Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock

Die Mücke im Porzellanladen

Screenshot: „heute journal“, 29. Juni 2021

Die Plagiats-Vorwürfe gegen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock haben es gestern in die 20-Uhr-„Tagesschau“, in die „Tagesthemen“ und ins „heute journal“ geschafft. Gehören sie dahin?

Die Sache an sich ist nicht groß: Ein österreichischer „Plagiatsjäger“, der Baerbock seit einiger Zeit in seinem Blog besonders ins Visier genommen hat, hat entdeckt, dass mehrere Passagen in ihrem neuen Buch „Jetzt“ ohne jede Kennzeichnung aus anderen Texten übernommen wurden.

Es geht, einerseits, bloß um banale faktische Schilderungen wie die Aufzählung der zehn osteuropäischen Staaten, die 2004 EU-Mitglieder wurden. Es ist, andererseits, aber frappierend, dass solche Passagen (meist nur ein oder zwei Sätze) in Baerbocks Buch teilweise bis ins Satzzeichen mit den vorher veröffentlichten Artikeln übereinstimmen.

Es gibt angesichts dessen kaum einen Zweifel, dass sich hier jemand an ein paar Stellen die Schreibarbeit durch ein Copy & Paste erleichtert hat. Das ist dumm, das ist falsch, aber das ist keine große Sache.

Es spricht für sich, dass es zum Beispiel um die Übernahme eines einzelnen Satzes aus einem „Spiegel“-Artikel geht wie:

In Amsterdam ist ein 130 Meter hohes Holzhaus geplant, in Chicago ein 228 Meter großes [bei Baerbock heißt es hier: „hohes“] und in Tokio eines mit 350 Meter Höhe.

Ja, mei.

Wer die kleine Sache groß macht

Nun gibt es natürlich Menschen, die ein Interesse daran haben, aus einer solchen eher kleinen Sache eine maximal große Sache zu machen. Die politischen Gegner zum Beispiel. Es gehört geradezu zur Aufgabenbeschreibung eines CSU-Generalsekretärs, unabhängig von der tatsächlichen Größe einer für die Grünen ungünstigen Sache, daraus eine Riesensache zu machen. Auch Medien wie die „Bild“-Zeitung, die traditionell und aktuell die Grünen politisch bekämpfen, haben ein solches Interesse.

Aber es gibt noch eine Gruppe von Leuten, die aus der relativ kleinen Sache eine relativ große machen: die Grünen.

Sie reagieren auf die Vorwürfe mit einer bestürzend unprofessionellen Vehemenz.

Sie bestreiten pauschal alles – auch das Abschreiben an sich, das sich wirklich schlecht wegleugnen lässt.

Sie agieren hysterisch mit dem Vorwurf des versuchten „Rufmords“ – als gehöre es nicht zum üblichen Wahlkampf, den „Ruf“ des politischen Gegners, seine Glaubwürdigkeit, sein Image, zu erschüttern, und als geschehe das hier nicht auf der Grundlage eines tatsächlich problematischen Verhaltens (wie klein man es auch immer einordnen mag).

Und sie engagieren sogar einen Anwalt; nicht irgendeinen, sondern ausgerechnet den prominenten Prominenten-Anwalt Christian Schertz, dessen Name schon für maximale Aufmerksamkeit und Eskalation sorgt.

Screenshot: „tagesthemen“, 29. Juni 2021

Ich weiß natürlich nicht, ob es das Thema nicht in die „Tagesschau“ geschafft hätte, wenn die Grünen anders reagiert hätten; wenn man versucht hätte, deutlich zu machen, wie relativ unbedeutend die Vorwürfe sind, indem man auch relativ leise darauf geantwortet hätte. Und wenn man, andererseits, nicht so tun würde, als sei an den Vorwürfen gar nichts dran, sondern als sei das nur eine „Schmutzkampagne“.

Mit diesen Reaktionen leisten sie ihren Beitrag dazu, dass die Sache groß bleibt. Ein Artikel der „Welt“ von heute morgen zum Beispiel besteht fast ausschließlich daraus, die Empörung von Grünen-Leuten zu dokumentieren – aber der Effekt, der sich bei mir als Leser einstellt, ist nicht der von Souveränität im Anbetracht eher läppischer Vorwürfe, im Gegenteil.

