Funk-Format „Dating Halal“

Dating-Show von heute mit einem Weltbild von gestern

Kauta und Rufat beim Date, Schwester hört mit.
Kauta (r.) und Rufat beim Date, Schwester hört mit. Screenshot: „Dating Halal“ / „Datteltäter“ (Funk)

Rufat findet grundsätzlich, dass sich eine Frau vernünftig kleiden muss. Gut, es gebe schon ein paar Sachen, da könne er die Augen „mal zukneifen“. Minirock? Gerne zuhause. Aber ansonsten: „Nein“. Das erklärt der 26-jährige Kandidat der Show „Halal Dating“ seinem Date Kauta, die nach dem Mann fürs Leben sucht. Sie lasse sich zwar nichts verbieten, entgegnet ihm die 23-Jährige, aber sie sei schon bereit für Kompromisse, „wenn ich dich mag“.

Diese Szene ist beispielhaft dafür, wie reaktionär „Halal Dating“, ein Format des Funk-Kanals „Datteltäter“, an vielen Stellen ist. Das nach eigenen Angaben „erste Dating-Format von Muslimen für Muslime“ hat ein Problem: Es suggeriert Vielfalt, obwohl es nicht vielfältig ist. Etliche Aussagen in „Halal Dating“ sind – kaschiert von einem progressiven, hippen Look – patriarchal, konservativ und vermitteln den Eindruck, dass das die Lebensrealität von Muslimen in Deutschland sei. Queeres Leben, zum Beispiel, spielt hier keine Rolle. Und wer nicht an Allah glaubt oder ein anderes Gotteshaus besucht als die Moschee, fliegt ziemlich schnell raus.

Bisher sind fünf Folgen „Halal Dating“ erschienen. Das Konzept: Ein Familienmitglied muss für die Kandidatin bzw. den Kandidaten aus fünf Personen einen potentiellen Partner oder eine Partnerin auswählen. (In der neuesten Folge wurde das Konzept etwas abgeändert, so stehen zum Beispiel nur drei statt fünf Frauen zur Auswahl.)

Die Teilnehmer:innen stellen sich zunächst den Fragen der Eltern oder Geschwister, etwa: Wie wichtig ist dir Religion? Wo siehst du dich in fünf Jahren? Woran ist deine letzte Beziehung gescheitert? Oder, an die Vegetarierin: Kannst du dir vorstellen, dass du Fleisch kochst für den Mann?

Die Person, die verkuppelt werden soll, befindet sich in einem anderen Raum und hört mit. Sie hat ein Vetorecht, sollte ihr Familienmitglied den oder die Falsche rauswerfen wollen. Wer am Ende übrig bleibt, hat die Chance auf ein Date mit der Kandidatin bzw. dem Kandidaten. Aber das Match gilt nur, wenn Familienmitglieder und Kandidat:in gleichermaßen überzeugt sind. So wie bei Rufat und Kauta.

Die „Datteltäter“ machen vieles richtig

Der Kanal „Datteltäter“, zu dem das Format gehört, wurde 2015 von den Youtubern Marcel Sonneck, Younes Al-Amayra und Farah Bouamar gegründet. Seit 2016 ist „Datteltäter“ unter dem Dach des Netzwerks Funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF. Knapp 600.000 Menschen folgen „Datteltäter“ bei Youtube, 200.000 sind es bei Instagram.

Auf ihrer Seite beschreiben sich die Macher:innen so:

„Einmal in der Woche räumen die Datteltäter auf YouTube mit Stereotypen auf, machen sich über Engstirnigkeit lustig und haben einfach ihren Spaß dabei. Der Fokus der Datteltäter geht dabei in eine Richtung: Gesellschaftskritik.“

Die „Datteltäter“ machen – im Gegensatz zu anderen Funk-Formaten – vieles richtig. Sie sparen nicht mit Selbstironie und halten auch ihrer Community den Spiegel vor. „Datteltäter“ ist größtenteils ein Satireformat, das humoristisch Vorurteile gegen Muslime in Deutschland aufgreift und sich lustig macht sowohl über migrantische Communities als auch über typische Almans. Der Kanal behandelt aber auch ernste Themen wie Rassismus oder Dschihadismus. In einem Video kommen die Hinterbliebenen des rassistischen Anschlags von Hanau ausführlich zu Wort.

