Schmu in „Hörzu“: Eine „Geschenk-Benachrichtigung“ mit Haken
Na, sowas. Marlies Bach aus der Geschenkabteilung gibt es gar nicht. Oder zumindest ist es nicht die fröhliche ältere Dame mit ausgestrecktem Zeigefinger und getigertem Blazer, die auf der „Geschenk-Benachrichtigung“ in der „Hörzu“ abgebildet ist. Und die Geschenkabteilung? Sagen wir: ist ein kreatives Synonym für ein Call-Center, bei dem man rauskommt, wenn man unter der „Gratis-Hotline“ anruft, auf die Nicht-Marlies-Bach da zeigt.
Anfang Februar lag die „Geschenk-Benachrichtigung“ der Funke-Fernsehzeitschrift „Hörzu“ bei. Ganz oben stand dick und gelb markiert: „Ein Geschenk für Sie als HÖRZU-Leser“! Und damit wirklich klar wurde, wer hier gemeint ist, stand das zwei Zeilen darunter sogar nochmal da: „Liebe Leserin, lieber Leser von HÖRZU“.
Der Brief ist eine Anzeige in Form einer Beilage und kommt von der „Verbraucher-Service-Gesellschaft Hamburg“ (VSG). Was klingt wie eine Organisation, die sich für die Rechte von Verbraucher*innen einsetzt, ist eher das Gegenteil davon. Das Geschäft der „Direktmarketing-Agentur“ für „One2One-Kommunikation“ ist es nämlich unter anderem, mit Gewinnen zu locken, um Anrufer*innen dann Produkte anzudrehen. In Foren im Internet gibt es immer wieder Beschwerden über die Firma.
Denn, ach ja, fast vergessen: nicht nur Marlies Bach und die Geschenkabteilung sind erfunden. Auch die 300 Euro, die scheinbar versprochen werden, gibt es nicht, wenn man da anruft. Also halt nicht cash. Es handelt sich um Reisegutscheine im Wert von drei Mal einhundert Euro beim Reiseveranstalter „Trendtours Touristik“, für die man sich bei der VSG registrieren muss. Man muss dann innerhalb von drei Monaten buchen.
Was man aber auf alle Fälle bekommt: ein „Produktangebotsgespräch“. So nennt das der VSG-Geschäftsführer Thomas Heickmann im Telefonat mit Übermedien.
Kann man doch alles ganz transparent nachlesen! Die internetaffinen Hörzu-Leser*innen haben ja auch alle so gute Augen, um auf den ersten Blick gleich zu erkennen, dass ganz unten im Brief ganz klein ein Link zu den Teilnahmebedingungen (https://vsg.hamburg/TNB114/) steht.
Hiiii-eeer, schauen Sie doch mal:
„Da steht nicht, dass es 300 Euro gibt, sondern dass es ein Geschenk im Wert von 300 Euro gibt“, sagt Heickmann. Ja gut, es steht auch nicht da, dass Marlies Bach, deren Signatur unter dem Brief steht, die Frau daneben ist. Aber wahrscheinlich gehen viele davon aus.
Selbst wer zu den Teilnahmebedingungen findet, steht dort vor einem langen, schwer zu verstehenden Absatz, der werbende Sätze über die tollen Reisen von „Trendtours“ mischt mit komplizierten Angaben über die telefonische oder postalische Benachrichtigung, widerrufliche Einwilligungen und den Ausschluss von Teilnehmern, die schon Kunden beim „Gutschein-Partner“ sind. Wer sich für die Teilnahme registriert, muss damit rechnen, im Anschluss weitere kostenpflichtige Produkte angeboten zu bekommen.
Die VSG schalte Werbung für Kunden, sagt Heickmann. Ganz einfach. Die Gutgläubigkeit von älteren Leuten ausnutzen? Quatsch! Das sei alles „offen und transparent“, sagt Heickmann. Viel mehr will er aber nicht sagen. An wie viele „Hörzu“-Leser*innen das Schreiben ging zum Beispiel? „Geschäftsinterna.“
Aber wenn die „größte wöchentliche Programmzeitschrift Europas“ eine Auflage von mehr als 800.000 Stück hat und wenn es korrekt ist, dass 20 Prozent der Leser das „Geschenk“ erhalten haben – so steht es im Schreiben – müssten rund 160.000 Menschen den Brief von der VSG erhalten haben.
Verbraucherschützer prüfen
So ganz transparent wie Heickmann sieht der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) das Ganze nicht. Die Organisation, die sich wirklich um das Thema Verbraucherschutz kümmert, überprüft aktuell, ob sie eine Sammelklage auf Auszahlung des versprochenen Gewinnes erheben kann. In Paragraf 661a des BGB steht nämlich:
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.
Die Entscheidung über eine Sammelklage könne der Verband treffen, wenn sich eine ausreichende Anzahl von Verbraucher*innen gemeldet hat, die die „Gewinnbenachrichtigung“, erhalten haben, erklärt eine VZBV-Sprecherin auf Nachfrage von Übermedien. Laut Verband braucht man mindestens 50 Leute, die mitmachen. Er ruft deshalb dazu auf, sich zu melden:
Wer eine „Gewinn-Benachrichtigung“ als Zeitungsbeilage in seiner #Hörzu gefunden hat, sollte diese nicht wegwerfen, sondern sich beim @vzbv melden.