Besonders negativ ragt ein Tweet der grünen Europa-Abgeordneten Hannah Neumann heraus, die die „Tagesschau“ für ihre Berichterstattung kritisiert:

Nachdem es darauf viele wütende Reaktionen gab, erläuterte sie in einem weiteren Tweet:

Auch bei Nachdenken beliebiger Länge wäre die „Tagesschau“ – hoffentlich – nicht auf die Idee gekommen, die Nachricht als „Schmutzkampagne gegen Baerbock“ zu framen, aber ich finde, man kann die Frage stellen, ob die Meldung überhaupt in die „Tagesschau“ gehörte. Ob es die üblichen Relevanzkriterien erfüllt, wenn ein Medienwissenschaftler in seinem Blog über eine Handvoll abgeschriebener „Stellen“ in einem Buch berichtet und es ihm dabei nicht einmal zu klein ist zu erwähnen, dass zahlreiche Absätze aus dem Buch der grünen Spitzenkandidatin fast wörtlich aus dem Parteiprogramm der Grünen übernommen wurden.

Vermutlich hätte es große Aufregung von interessierter Seite gegeben, wenn „Tagesthemen“ und „Heute Journal“ die Nachricht gar nicht erwähnt hätten – ich kann nicht ausschließen, dass bei der internen Entscheidung auch das eine Rolle spielte, aber ein richtig gutes Argument wäre auch das nicht.

Nicht aufgebauscht, trotzdem verheerend

Man kann den Nachrichtenredaktionen von ARD und ZDF nicht vorwerfen, die Sache aufgebauscht zu haben. In der 20-Uhr-„Tagesschau“ war es eine 30-Sekunden-Meldung ohne Film in der zweiten Hälfte der Sendung:

Gegen die Kanzlerkandidatin der Grünen Baerbock gibt es Plagiats-Vorwürfe. Es geht um ihr Buch „Jetzt – wie wir unser Land erneuern“. Der österreichische Medienwissenschaftler Weber wirft Baerbock vor, Passagen in dem Buch abgeschrieben und Urheber nicht erwähnt zu haben. Die Grünen weisen den Vorwurf zurück. Ein Sprecher bezeichnete die Anschuldigungen als einen Versuch von Rufmord. Der Verlag, bei dem das Buch erscheint, teilte mit, man könne keine Urheberrechtsverletzung erkennen.

So weit, so unspektakulär. Ich fürchte nur, dass gerade die Kürze dieser Nachricht dazu beiträgt, dass sie für Baerbock besonders negativ wirkt. Wer weder die Detaildiskussionen nachgelesen, noch die Aufregung in den sozialen Medien mitbekommen hat – und das wird ein erheblicher Teil des „Tagesschau“-Publikums sein -, für den bleibt bei der schlichten Form, den Vorwurf samt Widerspruch ohne konkretes Beispiel zu referieren, vermutlich das Gefühl: Die Baerbock hat schon wieder getrickst.

Ich glaube, dass schon die Nennung eines konkreten Beispiels eher zu einem Reflex des „Darum die ganze Aufregung? Ernsthaft“ geführt hätte. (Andererseits hätte es vermutlich auch dazu geführt, dass man gesehen hätte, dass die pauschale Zurückweisung der Grünen auch in die Irre führt.)

Nun ist es nicht die Aufgabe der „Tagesschau“, die eine oder andere Reaktion beim Publikum zu provozieren. Aber allein die Einblendung „Plagiats-Vorwürfe gegen Baerbock“ entfaltet natürlich eine Wirkung.

Wie bei Trump! Wie bei Trump?

Der Fall zeigt, wie schwer es ist für Medien, insbesondere im Wahlkampf eine „kleine Sache“ (wenn man sie als solche betrachtet) als kleine Sache zu behandeln: Sie nicht zu ignorieren, aber ihr auch keine übergroße Bedeutung zu geben. Insbesondere eben dann nicht, wenn ihr gleichzeitig von allen Seiten aus unterschiedlichen taktischen Gründen riesige Bedeutung zugeschrieben wird. Und irgendwann überschreitet jede vermeintlich noch so läppische Sachen jegliche Mindestrelevanzgrenze, wenn alle darüber reden.

Und, ja, dieses Dilemma sieht man in vielen Formen und in teils erheblich verschärftem Ausmaß in den USA vor allem seit Trump. Trotzdem ist der Verweis auf Trump problematisch, denn es geht hier nicht um sogenannte „Fake News“, sondern um tatsächliche Fehler der Grünen und ihrer Kanzlerkandidatin. Die werden von ihren Gegnern maximal ausgeschlachtet. Aber die Munition dazu liefert ihnen schon Baerbock selbst.