„Datteltäter“ erhielt 2017 den „Grimme Online Award“. Die Jury begründete dies unter anderen damit, dass es dem Kanal gelinge, „Realitäten geradezurücken, ohne sie zu beschönigen“ und „Brücken zu bauen, ohne zu belehren“. Personen, die Funk gerne vorhalten, zu woke zu sein, müssten „Datteltäter“ eigentlich gut finden, denn der Kanal scheut sich nicht, kritisch zu sein, wie zum Beispiel in dem Video „Dinge, die Türken NIE sagen!“, in dem satirisch das Verhältnis von Türk:innen zum Völkermord an den Armenier:innen thematisiert wird. Oder sie machen sich lustig über Diversity-Kampagnen von Unternehmen.

Rausgeflogen, weil sie Christin ist

Halal bedeutet im Arabischen so viel wie zulässig oder erlaubt. Die meisten haben den Begriff wahrscheinlich schon einmal im Kontext mit Lebensmitteln gehört; es gibt Supermärkte, die halal sind, oder auch Rezepte. Was halal im Dating-Kontext bedeuten soll, erläutern die Macher:innen der Sendung nicht wirklich. Wir haben deshalb nachgefragt, was sie mit der Dating-Show erreichen wollen. Der Sender Funk schreibt uns dazu:

„Das Format ‚Datteltäter‘ ist ein Unterhaltungsformat für eine junge muslimische Community, das satirisch Stereotypen aufgreift und das deutsch-muslimische Selbstverständnis zeigt. Beim ‚Halal Dating‘ wird der Zwiespalt aus Prägungen, Milieus und Traditionen thematisiert, mit dem sich junge Menschen aus der muslimischen Community in ihrem Dating-Leben konfrontiert sehen.“

Das Wort halal werde hier, „wie bei Satireformaten üblich“, überspitzt verwendet, schreibt Funk.

Aber auf dem Kanal „Datteltäter“ sind keineswegs alle Videos satirisch und auch „Halal Dating“ ist kein Satireformat. Die Teilnehmer:innen spielen keine fiktiven Rollen, sie vertreten die Positionen, die sie tatsächlich haben.

Yousufs Eltern suchen beim Funk-Formt "Dating Halal" eine Frau für ihren Sohn.
Yousufs Eltern suchen eine Frau für ihren Sohn. Screenshot: „Dating Halal“ / „Datteltäter“ (Funk)

„Halal Dating“ steht leider im absoluten Gegensatz zum überwiegend kritisch-progressiven Auftritt des restlichen Kanals. In Folge drei zum Beispiel sollen die Eltern von Yousuf eine Frau für ihn auswählen. Schon in der ersten Runde möchte der Vater Kandidatin Dina gehen lassen, deren Familie aus Eritrea stammt. Da weiß er noch gar nicht, dass sie keine Muslimin ist. Grund sei, dass er „ihre Kultur“, also die von Dina, gar nicht kenne.

Yousuf legt sein Veto ein. Rausgewählt wird erstmal Vegetarierin Lea, wegen der Sache mit dem Fleisch. In einer weiteren Fragerunde will der Vater von den Kandidat:innen wissen, ob sie ihre Kinder islamisch erziehen würden. Kandidatin Dina sagt dann, dass sie das gar nicht könne, da sie orthodoxe Christin sei und sie auch nicht bereit, zu konvertieren. Damit ist sie dann wirklich raus.

Bei der Frage „Freiheit oder Sicherheit?“ an die Kanditat:innen antwortet Dina zuvor noch mit „Freiheit“ und der Vater entgegnet spöttisch: „Was will eine verheiratete Frau von Freiheit?“ An anderer Stelle darf er ausführlich referieren, warum er nichts von Scheidung hält. Man müsse „versuchen, die Familie zu retten“. Und auch wenn die Kandidatinnen dem Vater widersprechen, wirkt die Szene doch altmodisch. Keine Frage, diese Einstellungen gibt es, man kann sie auch haben – aber welchen Mehrwert hat ein Funk-Format, in dem ernsthaft darüber diskutiert wird, ob sich Frauen scheiden lassen dürfen?

