„Alternativmedien“

Querdenkerstoff aus Oberösterreich für die deutschen Telegram-Kanäle

Lange gefackelt wird bei „Report24“ nicht. Anfang März 2021 stellte einer der ersten Beiträge des neuen Onlinemediums „30 Fragen zur Corona-Pandemie“. Zum Beispiel: „Warum sehen wir die Menschen nicht auf der Straße sterben?“ Oder: „Warum sehen wir im Fernseher überfüllte Intensivstationen, wenn sie in der Realität nicht überfüllt sind?“ Oder: „Wenn ein Nieser bis zu zwei Meter weit gehen kann, warum halten wir anderthalb Meter Abstand?“ Antworten liefert der Beitrag, der als „Kommentar“ überschrieben ist, nicht.

Ein Jahr später hat sich manches nicht verändert. Auf der Webseite begegnet einem nicht nur ein düsteres Foto von Christian Drosten („Der Druck steigt“ – weil jemand ihn wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung angezeigt habe), es werden auch weiter Fragen gestellt. Um das an dieser Stelle abzukürzen: Nein, die Covid-kranke Queen wurde nicht mit dem Pferdeentwurmungsmittel Ivermectin behandelt.

„Report24“ hat im ersten Jahr seines Bestehens einen rasanten Aufstieg hingelegt. Genauso wie der TV-Sender „Auf1“, der Ende Mai 2021 gegründet wurde. Zwei österreichische „Alternativmedien“, die zu einem bedeutenden Teil vom Thema Corona und damit von der „Querdenker“-Bewegung leben. Beide haben – soweit man weiß – nichts unmittelbar miteinander zu tun, obwohl sie sich eine Firmenadresse teilen (dazu später mehr). Trotzdem haben sie viel gemeinsam. Sie sind beide auf den Kanälen stark, wo auch ihr Publikum ist, also vor allem auf dem Messengerdienst Telegram. Der Channel von „Auf1“ hat über 190.000 Abonnenten, „Report24“ knapp 35.000. Die Postings werden von dort aus in zahlreiche Anti-Corona-Gruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz weitergeleitet. Liest man dort ein paar Wochen mit, begegnet man „Report24“ und „Auf1“ jeden Tag. Eine erstaunliche Reichweite und Frequenz für Medien, die es gerade mal ein Jahr gibt.

Wie die „Querdenker“ haben sich aber auch deren Medien thematisch verbreitert. Es geht längst nicht mehr nur um Corona, sondern um eine krude Mischung aus „medizinischen“ Informationen, Verschwörungstheorien und den Kampf gegen einen „rotgrünlinken“ Mainstream. „Report24“ und „Auf1“ mischten, ebenso wie der „Wochenblick“ und andere österreichische „Alternativmedien“, im deutschen Wahlkampf mit. Der Artikel „Skandal bei den Grünen: Hat Baerbock nicht einmal einen Bachelor-Abschluss?“ vom 11. Mai 2021 gehört bis heute zum den erfolgreichsten Beiträgen von „Report24“.

Wer sind diese Medien? Was tun sie? Und wie kann es sein, dass sie von Linz, der Hauptstadt des Bundeslandes Oberösterreich aus, in Deutschland so erfolgreich aufschlagen?

„Un-fass-bar“!

Themenwahl und Tonalität von „Report24“ und „Auf1“ unterscheiden sich nicht groß von der Konkurrenz wie Boris Reitschuster oder „Tichys Einblick“: Die Welt ist sehr böse und sehr links, und viel zu wenige Menschen wollen das wahrhaben.

„Report24“ ist etwas breiter aufgestellt: Zwar ist das Thema Corona zentral, aber es geht auch um „Gender-Sprache“ oder um Inflation. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ist der Krieg als großes Thema dazugekommen. Man gibt sich vermeintlich neutral. „Report24“ stellt seinen Berichten den Disclaimer voran: „‚Report24‘ spricht sich gegen jede Art von Krieg aus (…) Doch im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit. Wir tolerieren das falsche Spiel der gleichgeschalteten Systemmedien nicht.“ Verbreitet wird dennoch hauptsächlich russische Propaganda. Die Stoßrichtung ist schon bei Überschriften wie „Ukraine – Kampf für die neue Weltordnung“ oder  „Gefundener NATO-Laptop: Plante die Ukraine bereits einen Großangriff?“ ersichtlich. Basierend auf einem Bericht des staatlichen russischen Nachrichtenportals „Sputnik“ wird in dem Text  unter anderem gemutmaßt, Russland wäre mit seiner Invasion einem Angriff der Ukraine „auf den Donbass, die Krim und sogar auf russisches Territorium nur zuvorgekommen“.

