Benjamin Fredrich tritt wegen „Katapult Ukraine“ zurück, um „Katapult Ukraine“ zu machen
Benjamin Fredrich tritt als Chefredakteur und Geschäftsführer von „Katapult“ zurück. „Das wars, Leute“, schreibt er in einem Artikel zum Rückzug von der Spitze des Greifswalder Unternehmens, das er vor acht Jahren gegründet hat. „Wir haben versucht, einen Unterschied zu machen. Wir haben einen Unterschied gemacht. Ich bin nun aber offensichtlich gescheitert.“
Mit dem Rücktritt zieht er die Konsequenz aus Vorwürfen, die Übermedien gestern veröffentlicht hat. Viele der vollmundigen Versprechungen, mit denen Fredrich um Spenden und Abos für das Projekt„Katapult Ukraine“ geworben hat, sind nicht eingelöst worden. Behauptungen über angeblich „eingestellte“ ukrainische Journalisten, waren übertrieben oder irreführend. Ehemalige Mitarbeiter aus der Ukraine werfen Fredrich und „Katapult“ vor, sie benutzt und dann fallen gelassen zu haben.
Fredrich sagt, nur ein Teil der Kritik sei gerechtfertigt, fügt aber hinzu:
„Dass ich es nicht geschafft habe, grundlegende Erwartungen zu erfüllen, und schlecht kommuniziert habe, stört mich. Dass ich das Projekt nicht mit der konsequenten Ausdauer verfolgt habe, wie ich es angekündigt habe: Auch das tut mir leid.“
Er gibt außerdem an, noch ausstehende Gehälter von ukrainischen Mitarbeiter:innen überwiesen zu haben. Ursprünglich hatte er deren Forderungen empört abgelehnt.
Fredrich sagt, nicht das gesamte Ukraine-Projekt sei gescheitert und zählt 14 einzelne Punkte auf, darunter, dass man zwei Flüchtlinge als Reinigungskraft und als Gärtner eingestellt habe. Er wirft mir vor, alles Gelungene weggelassen zu haben, um eine „Skandalgeschichte“ schreiben zu können. Ich würde mich „auf zum Teil haltlose Vermutungen und Vorwürfe ehemaliger Mitarbeitender“ stützen und damit ein Kalkül unterstellen, „das es nie gab“.
Um zu beweisen, dass sein Bedürfnis, im Ukraine-Krieg zu helfen, aufrichtig sei, werde er nun seine Kraft komplett in „Katapult Ukraine“ stecken: „Ich will das wahrmachen, was ich angekündigt habe (…).“
Benjamin Fredrich räumt ein paar Fehler ein und gibt die Führung seines gemeinnützigen Unternehmens ab, fühlt sich aber vor allem ungerecht behandelt. Erstaunlich ist dabei, dass er auf kaum einen der konkreten Vorwürfe aus unserem Artikel eingeht.
Er unterstellt ehemaligen „Katapult Ukraine“-Mitgliedern ein professionelles Versagen, das er teilweise gönnerhaft entschuldigt, weil sie ja nur „das Maximum für ihr Land herausholen“ wollten. Doch die Betroffenen weisen diese Vorwürfe entschieden zurück – es lohnt sich, um den Konflikt zu verstehen, ihre ausführliche Geschichte zu lesen.
Fredrich stellt in keiner Weise Transparenz her: Wie viel Geld hat „Katapult Ukraine“ genau eingenommen? Wohin genau ist es geflossen? Fredrich behauptet, „dass man bei KATAPULT von außen immer in unser Innerstes gucken konnte“ und dass er „möchte, dass es so bleibt“.
Aber man konnte bei „Katapult Ukraine“ nie ins Innere schauen. Fredrich deklamierte öffentlich, dass Transparenz im Umgang mit den Spenden total wichtig sei, dann veröffentlichte er am 4. März 2022 einen „ersten Transparenzbericht“, an dem es Zweifel gibt und dem nie ein zweiter folgte.
Er stellt nicht einmal auf Nachfrage Transparenz her, auch nicht bei einer so schlichten Frage wie der, wer denn derzeit für „Katapult Ukraine“ arbeitet. Als Antwort schickte er uns eine Liste, auf der unter anderem der Name einer ukrainischen Journalistin steht, die sagt, sie habe seit Monaten nicht mehr für das Projekt gearbeitet und warte seitdem auf ihr Honorar.
