Maren Kroymann

„Die Männer, die das Sagen hatten, sahen nicht, dass da ein Talent ist“

Porträt von Maren Kroymann
Foto: Mirijam Knickriem

Sie ist Schauspielerin, Sängerin, Satirikerin – und einfach sehr, sehr gut. Maren Kroymann, geboren 1949, steht seit gut 40 Jahren auf der Bühne und tritt fast ebenso lange im Fernsehen auf. Am Freitagabend hat sie im nordrhein-westfälischen Marl den Grimme-Sonderpreis erhalten, die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. In der Begründung heißt es unter anderem:

„Maren Kroymann hat in vorbildlicher Art und Weise das deutsche Fernsehen geprägt, und den Blick auf Frauenbilder und Geschlechterstereotypen eindrucksvoll verändert. Maren Kroymann steht dabei für eine diverse und freie Gesellschaft. Mit der Besonderen Ehrung zeichnet der Deutsche Volkshochschul-Verband Maren Kroymann als hochversierte Fernsehpersönlichkeit aus, der es mit ihrer Kreativität und ihren vielschichtigen Ausdruckmöglichkeiten immer wieder neu gelingt, Misogynie und Verachtung für eine diverse Gesellschaft deutlich zu benennen und am Ende: zu entlarven.“

Das Interview ist ursprünglich in der Begleitpublikation zum Grimme-Preis erschienen. Wir veröffentlichen es hier mit Genehmigung des Grimme-Instituts.


Frau Kroymann, Sie haben Fernsehgeschichte geschrieben: als erste feministische Serienmutter und als erste Frau mit eigener Satiresendung im deutschen Fernsehen. Dabei konnten Sie mit dem Medium lange Zeit nicht viel anfangen. Wie haben Sie Ihre Liebe zum Fernsehen doch noch entdeckt?

In meinem Elternhaus hat man das Fernsehen schon aus Prinzip ignoriert und als ich später, als Studentin, in WGs lebte, hatten wir immer nur kaputte Fernseher. Bevor ich überhaupt fürs Fernsehen angefragt war, hatte ich aber schon einen Aha-Moment: Helmut Dietls Serie „Kir Royal“. Ich dachte: Wenn etwas so Witziges und Intelligentes im Fernsehen möglich ist, dann ist dieses Medium vielleicht doch nicht so blöd.

Ihre Karriere begann 1982 mit Ihrem Solo-Bühnenprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“. Singen, sagten Sie einmal, war für Sie ein Umweg, weil man das Frauen eher zutraute als Reden.

Ich habe mich tatsächlich eher Singen getraut. Ich war damals im Hanns-Eisler-Chor und hatte kleine Soloauftritte, der nächste Schritt war ein Soloprogramm. Erst später habe ich begriffen, dass eine singende Frau auch gesellschaftlich akzeptierter war. Dass bei mir auf der Bühne das Gesprochene wie zufällig wirkte, war auch Teil meines Erfolgs. Ich war nicht die böse Emanze, die dem Publikum die Leviten liest, sondern ich habe denen meine feministischen Inhalte beiläufig und mit Selbstverständlichkeit eingeträufelt.

Was waren das für Inhalte?

In den Schlagern der 50er-Jahre, mit denen ich aufgewachsen bin, waren die Männer Seeleute, Cowboys, Gauchos. Und die Frauen? Warteten auf sie. Total passiv! (singt) Sieben Tage lang – Wart‘ ich immer nur auf dich. Oder der Klassiker: Cindy oh Cindy … wenn nachts ein Schiff die Anker wirft,
 dann stehst du wartend da. Diese Lieder habe ich gesungen und damit das Frauenbild darin entlarvt. Für die Übergänge habe ich mir Sketche und Comedy-Monologe ausgedacht und unter anderem eine schwäbische Pfarrersfrau gespielt, die gegen die Musik von Elvis Presley wettert – mir hän’ doch so schöne Lieder, grad auch von Friedrich Silcher, des ko mr doch au senga!