In Folge vier soll Leila für ihre Schwester Kauta den richtigen Mann aussuchen. Als erster fliegt Ameen raus, weil er nicht an Gott glaubt, und Religion nur „interessant“ findet. Für Kauta und ihre Schwester ein „No Go“. Als nächstes fliegt Samyal raus, weil er Christ ist. Klar, das sind offenbar die Regeln des Formates. Aber wenn die Halal-Dating-Regeln nur darin bestehen, dass man Muslim sein muss: Warum werden andere Leute überhaupt eingeladen? Was will man damit zeigen?

Funk schreibt uns dazu:

„Welche Kandidat:innen die jeweiligen Episoden gewinnen, entscheiden die Protagonist:innen. Die Redaktion nimmt darauf keinen Einfluss.“

Sicher, wie so eine Show verläuft, hängt viel von den Teilnehmer:innen ab. Dennoch mangelt es dem Konzept hier definitiv an dramaturgischer Tiefgründigkeit und einer frischen Idee, muslimisches Alltagsleben in Deutschland in seiner tatsächlichen Vielfalt darzustellen.

Kauta und ihre Schwester Leila wählen am Ende Rufat aus. Im Date mit Kauta präsentiert der dann seine Haltung zu Miniröcken. Oder anders gesagt: Im Jahr 2023 erklärt ein Mann einer Frau in einem öffentlich-rechtlichen Funk-Format, wie sie sich kleiden soll oder darf.

Eine Nutzerin bei Youtube schreibt unter dem Video, sie möge das ganze Format und sei froh, dass sowas auch endlich auf Deutsch produziert werde. Bei diesem Video aber sei ihr „mehrmals aufgefallen, dass seltsame Stereotypen reproduziert werden“, zum Beispiel „Religion über alles, extreme Eifersucht, Kleiderordnung“.

Wir fragen bei Funk nach, wie sich Aussagen von Kandidat Rufat oder die von Yousufs Vater mit den sonst progressiven Inhalten von „Datteltäter“ vereinen lassen. Funk antwortet uns, dass die Aussagen sowohl von den jeweils anderen Protagonist:innen in den Episoden als auch von der Community in den Kommentarspalten kommentiert werden und daher nicht unhinterfragt stehen würden. „Halal Dating” sei eine Show, die unterhalten wolle: „Dazu gehört auch, unterschiedliche Perspektiven abzubilden, damit sich Menschen eine eigene Meinung bilden können. Dabei muss die Meinung der Protagonist:innen nicht der der Format-Machenden entsprechen.“

Wo ist das queere Leben?

Sicher ist „Halal Dating“ kein Format, das bewusst ein reaktionäres Weltbild verbreiten möchte – es passiert in den bisherigen Folgen aber trotzdem, eben weil diese Haltung so dominant ist. Unterschiedliche Perspektiven abzubilden, würde zum Beispiel auch bedeuten, nicht so eindimensional und heteronormativ zu sein.

Viele queere Muslim:innen in Deutschland haben mit Anfeindungen zu kämpfen, auch aus den eigenen Familien, und können ihre Liebe nur im Verborgenen ausleben. So ein Format wäre auch eine Möglichkeit, Vorurteile abzubauen – und zwar nicht nur die Vorteile von konservativen Muslim:innen gegenüber queeren Muslim:innen, sondern auch die Vorurteile von biodeutschen Nicht-Muslim:innen gegenüber Muslim:innen im Allgemeinen.

Oder soll es einfach so heteronormativ sein? Steht das halal im Sendungstitel womöglich auch dafür, dass Homosexualität für viele Muslim:innen eben nicht halal sei?

Funk erklärt auf Anfrage, dass „Halal Dating” verschiedene Perspektiven und Lebensrealitäten aus der jungen muslimischen Community abbilde. Das Format entwickele sich kontinuierlich weiter. Fünf Folgen wurden bisher veröffentlicht. Es sei durchaus möglich, schreibt Funk, „dass in Zukunft auch queere Kandidat:innen zu Gast sind“. Das klingt nicht gerade, als wäre es wirklich vorgesehen oder sogar geplant.

