Ende des Projekts von BR und SWR

Nach zehn Monaten „Sophie Scholl“ auf Insta: Lernen, wie man es nicht machen sollte

Diese Woche ist die Instagram-Serie „Ich bin Sophie Scholl“ zu Ende gegangen, und die bloßen Zahlen sind durchaus beeindruckend: 395 Feedposts1)Stand 25.02.2022 laut https://business.notjustanalytics.com/plus/ichbinsophiescholl wurden in zehn Monaten abgesetzt, dazu fast vier Stunden Videomaterial2)berechnet aus den Highlightvideos der Wochenzusammenfassungen. Am Ende waren es knapp 770.000 Follower:innen und im Schnitt 630 Kommentare unter jedem Post. Nicht schlecht. Aber das ist nur die Statistik.

Viel wichtiger ist die Frage, was aus diesem viel kritisierten Projekt von BR und SWR denn nun zu lernen ist, etwa über den Umgang mit historischen Stoffen. Also: Was bleibt nach fast einem Jahr Insta-Sophie?

Screenshots: Instagram/@ichbinsophiescholl

In zwei abschließenden Live-Talks haben die Macher:innen Fragen zum Projekt um die fiktionalisierte Widerstandskämpferin beantwortet. In der ersten Runde saßen Scholl-Darstellerin Luna Wedler, Regisseur Tom Lass, Social-Media-Chefin Ella Knigge und Mehmed König, ein User aus der Community, der von der Redaktion in vielen Talks als Vorzeigenutzer zitiert wurde, weil er die spielerische Interaktion so vorbildlich verstanden habe.

Screenshot: Instagram / @ichbinsophiescholl

Rund 15.000 Nutzer:innen schalteten sich zu Beginn in den Talk, am Ende war nicht mal die Hälfte übrig. Und – natürlich – waren alle sehr bewegt und emotional. Der Talk selbst war im Prinzip vor allem eine einstündige Selbstbeweihräucherung. Bemerkenswert war unter anderem, dass Regisseur Lass auf die Frage, wie er das Projekt verfolgt hat, eher ausweichend antwortete. Er habe sich mit der Umsetzung gar nicht mehr so intensiv beschäftigt. Auch Sophie-Darstellerin Luna Wedler erzählte, sie habe nur hin mal wieder mal reingeschaut. Dann sei ihr aufgefallen, dass sie manche Szenen gar nicht mehr parat hatte.

Mehmed König, der als Teil der Community dabei war, machte bei dem Projekt das, was er auch schon in den Kommentaren immer wieder gemacht hatte. Er nutzte die Plattform, um auf seine eigene Geschichte aufmerksam zu machen. König ist Überlebender des Bosnienkrieges. Ein Krieg, der viel zu wenigen Menschen im Bewusstsein ist. Und, ja, es ist wichtig und richtig, dass König die Plattform nutzt, um darauf hinzuweisen. Aber mit dem Projekt „Ich bin Sophie Scholl“ und seinen Zielen – welche waren das eigentlich noch mal? – hat das nicht unmittelbar etwas zu tun.

Ohnehin vermittelte sich nicht wirklich, weshalb König überhaupt in der Gesprächsrunde saß. Um die Relevanz des Projektes zu bezeugen? Die Machart zu legitimieren? Repräsentativ für die Community ist er jedenfalls nicht. Anvisiert waren junge Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. Die machten aber am Ende laut SWR-Redakteurin Susanne Gerhardt nur ein Fünftel der Abos aus. Die Hälfte der Nutzer:innen war mit 25 bis 35 Jahren deutlich älter.

Wer unerwähnt blieb

Spannender ist dagegen, wer nicht zu Wort kam und auch nicht eingeladen war: diejenigen, die zehn Monate lang ehrenamtlich Redaktion und Community mit Faktenchecks, Kontext und Hintergrundinformationen bereichert haben. Die dafür gesorgt haben, dass Quellenangaben mit einfließen und Antisemitismus, Ableismus und geschichtsrevisionistische Tendenzen in den Kommentaren nicht einfach so stehen blieben. Dieser Teil der Community fand schlicht keine Erwähnung.

Während in den Kommentaren des Talks die Herzen flogen und Lob für das Projekt im Millisekundentakt durch die Nachrichtenzeile rauschte, wurde bei Nachfragen zur Kritik von Jan Böhmermann auf den „Histo-Talk“ am nächsten Tag verwiesen. Böhmermann hatte in seiner Sendung deutliche Kritik an dem Projekt geäußert. Neben der Vermischung von Realität und Fiktion kritisierte er vor allem, dass „Fakten“ erfunden wurden.