31 Kommentare

  1. Es sollten sowieso nur diejenigen ein Buch schreiben, die ein Buch schreiben wollen. Und nicht die, die glauben, eins zusammenklöppeln zu müssen. Das wäre gut für den Wald.

  2. Schöne Einordnung. Hatte ein komisches Gefühl, als ich das gestern gesehen habe, hätte das aber nicht so eindeutig auf den Punkt bringen können.
    PS: Wegen der Akualität des Themas hätte ich diesen Artikel ohne Paywall veröffentlicht. Würde vielleicht auch gut zu eurer Kampagne gerade passen..

  3. Ob es die Relevanzgrenze nur deshalb nicht überschreitet, weil das genau ein Blogger kritisiert, sei mal dahingestellt, weil ein Blogger, der fünfhundert c&p-Stellen findet, ja auch genau ein Blogger wäre, aber vom Unfang und Inhalt dieses „Plagiats“ her finde ich das auch eher nebensächlich.
    Und insofern beteiligt sich die Tagesschau am Aufbauschen, weil ich als Tagesschau-Schauer ja eigentlich erwarte, dass das mehr ist als eine Aufzählung.

  4. Es ist wohl bald egal, wie die Grünen auf berechtigte oder unberechtigte Angriffe reagieren: Es ist eh immer falsch. Ich finde dieses „Vergehen“ wirklich lächerlich, habe mich aber gefragt, wie ich drauf an Stelle der Grünen reagiert hätte. Ich habe keine Antwort darauf. Frau El Ouassil hat in einem Kommentar im Spiegel sinngemäß geschrieben, die Grünen sollten sich aktiver gegen Angriffe wehren, zumindest habe ich das so interpretiert. Jetzt wehren sie sich und es ist auch falsch.

    Auf tagesschau.de wurden heute übrigens Beispiele der „Plagiate“ genannt, die die Vorwürfe schon recht kleinkariert erscheinen lassen. War vielen Kommentarschreiber*innen dann aber auch nicht recht.

  5. Finde der Vergleich mit Trump ist nicht so weit hergeholt. Die E-Mail-Affäre und Benghasi hatten auch beide einen wahren Kern, wurden aber bis ins Absurdeste ausgeschlachtet. Erst später folgte die komplette Trennung von jedem Realitätsbezug

  6. Ich denke, Baerbock wurde bereits erlegt und zwar interessanterweise durch eine orchestrierte Kampagne contra Grün, die als Medien exakt auch auf diejenigen zählen kann, die angeblich orchestriert versuchen eine „linksgrüne“ Koalition ans Ruder zu hieven ( ÖRR bspw. ).

    Springers Medienmacht, Industrieverbände, Schwurbelmedien und als Multiplikatoren bereitwillig beispringend Union, FDP und AfD.
    Skrupel sind da jedenfalls keine auszumachen.

    Der ÖRR und die sog. „Mainstreammedien“ assistieren bereitwillig, um ja nicht den Verdacht zu bedienen, es könne ja etwas dran sein, an der vermeintlichen Kampagne für Grün.
    Es funktioniert ähnlich wie nach 2015, wo das rechte Framing Themen nach Belieben setzte.

    Es ist so lächerlich, wie tragisch.

  7. Was MFD sagt. Ich frage mich, wer diese auf den Markt gehauenen Politikerbücher überhaupt liest, aber es scheinen gar nicht so wenige zu sein, da sie öfters in Bestsellerlisten auftauchen. Was will man mit diesen Mischungen aus Phrasendrescherei und Aussagen mit einer in Monaten zu bemessenden Halbwertszeit?

    Was den Sturm im Wasserglas betrifft: Bislang bezogen sich Plagiatsvorwürfe fast immer gegen wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten, und da sind Plagiate oder „unsauberes Arbeiten“ eine ganz andere Hausnummer als bei Allerweltspublikationen wie dieser. Wenn Frau Baerbock nur diese paar Stellen per copy and paste übernommen hat, würde ich das Buch als Ausbund von Originalität ansehen und wäre mir ziemlich sicher, dass man in anderen Politikerbüchern viel mehr ungekennzeichnete Übernahmen solcher Art finden würde.

    Was man noch erwähnen sollte: Soweit ich das aus dem Spiegel-Artikel in Erinnerung habe, geht Baerbock juristisch nur gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung vor, und der ist in der Tat etwas zweifelhaft. Nicht jedes Abschreiben ist halt eine Urheberrechtsverletzung.

