„Guten Abend Deutschland“

Ein Morgenmagazin für Leute, die morgens nicht fernsehen

Gestern startete „Guten Abend Deutschland“ bei ServusTV, produziert von WeltN24. Der Red-Bull-Sender strahlt ein Vorabendmagazin der Axel Springer SE aus? Was für ein neoliberaler, rechter Alptraum…

Jaja, es ist gar nicht so leicht, die Ressentiments und die negative Energie, die man bei Twitter aufgeladen hat, zu neutralisieren und sich einer Sendung wie „Guten Abend Deutschland“ unvoreingenommen zu öffnen. Man ist verlockt, nur den Ankündigungstext zu lesen und sich zu mokieren: „Informative Reportagen“ und „ausführliche Hintergrundinformationen“ verspricht ServusTV, „Menschen und ihre Herausforderungen“ stünden dabei im Mittelpunkt.

Wer diese herausgeforderten Menschen wohl sein mögen, fragt man sich. Doch nicht etwa die angekündigten TV-Kolumnist:innen Anna Schneider, Harald Martenstein, Stefan Aust (der Satiriker), Hans-Ulrich Jörges, Gunnar Schupelius und Henryk M. Broder? Für diese Edelfedern sollte es doch ein Leichtes sein, ein paar Sätze in die Kamera zu sprechen.

Und die Rubrik „Neues aus Neustadt“? Was soll das denn? Sie werden bei „Guten Abend Deutschland“ doch wohl kaum Benjamin Blümchen aus dem Neustädter Zoo lizensiert haben! Der beliebte sprechende Elefant, der in zahlreichen Hörspielen bereits autofreie Städte und das Verbot von Kriegsspielzeug forderte, wäre für eine WeltN24-Produktion dann doch zu wenig Freiheitskämpfer und zu sehr linker Verbotsideologe. Haha und törööö!

Derlei billiger Spott ist wie gesagt verlockend – aber unangebracht. Denn „Guten Abend Deutschland“ ist doch bisher solides, boden- und anständiges Fernsehen, wie man es auf Servus TV gar nicht vermuten würde. Und das fünfmal die Woche, immer werktags von 18:10 bis 20:15 Uhr, jeweils mit kurzer Unterbrechung für einen Nachrichtenblock.

Unerwartete Fans öffentlich-rechtlicher Magazinformate

Durch die Premierensendung am 9. Januar führt das Moderations-Duo Bettina Cramer und Max Oppel in der bewährten Zusammenstellung „1 Frau, 1 Mann“. Die beiden müssen zwei Stunden lang stehen und Dynamik ausstrahlen, denn Sitzmöbel gibt es bei „Guten Abend Deutschland“ keine, dafür aber als Hintergrundbild ein Berliner Stadtpanorama inklusive Fernsehturm. Überhaupt muss sich die scheußliche Einrichtung des Studios vor vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Magazinen nicht verstecken.

Studio von "Guten Abend Deutschland" mit den Moderatoren Cramer und Oppel
Sieht aus und klingt wie Infotainment bei den dritten Programmen, ist aber „Guten Abend Deutschland“ bei Servus TV. Screenshot: Servus TV

Apropos vergleichbare öffentlich-rechtliche Formate: Wer keiner geregelten Arbeit nachgeht und also ab und zu bei Morgen- und Mittagsmagazin von ARD und ZDF reinschaut, reibt sich nach zwei Stunden „Guten Abend Deutschland“ müde, aber überrascht die Augen. Das ist doch eine Kopie! Ausgerechnet bei WeltN24, beim verbitterten „Zwangsgebühren“-Widerstand vom Verlag Axel Springer, scheinen die größten Fans öffentlich-rechtlicher Magazinformate zu sitzen, die jetzt für die Servus TV einen Klon produzieren, den sie direkt „Vorabendmagazin“ („Voama“)1)Aber „Voama“ heißt in Österreich „Fahren wir!“ – und in der Sendung geht es ja nicht um das Red-Bull-Racing-Team hätten nennen müssen.

Es fängt an mit der Moderation: Cramer und Oppel vervollständigen sich ihre Sätze gegenseitig so gekonnt hölzern und holprig, als hätten sie zur Vorbereitung alle Infotainmentformate der dritten Programme durchgebingt. Die Berichte, denen sie routinierte Brücken bauen, haben Themen wie Medikamentenengpässe, Azubimangel, Lützerath, Fahrraddiebstahl 2)In diesem Advertorial Beitrag geht es um den Mitarbeiter eines Fahrradherstellers, der die per GPS trackbaren Räder für Kunden nach Diebstahl zurückklaut. und den Boom von Survivalcamps.

Machart und Tonalität dieser Einspieler wären in einem Blindtest gewiss nicht von Beiträgen im „Aktuellen Bericht“ (SR) zu unterscheiden, höchstens vielleicht am Dialekt. Alle Reporter:innen bei „Guten Abend Deutschland“ vermitteln den Eindruck, ihre Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen und bleiben stets professionell, freundlich und neutral. Ein schriller Sound wie bei Bild-TV oder diesem Youtuber, der mal „Bild“-Chefredakteur war? Fehlanzeige.