Im „Histo-Talk“ sprachen dann die Social-Media-Redakteurinnen Ella Knigge und Holle Zoz, die Schauspieler:innen Maria Dráguș (Inge Scholl) und Hugo Schmitz (Alexander Schmorell) und Historikerin Maren Gottschalk. Ihr kam dabei eine undankbare Rolle zu. Gottschalk war im Vorfeld beratend tätig. Mit der Social-Media-Umsetzung hatte sie nichts zu tun, durfte sich nun aber öffentlich mit der Kritik auseinandersetzen.

Redaktionsleiter Ulrich Herrmann vom SWR teilte stattdessen seine Sicht in einem „Spiegel“-Interview mit. Er sieht weder ein Problem in der Emotionalisierung noch in der Fiktionalisierung der Person Sophie Scholl. Auf die Fiktionalisierung historischer Fakten und Ereignisse geht er dort gar nicht ein.

Herrmann stellt vielmehr das Community-Management in den Mittelpunkt, das ja regelmäßig Hintergrundinformationen geliefert habe. Dass die aber häufig erst auf Nachfrage aus der Community selbst kamen, und dass die nicht nur den Kontext lieferte, sondern diesen auch kommentierend und erklärend eingebettet hat, dazu sagt er ebenfalls nichts. Im „Histo-Talk“ erklärten Ella Knigge und Holle Zoz dann, es sei ja „Teil des Spiels“ gewesen, dass die Nutzer:innen Hintergründe erfragen mussten.

Besonders lange Diskussionen

Historikerin Gottschalk nutzte die Gelegenheit, ihre Aufgabe im Projekt nochmal zu erklären. Sie habe vor allem die Dialoge der Stories vorher gelesen und auf historische Plausibilität geprüft. Sie habe dazu viele Anmerkungen gemacht und diese in langen Konferenzen mit der Redaktion besprochen, aber: „Was von meinen Anmerkungen schließlich übernommen wurde, lag in der Verantwortung der Redaktion.“ Manche ihrer Hinweise hätten dramaturgische Ideen gekippt oder gefährdet, da habe es dann besonders lange Diskussionen gegeben. Welche Stellen das konkret waren, verriet sie nicht. Posts und Fotos habe sie darüber hinaus nicht gesehen.

Interessant war auch die Haltung des Community-Managements zur zurückhaltenden Thematisierung der Shoa. Denn obwohl sich 1942 – also in der Zeit, in die uns Insta-Sophie „radikal subjektiv“ mit in ihr Leben nimmt – die Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden nochmal drastisch verschärft, wird sie im Leben der Sophie Scholl kaum, oder wenn, dann ziemlich ungeschickt untergebracht. „Ein Thema wie den Holocaust können wir einfach nicht nebenbei in seiner Gänze erzählen, weil es ein wahnsinnig wichtiges, ernstes und großes Thema ist“, sagt Holle Zoz. „Das haben wir uns auf eine Art auch nicht zugetraut.“

Dabei hat niemand Vollständigkeit gefordert. Es aber derart aus der Erzählung auszuklammern, weil man es sich nicht zutraut, rückt eine Perspektive in den Hintergrund, die in der NS-Geschichte eine zentrale Rolle spielt. Stattdessen lieber „Lücken kreativ zu füllen“, indem man historische Daten verlegt oder Ereignisse erfindet, zeigt deutlich, wo die Schieflage des Projekts ist, und wo es schlicht an Kompetenz fehlte. Stattdessen wurde die Perspektive der Wehrmachtssoldaten an der Ostfront in den Mittelpunkt gerückt.

Die Community wünschte sich, dass sich das Team von „Ich bin Sophie Scholl“ auch zu Böhmermanns Kritik äußert. Und so stellte Moderatorin Maria Popov folgende Frage an die Historikerin Maren Gottschalk:

„Ein großer Kritikpunkt unter anderem im ‚ZDF Magazin Royal‘ ist die Entscheidung gewesen, Fakten, die man zum Beispiel den Briefen entnehmen kann, mit Fiktion zu mischen und dadurch möglicherweise eine Figur oder die damalige Zeit unscharf darzustellen.“

Ohne den Kontext zu kennen, klingt das nach etwas, das man durchaus diskutieren kann. Gottschalks Antwort wundert daher nicht: Das könne man das durchaus machen, sagt sie. Böhmermanns Kritik geht aber deutlich weiter. Denn die Fakten aus den Briefen an denen man sich bedient hat, geben ein verzerrtes Bild wieder.