  8. Wirklich eine eher klein(lich)e Sache, aber auf dem Niveau wird eben Politik gemacht.
    Andere werden schon dafür aussortiert, dass sie goldrichtige Dinge im Interview mit dem falschen Medium sagen. Solche Ungerechtigkeiten muss schon aushalten, wer da mitmischen will.
    Abschreiben und „Völkerrecht“ sind nicht die Hauptaufreger bei Annalena Baerbock, sondern was sie zusätzlich „alles durchgerechnet“ haben will von Batterien ohne Kobold bis zum Speichern von Strom im Netz.
    Diese Rechnungen sollte sich jemand beschaffen und nachrechnen, wenn wir nicht bald im Dunkeln und mit kaltem Hintern aufwachen wollen.
    Man kann nämlich aus der Kernenergie ausstiegen, aus der Kohle und aus Erdgas, aber nicht aus allen dreien gleichzeitig. Und das wäre dann auch schon die von den Grünen in Not eingeforderte „Rückkehr zu den Sachthemen“.

  9. Wenn ein Grüner sich ein Hitlerbärtchen unter die Nase klebt, wäre es das den Medien wahrscheinlich auch Wert den Plagiatsfall auszurufen.

  10. Halten wir fest: ziemlich stark überzogene Vorwürfe werden mit dem Ziel erhoben, Schmutz zu hinterlassen, wo gar keiner ist. Eigentlich nur ein paar Copy Paste Schnipsel.
    Aber trotzdem wird es uns prominent zur besten Sendezeit vorgesetzt.
    Warum auch über die Inhalte des Buches reden. Das soll nicht Teil einer Schmutzkampagne sein? Fox News Niveau auf allen Sendern.

    Frau Baerbock wird vorgeführt und alle außer den Grünen machen genüsslich mit, als würden wir die Regeln der Schwarmintelligenz befolgen. Wenn genügend Individuen in eine Richtung, zum Beispiel nach rechts schwimmen, denkt der Teil in der Mitte, jetzt müsse man sich auch nach rechts wenden, denn den Kurs zu halten statt anzupassen würde zu Kollisionen führen. Die Mitte lenkt ein und auch die linke Flanke muss mitziehen. Das bedingt, dass sich die Mitte immer in der Mitte wähnt, obwohl man sich mittlerweile soweit rechts befindet, wo zuvor die rechte Flanke der Individuen war. Doch was kostet so ein unbedarftes Verhalten?
    Der Schwarm schützt das einzelne Individuum dadurch, dass er andere Individuen opfert. Der Schwarm ist sich dabei einig, selbst wenn der Schwarm geschlossen ins Netz geht. Unsere Wegwerfgesellschaft wird vor denen geschützt, die den Kurs ändern wollen.
    Schwarmdummheit wird auch durch die Schwarmintelligenz bedingt. Unsere Schwarmdummheit neigt dazu, alle guten Lösungen zu blockieren und abzusägen. Die modernen Probleme sind keine, die das Individuum alleine lösen kann, das geht nur durch den gemeinsamen Willen der Gesellschaft, oder wenn man so will, durch den gemeinsamen Willen des Schwarms. Dass der Schwarm aber lieber an archaischen Mustern festhält, ist schon witzig. Das natürlichste an unserer Gesellschaft führt letztlich zur Ignoranz gegenüber der Natur, die uns so geschaffen hat. Über den Tellerrand denken, das schaffen im Schwarm nur die wenigsten und irritieren die auf Auto-Pilot fahrende Masse. Wir müssen uns wohl trauen, mehr zu kollidieren. Auf jeden Fall habe ich die Bundestagswahl jetzt schon satt. Wäre sie keine Bürgerpflicht, dann würde ich sagen, macht euren Unfug alleine. Die Union hat nicht nur im letzten Jahr sondern im letzten Jahrzehnt für so eine entsetzliche Masse an Versagen gesorgt, aber wozu sollte man das mal thematisieren. Lächerliche Prioritäten

  11. „Der ÖRR und die sog. „Mainstreammedien“ assistieren bereitwillig, um ja nicht den Verdacht zu bedienen, es könne ja etwas dran sein, an der vermeintlichen Kampagne für Grün. Es funktioniert ähnlich wie nach 2015, wo das rechte Framing Themen nach Belieben setzte.“ Dem Kommentar #6 ist nichts hinzuzufügen. Dieser Aspekt fehlt mir völlig in der Analyse von SN. Es begann bereits kurz nach der Nominierung.

