Bahnhofskiosk

Fazit: Überall Tachos, Ampeln und viel Tüdelüt

Am Ende jedes Textes der „Auto Bild“ steht ein Fazit. Da ist das Bild des Autors oder des betreuenden Redakteurs oder so, fotografiert fast senkrecht von oben, gekleidet in etwas, das für mich aussieht wie eine rote „Auto Bild“-Fleecejacke, und dann muss der Autor oder Redakteur noch einmal seine zusammenfassende Meinung abgeben zu dem, was er eben geschrieben hat.

Ausriss "Autobild" 15.7.2016

Beispiel: Ein Redakteur testet ein neues Modell der klinisch toten Marke Cadillac und beschreibt das, um es ein bisschen interessanter zu machen, im Vergleich zu einem Cadillac von 1959. Er stellt fest, dass der neue Cadillac erstaunlicherweise gar nicht so schlecht ist und der alte natürlich lustig, aber eine Zumutung. Das steht alles im Text. Im Text nach dem Text steht es dann nochmal ein bisschen anders: „Was für ein Comeback! Ich bin gespannt, wie sich der CT6 im ersten Vergleichstest schlägt.“

Es ist nicht so, als würde er sich im Lauftext mit Meinungen zurückhalten, aber bei „Auto Bild“ ist es Konzept, dass da nochmal eine Meinung am Ende auftaucht. Mich hat das verwirrt, aber nichtmal nervig. Ich habe bis jetzt nicht verstanden, was das soll, aber ich wundere mich gleichzeitig, wie wenig es mich nervt, und dieses Wundern würde ich gerne untersuchen, weil es mir mit der ganzen „Auto Bild“ so geht.

Sie funktioniert als eine organische Einheit, deren Einzelteile manchmal einfach nur verschwurbelt sind. Es gibt keine einzige Stelle, an der diese zusätzliche Meinung, dieses Fazit, irgendetwas zu den Informationen in der Geschichte hinzufügt oder einen interessanten Kontrast zu ihr bildet. Man könnte an manchen Stellen sagen, wer die Geschichte nicht lesen mag, findet hier eine schnelle Zusammenfassung, aber auch das nicht verlässlich, und ich fände es fatal, wenn die Too-long-didn’t-read-Kultur ihren Weg ins Printmagazin finden würde.

Grundsätzlich halte ich es für den größten Fehler, den die Verlagsbranche je gemacht hat, irgendwann Magazine für Leute zu machen, die nicht gerne Magazine lesen – ja, ich meine zum Beispiel euch, die ihr DVDs und Flipflops auf die Cover geklebt habt, Pappnasen! Aber so wirkt „Auto Bild“ für mich gar nicht. Sie machen einfach nur von allem, was sie machen, sehr, sehr viel.

Eine normale Geschichte in „Auto Bild“ hat neben einem Text noch diverse Kästen, die meisten davon vollgestopft mit Zahlen, neben unzähligen Fotos, Bewertungen nach Punkten, mit Sternen, mit Ampeln und allem möglichen anderen Tüdelüt, gerne auch mehrfach. In einem großen Test, in dem der neue Mercedes SLK, der jetzt SLC heißt, gegen den neuen Audi TT getestet wird, oder er die neue Ikone ist, weswegen die alte Ikone Porsche 911 aus dem Jahr 1989 auch mit getestet wird, stehen die Leistungsdaten der Fahrzeuge sowohl auf der ersten, als auch auf der dritten Doppelseite der Geschichte.

Ausriss "Autobild" 15.7.2016

Das reicht aber „Auto Bild“ noch nicht an doppelter Arbeit: Bei der Aufmacherseite sind neben den Daten kleine Symbole zu sehen, die zum Beispiel für die Spitzengeschwindigkeit stehen (ein Tacho), Leistung (ein Blitz) oder den Hubraum (ein zylindrischer Körper). Bei allen drei Autos die gleichen Symbole, allerdings steht in allen drei Fällen neben jedem Symbol, was es bedeutet. Eine mehr als dekorative Funktion haben sie nicht, dafür tauchen sie aber auch nirgends wieder auf (oder ich habe sie nicht gefunden).

Auf einer Seite voll mit Tabellen, in denen die Autos gegeneinander bewertet werden, hat eine Tabelle für „Connected Car“ ein Symbol, alle anderen nicht. Es ist offensichtlich, dass da über Jahre etwas gewachsen und gewuchert ist und niemand mehr fragt, was da eigentlich Sinn ergibt und was nicht, aber gleichzeitig gibt es so viel zu gucken, zu lesen und so viel Ernsthaftigkeit in Bezug darauf, Motorenklänge zu beschreiben oder ähnlich schwierige Unterfangen, dass man mit einiger Freude in diesen Seiten herumsumpfen kann und am Ende ist man nicht unglücklich.

Ausriss "Autobild" 15.7.2016

Man erlebt ein paar der uninspiriertesten Headlines aller Zeiten: „Bitte einsteigen!“ als Headline für die Fahrt im neuen Porsche Cayman, dem „porschigsten Porsche, den es zurzeit zu kaufen gibt“. Really, „Auto Bild“? Man erlebt Redakteure, die anstatt sich zu ritzen, um sich am Leben zu fühlen, Alliterationen erbrechen („Brabus-Boss Bodo Buschmann in Bottrop“), ein Automagazin mit grandios unspektakulären Autofotos auf dem unangenehmsten Papier seit dem Ende der DDR, und das mit den Fazits beißt sich spätestens dann, wenn die betreuende Redakteurin einer Seite mit Campingkram eine Seite mit Campingkram zusammenfassen muss („Campen ist cool. Mit diesen Produkten werden Sie zum King of Cool“).

Aber es ist so viel! So viel! Und irgendwie so gewachsen. Es fühlt sich echt an, jedenfalls, und das mit den Fazit-Fotos aus der komischen Perspektive von oben auf die Glatze fotografiert ergibt plötzlich Sinn, wenn man sich die „Auto Bild“ als Ameisenhaufen emsiger Test- und Fazitarbeiterameisen vorstellt, und das mache ich jetzt.

Fazit: Wenn ich das jetzt nochmal erklären müsste, hätte ich vorher was falsch gemacht. Aber es wäre ein zusätzliches Element!

Auto Bild
Axel Springer, Hamburg
wöchentlich
1,90 Euro

4 Kommentare

  1. Super interessante Serie von Michalis Pantelouris. Hach, wie schön wäre mal ein Beitrag „Wenn Übermedien ein Printmagazin wäre“. Vielleicht zum 10-jährigen Jubiläum? Oder doch gleich sofort?

  2. Ja, der Pantelouris ist super. Schade, dass er nicht mehr über Griechenland bloggt. Aber das wäre wohl derzeit auch zu bitter.

  3. Mit Spannung erwarte ich jetzt einen“Bahnhofskiosk“ über die „Computer Bild“, als ich das Blatt das letzte mal im Supermarkt angesehen habe, war das Papier ebenfalls schlecht und überall gab es Erklärungen von „Fachbegriffen“, die mittlerweile wohl jeder versteht.
    Und auch die „Chip“ ist einen Blick wert, kenne die Zeitschrift noch aus Zeiten, in denen Programmlistings blau unterlegt waren als Kopierschutz.
    Jetzt mehr die „Bunte“ der Computerzeitschriften.
    Interessant wäre auch ein Vergleich der Printausgaben mit dem Netzauftritt.

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