7 Kommentare

  1. Erstens:
    Datingshows sind für mich ohnehin nur in herrlicher Persiflage durch Oliver Kalkofe in seiner Kalkofes Mattscheibe ertragbar.

    Zweitens:
    Diese Halal Datingshow ist, wenn es an die akzeptanz von Muslimen durch die ursprüngliche deutsche Gesellschaft angeht, auf Grund der hier beschriebenen Szenen und Momente ohnehin kontraprduktiv.

    Drittens:
    Diese Show zeigt auch die Doppelstandards in unserer deutschen Gesellschaft auf. Während sich nahezu alle (nicht die Rechtsradikalen) empören würden, wenn in einer normalen Datingshow ein christlicher Teilnehmer eine Muslima ausschließt, nur weil sie ihren Glauben auch weiterhin leben will, fällt die Empörung über die geschilderte Intoleranz der muslimischen Teilnehmer an dieser Show so gut wie überhaupt nicht statt.

  2. @Michael Stängl
    „fällt die Empörung über die geschilderte Intoleranz der muslimischen Teilnehmer an dieser Show so gut wie überhaupt nicht statt.“

    Äh, habe ich den Artikel, der das thematisiert, nun gerade gelesen, oder habe ich das nur geträumt?
    Ansonsten:
    https://www.kirche-hamburg.de/nachrichten/details/bibel-tv-zeigt-christliche-singleboerse/iframe.html

    Und damit will ich beide, im Grunde immer reaktionären, Veranstaltungen nicht verteidigen.
    Aber den Lamento-Reflex könnten Sie vielleicht auch sein lassen.

  3. Wenn Bibel TV eine christliche Singlebörse ausstrahlt, ist das in Ordnung. Von mir aus dürfen auch Vatikan TV katholische (1 Mann, 1 Frau) und Mekka TV muslimische Ehen (1 Mann, 1 bis 4 Frauen) anbahnen. Aber der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte so etwas wie „Halal Dating“ unterlassen. Die Gründe dafür nennt der Artikel.

  4. „Fünf Folgen wurden bisher veröffentlicht.“
    Hoffentlich bleibt es dabei. Das waren anscheinend schon fünf Folgen zuviel.

    Es scheint ja durchaus nicht _nur_ an den Teilnehmer*innen zu liegen (die ja auch redaktionell gecastet werden). Wenn Eltern oder andere Familienmitglieder Dates für ihre Kinder / Angehörigen aussuchen (auch wenn die gnädigerweise ein Mitspracherecht bekommen), ist das ja durch das Format bedingt. Und ein derart reaktionäres Format hat in einem öffentlich-rechtlichen Sender einfach nichts zu suchen.

    Es muss auch nicht jede noch so widerwärtige Meinung, Einstellung oder Lebensweise unkritisch im ÖRR zelebriert werden, nur weil sie in diesem Land weit verbreitet ist. Sonst hätten wir demnächst eine Show, in der fünf Almans unter einer Gruppe Nicht-Almans auswählen, wer zu „unserer Kultur“ passt und wer nicht. Für die junge sächsische Community, oder so.

  5. Ich vermute mal, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis wir die ersten homo- oder bisexuellen Kandidaten sehen, allein aus Angst vor der eigenen Familie/Verwandtschaft/Gemeinschaft geoutet zu werden. Von Ausstoßung bis körperliche Strafen ist da alles dabei.

  6. Der Autor stellt selbst fest, dass die Sendung die dominante Haltung abbildet. Wir holen uns Einwanderer aus deutlich konservativeren bzw. reaktionäreren Kulturen ins Land und halten dann aber deren dominante kulturelle Eigenheiten für dermaßen unmoralisch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sie nicht abbilden darf? Stattdessen soll dieser Rundfunk die Menschen umerziehen und für Vielfalt und Feminismus, LGBTQA+ und Säkularismus öffnen?

    So geht die progressive Variante von Ausgrenzung: Die Vielfalt zwar als Ideologie verfechten, aber da wo diese Vielfalt tatsächlich Toleranzaufwand erfordern würde, weil’s weh tut, soll sie unsichtbar gemacht werden. So wie wir Progressiven uns die Moslems in unseren Multikulti-Fantasien wünschen, so haben sie gefälligst abgebildet zu werden.

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