  12. Ich kann allen nur dieses Video ans Herz legen:
    https://www.youtube.com/watch?v=3yEh6T1kYMQ

    Thema ist „Biden Burgers“ und wie die amerikanische Rechte sich das Monopol auf „Kritik“ sichert. M. E. kann man diese Strategie 1:1 auch hier ablesen.
    Gewöhnt euch schon mal dran: Bundeskanzler Armin Laschet.

  13. @Anderer Max

    Sehr gutes Video! Danke für die Empfehlung.

    Ich denke SN stellt im Artikel eine etwas nebensächliche Frage, und zwar ob und wieviel man über solche kleinen Vorwürfe reden soll, um sie nicht größer zu machen. Aber eigentlich sollte die Frage sein, haben wir nichts besseres zu tun, größere Skandale, schlimmere Vergehen, wichtigere Inhalte? Es ist ja nicht so, dass die Tagesschau ohne den 30-sekündigen Beitrag 30 Sekunden kürzer wäre. Nein, das Berichten über Baerbock nimmt Zeit weg von anderen Themen.

    Oder wenigstens eine Einordnung in andere Skandale wäre gut. Scholz kann sich nicht an Cum-Ex-Gespräche erinnern, und Wirecard hätte er auch beaufsichtigen müssen. Auch im Vergleich zu Würfelarmin steht Baerbock jetzt nicht so schlecht da.

    Von eigentlichen Inhalten ganz zu schweigen.

  14. @ Anderer Max #12
    Kein wirklich schlechtes Video, aber langatmig und inhaltlich ein alter Hut.
    Was die US-Medien so sorgfältig hegen, wird oft knapp und treffend als „Einparteiensystem mit 2 rechten Flügeln“ bezeichnet.

  15. @ erwinzk:
    Sehe ich gar nicht so drastisch, das mit den „nebensächlichen“ Fragen. Ich denke nur, dass sich ein intensiver Blick auf die Empörungsmechanismen jenseits des Atlantik durchaus lohnen kann, damit man evtl. vermeiden kann, dass es hier bald genau so kommt. Und wer, wenn nicht übermedien, wäre prädestiniert zu einer solchen Analyse ;) Der Bezug zu den Trump-schen Mechanismen ist ja auch schon enthalten. Und klar haben Sie recht, die 30 Sekunden fehlen dann für relevantere Dinge.

    Thema „eigentliche Skandale“:
    Ich glaube, Cum-Ex und Wirecard und „all diese Sachen mit Geldhandel“ sind für viele Journalisten zu komplex. Das Narrativ ist nicht griffig, die Empörung muss auf einem zu hohen Fachniveau stattfinden, weil es sich nicht auf „A hat die Verfehlung X getätigt, daraus resultierte Schaden M“ herunterbrechen lässt, bzw. dieses Herunterbrechen sehr viel redaktionelle Zeit und Aufwand kosten würde. Und weil 95% der Bevölkerung keine Aktien in Aktien haben (Was kein Plädoyer für „Klima vor 8“ sein soll). Ein Effekt dessen dürfte auch sein, dass sich kriminelle Geldhändler eher bestärkt fühlen in ihrer Praxis. Einfach das Geschäft noch ein bisschen undurchsichtiger machen, dann blickt bald gar keiner mehr durch. (Margin Call … Ja, ist Fiktion, dennoch.)

    Thema „eigentliche Inhalte“:
    Also eine Buchbesprechung hätte ja wenn dann zur Veröffentlichung des Buches (21.06.) mit dieser als Anlass angestanden, nicht zum Zeitpunkt eines Plagiatvorwurfs als Derailing-Maßnahme. Den Verweis „man könnte ja auch mal über die Inhalte des Buchs sprechen“ halte ich also für kontraproduktiv (äquivalent, was CNN und MSNBC machen in dem vorher verlinkten Video).

    Ans Herz legen möchte ich noch einen Besuch auf der Amazon-Seite des Buches. Kann mir keiner erzählen, dass die Rezensionen zufällig so aussehen, wie sie aussehen.
    Und man könnte natürlich in dem Kontext auch über das leidige Wort „cancel culture“ noch mal sprechen, aber die gibt’s ja nur „von links“.

    Ich wundere mich einfach nur immer stärker, wie einfach es „konservative“ Medien mittlerweile haben, die gesamte Medienlandschaft vor sich her zu treiben.
    „Oh Gott, die Grünen haben über 30%, da müssen wir was tun!“.

