Holger ruft an (117)

Was für eine Realität konstruieren die Reportagen von „Funk“?

Vorschaubilder von Funk-Beiträgen: "Ich bin Geldherrin" u.a.

Für viele ist „Funk“, das junge Inhalte-Netzwerk von ARD und ZDF, ein rotes Tuch. Als zu subjektiv, zu links, zu unausgewogen und zu sehr fixiert auf bizarre Nischenthemen, Sex, Drogen und Crime werden die Videobeiträge vor allem von konservativen Beobachtern kritisiert, die immer wieder einzelne Beiträge skandalisieren.

Das klassische journalistische Gebot der Neutralität wird von den „Funk“-Reporterinnnen und Reportern regelmäßig verletzt, die „professionelle Distanz“ gegen eine „teils radikal subjektive Perspektive eingetauscht“, stellt der Medienwissenschaftler Janis Brinkmann fest. „Sie alle werden von neutralen zu teilnehmenden Beobachter:innen, zu Grenzgängern des Journalismus – um Missstände aufzudecken, interessante Menschen zu zeigen, in alternative Lebenswelten einzutauchen – und um die junge Zielgruppe der 14–29-Jährigen durch authentische Geschichten emotional mitzunehmen.“

Im Gespräch mit Holger Klein im Übermedien-Podcast sagt er: „‚Funk‘ ist aus meiner Sicht ein wichtiger Akteur, der völlig unterbewertet ist in der Forschung.“ Für die Otto-Brenner-Stiftung hat er über 1000 Filme der Funk-Formate „Y-Kollektiv“, „STRG-F“, „reporter“, „follow me.reports“ und „Die Frage“ ausgewertet und untersucht: Mit welchen Themen befassen sie sich, aus welcher Perspektive, mit welchen Protagonisten, in welcher Form, mit welchen Strategien der Zielgruppenansprache.

Ein Ergebnis: „In 90 Prozent der untersuchten Reportagen wird explizit Meinung geäußert oder ist die Perspektive subjektiv; Quellen wie Studien oder Expert:innen spielen eine untergeordnete Rolle.“ Brinkmann sieht die untersuchten „Funk“-Formate in der Tradition des „New Journalism“ in einer für die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen aktualisierten und für Web-Video-Formate modifizierten Form.

Zu den Befunden seiner Studie gehört auch:

  • es gibt kaum internationale Bezüge in den Reportagen
  • Großstädte dominieren; dörfliche Lebensrealitäten kommen kaum vor
  • die neuen Bundesländer kommen fast gar nicht vor; eine Ausnahme ist höchstens Sachsen, insbesondere als Ort für Beiträge zur Thematik Rechtsradikalismus

Brinkmann hofft, dass die Studie dazu beiträgt, eine größere, fundierte Debatte über die besondere Art des „Funk“-Journalismus anzustoßen, über ihre Chancen und Probleme:

„Da lohnt es sich immer hinzugucken. Da passiert spannender Journalismus, da passiert das, was wir seit vielen Jahren als Entgrenzung im Journalismus verstehen. Wo, wenn nicht unter solchen Rahmenbedingungen sollen neue Formen des Journalismus entstehen? Man kann sich daran abarbeiten, man kann sagen, das sei kein Journalismus, das sei handwerklich nicht gut gemacht – entscheidend ist immer die Perspektive: Welche Normen lege ich zugrunde?“

Holger Klein ruft an bei Janis Brinkmann:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

Links:

Ein Kommentar

  1. Eine lobenswerte Studie. Den Subjektivismus und die Personalisierung in „jungen“ Formaten – nicht nur bei Funk – sehe ich als Problem für kritischen Journalismus: Er fördert die Infantilisierung und Ego-Zentrierung der Zielgruppe und verhindert, dass sie sich an „erwachsene“ Formate gewöhnt (bei denen diese Marotten inzwischen allerdings auch schon Einzug halten. Kaum ein Artikel ohne „ich“ und „wir“).

    Service @Holger: Die Formel „Unter 3“ entstammt tatsächlich der Satzung der Bundespressekonferenz. Ich zitiere:

    „§ 16 (1) Die Mitteilungen auf den Pressekonferenzen erfolgen: unter 1. zu beliebiger Verwendung oder unter 2. zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden oder unter 3. vertraulich.“

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