Konkret bezog sich das auf eine hübsche bunte Zeichnung, auf der Hans Scholl und Alexander Schmorell an der Front feiernd mit Russinnen gezeigt wurden. Ja, das hat wirklich stattgefunden. Es fehlt halt nur der große Kontext zu eben diesem einzelnen, eindrücklichen Bild. Was bleibt, ist eine verwaschene und verzerrte Darstellung der Wirklichkeit. Die weichgespülte Frage ist bezeichnend dafür, wie die Redaktion in den letzten zehn Monaten mit Kritik umgegangen ist: zögerlich und am liebsten gar nicht.

Quellen doch nicht „uncool“

Böhmermann hatte auch Gottschalks Aussage kritisiert, Fußnoten und Quellen würden vom jungen Publikum als uncool betrachtet. Diese Aussage hat Gottschalk im Talk korrigiert. Denn die Nachfragen aus der Community nach weiterführenden Informationen zeigten deutlich, dass es daran durchaus Interesse gibt. Zahlreiche Posts von Nutzer:innen, die das Projekt ehrenamtlich begleiteten, zeigten zudem: Kontext, Zusatzinformationen und vor allem Faktenchecks, die Transparenz schafften zwischen Fiktion und der historisch belegbaren Vergangenheit, finden ein Publikum. Die Community bedankte sich immer wieder, wenn aufgelöst wurde, wo mit „dramaturgischen Elementen“ nachgeholfen wurde. Eine Aufgabe, die eigentlich die Projekt-Redaktion hätte übernehmen müssen.

Die ließ sich aber ausgerechnet dann bitten, wenn es darum ging, geschichtsrevisionistische Tendenzen transparent zu machen. So saß „Sophie Scholl“ zum Beispiel am 21. Dezember 2021 mit Gasmaske in einem Luftschutzkeller. Sie musste – laut Storyline – am Nachmittag nach einem Alarm in München Schutz suchen. Ein gewaltiges Bild. In der Story konnte man „Sophie“ schwer und geräuschvoll durch die Maske atmen hören.

Die Sache hat nur einen Haken, oder auch zwei oder drei: Sophie Scholl befand sich an diesem Tag nicht in München, es gab auch tagsüber keinen Fliegeralarm – und es gibt keine Belege dafür, dass die Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs mit Gasmasken in den Bunkern saß, wie auch Historiker Christian Bunnenberg im „ZDF Magazin Royal“ bestätigt.

Für die Redaktion von „Ich bin Sophie Scholl“ ist das alles nur ein „Spiel mit der Plattform“. Und ein Spiel mit unserer Gegenwart. Denn, hey, Masken – das ist doch gerade in der Pandemie Thema, oder? Klingt zynisch? Ja. So zynisch wie ein Foto, das suggeriert, eine Widerstandskämpferin befinde sich in einer Gefahr, in der sich stattdessen damals ganz andere befanden: Jüdinnen und Juden, Sinti:zze und Rom:nja, sogenannte Asoziale, Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen oder psychischen Krankheiten. Die hatten nur keine Gasmasken, um sich vor dem Gas in Vernichtungslagern zu schützen.

„Kreative Freiheiten“ als Gefahr

„Wer anfängt, sich kreativ erinnern zu wollen, der kann sich auch gleich alternativ erinnern“, hat Böhmermann in seiner Sendung gesagt. Auch die Medienwissenschaftlerin Eva Hasel sieht in diesen „kreativen Freiheiten“ eine Gefahr. In einem Gespräch auf der HistoCon sagte sie voriges Jahr:

„Mir gefällt die Idee nicht, eine Illusion der Realität zu kreieren. Oder das Gefühl ‚etwas wieder zum Leben zu erwecken‘. Ich persönlich denke nicht, dass das eine gute Idee ist, denn hinter der nächsten Ecke lauert schon die Leugnung des Holocaust. Wenn du so anfängst, dann können Menschen, die es nicht gut meinen sagen: Oh, also wenn das nicht wahr ist, was ist dann noch nicht wahr? Und ich finde nicht, dass es eine gute Idee ist, diese historischen Lücken, die wir definitiv haben, mit Fantasie zu füllen oder deiner eigenen Kreation.“

Wozu das führt, hat vor allem die vergangene Woche gezeigt. Immer wieder erzählt Sophie Scholl da, dass Goebbels am Freitag, den 18. Februar 1943, eine Rede halten werde. Die Rede, die wir als „Sportpalastrede“ kennen, und in der der Satz „Wollt ihr den totalen Krieg?“ gefallen ist. Das sechste Flugblatt der Weißen Rose, sagt die fiktive Sophie Scholl, soll bis dahin unbedingt fertig und verteilt sein.