Er hatte ursprünglich versprochen, „jeden Cent“, der auf das „Katapult Ukraine“-Konto gespendet werde, „an Journalisten und Medien in der Ukraine [zu] senden.“ Davon ist längst keine Rede mehr, aber umso mehr würde man doch gerne wissen: Wie viel Geld ist zum Beispiel für die Unterstützung der Stadt Greifswald „bei der Erstaufnahmeausstattung“ verwendet worden? Welche Journalisten und Medien in der Ukraine haben tatsächlich Geld bekommen? Wie viel?
Er kritisiert, dass wir den Verdacht von ehemaligen Mitarbeitern veröffentlichen, dass Geld auch in andere Projekte geflossen sei, obwohl wir das nicht beweisen könnten. Aber er könnte beweisen, wohin es geflossen ist. Mit der Transparenz, für die „Katapult“ angeblich steht.
Er behauptet, „Katapult Ukraine“ hätte „finanzielle Soforthilfe für 30 Journalist:innen geleistet, die ihren Job in den Anfangstagen der Invasion verloren haben“ und ihnen „monatlich 1.650 Euro überwiesen. Bei manchen länger, bei manchen kürzer.“ Das ist keine Transparenz.
Er schreibt, fast beiläufig: „Ja, ich habe mich bei der Formulierung ‚einstellen‘ verschätzt.“ „Katapult“ hatte tatsächlich immer wieder öffentlich behauptet, ukrainische Journalistinnen und Journalisten „eingestellt“ zu haben, von bis zu 21 Leuten war die Rede. Aber von irgendeiner Art Festanstellung, von Verträgen oder einer dauerhaften Beschäftigung kann bei einem Großteil keine Rede sein. Es ist zumindest originell, diesen Versuch, das Projekt größer wirken zu lassen, als es war, mit dem Wort „verschätzt“ zu beschreiben.
Wir hatten Fredrich gefragt: „Warum ist die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros in Odessa beendet worden?“ Er antwortete: „Ich habe die Zusammenarbeit nicht beendet.“ Tatsächlich hatte er den Betroffenen aber wörtlich geschrieben: „Ich […] beende hiermit unsere Zusammenarbeit“, bzw.: „Durch eure Drohung wollen wir nun aber gar nicht mehr mit euch arbeiten.“
Und nun behauptet er in seiner Rücktrittserklärung: „Wir haben niemals jemanden angelogen.“
Er wirft uns vor, dass unsere Fragetechniken „zwischen Suggestivfragen und Gotcha-Journalismus“ schwankten. Mit „Gotcha-Journalismus“ beschreibt man gemeinhin Methoden, bei denen jemand im Interview mit überraschenden Fragen überrumpelt wird. Wir haben Katapult 32 Fragen geschickt, die alle zentralen Vorwürfe aus dem Text umfassen, und Benjamin Fredrich beziehungsweise seiner Firma drei Tage Zeit zur Beantwortung gegeben. Seine Stellungnahmen zu den Vorwürfen, seine Argumente, seine Dementis finden sich an vielen Stellen in unserem Text.
Benjamin Fredrich ist von seinen Ämtern als Geschäftsführer und Chefredakteur von „Katapult“ zurückgetreten. Er hat aus diesem Anlass einen typischen Fredrich-Text geschrieben: angriffslustig, ein bisschen weinerlich, etwas ausufernd. Aber um die entscheidenden Antworten macht er einen Bogen: Wofür genau ist das Geld verwendet worden, das für „Katapult Ukraine“ gespendet wurde?
Der Autor
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Ich bin mir nicht sicher: Ist das jetzt eine Fehde, bei der man als Unbeteiligter Popcorn nascht? Das verdiente Ende eines Hochstaplers? Oder doch ein Drama, bei der ein Idealist mit lauteren Motiven darüber stolpert, dass er seine Möglichkeiten überschätzt hat?
Einerseits fand ich „Katapult“ immer klasse, andererseits Herrn Fredrich schon bei früheren Konflikten ziemlich unsympathisch. Nicht schön, das alles.
Nun ja, wenn der Herr Friedrich gleich einen Tag später nachdem dieses jetzt nicht gigantische Online-Medium (Herr Niggemeier möge mich korrigieren) mal ein paar kritische Fragen gestellt hat, von seinem zentralen Posten zurücktritt, dann wird der Verbleib von 6-stelligen Beträgen wohl eher ungeklärt sein…
Fredrich geht in seiner Replik nicht auf die konkreten Dinge ein, baut dafür aber umfangreiche Strohmänner auf.
