Holger ruft an (128)

Müssen Böhmermann und das ZDF dem ehemaligen BSI-Chef Schmerzensgeld zahlen?

Jan Böhmermann mit Arne Schönbohm und der Einblendung: „Lobbyist wird neuer Chef des BSI. Seine Kritiker halten ihn für einen ‚Cyberclown‘“
Screenshot: ZDF

Arne Schönbohm hat angekündigt, gegen das ZDF zu klagen. Im Oktober 2022 wurde der damalige Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in der „ZDF Magazin Royale“-Sendung mit dem Titel „Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt“ von Moderator Jan Böhmermann hart kritisiert. Es hieß, Schönbohm habe einer Firma nahegestanden, die eng mit dem russischen Geheimdienst verbunden sei. Außerdem verspottete Böhmermann Schönbohm als „Cyberclown“.

Kurz nach der Veröffentlichung wurde der BSI-Chef von Bundesinnenministerin Nancy Faeser abberufen. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde Böhmermanns Sendung von Kritikern vorgeworfen, haltlose Vorwürfe gegen Schönbohm verbreitet zu haben. Der fordert nun 100.000 Euro Entschädigung und spricht von einer „der schmutzigsten Denunzierungen, die jemals durch einen öffentlich-rechtlichen Sender erfolgt“ seien. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat das ZDF am Mittwoch Schönbohms Forderungen bestätigt: „Gefordert wird die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie eine Geldentschädigung in der besagten Höhe. Das ZDF hat die Forderungen heute zurückgewiesen.“

Hat Schönbohm damit Aussicht auf Erfolg? Felix W. Zimmermann, Chefredakteur der „Legal Tribute Online“ (LTO) bezweifelt das. Für LTO hat er das Abmahn-Schreiben von Schönbohms Anwalt bewertet – und spricht im Podcast mit Holger Klein über seine Einschätzungen. Etwa, wie es mit dem angegriffenen Satz Böhmermanns aussieht: „Die Cybersicherheit in Deutschland ist in Gefahr und zwar durch den Chef der Cybersicherheit in Deutschland.” Zimmermann sagt dazu: „Eine klassische Meinungsäußerung.“ Und: „Die kann man so nicht angreifen.“ Auch sei das Abmahnschreiben insgesamt „dünn“. Warum die Aussagen unzulässig sein sollen, werde gar nicht ausgeführt.

Aber heißt das auch, dass das „ZDF Magazin Royale“ nichts falsch gemacht hat? Und stimmt es, dass Böhmermann und seine Redaktion auch keine Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Sendung hätten, wie es der Moderator kürzlich auf Mastodon behauptet hatte („Was das Bundesinnenministerium macht, ist nicht unser Bier“)? Wann müssen Journalisten eigentlich überhaupt für die Folgen ihrer Berichterstattung haften? Und geht es bei medienrechtlichen Verfahren überhaupt um die Wahrheitsfindung? Oder vielleicht doch nur um juristische Spitzfindigkeiten oder gar PR?

Die neue Folge „Holger ruft an …“ hören Sie hier:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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3 Kommentare

  1. Was in der Berichterstattung über die Causa Schönbohm / Faser immer etwas zu kurz kommt, ist der eigentliche Kritikpunkt an Schönbohm, dass er komplett unfähig war/ist, so einen Job auszufüllen. Nicht nur-, aber eben besonders bei der Union, wurden und werden solche Posten nicht aufgrund von Kompetenzen, sondern ausschliesslich als Versorgungsplanstelle für das richtige Parteibuch und/oder den richtigen Familiennamen verteilt. Auch deshalb ist das Land immer noch eine digitale Einöde.
    Irgendwas mit Internet wurde stets an die Unfähigsten verteilt. Man gedenke auch nur den Netzausbau unter Postminister Schwarz-Schilling, der Kupfer vor Glas durchsetzte ( die Firma seiner Frau war dick im Geschäft, wenn ich das recht erinnere ). Aber das nur am Rande, der neue Berliner OB wird wohl auch dessen Witwe und deren Immobilienpläne reich beschenken in Berlin Mitte.
    „[…]Die Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), Constanze Kurz, hatte Schönbohm als „Cyberclown“ bezeichnet, der Regierungen schon häufiger teure, aber überflüssige IT-Lösungen angedreht habe. Der IT-Experte Sandro Gayken hatte gesagt: „In seinen Interviews und seinem Buch käut Schönbohm vorwiegend die Thesen anderer wider; seine technische Kompetenz geht gegen null.[…]“
    https://www.golem.de/news/umstrittene-personalie-bundeskabinett-ernennt-schoenbohm-zum-bsi-praesidenten-1602-119200.html

    Schönbohm wäre früher oder später gegangen worden, so viel schien damals schon sicher. Es war so nur etwas früher.

  2. #1

    Was ich besonders schwierig an dem Fall finde, ist, dass auch die Fachleute sich nicht einig sind: Die Aussagen von Frau Kurz und Herrn Gayken halt ich für nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar (und auch gar nicht im Widerspruch mit Herrn Gayken) ist die Ansicht, dass Schönbohm aufgrund mangelnder eigener Expertise auf die Fachleute in seiner Behörde gehört habe – und dabei durchaus auch gegenüber Politiker:innen dezidiert IT-Fachpositionen vertreten habe, was ihn wiederum bei Politiker:innen den Ruf eines schwierigen Partners eingebracht habe. Heißt: Es gibt auch die Erzählung, dass Faeser Schönbohm vor allem deshalb so gerne losgeworden ist, weil er zu wenig politisch gedacht und gehandelt hat, sondern zu stark die Expert:innen-Meinung aus seinem Hause vertreten habe. (Diese Sichtweise habe ich vom IT-Journalisten Peter Welchering, der sie unmittelbar nach Schönbohms Freistellung im Computermagazin des Bayerischen Runfunks erläutert hat: https://www.br.de/mediathek/podcast/das-computermagazin/bsi-praesident-schoenbohm-was-man-ueber-seine-abberufung-weiss/1882712)

    Ich bin nicht in der Lage, zu sagen, ob Constanze Kurz oder Peter Welchering in ihrer jeweiligen Gesamtbewertung Recht haben. Da das Leben kompliziert ist, halte ich es für wahrscheinlich und plausibel, dass in beiden Positionen etwas Wahrheit steckt: Man findet bestimmt teure, unsinnige IT-Lösungen, die der Regierung unter Schönbohm angedreht wurden. Und man findet wahrscheinlich ebenso Fälle von fachlich gut begründetem BSI-Widerstand gegen politische Vorschläge.

  3. @Kai Weber:
    Das nenne ich mal eine Kompetenzbegründung:
    Er war in seiner Position so fehlbesetzt, dass man sich darauf verlassen konnte, dass er Experten die Entscheidungen überliess …

    Klingt im übrigen wie die Definition einer Technokratie, oder? Also das andere Extrem.

    Es gab mit Schönbohm bspw. eine Initiative für sogenannte „Hackbacks“ bei Cyberangriffen. Wing(wo)man Schönbohms in dieser Causa war, man glaubt es kaum, Nancy Faeser. Ein ziemlich technokratischer Ansatz, sind sich Kritiker doch in der Einschätzung einig, dass es weitgehend unmöglich sein dürfte, bei diesen Maßnahmen gravierende Kolateralschäden zu vermeiden.

    Ich höre mir den Podcast später mal an.
    Danke dafür.

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