So wurde dann der Süddeutsche Rundfunk (SDR) auf Sie aufmerksam.

Für eine schwäbische Pfarrersserie suchte der SDR damals bundesweit die Hauptdarstellerin, die Schwäbisch können sollte. Irgendjemand sah eine Aufzeichnung meines Programms und ich wurde zum Vorsprechen für „Oh Gott, Herr Pfarrer“ eingeladen.

In der Serie spielen Sie eine feministische Pfarrersfrau. Wie viel Einfluss konnten Sie auf diese Rolle nehmen?

Die Rolle war schon feministisch angelegt, sie war nicht nur Ehefrau und Mutter, sondern Lehrerin, also auch selbständig. Der Autor Felix Huby hatte erst drei, vier Folgen geschrieben. Er hat es sehr geschätzt, dass ich mich bei der Gestaltung der Rolle eingebracht habe. Ich wollte, dass sie Mathe und Musik unterrichtet – ich hatte einfach Lust, den Kirchenchor zu dirigieren. Und dass sie eine beste Freundin hat, mit der sie sich austauscht, als ihr Mann eine Affäre mit einer 19-jährigen Abiturientin hat. Ich sollte dann „Tatort“-Kommissarin in Stuttgart werden, doch dann wurde eine zweite Staffel „Oh Gott, Herr Pfarrer“ geplant und für den „Tatort“ war kein Budget mehr. Robert Atzorn, der meinen Mann spielte, sagte aber ab und damit war meine Rolle auch weg. Meine Karriere ging also sehr schnell hoch und wieder runter.

Fünf Jahre später hatten Sie als erste Frau eine eigene Satiresendung im deutschen Fernsehen. Warum haben Sie vor dem Schritt gezögert?

Jürgen Breest, der damals Unterhaltungschef bei Radio Bremen war, bot mir schon nach dem Stöckelschuh-Programm eine eigene Show an, doch ich habe mir das einfach nicht zugetraut. Es war kein Beruf für eine Frau. Als dann eine neue Sketchpartnerin für Ottfried Fischer in Bruno Jonas‘ Sendung gesucht wurde, fragte Breest mich erneut.

Maren Kroymann in ihrer Rolle als "Nachtschwester".
„Nachschwester Kroymann“ Screenshot: Radio Bremen

Außer in „Jonas“ traten Sie auch in Dieter Hildebrandts Sendung „Scheibenwischer“ und in Dieter Hallervordens „Spott-Light“ auf. Damals mussten Frauen Rollen spielen, die Männer sich ausdachten.

Natürlich fand ich das nicht toll. Trotzdem war der „Scheibenwischer“ der Ritterschlag für mich als Kabarettistin. Da wusste ich, dass ich in diesen Beruf gehöre. Und später konnte ich ja auch meine Texte beitragen. Allmählich war ich dann bereit für die eigene Sendung, „Nachtschwester Kroymann“, in der ich entscheiden konnte, worüber gelacht wird, und meine, die Perspektive der Frauen, einbringen konnte.

Rückblickend kann man sich kaum vorstellen, dass die Sendung nicht mehr Beachtung fand.

Die Sendung wurde viel geguckt, aber sie wurde nicht gesehen. Wir hatten gute Einschaltquoten, aber die Männer, die das Sagen hatten – es waren alles Männer zu der Zeit – sahen nicht, dass da ein Talent ist. Die Sendung war nie für irgendeinen Preis nominiert, es gab kaum Artikel darüber, dabei war es wirklich etwas Neues, verrückt und anarchisch. Nur wenn man mehr als eine Frau sah, bei „RTL Samstag Nacht“ oder in der „Wochenshow“, war es ein Phänomen, über das geschrieben wurde. Ich dagegen war schwer einzuordnen. Dass uns niemand von den großen Medien wahrgenommen hat, war eigentlich eine Frechheit, aber andererseits konnten wir dadurch ganz unbefangen unser Ding machen.

Sie haben damals Sketche über Vergewaltigung in der Ehe und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gebracht.

