Podcast-Kritik (80)

„Smartless“: Selbstdarsteller plaudern vor sich hin

Logo des Podcasts "Smartless", unzufriedenes Gesicht

Es gibt Podcasts, die fallen mit der Zeit in meiner Gunst. „Smartless“ ist einer von ihnen. Ich war Hörerin der ersten Stunde und mag die drei Gastgeber eigentlich. Das sind die Schauspieler Jason Bateman (bekannt aus „Ozark“ und „Arrested Development“) und Will Arnett (ebenfalls „Arrested Development“) sowie Sean Hayes („Will & Grace“). Vor zwei Jahren hatte ich mich gefreut, als sie zu dritt einen Podcast starteten. Mittlerweile höre ich nur noch selten rein und wenn, dann ärgere ich mich. Das hat mehrere Gründe.

Zum einen ist da die Werbung. Und nein, ich möchte jetzt nicht die sehr deutsche Diskussion aufmachen ob es redlich ist, mit etwas, das Spaß macht, Geld zu verdienen (Antwort: Ja, ist es selbstverständlich. Wer wünscht sich nicht einen Beruf, der einem Spaß macht?). Aber in diesem Fall nimmt das Ganze überhand. Vier bis fünf Minuten dauern die Werbeblöcke, das ist einfach nur nervig. Zumal es sich um sogenanntes „Native Advertising“ handelt: Die drei Gastgeber lesen also schleimige Werbetexte ab, Will Arnett freut sich über die mückenabweisende Lichterkette und Jason Bateman feiert die „fantastische Matratze“. Erinnert dann doch eher an die überfrachteten Werbeblöcke der privaten Fernsehsender, mehr Werbung als Inhalt. Dann lieber einen Sponsor kurz nennen und gut ist’s. Ausschalten kann man die Werbung übrigens über ein Premium-Abo. Würde ich machen – wenn mich der Inhalt mehr interessieren würde.

Chemie, aber kein Charme

Und der ist mittlerweile nur noch vorhersehbar. Die drei Herren sind Freunde, kennen sich lange und haben so ihre Running Gags, klar. Die aber sind nur dröge und unglaublich unkreativ. Jaaaa, Will Arnett und Jason Bateman spielen gerne Golf. Jaaaa, Sean Hayes stellt immer Fragen zum Theater. Jaaaa, Arnett hat ’ne sehr tiefe Stimme und spricht Werbespots. Sie machen Scherze auf Kosten der jeweils anderen, und das am laufenden Band. Viele der Hörer:innen finden das toll, so steht es in den Kommentaren auf „Apple Podcasts“ und anderen Plattformen.

Aber tragen diese Running Gags einen regelmäßigen Podcast? Nein, sie stören ihn sogar sehr. Und manchmal vergesse ich als Hörerin ganz, dass es eigentlich nicht um die drei Männer geht, sondern um einen (ja, den gibt’s!) Gast – der oder die längst in den Hintergrund getreten ist.

Gequatscht wird eine Stunde lang. Den (prominenten) Gast hat einer der drei in den Podcast eingeladen. Die anderen lassen sich jeweils überraschen, was eine gute Ausrede dafür ist, sich nicht vorbereiten zu müssen.

Und genau so ist es dann auch: Ohne roten Faden wird gefragt, was Bateman, Arnett und Hayes gerade in den Sinn kommt. Es gilt offenbar, nicht blöd dazustehen, sondern zu zeigen, dass sie diesen Gast natürlich kennen. Klar, sie kriegen eigentlich alle, von Kamala Harris bis Liam Neeson. Dafür sorgen Bekanntheit und Telefonbücher der Gastgeber.

Die Gespräche aber gehen selten über eine Smalltalk-Plauderei hinaus. Vielleicht auch, weil die drei einfach wirklich nicht wissen, was sie Schlaueres fragen könnten, vor allem aber ganz offensichtlich – und das finde ich viel schlimmer – weil sie nicht anecken wollen. Alle unangenehmen Fragen werden umschifft, denn schließlich ist man hier unter Kolleg:innen, niemand möchte andere schlecht aussehen lassen oder gar negative Schlagzeilen erzeugen. Und vor allem: Es kann ja sein, dass man eines Tages zusammenarbeitet. Man möchte oder muss sich also mit allen gut stellen. Also bleibt’s bei einer übertriebenen Lobpreisung jedes Gastes, bei einem wahren PR-Feuerwerk, bei Schleimerei hoch drei.

Geplänkel statt Tiefe

Dabei fand ich das Konzept anfangs überzeugend: Dass Schauspieler Schauspieler:innen interviewen, ist eine gute Idee. In vielen Gesprächen hatte ich das Gefühl, dass die Augenhöhe besser gegeben war als zwischen Journalist:in und Star. Auch andere zeigen, dass das funktionieren kann: Dax Shepard macht es in seinem Podcast ebenso wie Rob Lowe oder Alec Baldwin.