„Auf1“ ist da etwas subtiler: Zwar erscheinen auch dort Artikel mit Titeln wie „Dem russischen Angriff gingen unzählige Angriffe der Ukraine voraus: Terror, Attacken, Sabotage!“. Es kommen allerdings auch Kommentatoren aus dem alternativen Medienmilieu zu Wort, die Russland als Aggressor benennen. Bei „Auf1“ wird weniger Russland verteidigt als die Verschwörungstheorie verbreitet, dass dieser Krieg von „Globalisten“ gesteuert würde. „Die wahren Profiteure sitzen auf beiden Seiten und diese gewinnen immer dann, wenn sich die Völker blutig bekriegen“, heißt es in einer „grundsätzlichen Stellungnahme“ des Senders zum Krieg in der Ukraine.

Angesichts von Texten wie „Klaus Schwabs WEF-Minions führen Kanada in den Totalitarismus“ ist es nicht überraschend, dass „Report24“ und „Auf1“ eher Desinformations- als Informationsmedien sind. Im Juli raunte „Report24“ fälschlicherweise von einem Bundestagsbeschluss „mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung“; im Oktober stellte es irreführende Behauptungen zu den Impfdurchbrüchen auf. „Auf1“ veröffentlichte im September ein Video, das eine Gefahr durch die nach Corona-Impfungen vom Körper produzierten Spike-Proteine belegen sollte und das natürlich nicht tat.

Bei der Plattform „Auf1“, die sich „TV-Sender“ nennt, aber eigentlich eine Webseite mit Videoformaten ist, ist die Konzentration auf Corona noch stärker als bei der Konkurrenz aus dem eigenen Milieu. Schon im ersten „Auf1“-Video vom 31. Mai 2021 wird klar, worum es hier gehen wird. Es sei „un-fass-bar“, sagt Chefredakteur Stefan Magnet, während sich seine Hände im Rhythmus der Worte mitbewegen. Warum dürfe ein Arzt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das von „Zwangsgebühren“ finanziert wird, „unwidersprochen“ und „ohne kritische Nachfrage“ für die Impfung eintreten? „Warum rufen hier die sonst so um Zensur bemühten Faktenchecker nicht Alarm? Wo bleibt hier der Aufschrei der Medien?“ Die, die sich impfen lassen, seien „Testpersonen“ noch längst nicht abgeschlossener Studie. „Sie finden statt, mitten in Europa, millionenfach. An der Bevölkerung“, erklärt der Moderator düster.

Allgegenwärtiger Stefan Magnet

„Auf1“-Chefredakteur Stefan Magnet Screenshot: „Auf1“

Die österreichischen Alternativmedien machen es einem nicht leicht, etwas über ihre Organisationsstruktur zu erfahren. Hinter „Auf1“ steht der „Verein für basisgetragene, selbstbestimmte, pluralistische und unabhängige Medienvielfalt“, im Impressum von „Report24“ steht „GmbH (in Gründung)“. Auffällig ist, dass beide dieselbe Anschrift haben: Steingasse 6a in Linz. Aber wie „Correctiv“ im vergangenen Jahr herausfand, ist das nur die Meldeadresse; die Redaktionen sitzen nicht dort.

Linz ist ein logischer Standort für die neuen rechten Medienprojekte. In Oberösterreich gibt es seit längerem eine entsprechende Szene. Auch Mitbewerber wie „Info-Direkt“, das „Magazin für Patrioten“ (ebenfalls in der Steingasse gemeldet) oder der „Wochenblick“ sitzen in der Landeshauptstadt. Es gibt personelle Schnittmengen und personelle Fluktuation, viele Namen begegnen einem immer wieder. So gab die mittlerweile ehemalige „Wochenblick“-Chefredakteurin Elsa Mittmansgruber ihre Position beim Printmagazin im Februar ab und wechselte zu „Auf1“. Bei den Autorenprofilen auf „Report24“, die unter Pseudonymen laufen, finden sich oft Sätze wie: „war bereits bei mehreren patriotischen Medien tätig“.