Die ersten, die dieses Narrativ in Frage stellten, waren – mal wieder – diejenigen, die das Projekt ehrenamtlich mit Kontext anreicherten. Denn: Klar, wir wissen heute retrospektiv um die Bedeutung der Goebbels-Rede. Aber konnte Sophie Scholl das damals wissen? Eher nicht. Aber wieso wird es dann aufgegriffen? Zumal die Redaktion fehlende Hintergründe zur Judenverfolgung und Shoah gebetsmühlenartig mit dem Satz begründet, sie könne eben nur das erzählen, was Sophie in ihrer Lebenswelt gewusst haben könne. Dass sie sich intensiv mit der Judenverfolgung auseinandergesetzt hat, dafür fehlen in der Tat Belege. Nicht aber für ihr Wissen darüber.

Realität vs. Storytelling

Zur „Sportpalastrede“ gab es im Februar 1943 nicht mal eine Ankündigung. Offenbar wurde peinlich genau darauf geachtet, dass die Veranstaltung nicht bekannt wird, weil die Nazis einen Angriff der Alliierten fürchteten. Hier wird also in dem Instagram-Projekt aus „dramaturgischen Gründen“ aus einer Koinzidenz eine Kausalität konstruiert: ein Bezug der Flugblattverteilung zur Goebbels-Rede. Und das alles nur für eine besonders dramatische Schluss-Szene, nämlich damit am Ende eine bereits verhaftete, stumm weinende Sophie Scholl gezeigt werden kann, der im Rektorzimmer der Uni München die Goebbelsrede wie verbale Ohrfeigen ins Gesicht schallt.

Zugegeben, die Szene ist eindrucksvoll. Dass ausgerechnet Goebbels den Bemühungen der Weißen Rose gegen den Krieg ins Gesicht schreit: Ihr habt verloren! Historisch korrekt ist allerdings auch das nicht. Denn die Rede war um 17 Uhr. Da war Sophie Scholl längst im Gefängnis.

Erst nach etlichen Hinweisen machte das Community-Management diesen „dramaturgischen Kniff“ transparent. Was man aber auch erst findet, wenn man sich durch viele Kommentare wühlt. Wäre ja auch schlimm, wenn die schnöde Realität das schöne Storytelling kaputt machen würde. Wer nur die Stories verfolgt hat, bekam übrigens nicht mit, dass historische Fakten miteinander in Beziehung gesetzt werden, die nichts miteinander zu tun haben.

Die Emotionalisierung jedenfalls hat bis zum Schluss gut funktioniert. Gleich zu Beginn des Projekts gingen „Sophie“-Anhänger:innen auf diejenigen los, die es wagten, laut Kritik zu üben. Sie verstanden das als Kritik an ihrer unzweifelhaften Heldin der Geschichte. Vor allem zum Projektende hin meldeten sich viele Nutzer:innen, die bisher wenig interagiert hatten. Am Tag der Hinrichtung von Sophie Scholl posteten sie Tränenemojis, gebrochene Herzen, Kerzen. Schon in der Woche zuvor schrieben einige, sie müssten weinen.

Besser keinen Widerstand leisten?

Ein überwältigender Teil der Nutzer:innen hat „Sophie Scholl“ dann in einer Abstimmung sogar davon abgeraten, in die Uni zu fahren: Bitte nicht die Flugblätter verteilen! Viel zu gefährlich! Lieber überleben, als sich offen gegen das NS-Regime zu stellen! Da stellt sich dann auch die Frage, was das Projekt vermitteln konnte. Besser keinen Widerstand leisten, weil viel zu gefährlich und am Ende ist man tot?

Und wie steht es mit den viel zitierten Idealen der Weißen Rose, die das Community-Management zumindest hin und wieder unter Kommentare pflanzte, in denen Nutzer:innen durchblicken ließen, wie tief erschüttert sie jetzt, nach dem Ende der Geschichte, seien:

„Das Erbe und die Ideale der Geschwister Scholl, für die sie ihr Leben aufs Spiel setzten, leben bis heute weiter.“

Nur seltsam, dass man genau darüber so wenig erfährt. Was waren denn jetzt die Ideale der Geschwister Scholl? Dass genau das vielfach nicht verstanden wurde, zeigte auch die emotionale Reaktion vieler Nutzer:innen auf Kritik. Die will man nämlich gar nicht hören. Meinungsfreiheit? Diskussion? Austausch? Bitte nicht! Das stört beim Huldigen einer Widerstandsheldin.