  16. Das Problem für Baerbock und die Grünen könnte sein: Die an sich unbedeutenden Plagiate (Zitate ohne Kennzeichnung als Zitate) passen zu gut in die Story
    Grüne=Große Sprüche und nix dahinter.
    Es sind bisher immer nur Petitessen, aber irgendwann läuft das Fass halt über, auch wenn zuletzt nur ein kleiner Tropfen hinzu gekommen ist. Soweit ist es noch nicht, aber es könnte bald soweit sein. Stefan Weber arbeitet daran, die Masterarbeit von Baerbock bei der London School of Economics zu bekommen. (Quelle taz https://taz.de/Plagiatsjaeger-zu-Vorwurf-gegen-Gruene/!5783688/). Falls da was Interessantes zu finden gibt, wird es auch dem Herrn Scherz nicht gelingen, das Unheil abzuwenden. Möglicherweise greifen die Grünen bzw. Baerbock dann auf den Rat von Bettina Gaus zurück, der schon ein paar Tage alt ist: Robert muss ran. (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kanzlerkandidatin-annalena-baerbock-das-war-s-a-69dfbcc1-a2c9-4a67-8c0a-89f1f4571f95)

  17. Ad hominem, eigentlich verpönt, soll im Wahlkampf okay sein, mit der Begründung, es müssen ja Kanzlerqualitäten erwiesen werden.
    Und selbst die angeblich „Linksliberalen“ ( was ich persönlich für eine contradictio in adiecto halte ) verlauten Bockmist der Art „so sei es, halt das Poltikbusiness“ , “ da müsse man sich cleverer zeigen“.

    Ist uns die USA nicht Warnung genug, zu was diese Art der „Professionalisierung“ letztlich führt. Wenn früher Inhalte und Wahrheiten wenig Bedeutung hatten, sind sie mittlerweile komplett obsolet und von unseren Politikern erwarten wir vor allem die Fähigkeit, Fettnäpfchen zu vermeiden und mit Dreck zu schmeissen, bis etwas hängen bleibt?

    Und das angesichts einer Pandemie, deren Ende ungewiss-, und deren Einzigartigkeit sehr fraglich ist? Die Symptom ist einer viel größeren Herausforderung namens Klimakatastrophe?

    Mein Hirn formuliert in Dauerschleife ein: „Gehts noch“?

  18. Die mediale Zerstörung von Annalena Baerbock passt genau in das bereits bei den letzten beiden Bundestagswahlen beobachtbare Schema: sobald eine Kanzlerkandidatin oder ein Kandidat aufgestellt wird, der der Kandidat*in der CDU gefährlich werden könnte, startet eine große Schmutzkampagne, die den Erfolgsaussichten dieser Kandidat*in nachhaltig ein Ende bereitet. Steinbrück war bis zu seiner Nominierung 2009 der beliebteste deutsche Politiker. Bereits kurz nach der Nominierung konnte man dann jeden Tag über ein weiteres (angebliches) Fettnäpfchen lesen oder hören, die das Bild eines arroganten und abgehobenen Menschen vermittelten (Stichwort: der Preis seiner bevorzugten Weine). Vier Jahre später wurde der Schulz-Zug schnell zum entgleisen gebracht indem erfolgreich das Bild eines überempfindlichen (und schwachen) Politikers vermittelt wurde. Jetzt trifft es Annalena Baerbock.

    Natürlich ist es bei all diesen Kampagnen so, dass die Verwürfe auf (kleinen) Fehlern der Kandidaten beruhen. Ich denke aber, es ist unmöglich keine Fehler zu machen, die bei bösem Willen die Grundlage für solche Kampagnen liefern können. Insofern ist die Frage eher, bei welchen Kandidaten danach vor allem gesucht wird, und wie erfolgreich man diese Themen dann aufrecht erhalten kann. Das Medien wie Bild, Welt, und Focus da absolut skrupellos sind ist wohl bekannt, und dass sich ihre Attacken vor allem gegen eher linke/grüne Politiker*innen richten ist keine Überraschung. Damit sind dann die Nachrichten in der Welt, die dann auch (unabhängig von der Relevanz) von den meisten anderen Medien übernommen werden. Die Maschinerie läuft perfekt! Sachthemen spielen dann im Wahlkampf keine Rolle mehr!