Zumindest mit „Auf1“ lässt sich ein Name verbinden: der von Stefan Magnet, dem Mann, der den Auftritt von Ärzten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „unfassbar“ findet. Er war früher Mitglied beim „Bund freier Jugend“, einer mittlerweile aufgelösten rechtsextremen Organisation. Magnet ist Inhaber der „MS Medienlogistik Werbe GmbH“ (und bekommt als solcher auch mal Aufträge vom Land Oberösterreich) und wird mit vielen der alternativen Medien in Verbindung gebracht. Magnet publizierte im „Wochenblick“. 2016 trat er als Moderator einer „Info-Direkt“-Veranstaltung beim „Russischen Ball in der Wiener Hofburg“ auf, wo er die neue Printausgabe präsentierte und an wichtige russische Gäste verteilte. Bei „Auf1“ ist er offiziell Chefredakteur und Obmann, also Vorsitzender, des Trägervereins. Er hat auch eine eigene Interview-Formate auf seinem Sender.

Deutsche Themen

Interessant ist, dass ein Großteil dieser Medien mit ihrem Sitz in Österreich zumindest nicht hausieren geht. Nur die Webseite des „Wochenblicks“ hat den österreichischen Ländercode „.at“ in der URL. Der Rest ist neutraler gehalten (report24.news, auf1.tv, info-direkt.eu). Unter dem Logo von „Info-Direkt“ sind die Fahnen des D-A-CH-Raums abgebildet, „Report24“ konzentriert sich laut Blattlinie auf den „deutschen Sprachraum“, über den verteilt auch die Autoren säßen. Thematisch sind die Unterschiede zur deutschen Konkurrenz manchmal kaum zu sehen. Eine Ex-ZDF-Journalistin, die behauptet, ihr Vertrag sei wegen ihrer Kritik an der mangelnden öffentlich-rechtlichen Meinungsfreiheit nicht verlängert worden, war sowohl bei „Tichys Einblick“ als auch bei „Auf1“ Aufmacher.

Dass österreichische Medien nach Deutschland schielen, ist nichts ganz Neues. Die Tageszeitung „Standard“ hat seit längerem auch eine derstandard.de-Adresse. Umgekehrt gibt es seit Jahren ein verstärktes Engagement deutscher Medien in Österreich.

Stefan Magnet sagte vergangenes Jahr, dass er seine Zielgruppe auch in Deutschland sehe, weil „in Berlin Entscheidungen getroffen werden, die auch Österreich beeinflussen“. Neben den gemeinsamen Themen ist es aber wohl vor allem der lukrative Markt, der es verlockend macht, als „deutschsprachiges“ Medium aufzutreten. Deutschland hat neunmal so viele Einwohner wie Österreich. „Report24“ gibt an, nach einem halben Jahr 5,1 Millionen Seitenaufrufe gehabt zu haben. Weil die Medien nicht Teil der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) sind, lässt sich das nicht nachprüfen. Klar ist aber: Jedes Wachstum ist einfacher, wenn man auch deutsche Themen beackert.

Überschaubare Kosten

Gerne wüsste man genauer, wer die Medien finanziert. Anfragen von Übermedien dazu blieben unbeantwortet, ebenso wie andere Fragen. Beim „Wochenblick“ weiß man es zum Teil: Das Magazin bekommt Presseförderung; unter der Türkis-Blauen Regierung wurde es auch schon mal mit Regierungsinseraten bedacht. Die anderen Medien schalten auf ihren Webseiten ein wenig szenetypische Werbung (ein Link von „Report24“ führt zu einer Seite, auf der man gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ kaufen kann) und bitten ihre Leser um Spenden. In einem frühen Video erläutert Stefan Magnet das Konzept des „basisfinanzierten“ Senders.

Es ist nicht unrealistisch, dass das finanziell reicht. Es handelt sich um reine Onlinemedien, die Berichte anderer Medien aufbereiten und dabei Fotos von kostenlosen Plattformen nutzen. Wenn die Redaktion aus einer Gruppe von motivierten Überzeugungstätern besteht, sind die Kosten überschaubar. Das kann man stemmen, vor allem wenn man einen Unternehmer wie Magnet mit im Boot hat, der ohnehin in der Videoproduktion tätig ist. Die Digitalisierung hat die Herstellungskosten von Onlinemedien so weit gesenkt, dass mit ein bisschen Übung jeder eine Seite bauen kann, die für das ungeübte Auge kaum von denen seriöser Medien zu unterscheiden ist. Das knallige „Report24“ schaut aus wie ein x-beliebiges Boulevardmedium, das Logo von „Auf1“ sieht dem Logo der ARD verdächtig ähnlich.

