Was ist eigentlich das größere Problem, wenn Mitglieder einer Telegram-Chatgruppe darüber phantasieren, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer aufzuhängen: Dass Impfgegner und Rechtsradikale da mehr oder weniger offen Mordpläne hegen? Oder dass sie es auf Telegram tun?
Debattiert jedenfalls wird insbesondere über Telegram. Der Journalist und Übermedien-Autor Andrej Reisin glaubt, dass Kretschmer und andere Politiker*innen den Chatdienst als Sündenbock nutzen, um von weitaus hässlicheren Problemen abzulenken: den über Jahre verfestigten demokratiefeindlichen und rechtsextremen Strukturen in Ländern wie Sachsen, die Kretschmer und andere durch ihre Untätigkeit mit zu verantworten hätten.
Mit Holger Klein denkt Reisin darüber nach, warum die Politik die problematischen Seiten von Telegram erst jetzt entdeckt, obwohl sie lange schon sichtbar sind, und ob es etwas bringen würde, den Dienst stärker zu reglementieren – oder gar abzuschalten, wie manche fordern.
Einerseits mag Telegram ja wie ein Fluch erscheinen, weil Menschen dort ihrem Hass freien Lauf lassen, andererseits kann es aber auch ein Segen sein, wenn ihn Demokratiebewegungen für ihre Kommunikation nutzen.
Hören Sie den Podcast mit Holger Klein und Andrej Reisin hier:
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Der Gesprächspartner
Andrej Reisin ist freier Journalist, unter anderem für „Übermedien“, „taz“, „Spiegel“ und tagesschau.de. Seit 2002 arbeitet er vor allem im Auftrag des NDR, insbesondere für „Panorama“ und „Zapp“. Er war einer der Herausgeber des Weblogs Publikative.org und erhielt mit anderen den Grimme-Preis für die „Panorama“-Berichterstattung zum Hamburger G20-Gipfel.
Don’t shoot the Messenger. Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Vollkommen am Problem vorbei. Wenn man sich beschwert, dass anderswo Regierungskritik unterbunden wird, darf man nicht selbiges fordern. Und letztlich hat das Eindämmen solcher Leute nur eine weitere Radikalisierung zu Folge, weil damit genau ein wesentlicher Punkt erfüllt wird: das man unerwünscht ist, dass man noch stärker in die Ecke gedrängt wird, dass der Staat Machtspiele macht und dass es mit der freien Meinungsäußerung nicht weit her ist.
So bekloppt und beängstigend es sein mag, wenn Leute meinen, jemand gehöre gehängt, ist das doch in der Regel eher ein Ausdruck extremer Wut und Verzweiflung. Die Aussage ist doch sicher vor allem als Provokation gedacht. Wenn ich über meinen Chef sage, der gehört geteert und gefedert, habe ich nie den Wunsch, es auch tatsächlich zu tun, auch wenn die Wut groß ist.
Was ist denn eigentlich der Zweck der gewünschten Löschung solcher Inhalte? Aus den Augen aus dem Sinn? Fangen Leute dann an umzudenken? Hat das je funktioniert? Die waren vor Telegram doch schon anderswo und wurden dort lediglich verjagt.
Don’t shoot the Messenger. Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Vollkommen am Problem vorbei. Wenn man sich beschwert, dass anderswo Regierungskritik unterbunden wird, darf man nicht selbiges fordern. Und letztlich hat das Eindämmen solcher Leute nur eine weitere Radikalisierung zu Folge, weil damit genau ein wesentlicher Punkt erfüllt wird: das man unerwünscht ist, dass man noch stärker in die Ecke gedrängt wird, dass der Staat Machtspiele macht und dass es mit der freien Meinungsäußerung nicht weit her ist.
So bekloppt und beängstigend es sein mag, wenn Leute meinen, jemand gehöre gehängt, ist das doch in der Regel eher ein Ausdruck extremer Wut und Verzweiflung. Die Aussage ist doch sicher vor allem als Provokation gedacht. Wenn ich über meinen Chef sage, der gehört geteert und gefedert, habe ich nie den Wunsch, es auch tatsächlich zu tun, auch wenn die Wut groß ist.
Was ist denn eigentlich der Zweck der gewünschten Löschung solcher Inhalte? Aus den Augen aus dem Sinn? Fangen Leute dann an umzudenken? Hat das je funktioniert? Die waren vor Telegram doch schon anderswo und wurden dort lediglich verjagt.