Ja, der über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist super!

Darin erkundigt sich ein männlicher Kollege anzüglich nach Ihrem Sexleben, genauer gesagt nach Ihrem letzten Orgasmus …

… und ich frage: „Meinen Sie jetzt anal, vaginal oder oral?“

Und stecken ihm Geld zu, das die Kolleg*innen im Haus für ihn gesammelt haben.

„Sie gehören einfach mal wieder so richtig durchgefickt“, sag‘ ich zu ihm. Ich benutze einfach nur die sexualisierte Sprache der Männer. Diesen Sketch könnte man heute noch genauso senden.

Wie hat man Ihnen mitgeteilt, dass „Nachtschwester Kroymann“ eingestellt ist?

Es gab damals eine Programmstrukturreform, durch die unser Sendeplatz am Sonntagabend abgeschafft wurde. Mir musste gar nicht gekündigt werden – nach der letzten Staffel 1997 wurde ich einfach nicht wieder gefragt. Es war allerdings in gewissen Kreisen schon länger großräumig moniert worden, dass ich in der Sendung so böse gegen die Männer sei. Und es hatte Unmut gegeben, weil ich mein Coming-out als Lesbe nicht abgesprochen hatte.

Sie hatten sich 1993 im „Stern“ geoutet. Wie hat sich das auf Ihre weitere Karriere ausgewirkt?

Ich habe ein Jahr lang gar keine Rollenangebote bekommen, dann lange keine Hauptrollen oder solche als heterosexuelle Love Interest. Trotzdem war es rückblickend gut für mich. Es war wichtig, dass ich es ausgehalten habe, dass viele Leute mich nicht leiden können. Eine Eigenschaft, dir mir als Kabarettistin nützt, weil ich auch Positionen einnehmen kann, wo hoffentlich einige Leute sagen: Die spinnt ja!

2021 haben sich im SZ-Magazin 185 Schauspieler*innen gemeinsam als LGBTQ+ geoutet. Sie haben die Initiative #ActOut ebenfalls unterstützt. Was war anders als vor 30 Jahren?

Das Schöne an diesem gemeinsamen Schritt ist der Schutz für die einzelnen. Zusammen konnten wir fordern, dass wir unsere Karrieren unbehelligt fortführen, wenn wir out sind. Wer sich in den 80-ern und 90-ern geoutet hat, ging ins Risiko, das hab‘ ich sehenden Auges getan.

Maren Kroymann in "Entgiftung" mit einer Schnecke auf der Stirn.
Kroymann und Schnecke in „Die Entgiftung“ Foto: Radio Bremen / bildundtonfabrik

Mit „Kroymann“ haben Sie nach 30 Jahren wieder eine eigene Sendung in der ARD. Was ist anders ohne die „Nachtschwester“ im Namen?

Ich bin schon ein bisschen vorsichtiger geworden. Wir haben damals Sachen gemacht, die ich heute nicht mehr so machen würde.

Was zum Beispiel?

Die Parodie von Christiane Herzog, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Sie rühmte sich damals in Alfred Bioleks Sendung damit, dass sie so eine schöne Charity-Aufgabe gefunden hätte, und ich machte sie nach, wie sie immer sagte: „M-mukoviszidose, Mu-ko-vis-zi-do-se, das Wort ist gar nicht so schwer.“ Das ist natürlich eine furchtbare Krankheit, heute würde ich ein anderes Beispiel nehmen. Wir sind auch nicht mehr ganz so quatschig und albern.

In Ihrer Sendung diagnostizieren Sie als Ärztin einen Patienten „AfD positiv“, protestieren bei den Femen mit und schlüpfen in viele weitere Rollen. Welche ist Ihre liebste?

Brigitte Macron wollte ich unbedingt spielen, eigentlich ist es ja eine Hommage an sie. Ich finde es so toll, dass sie 25 Jahre älter ist, gleichzeitig mache ich mich darüber lustig, dass es natürlich nicht so einfach ist, wie sie tun muss. Wenn sie diese sehr kurzen Röcke trägt – muss sie dann vielleicht doch zeigen, dass sie mit einer 25 Jahre jüngeren mithalten könnte? Sie steht natürlich in Wirklichkeit unter einem riesigen Druck. Und das ist vielleicht noch ein Unterschied: Früher habe ich hemmungsloser parodiert.