Experten, die sich mit Desinformation beschäftigen, weisen oft darauf hin, dass die Unfähigkeit zur Quellenkritik ein starker Indikator für die Anfälligkeit für Verschwörungsglauben sei. Einfacher gesagt: Wenn ich die Infos von „Report24“ und sueddeutsche.de als gleichwertig empfinde, weil es beides Medien im Internet sind, dann ist die Chance, dass ich Verschwörungsglauben anhänge, höher. Dieser Effekt ist bei einer durchaus professionell produzierten, täglichen Nachrichtensendung wie den „Nachrichten Auf1“ natürlich noch stärker. Dafür muss man noch nicht mal alle sogenannten „Mainstreammedien“ ablehnen – es reicht, wenn man sie nicht unterscheiden kann.

Im schwach regulierten Internet ist es möglich, sich mit seinem Medium unauffällig unter 1000 andere Quellen zu mischen. Woanders können schnell Probleme auftreten. Vor kurzem wurde bekannt, dass die österreichische Medienbehörde „Auf1“ prüft. Die tägliche Nachrichtensendung wird seit dem 10. Februar auch auf RTV, einem kleinen oberösterreichischen Lokalsender, ausgestrahlt. Damit hat das Programm laut Gesetz „anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen“, Verstöße können sanktioniert werden. Manchmal hat es eben auch Nachteile, wenn man ein etabliertes Medium sein will.

Korrektur, 21.3.2022. In der ersten Version des Textes war die Rede davon, dass Stefan Magnet vor einigen Jahren in Untersuchungshaft gesessen habe. Wir haben die Stelle gestrichen. Herr Magnet teilt mit, dass die Untersuchungshaft „später für rechtswidrig erklärt wurde“, ihm Haftentschädigung gezahlt worden sei und „alle Strafverfahren mit Freispruch endeten“.

4 Kommentare

  1. Was ist denn nun die große Erkenntnis dieses Artikels? Dass rechte Medien rechte Propaganda machen? Und rechtsextreme rechtsextreme? Gilt das nicht auch entsprechend für linke und linksextreme Medien? Und sogar für die sogenannten Mainstream-Medien?
    Und meinen nicht alle Medien von links bis rechts außen und dazwischen, sie würden keine Propaganda verbreiten sondern Fakten oder gar die Wahrheit?

  2. Krampfhafter Whataboutism, Anschauungsbeispiel A: Mainstream-Medien Mainstream-Propaganda vorwerfen, damit rechte Propaganda rechter Medien weniger schlimm wirkt, egal ob das Sinn ergibt.

  3. #2: Stimmt. Und dennoch hier die Antworten auf die Fragen von #1:
    – Es gibt zwei neue rechte bis rechtsextreme Verschwörungsmythen-verbreitende Portale in Österreich, die erstens eine für ihr Alter sehr hohe Reichweite haben und zweitens ihre Fühler auch nach Deutschland ausstrecken.
    – Nein
    – Nein
    – Nein
    – Nein
    – Nein

  4. Das mit der Adresse ist recht einfach: Der Bürodienstleister Regus bietet dort einen Service für Briefkastenfirmen an. Ab 61 Euro im Monat kann man sich hier verstecken, und offensichtlich toleriert das österreichische Vereinregister diese Art von Adresswäsche, denn der AUF-Verein ist dort so eingetragen. Als ladungsfähige Adresse im Sinne des deutschen Rechts ginge das meines Erachtens nicht durch, bei unseren Nachbarn, scheint’s, aber schon. Die trinazionalen Patrioten dagegen haben im Handelsregister (mittlerweile?) eine andere Anschrift hinterlegt, den Tummelplatz 15/6 in Linz. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die wirklich dort sitzen, während AUF von irgendwo her senden könnte, womöglich nicht einmal von austriakischem Boden. Vielleicht mag ja mal jemand in Linz vorbeischauen. Eine Anlaufstelle könnte der Haus- und Hoffotograf Alois Endl sein – oder der Vize-Obmann des Vereins, Jürgen Franzelin, ein Kerlchen, das aus dem Milieu der Haider-Jugend hervorgegangen ist.
    Endl:
    https://www.aloisendl.net/ueber-mich
    Franzelin:
    https://salzburg.orf.at/v2/news/stories/2519509/
    https://www.stopptdierechten.at/2021/06/08/wer-steckt-hinter-auf1-tv-teil-1/
    Regus:
    https://www.regus.com/de-de/austria/linz/steingasse-6a-4630
    https://simil.io/unternehmen/strasse/linz/steingasse-024347

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