Den Vorwurf der persönlichen Bereicherung hat niemand bei Übermedien gemacht, der Kliemann-Vergleich eines Insta-Kommentators wird auch dem Artikel zugerechnet, und allgemein soll das insgesamt Erreichte die Probleme halt irgendwie ausgleichen.
Gärtner und Reinigungskraft sind sicherlich dankbar für die Jobs (hoffentlich mit Vertrag), die Geflüchteten für die Unterkunft, nur sollte man die nicht aufrechnen gegen die Journalisten, die offenbar hängen gelassen wurden.
Rücktritt statt Aufklärung, großer Gestus statt Problemlösung.
Ich stimme #1 in allem zu. Ich habe sowohl Übermedien als auch Katapult abonniert und die Situation für mich erst einmal so zusammengefasst:
Übermedien hat Missstände aufgedeckt und folgerichtig darüber berichtet. Wiederum für mich folgerichtig ist Fredrich zurückgetreten.
Allerdings wird mir von Übermedien mindestens unterschwellig zu viel Böswilligkeit seitens Fredrich unterstellt. Dass dieser bei Übermedien keinen Vertrauensvorschuss mehr genießt, ist klar.
Allerdings hat mich beispielsweise, auch bevor Fredrich es ebenfalls erwähnte, gestört, dass hier scheinbar hauptsächlich mit ehemaligen Mitarbeiter:innen gesprochen wurde. Es steht oft Aussage gegen Aussage, die der Leser nicht überprüfen kann. Man bekommt den Eindruck, dass im Hause Katapult kaum andere Menschen außer Fredrich existieren.
Mein persönlicher Eindruck entspricht also eher dem gestolperten Idealisten. Ob das so bleibt, wird sich zeigen. In der Übermedien-Katapult-Fehde haben sich bisher beide Seiten nicht mit Ruhm bekleckert.
Ich fand auch bemerkenswert, wie viele Dinge Fredrich aufgezählt hat, die nichts mit dem Projekt zu tun hatten: Dass sie einen Gärtner eingestellt und in ihrer Redaktion Menschen haben schlafen lassen, ist wunderbar, aber der Kernvorwurf ist doch, wie sie mit ihren Journalist*innen in der Ukraine umgegangen sind. Fredrichs Text strotzt nur wieder von Selbstüberhöhung und seiner Inszenierung als missverstandener Visionär, als Kämpfer, als jemand, der anpackt, der einen Unterschied macht. Insofern sind die Kliemann-Vergleiche vielleicht gar nicht so verkehrt, von denen Fredrich in seinem Text selbst sagt, dass sie inzwischen regelmäßig gezogen würden. Dass er beispielsweise ankündigt, 1650€ Gehalt zu zahlen, die ukrainischen Journalist*innen dann aber bittet, doch auf die Hälfte zu verzichten, damit noch mehr Leute eingestellt werden können, zeigt, dass er beim Blick auf das „große Ganze“ das Gespür für berechtigte Interessen seiner „Angestellten“ verloren hat. Dass er sie, entgegen der öffentlichen Darstellung, ohne Arbeitsvertrag lässt, ohne irgendeine Form der Absicherung, zeigt auch, wie wenig er bereit war, sich wirklich zu verpflichten. So ähnlich ist Kliemann auch mit einigen seiner Beschäftigten umgegangen. Fehlt nur noch der bewiesene Betrugsskandal.
@Simon Ludwig (#5):
„Dass er beispielsweise ankündigt, 1650€ Gehalt zu zahlen, die ukrainischen Journalist*innen dann aber bittet, doch auf die Hälfte zu verzichten, damit noch mehr Leute eingestellt werden können,“
Wenn ich das richtig verstehe, sollte die Bestandsredaktion in Greifswald verzichten, um die 1.650 Euro pro Person für die Ukraine aufzubringen. Not shure, es ist etwas verwirrend.
„So ähnlich ist Kliemann auch mit einigen seiner Beschäftigten umgegangen. Fehlt nur noch der bewiesene Betrugsskandal.“
Den Vergleich finde ich unfair. Kliemann hat die Leute regulär umsonst für sich ackern lassen und selbst ordentlich Geld eingesackt. Bei Katapult bekommen alle von der (ukrainischen) Putzkraft bis zum Chef 3.000 Euro Einheitsgehalt.* Ist schon ein anderes Modell.