Warum machen Sie das nicht mehr?

Eine Parodie stärkt immer auch die Popularität der Person, die man parodiert. Das möchte ich bestimmten Frauen nicht angedeihen lassen, ich denke da zum Beispiel an Alice Weidel.

Mit „Kroymann“ feiern Sie seit fünf Jahren Ihre größten Erfolge. „Erntedank“ haben Sie das mal genannt.

Ich war eigentlich überzeugt, dass ich nie einen Grimme-Preis bekommen würde! Als 2018 dann der erste kam, habe ich mich wahnsinnig über die Anerkennung gefreut. Und danach kamen dann auch noch weitere Preise.

Waren Sie vor Ihrer Zeit?

Ich denke schon. Heute gibt es so viele tolle junge Kabarettistinnen, durch sie werden auch meine Anfänge anders betrachtet. Außerdem sind feministische Themen, #MeToo, Sexismus, Pro Quote und Equal Pay, viel selbstverständlicher. Ich bin sehr froh über diese Entwicklung, zu der ich hoffentlich auch ein bisschen beigetragen habe.

In Ihrem Podcast „War’s das“ sprechen Sie übers Alter und Altern, zuletzt hat die Aktion „Let’s Change The Picture“ mehr Sichtbarkeit für Schauspielerinnen ab 47 gefordert. Warum sind im Fernsehen Falten nur bei Männern egal?

Das ist eine Ungerechtigkeit, ja! Die Aktion ist total in meinem Sinne, mir ist aber wichtig, dass wir nicht weitermachen wie bisher: Dass wir nur Schauspielerinnen sehen, die mit 60 aussehen wie mit 45, sondern Frauen, die mit 70 aussehen wie mit 70, mit Falten und was dazugehört. Das könnte diese Bewegung zur Folge haben. Wir Schauspieler*innen sind eigentlich privilegiert, weil wir unsere Arbeit so lange ausüben können, wie wir leben. Wir brauchen nur die entsprechenden Rollen.

Wir haben über Ihre Erfolge gesprochen, aber auch über Rückschläge. Wie haben Sie es geschafft, dass Sie sich nie haben entmutigen lassen?

Natürlich gab‘s Ungerechtigkeiten in meiner Bewertung. Gleichzeitig bin ich der Meinung: Niemand hat ein Anrecht auf eine Karriere. Wenn man Glück hat, wird man gesehen, bekommt eine Möglichkeit und macht hoffentlich was daraus. Ich hab‘ ja spät angefangen und hatte zu dem Beruf nicht das Verhältnis wie manche, die mit 18 berühmt werden wollen. Zu uns Schauspieler*innen wird gern gesagt: Du musst brennen. Gemeint ist damit eigentlich oft: Du musst dir auch alles gefallen lassen. Das habe ich nie akzeptiert. Das bedeutet nicht, dass ich meinen Beruf nicht liebe. Doch ich habe mich nie als absolut abhängig von diesen Medien begriffen, und das war, glaube ich, gut so.

3 Kommentare

  1. Natürlich kenne ich die Kroymann aus dem Fernsehen – hatte sie aber nie so auf dem Schirm wie andere Satiriker(!). Warum auch immer. Ich habe wohl Einiges verpasst!!!
    Dieses Interview ist eine Offenbarung – wunderbar – oder neudeutsch: super.
    Ein Kondensat der gesellschaftlichen Verhältnisse in deutschen Landen.

  2. Mich würde mal interessieren, ob es wirklich so ist, dass der Zuschauer keine Frauen über 70 und mit Falten im Fernsehen sehen will. Ich glaube, dass das zumindest in Deutschland, eher eine fixe Idee der Sender ist, die die sich selber einreden…

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