Die Podcast-Kritik (56)

Madame Moneypenny gibt Frauen die Kontovollmacht

Wahre Verbrechen, Gequatsche, Lebenshilfe. Das sind gefühlt die drei Welten, in die sich der Podcastmarkt aufteilen lässt. Ich habe bislang einen eher großen Bogen um die Lebenshilfe-Abteilung gemacht. Muss ich wirklich wissen, wie die perfekte Ernährung aussieht, die perfekte Work-Life-Balance, der perfekt durchstrukturierte Tag? Kann ich nicht einfach vor mich hin prokrastinieren wie sonst auch und dabei glücklich sein?

Für viele ist die Antwort offenbar: Nein. Das Thema Selbstoptimierung hat eine enorme Anziehungskraft auf Podcast-Hörer und -Hörerinnen. Lediglich das, was da genau optimiert werden soll, scheint sich über die Jahre und Monate zyklisch zu ändern. Vor gut einem Jahr wollten wir noch achtsamer sein, mehr meditieren und Yoga machen und natürlich besseren Sex haben. Jetzt geht’s um unser Bankkonto.

„Finanzfluss Podcast“ und „Alles auf Aktien“ kommen gut an, Podcasts über Kryptowährungen ebenso. Hinter allem steht irgendwie der Traum, finanziell unabhängig zu sein und auf einen sicheren Lebensabend zu blicken. Oder einfach nur gar nicht mehr arbeiten zu müssen, dem Leben der Influencer und Influencerinnen nachzueifern. Vielleicht steht dahinter aber auch der Gedanke, bei der nächsten Krise (ob pandemisch oder persönlich) monetär besser aufgestellt zu sein.

Podcastkritik Madame Moneypenny

Auf einen ganz bestimmten Teil der Finanzen hat sich Natascha Wegelin spezialisiert: Als „Madame Moneypenny“ berät sie Frauen in Geldfragen. Dazu hat sie eine eigene GmbH gegründet. Denn zu viele Frauen steuern zielsicher auf die Altersarmut zu – entweder weil sie selber zu wenig für die eigene Absicherung tun, oder weil sie alles ihrem Mann überlassen. Das will Natascha Wegelin ändern. Und zwar mit einem Mentoring-Programm, mit eBooks, YouTube-Videos, einem Blog und einem Podcast.

Seit 2018 veröffentlicht Wegelin regelmäßig Episoden. Sie mahnt: „Mach keine Freundschaftspreise, nimm Geld für deine Leistung!“ oder „Woran ich nicht spare, sind Investitionen in mich selber. Seminare, Bücher, Sport, alles was mich weiterbringt“. Sie haut uns Mantras um die Ohren wie „Investiere nicht in etwas, das du nicht verstehst“ und „Nie Geld investieren, das man nicht hat“. Sie selber sei „Fraktion ETF“, denn beim klassischen Bausparvertrag gebe es einfach nichts mehr zu holen.

Spartanisch leben, dafür ohne Geldsorgen

Das sagt eine Frau Mitte 30, die sich drei Jahre lang keine neuen Klamotten kauft, kein Auto hat, keinen Alkohol trinkt, keine Zigaretten raucht. Die Vernunft in Person. Die aber dafür gerne Geld ausgibt für Essen, Seminare, Urlaub und Technik. Wegelin ist sympathisch, sie brennt für ihre Sache, wird auch mal emotional und leidenschaftlich, und sie kann vor allem das sperrige Thema Finanzen gut runterbrechen. Sie stellt die richtigen Fragen, zum Beispiel: „Ist es mit 50 Jahren zu spät, Vermögen aufzubauen?“ oder „Wie kann ich Geld für meinen Nachwuchs anlegen?“.