    Interessanterweise ist es nicht so, dass konservative Politiker vor solchen Kampagnen geschützt sind. Man erinnere etwa die völlig übertriebene Kampagne gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Aber natürlich gibt es diese nicht direkt vor Wahlen, da dies ja die gewünschten Mehrheiten im Bundestag und die gut geölten Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik gefährden könnte.

    Die jetzige Kampagne zielt darauf ab, Annalena Baerbock als unehrlich/unzuverlässig darzustellen. Der Kandidat der CDU hat in der Vergangenheit bewiesen, etwa durch Fälschung von Klausurergebnissen, dass solche Vorwürfe auf ihn viel eher zutreffen würden. Aber das wird fast nicht thematisiert.

  19. Ich habe mich auch darüber gewundert, dass die Meldung in der Tagesschau gelandet ist. Allerdings haben die Grünen mit ihrer virulenten Reaktion alles erst so richtig schlimm für ihre Kandidatin gemacht. Am Schwierigsten finde ich den Vergleich mit Trumps Fake-News. Der ist sogar gefährlich, da die Grünen damit ihre politischen Gegner diffamieren, anstatt die Diskussion anzunehmen. Der Artikel trifft den Kern des „Problems“ sehr gut, danke Stefan Niggemeier für die (bisher) klügsten Zeilen des Sonntags.

  20. Ich habe wegen solcher Artikel wie von SN und solcher Diskussionen wie dazu hier uebermedien abonniert. Ich teile nahezu keine der Meinungen, aber sie regen mich dazu ab meine Position zu entwickeln (ich bewundere alle diejenigen, die so schnell Meinungen haben… vielleicht ein paar Gedanken: 1. ich erlebe im Umfeld bei Grünen „Verfehlungen“ schneller harsche Kritik. Als ob von Grünen anderes verlangt/erwartet wird. Vielleicht weil Grüne schneller „moralisch“ argumentieren? 2. Wenn die (Medien-)Gesellschaft über fad Thema „Plagiat“ diskutiert, müssen dann ARD und ZDF nicht berichten? 3. als jemand, der in diesem Umfeld arbeitet: Den bei Journalisten eher unbeliebten Medienanwalt einzusetzen, ist taktisch (ja, darum geht es bei Grünen auch) zumindest interessant. 4. Mit großer Sorge muss man die Art des generellen Umgangs miteinander sehen. Dazu gibt es Beispiele in der Bandbreite.. etwa alles was nicht passt „Trump“-Fake News zu nennen oder im Bundestag mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Herbeizitierung des Bundesfinanzministers zu erzwingen oder eben die Armseligkeit, mit der Frau Baerbock verfolgt wird.. statt über die Gesellschaft der Zukunft zu diskutieren, die sie morgen (mit-)regieren will.

  21. Im Politik-Kontext ist es meiner Ansicht nicht sehr wohl wichtig, dass sie Formulierungen kopiert hat, unabhängig davon, was sie inhaltlich genau kopierte. Damit bedient sie einerseits das Narrativ des korrupten, manipulativen, faulen, überbezahlten und vor nicht zurückschreckenden Menschen im Politbetrieb. Andererseits hinterlässt die Sache den faden Beigeschmack, dass es ihr letztlich nur um Macht geht. Steht sie wirklich zu den Inhalten, hat sie sie wirklich durchdrungen? Warum wollte sie es nicht mit eigenen Worten formulieren? Zeitdruck wäre da ja mein erster Gedanke, aber dann sollte sie oder ihre Partei dazu stehen. Unglücklich wäre es immer noch, aber eherlich.

    Wenn sie sich tatsächlich durch die Aktion und vor allem Reaktion als Kanzlerinkandidatin demontiert hat, fände ich es echt schade. Bislang war sie für mich die einzige erträgliche Option, obwohl ich ihrer selbstgefälligen Attitüde ebenso wenig abgewinnen kann wie bei alternativen Kandidaten.

    Dass sie keine Regierungserfahrung hat, wird ihr gerne vorgeworfen. Ich empfand das bislang als Vorteil: Sie steckt noch nicht so tief im Politmatsch wie die alten Herren, die sich ja nicht nur formell immer wieder mal blamieren, sondern vor allem mit ihrem Geschäftsgebaren und der seltsamen Wirtschaftskungelei.

    Insofern stimme ich also doch zu, dass bei der Plagiatsgeschichte Mücken elefantisiert werden.

  22. „Robert muss ran“
    So wie es Hubert im Saarland vorgemacht hat.
    Dann wird es bei den Grünen bis zur Wahl bestimmt „Friede, Freude, Eierkuchen“ geben.