Bei Voama „Guten Abend Deutschland“ wird es in der ersten Folge der „Nah am Bürger“-Rubrik „Neues aus Neustadt“ sogar regelrecht knuffig und liebenswert, als sich ein Redakteur mit den Bürgermeister:innen aller 18 deutschen Orte, die auf den Namen Neustadt hören, in einer Videokonferenz austauscht.

Nur bei einem einzigen Thema spürt man einen Hauch jener berüchtigten Springer-Schärfe, nämlich als es um Messerattacken geht: Erst marschiert Reporter Max Möbus schnurstracks in einen waschechten Waffenladen und lässt sich vom Eigentümer die allergefährlichsten Klingen präsentieren. Danach sieht man Möbus, wie er sich von einem Trainer noch in Selbstverteidigung gegen Messerangriffe unterrichten lässt.

So etwas gäbe es beim „Moma“ nicht, dort hätte man wahrscheinlich lieber ein Geschäft für Kochlöffel besucht und danach ein Eis gegessen.

Bei Servus TV dagegen wird auch noch CDU-Mann Philipp Amthor zugeschaltet und darf Messerattacken in einen Zusammenhang mit „Migrationsgeschehen“ bringen. Wobei, machen wir uns nichts vor: Das darf er bei ARD und ZDF ja auch ständig.

"Guten Abend Deutschland"-Moderatorin Cramer interviewt Philipp Amthor.
„Guten Abend Deutschland“-Moderatorin Cramer lässt Philipp Amthor Philipp-Amthor-Dinge sagen. Screenshot: Servus TV

Nicht der Rede wert ist der Auftritt der Fernsehkolumnistin Anna Schneider, die hauptberuflich bei der „Welt“ arbeitet, um deren genaue Stellenbezeichnung es aber regelmäßig Verwirrung gibt. Die herrscht offenbar auch beim Springer-Kooperationspartner Servus TV: In der Sendung wird sie per Bauchbinde als „Chefreporterin Welt“ ausgewiesen, als „Chefreporterin Freiheit“ anmoderiert und darf dann fünf Minuten das erzählen, was sie den lieben Tag lang twittert.

Anna Schneider bei "Gute Nacht Deutschland".
„Servus TV“: Wo auch immer eine Chefreporterin gebraucht wird, ist Anna Schneider nicht weit. Screenshot: Servus TV

Dennoch ist „Guten Abend Deutschland“ zu loben: Es ist eine liebevoll gemachte Hommage an Magazine der öffentlich-rechtlichen Sender, es ist ehrliches TV-Handwerk und es spricht auf seinem Vorabendplatz Menschen an, die tagsüber arbeiten müssen und „Moma“ und „Mima“ nicht in den Mediatheken finden.

Natürlich gab es in der Premierensendung auch eine kleine Panne: Der halbe Messerattacken-Bericht wurde kurz vor dem Wetterbericht am Ende der Sendung noch ein zweites Mal gezeigt. Aber zwei Stunden sind eine lange Zeit, da kann so etwas passieren.

Vielleicht kann in Zukunft stattdessen noch eine Schauspielerin kommen und über ihren neuen Film sprechen. Oder ein Singer-Songwriter mit Gitarre und gequetschter Stimme live im Studio eine Schnulze performen. Auch sollte ein TV-Koch mal ein Menü zaubern, das die Zuschauer ohne Probleme nachkochen können. Müsste nicht außerdem mal jemand schauen, welche Neuheiten es am Weltmarkt für Tupperware gibt? Und ob das frischere Gemüse aktuell im Discounter oder im Biomarkt zu bekommen ist? Die Welt ist aufregend und dreht sich schnell. Beruhigend, dass es mit „Guten Abend Deutschland“ ein weiteres Format gibt, das etwas Entspannung und Belanglosigkeit ins Wohnzimmer bringt.

Fußnoten

Fußnoten
1 Aber „Voama“ heißt in Österreich „Fahren wir!“ – und in der Sendung geht es ja nicht um das Red-Bull-Racing-Team
2 In diesem Advertorial Beitrag geht es um den Mitarbeiter eines Fahrradherstellers, der die per GPS trackbaren Räder für Kunden nach Diebstahl zurückklaut.

1 Kommentare

  1. Ist ja (fast) alles richtig! Aber laaaaaaaaaaaaaaangweilig!
    Aber: wieviel Text muten Sie mir zu für so wenig Information und Unterhaltung? Geht es nicht etwas straffer?
    Ja richtig, die anderen Kommentare sind auch nicht besser! Ein Grund, warum ich immer wenigerr Interesse für Ihre Beiträge finde. Die Zeit, die mir das Lesen abverlangt ist zu lang! Bitte Kürzen Sie die Beiträge und machen Sie diese damit um so interessanter.
    Oder von mir gibt es kein Geld mehr!

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