Das Problem bei Fredrich scheint mir eine Mischung aus gutem Willen, übergroßem Ego und schlecht durchdachtem Aktionismus zu sein – wo andere Geld sammeln und still an ukrainische Projekte spenden, muss er gleich eine ganze Redaktion aufziehen, den Verlag in ein Flüchtlingsheim umbauen und sich selbst im großen Stil als Bestmensch verkaufen.
Nur scheint die Sache finanziell und journalistisch aus dem Ruder gelaufen zu sein – und da er wohl ein Problem damit hat, Scheitern anzuerkennen, fängt er an hinzuhalten, Kritiker anzugreifen (und vielleicht auch zu tricksen). Was ihn gar nicht gut wirken lässt, aber noch lange nicht zum Betrüger macht, der sich eigentlich nur bereichern will.
*Quelle: https://brutkasten.com/katapult-magazin-3000-euro-gehalt/
Bin selbst 36 und muss immer wieder feststellen, dass „unsere Generation“ ein Problem in Sachen Fehlerehrlichkeit hat.
Vor Allem dieser Automatismus, sich bei (berechtigter) Kritik in eine Art Angegriffenen-Opferrolle zu begeben, sehe ich immer wieder. Nur weil du die Kritik nicht hören magst, ist sie nicht unberechtigt oder verschwindet gar auf mystische Art und Weise. Erinnert mich immer an einen Teenager, aufstampft und „Nahein!!!“ sagt.
Eigentlich mag ich die Lesart „Fehde“ nicht, die hier und unter Katapult-Post nicht Wenige bemühen. Bereits die eindeutig belegbaren Fakten sind mehr als Stoff genug für ein Magazin, dass sich nun einmal grundsätzlich der Medienkritik verschrieben hat.
Beide jüngsten Artikel hier sind dabei aus meiner Sicht in einem angemessen kritischen Ton verfasst, dabei dennoch nicht unfair. Die Argumentationsweise nachvollziehbar und die Schlussfolgerungen durchaus vorsichtiger, als viele der Kommentare, in erster Linie der von Herrn Fredrich selbst, vermuten lassen.
Aber wenn man schon auf die Interpretation der Fehde steht erstaunt mich, dass niemand den (vermeintlichen) Start derselben erwähnt:
Dass Herr Fredrich mit Herrn Niggemeier ein Projekt starten wollte, Letzterer aber hierfür einen Korb gegeben hat. Muss kurz vor der Gründung von Übermedien gewesen sein.
So, da habt ihr was, womit ihr weiter spielen könnt, ihr Freunde der Fehlde.
@Kritischer Kritiker
Jein, es ist aber in der Tat ein wenig verwirrend: Die Bestandsredaktion sollte wohl auf die Hälfte des Monatsgehalts verzichten – zumindest einem ukrainischen Journalisten, nämlich Sergey Panashchuk, wurde aber laut dem Artikel nahegelegt oder zumindest vorgeschlagen, zugunsten weiterer, noch einzustellender ukrainischer Mitarbeiter auf einen Teil des Monatsgehalts zu verzichten:
„Panashchuk konnte wählen, ob er in der Ukraine bleiben oder nach Greifswald kommen wollte, wo die Zentrale von ‚Katapult‘ ist. Er solle sich gut überlegen, hieß es noch in der Mail, ob er die 1650 Euro brutto haben wolle: ‚Wenn du nicht alles brauchst, können wir mehr Leute einstellen.'“
Warte jetzt übrigens auf den Fall, wo der Betreiber einer Gartenschau eine Spendenkampagne für die dringend benötigten Stellen einer Reinigungs- und Gartenkraft fährt, wo dann am Ende rauskommt, dass mit dem Geld zweckentfremdet gute Journalismus finanziert wurde.
@mst: Das ist mein Kommentar des Tages.
@hezen (#9):
Danke, die zitierte Passage hatte ich nicht mehr im Kopf. Also sollten die Greifswalder auf die Hälfte ihrer 3.000 Euro verzichten _und_ Herr Panashchuk auf Teile sein 1.650 Euro. Alle freiwillig und für den guten Zweck, versteht sich.
Erst sozialverträgliche Gehälter zusichern (und öffentlich damit angeben); dann darum „bitten“, die Empfänger mögen sich doch aus sozialen Gründe auf halben Lohn einlassen – so kann man echt kein solides Projekt aufziehen…
@ Kritischer Kritiker
Ja, das hat zweifellos ein Geschmäckle in puncto Lauterkeit, vorsichtig gesagt.