  23. @Siegfried Echterhoff

    Ich stimme Ihren Schlussfolgerungen zu, aber Sie haben sich bei Steinbrück und Schulz jeweils um vier Jahre vertan. Die beiden waren 2013 bzw. 2017 SPD-Kanzlerkandidat.

  24. Im Augenblick kochen Kampagnen in der Art: Heftiger Links- resp. rot-grün Bias bei den Journalisten in den social media Foren wieder hoch. So eine Art Vorwärtsverteidigung für die skrupellose Parteinahme contra Grün ( SPD und Linke sind derzeit halt keine Gefahr ).
    Wir vernehmen Maaßen ( mit der von der AfD bekannten Strategie Vorpreschen und halbherzig Zurückrudern, um den Radikalen Zucker zu geben und die Erschrockenen dann doch zu besänftigen ), der dem ÖRR eine Art Gesinnungskontrolle angedeihen wollte, aber auch die Volontär Umfrage wird wieder ausgepackt. Auch ein Leipziger Professor stellt steile Behauptungen auf und sieht diese, mangels Widerspruch, als stichhaltig an. Eine ganz neue empirische Beweisführung bahnt sich da an.
    Auch die Befragung der Volontäre wird wieder hervorgekramt.
    Was mich dabei verwundert ist nur, warum denn die Volontäre befragt werden? Wer hat denn weniger Einfluss auf den Output der Medien, als gerade diese?
    Eine Analyse, wem welche Medien gehören, wer die Entscheider sind und welche Präferenzen die haben, fände ich doch wesentlich interessanter.
    Oder man analysiert das Ganze mal vom Ergebnis her. Welche Themen beherrschten gerade seit 2015 die Medien, welche Stimmen wurden gehört, wer eingeladen ( und wer nicht )?
    Wohin leaken vertrauliche Inhalte aus nicht-öffentlichen Sitzungen schon vor deren Ende, wer inszeniert mit medialem Bohei punktgenau Wissenschaftssurrogate um Lockerungen bei der Ministerpräsidentenkonferenz zu erzwingen?
    Wer setzt Themen, wer sorgt dafür, dass Vetternwirtschaft und offene Korruption beim Maskeneinkauf weniger skandalös erscheinen, als kopierte Sätze in einem Sachbuch?
    Wer sorgt scham- und skrupellos dafür, dass politische Inhalte es nicht in die Schlagzeilen schaffen, billiger Gossip aber jederzeit, so die Richtung stimmt?
    Das alles sind Resultate eine Medienlandschaft mit Linksbias?
    Wollen die mich verar*****?
    Tom Buhrow hat einen Linksdrall? Oder der MDR?

    Was m. E. tatsächlich passiert ist, dass ein ernstzunehmender Teil der Bevölkerung sich von der Gegenwart und den aktuellen Erkenntnissen abkanzelt. Und es gibt diejenigen, bis hinauf zum Kanzlerkandidaten der Union, die ihnen vorgaukelt, das wäre eine Option. Der will sich von Virologen in einer Pandemie nichts „vorschreiben“ lassen ( was die nicht tun, gar nicht können ) und wundert sich, dass die Klimaerwärmung auf einmal global ein Thema ist.
    Und der Mann ist gegen die weiter rechts noch harmlos.
    95% der Journalisten sind Akademiker und unter Akademikern sind Grüne und/oder linke Positionen stärker repräsentiert.

    Nun sehen viele Konservative dies als Anlass für ein tumbes Elitenbashing, anstatt mal die eigenen Positionen darauf abzuklopfen, warum gebildetere Menschen damit mehr Probleme zu haben scheinen.
    Aber nein, let’s play even more stupid. Holt die Leute da ab, wo sie sind und verbreitet noch mehr bullshit, wenn es denn die Machtposition sichert.
    Und nein, ich behaupte nicht, dass das Trump Dimensionen sind. Aber es ist die Richtung.

  25. Und sorry für die vielen Fehler. Mein Job fängt an und ich bin angefressen von dem Ganzen. Hab nicht Korrektur gelesen, was bei dem Blutdruck nötig wäre.

  26. Vielen Dank für die Analyse. Auf sie hören wird bei der ganzen Aufregung leider niemand. Es ist gefährlicher falsch zu zitieren als 500 Millionen Euro zu versenken oder sich an nichts mehr erinnern zu wollen.

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