Klar verwendet sie Begriffe wie „Money Mindset“ und ähnlichen Finanz- und Lebenshilfesprech, aber es hält sich in Grenzen und ruft noch kein Augenrollen hervor. Dem Zufall ist wenig überlassen, das ist bei einem strategisch denkenden Menschen wie Natascha Wegelin auch kein Wunder. Der Podcast hat sich über die Jahre audiotechnisch verbessert, die Cover-Grafik ist extrem sympathisch und ansprechend gestaltet mit einer lachenden Wegelin und bunten Lettern.

In einigen Episoden hat sie die Wunderwaffe der Listicles gezogen, etwa: „Meine 10 Geldregeln“. Damit es sich lohnt, werden auch die YouTube-Fragestunden per WhatsApp als Podcast veröffentlicht – zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Tonqualität leidet darunter, aber was soll’s. Werbung für die eigenen Produkte darf auch nicht fehlen, aber auch das ist wenig verwunderlich bei einer Geschäftsfrau wie Wegelin.

Mir geht es hier wie bei allen Lebenshilfe- oder nennen wir sie Service-Podcasts: Weniger wäre mehr. Die meisten Folgen könnte man gut kürzen, es dauert oft zu lange, bis sie auf den Punkt kommen. Und gerade bei einer weiblichen Zielgruppe müsste klar sein: mit Job und Familie haben die sicher nicht viel Zeit für solche Dinge. Shownotes (gar mit Kapitelmarken) sind Fehlanzeige, obwohl sie hier absolut hilfreich wären, um Teile zu überspringen – und die Wegelin übrigens auch in Sachen Suchmaschinenoptimierung helfen würden.

Geldtipps für Eltern bleiben an der Oberfläche

Etliche Themen werden über die Jahre redundant behandelt, was verständlich ist, denn irgendwann ist das Thema einfach auserzählt. Und dann gibt es noch vielversprechende Themen wie „Geldtipps für Eltern“, in denen es doch recht oberflächlich darum geht, den Kindern den Umgang mit Geld vorzuleben, indem beispielsweise auch mal die Mama das Essen im Restaurant bezahlt. Da hätte ich mir mehr erwartet. Schön ist dagegen, dass Frauen per WhatsApp Sprachnachrichten mit Fragen schicken können – das bringt eine gewissse Aktualität in die Sache und andere Stimmen lockern auf.

Mein Fazit: Es ist ein absolut wichtiges gesellschaftliches Thema, Frauen die finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen. Ich finde es toll, dass Natascha Wegelin sich dieses Themas mit ganzer Kraft annimmt und bereits vielen Frauen geholfen hat. Wegelins Grundeinstellung gefällt mir, denn sie trifft ihre Entscheidungen aus ethischen Gesichtspunkten und nicht nur aus kommerzieller oder kapitalistischer Sicht, beispielsweise wenn es um das Thema Steuern sparen geht. Oder um Konsum.

Vielen Episoden ist Wegelins glühendes Engagement für das Thema anzuhören, andere klingen eher nach Kalkül. So ist das mit dem Podcasting: Manchmal hat man halt einfach gerade keine Lust, keinen Nerv, keine Zeit. Das darf auch hörbar werden, wenn es nicht zur Regel wird. Ich hoffe, dass der Podcast nicht zum stiefmütterlich behandelten Nebenprodukt all der anderen Medien wird, die Wegelin bedient. Ich empfehle, mal in die älteren Folgen reinzuhören – je nach Vorliebe für das jeweilige Thema. Und auch wirtschaftlich weniger interessierte Männer können durchaus mal reinhören – auch für sie gibt es hier sicherlich einiges zu lernen.


Podcast: „Madame Moneypenny“ von Natascha Wegelin

Episodenlänge: 30-40 Minuten, unregelmäßig

Offizieller Claim: „Der Podcast für deine finanzielle Unabhängigkeit.“

Inoffizieller Claim: Stellt die Gedanken an Finanzen von „Mist, sollte ich mich mal drum kümmern“ auf „Ok, jetzt pack ich’s aber wirklich an“.

Wer „Madame Moneypenny“ mag, hört auch: „Finanzfluss Podcast und „Jobstories: Der Coaching-Podcast“

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