Verbraucherschützer:innen prüfen, ob Verbraucher:innen Auszahlung des Geschenks fordern können.https://t.co/3FbgnOJK04 pic.twitter.com/jNUH54Owdx— Verbraucherzentrale (@vzbv) February 22, 2022
Wie viele sich aktuell schon gemeldet haben, sagt der Verband nicht.
Auch zur wettbewerbsrechtlichen Einschätzung des Falls könne der Verband aktuell keine Aussage treffen. Denn neben der Frage, ob ein Verbraucher das Recht auf die Auszahlung eines versprochenen Gewinns hat, geht es auch um einen zweiten Aspekt: Wann ist eine geschäftliche Handlung, also beispielsweise eine Werbung, nicht fair und kann deshalb auch verboten werden? Geregelt ist das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
„Lediglich sehr vereinzelt Rückfragen“
Aber was sagt eigentlich der Verlag dazu? Hat die „Hörzu“ nicht auch die Pflicht, ihre Leserinnen und Leser vor so einem Schreiben zu schützen? Wir stellen diese Fragen der Funke Mediengruppe, die mit folgendem Statement antwortet:
„VSG ist seit Jahren ein Anzeigenkunde und belegt verschiedene Objekte mit seinen Werbemitteln. Bisher ist es hierbei lediglich sehr vereinzelt zu Rückfragen aus unserer Leserschaft gekommen. Wir prüfen alle Beiprodukte dahingehend, ob sie offensichtlich gegen geltendes deutsches Recht verstoßen und ob der Absender klar erkennbar ist. Eine juristische, inhaltliche Prüfung findet nicht statt. Der Anzeigenkunde VSG bucht seit Jahren sowohl bei FUNKE als auch bei weiteren deutschen Verlagen ein. Die Art und Weise wie Gewinne vermittelt werden, obliegt dem Veranstalter des Gewinnspiels und ist für uns nicht überprüfbar. Ebenso wenig liegen der FUNKE Mediengruppe Informationen über den weiteren Kontakt zwischen der VSG und potenziellen Gewinnern vor.“
Dass Leserinnen und Leser hier hinters Licht geführt werden könnten, scheint bei Funke offenbar niemanden zu stören. Auch nicht, dass die Leser und Leserinnen der „Hörzu“ in diesem Fall als solche direkt angesprochen werden.
Zumindest was den möglichen Anspruch auf Gewinnauszahlung angeht, ist der Verlag rechtlich auf der sicheren Seite, erklärt der Verband der Verbraucherzentralen:
„Ein Auszahlungsanspruch gemäß § 661a BGB kommt ausschließlich gegen das Unternehmen in Betracht, das den Gewinn versprochen hat. Das wäre hier die Verbraucher-Service-Gesellschaft Hamburg mbH.“
Und die Frau auf dem Foto, die vorgibt „Marlies Bach“ zu sein? Die kann mit ihren Fingern übrigens noch viel mehr, wie die Suche in einer Stockfoto-Datenbank zeigt.
Zum Beispiel das hier: nochmal der Zeigefinger, aber mit beiden Händen!
Oder, schauen Sie, das hier:
Was will sie uns da sagen? Vielleicht: „Ääätsch! Wenn Sie bei uns anrufen, bekommen Sie null Euro!“
Hätte besser gepasst.
*) Korrektur, 28.2.2022. Wir hatten den Namen des VSG-Geschäftsführers teilweise falsch angegeben. Wir bitten um Entschuldigung.
Was die Funke-Gruppe da treibt, ist selbstverständlich übel.
Der erwähnte § 661a BGB ist eine ziemlich gute Waffe, und hat unter den Geschenk- und Gewinn-Versprechern ziemlich aufgeräumt. Eines meiner Lieblingsurteile hierzu ist vom OLG Hamm, in dem die Beklagte in schöner Konkretheit verurteilt wird, der Klägerin
„(…) ein Fahrzeug Marke Audi, Typ A2 1,4, Farbe silbergrünmetallic, Standardausführung: Airbags für Fahrer und Beifahrer, Zentralverriegelung, elektrisches Zubehör, Servolenkung, verschiedene Aluminium-Dekorationen und Exklusivausführung: vollautomatische Klimaanlage, vier gegossene Leichtmetallfelgen, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Rückspiegel und Wagentürgriffe in Karosseriefarbe, Sonnendach, Parkleitsystem, Alarmanlage, Lenkrad und Schalthebel aus Leder und beleuchteter Make-up-Spiegel zu übergeben und zu übereignen.“
Im vorliegenden Fall erscheint mir der Anspruch allerdings fraglich. Nach völlig herrschender Meinung reicht nämlich eine Beilage zu einer Zeitung gerade nicht als individuelles Gewinnverprechen aus, da „weder das Merkmal des Zusendens erfüllt ist, noch der Verbraucher ernsthaft davon ausgehen kann, einen Preis gewonnen zu haben.“ (Artz/Bülow, Handbuch des Privatverbraucherrechts).
Kein Jurist, aber die VZBV wird es schwer haben, in Deutschland eine Sammelklage zu machen, da rechtlich nicht möglich.
Wiki: In Deutschland sind Sammelklagen in der Form der class action grundsätzlich nicht zulässig, da dem deutschen Recht eine Gruppenbetroffenheit fremd ist. Jeder Kläger muss im Normalfall seine individuelle Betroffenheit, seinen individuellen Schaden und die Kausalität zwischen beidem darlegen und nachweisen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sammelklage
@Pascal #2: Lies doch bei der Wikipedia-Seite einfach mal weiter bis zur Musterfeststellungsklage.