Dabei geht es nicht um Kritik an Sophie Scholl. Auch nicht darum, zu sagen, dass man so etwas gar nicht machen darf. Im Gegenteil. Die Grundidee des Projektes bleibt spannend. Die Kameraführung ist innovativ. Das Storytelling über zehn Monate eine riesige Herausforderung. Kurz: ein gigantisches Projekt mit Potential.

Aber dass die Geschichte der Sophie Scholl alleine nicht ausreicht, um Spannung zu erzeugen und deshalb dramaturgisch „nachjustiert“ werden muss, bleibt fragwürdig und problematisch. Und das hört man auch bei Historikerin Maren Gottschalk zwischen den Zeilen heraus:

„Wir müssen nur tatsächlich gucken, wie erzählen wir die Geschichte, ohne sie zu verbiegen. Geschichte ist spannend, man muss nur halt immer wieder spannende neue Formen finden.“

Gerade in einer Zeit, in der wir tagtäglich zwischen echten und falschen Informationen unterscheiden müssen, und in der Desinformation und Geschichtsklitterung Alltag sind, braucht es verlässliche Quellen. Und wenn die selbst beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr zu bekommen sind, wo denn dann? Und deshalb ist diesem Fazit von Jan Böhmermann eigentlich nichts mehr hinzuzufügen: „Der Instagram-Account von Sophie Scholl erzählt mehr über Deutschland 2022 als über Deutschland 1942.“

Fußnoten

Fußnoten
1 Stand 25.02.2022 laut https://business.notjustanalytics.com/plus/ichbinsophiescholl
2 berechnet aus den Highlightvideos der Wochenzusammenfassungen

3 Kommentare

  1. „Interessant war auch die Haltung des Community-Managements zur zurückhaltenden Thematisierung der Shoa.“ Ich glaube, genau das ist das Hauptproblem. Der Sinn darin, Scholls Geschichte zu erzählen, kann doch nur der sein, ihre Perspektive auf den Holocaust und sonstige Naziverbrechen zu zeigen. Also Fragen beantworten, oder es zu versuchen, wie: seit wann wusste sie vom Holocaust, woher, hat sie Geschichten darüber vllt. zu Beginn bezweifelt? Und natürlich, mit wem hat sie darüber gesprochen, mit wem nicht, war ihr von Anfang an klar, dass man sie hinrichten würde?
    Und wenn das das Thema der Insta-Story wäre, wären kleinere Abweichungen von den historisch verbürgten Tatsachen oder Erfindungen, um Lücken zu füllen, immerhin noch ok. Bspw. werden wichtige Erkenntnisse oft in Form eines einzelnen Erlebnisses inszeniert, obwohl sie in der Wirklichkeit Wochen oder Monate dauerten. Also im Fall von Sophie Scholl z.B., dass die Verhaftung einer Person, die sie persönlich kannte, den Gesinnungswandel verursacht hat.

    „Da stellt sich dann auch die Frage, was das Projekt vermitteln konnte. Besser keinen Widerstand leisten, weil viel zu gefährlich und am Ende ist man tot?“ Nun, offensichtlich ist das eine legitime Schlussfolgerung, eine andere wäre: „Besser beim Verteilen von Flugblättern aufpassen, dass man nicht erwischt wird.“

  2. Nachvollziehbare Kritik an einem interessanten Projekt.
    Ich frage mich, wie lange man nach dem Ableben der letzten Zeitzeugen noch auf ein angemessen respektvolles und historisch korrektes Erinnern wird beharren können.
    Heute verkleiden Kinder sich als Piraten und Dschingis Khan taugt zur lustigen Disconummer. Ob in einigen Generationen die Erinnerung an Nazideutschland auf diesem Level stattfindet?

  3. Gutes Resumee, das ich mir gerne in den Erinnerungskultur-Ordner abspeichere.
    Ich finde auch, dass das Format auf jeden Fall Potential hat und würd mich über mehr Versuche in diese Richtung freuen. Vielleicht erprobt man sich dabei aber lieber auf ‚etwas leichterem Gelände‘? Dass man sich gerade Sophie Scholl ausgesucht hat finde ich schon ziemlich – ich kann’s nicht anders sagen – scheiße. Diese Verkultung der Geschwister Scholl hat in meinen Augen immer den rechtfertigenden Charakter einer Gesellschaft mit Nazihintergrund: Seht her, auch ‚wir Biodeutschen‘ haben Widerstand geleistet!

    Auf die Zunge legte mit M. Czollek diesen Beigeschmack durch seinen Text in der woz: https://www.woz.ch/-b8c8

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