen und Kontextualisieren, was viele Experten eben schlechter können, weil sie zu sehr in einer Bubble leben oder es schlicht nie gelernt haben.

    Wenn ich Übermedien richtig verstanden habe, geht es nie darum, Argumente zu liefern, warum man den Journalismus quasi generell nicht trauen sollte, sondern, um Fehler aufzudecken, damit der Journalismus insgesamt wieder besser wird. Vieles liegt im Argen, aber damit ist nicht das ganze Konzept für die Katze.

  5. #6 Du liebe Güte, wie humorfrei und unglaublich wortreich-ernsthaft sich da jemand ins Zeug gelegt hat… also in dem Fall hammse halt auf weiter Flur (sic!) keine Ahnung davon, was da ein passendes Bild wäre (wäre ja vielleicht nicht sooo schwierig zu investigieren (2x „wäre“ – Wdh.! Stil! Außerdem steht „investigieren“ nicht im Duden)).
    Ach ja: Wir duzen uns nicht, sólo mis amigos y yo nos túteamos…

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