Und hin und wieder schaffen das auch die „Smartless“-Hosts. Bei Robert Downey Jr. zum Beispiel kommt die Sprache auf dessen Suchtprobleme. Und Liam Neeson beginnt von der Zeit der IRA in Nordirland zu erzählen, „there were bombs and armored cars… it was a bit like Ukraine I can imagine“, sagt er. Das würde sich ja gar nicht wie Showbusiness anfühlen mit so einer Bedrohung, meint aber Will Arnett. Und Neeson erklärt: „I was getting paid for it“ – er wurde einfach dafür bezahlt, trotzdem auf der Bühne zu stehen, also hat er es eben gemacht. Und anstatt dann endlich mal ernst und dran zu bleiben, wird Werbung eingeblendet oder es geht wieder mit Scherzen weiter – jeder Teenager kann sich besser konzentrieren als diese drei. Es wirkt, als hätten sie Angst, dass die Hörer:innen abspringen, sobald es ernst wird. Und vielleicht tun sie das ja, vielleicht kommen sie genau wegen dieser zwanglosen Plauderei.

Zu Beginn von „Smartless“ wurde auch mal wirklich gefachsimpelt über die Arbeit am Set, seltene Einblicke wurden geliefert. Die Stars wirkten offener, weil sie eben nicht auf der Hut sein mussten vor unbequemen Fragen. Diese Vorteile entpuppen sich aber inzwischen als Nachteile. Denn wer nur die angenehmen Fragen stellt, der geht nie in die Tiefe und erfährt vor allem nicht viel Neues. Was bleibt ist ein Werbegequatsche für den letzten Film, eingehüllt in ein paar Stationen des Lebenslaufes, verpackt in Anekdoten von Dreharbeiten. Und wenn mal ein Häppchen aus dem Persönlichen kommt, dann, weil die Gastgeber Wohlwollendes aus den persönlichen Beziehungen zu den Gästen sprechen (Jennifer Aniston schmeißt demnach wunderbare Dinnerparties).

Männern beim Reden zuhören

Von 20 Gästen in diesem Jahr waren bislang nur drei (!) Frauen. Letztes Jahr sah es nicht viel besser aus. Gibt es in Hollywood wirklich so wenige Damen, die man einladen könnte? Oder lehnen sie vielleicht alle die Einladung ab, mit drei Männern zu reden, die sich lieber selbst reden hören?

Dabei sind Podcasts mittlerweile eine gute neue Plattform für Schauspieler:innen geworden. Sie können sichtbar (beziehungsweise hörbar) sein, geraten zwischen Engagements nicht in Vergessenheit, haben eine Verdienstmöglichkeit und können ihre Kreativität ausleben. Nur muss es auch den Hörer:innen Spaß machen, damit dieses Konzept aufgeht.

Wie so ein Gespräch eigentlich geht, das hat Terry Gross von „Fresh Air“ oft genug bewiesen. Ohne voyeuristisch zu sein beleuchtet sie die ganze Person, die vor ihr sitzt, nicht nur die Schokoladenseite. Wer jetzt dagegenhält, Terry Gross sei auch eine Ikone, eine Journalistin ersten Ranges – ja, eben. Es zeigt sich nämlich: nicht jeder Prominente ist ein einfühlsamer Gastgeber oder Interviewer. Und vielleicht fühlt man sich als Gast auch gar nicht so wohl, wenn man gegen drei Selbstdarsteller wie Bateman, Arnett und Hayes ankämpfen muss. Am Ende einer Folge „Fresh Air“ habe ich als Hörerin jedenfalls das Gefühl, auch den Gast zu kennen. Nach einer Folge „Smartless“ habe ich hingegen das Gefühl, ein Plakat gesehen zu haben.


Podcast: „Smartless“

Episodenlänge: wöchentlich, jeweils eine Stunde

Offizieller Claim: „genuinely improvised and authentic conversation“

Inoffizieller Claim: Schaut mal, wie toll wir sind und wen wir kennen!

Wer diesen Podcast mag, hört auch: „Literally! With Rob Lowe“ und „Armchair Expert“

3 Kommentare

  1. „Wer diesen Podcast mag, hört auch: ‚Literally! With Rob Lowe'“
    Bitte den Link prüfen und korrigieren …
    Danke!

  2. Hm, Mist, sie hat Recht. Tatsächlich picke ich mir nur noch die Folgen mit den Gästen raus, die mich wirklich interessieren. Die werbung nervt unendlich (siehe auch „Baywatch Berlin“) und die Witze wiederholen sich tatsächlich. Seufz… Auf Dauer bietet nahezu jeder Podcast eine Angriffsfläche, oder?

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