Die Autorin
Halyna Kubiv ist gebürtige Ukrainerin und gelernte Linguistin. Sie schreibt jedoch über Big Tech und ärgert sich regelmäßig über Medien – sehr oft über ukrainische, seltener über deutsche. Bei Twitter ist sie hier zu finden.
Die Aktualisierungen des iPhone-Betriebssystems interessieren meistens nur Nerds und absolute Technik-Fans. Doch das Update auf iOS 14.5 hat schon vor der Veröffentlichung große Wellen geschlagen: Darin unterbindet Apple das App-übergreifende Tracking der Nutzer.
Dass sich Facebook dagegen wehrt, ist verständlich, beruht doch das Geschäftsmodell des Sozialen Netzwerkes darauf, möglichst umfangreiche Datensammlungen über die Nutzer anzulegen, um möglichst maßgeschneiderte Werbung auszuspielen. Doch auch deutsche Verleger- und Werbeverbände und das Medienunternehmen Axel Springer haben beim Bundeskartellamt eine Beschwerde eingelegt.
Axel Springer nutzt auch die eigenen Medien für Öffentlichkeitsarbeit. In der „Welt“ erschien ein Meinungsbeitrag von René Bosch, dem Head of Editorial Analytics des Unternehmens: „Apple und Google erzählen ein Märchen von den Datenschutz-Samaritern“. (In der Print-Ausgabe lautete der Titel: „Datenschutz als nützliches Feigenblatt“.) Bosch behauptet: Die beiden Unternehmen nutzen Datenschutz als Ausrede für noch mehr Kontrolle über eigene Plattformen, tatsächlich ist die Sicherheit der Nutzerdaten den Unternehmen egal.
Dabei hat Apple den Datenschutz nicht erst seit kurzem als Verkaufsargument für sich entdeckt und für noch mehr Kontrolle instrumentalisiert. Bezeichnend ist der Auftritt von Steve Jobs 2010 auf der Technologie-Konferenz D8:
„Datenschutz bedeutet, dass die Leute verstehen, was die da erlauben. … Frag sie, frag sie jedes Mal. … Sag denen genau, was Du mit ihren Daten machst.“
Das klingt wie eine perfekte Beschreibung der neuen ATT-Funktion („Active Tracking Transparency“) in iOS 14.5.
Halyna Kubiv ist gebürtige Ukrainerin und gelernte Linguistin. Sie schreibt jedoch über Big Tech und ärgert sich regelmäßig über Medien – sehr oft über ukrainische, seltener über deutsche. Bei Twitter ist sie hier zu finden.
Dass Apple es ziemlich ernst meint mit dem Datenschutz, hat ein Streit vor einigen Jahren mit dem FBI bewiesen. Damals legte sich die US-Sicherheitsbehörde mit dem Hersteller um die Entsperrung des iPhones eines Terroristen an. Der Einzelfall eskalierte zur Grundlagenfrage: Sicherheit gegen Datenschutz. Das FBI wollte nicht weniger als einen Generalschlüssel zu allen iPhone-Daten, eine Hintertür im System, durch die man ohne Probleme alle benötigten Daten abgreifen könnte. Apple musste sich vor Gericht für seinen Datenschutz in iPhones verantworten. Die von den Behörden verlangte Hintertür wurde aber nie implementiert.
Dass die „Goliaths der Branche von den Regularien wie der Datenschutzverordnungen noch auf dem falschen Fuß erwischt wurden“, wie Bosch schreibt, ist ein bisschen übertrieben, wenn nicht komplett falsch. Laut „Spiegel“ hat Apple im Mai 2018 behauptet, dass die neuen Regelungen „überhaupt kein Problem für die Firma seien. Schließlich habe man schon immer viel Wert auf guten Datenschutz gelegt.“ Lediglich eine neue Seite stand Apple-Kunden nun zur Verfügung, worauf sie ihre Daten einsehen, herunterladen und die Löschung beantragen konnten.
Tatsächlich spielen der iOS-Entwickler und die Werbetreibenden seit Jahren ein Katz-und-Maus-Spiel. Werden beispielsweise in Apples Safari-Browser strengere Datenschutz-Regeln eingeführt, erscheint einige Zeit später eine Lösung, die diese umgehen kann. Die Änderungen von iOS 14.5 allerdings scheinen tief ins Eingemachte zu gehen, so dass nicht abzusehen ist, ob technische Tricks daran etwas ändern können.
Worin man dem Springer-Kommentator und -Zahlenauswerter recht geben muss, ist seine Feststellung: „Es ist ein harter Schlag gegen die Werbebranche.“ Das stimmt schon, nur aber hat dieselbe Werbebranche jahrelang das Vertrauen der Nutzer missbraucht und mit ihren Daten bis zum Gehtnichtmehr gehandelt. Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Konzerns, der sich an der Bundeskartellamt-Beschwerde wegen Apples Datenschutzvorkehrungen beteiligt, hat dies in einem flammenden Appell für mehr Datenschutz treffend beschrieben:
„Es liegt daran, dass – vereinfacht gesagt – das Geschäftsmodell der werbefinanzierten Plattformen darin besteht, ihre Kunden auszuspähen wie Geheimdienste.“
Es wird auch mit iOS 14.5 eine Nachverfolgung der Nutzerdaten möglich sein, nur halt ausschließlich innerhalb der jeweiligen App. Um das Verhalten der Anwender auch außerhalb von eigener App zu wissen, muss der Entwickler seine Gründe dafür darlegen und der Nutzer dieser Nachverfolgung zustimmen. Warum sich die Werbebranche vor dieser Nachfrage fürchtet, ist auch klar: Der Nutzer hat plötzlich die Kontrolle über eigene Daten bekommen und kann entscheiden, was mit ihnen passiert.
Ein weiteres Argument gegen die iOS-Neuerung lautet: Apple erschwert absichtlich den Zugang zu den Kundendaten, weil es keinen Einfluss auf das Geschäftsmodell der Werbeindustrie hat. Oder wie Bosch es formuliert:
„Apple verschüttet mit seiner Marktmacht bewusst Einnahmeströme, die es nicht selbst kontrollieren kann.“
Tatsächlich prahlt Apple regelrecht damit, wie florierend und umsatzstark die App-Wirtschaft ist. Dabei berechnet der Konzern kurzerhand alle Umsätze, die beispielsweise über Kauf-Apps wie Amazon, Zalando undsoweiter gemacht wurden, auch mit dazu, obwohl das iOS dabei höchstens eine Plattform ist und keine ausschlaggebende Rolle beim Austausch zwischen dem Kunden und dem Anbieter spielt. Die Umsätze in diesen Apps werden größtenteils mit hauseigenen Zahlungssystemen gemacht, Apple verdient keinen Cent daran, außer vielleicht an Gebühren für das Entwickler-Konto.
Bei den digitalen Gütern verhält es sich anders, wie Bosch klagt:
„Bis heute zwingt Apple Entwicklern und Käufern von digitalen Produkten den eigenen Marktplatz auf; inklusive einer 30-Prozent-Provision auf Umsätze.“
Aber auch hier muss man unterscheiden: Die 30-Prozent-Provision gilt nicht immer, bei Abos werden nach dem ersten Jahr 15 Prozent von Apple beibehalten. Kleine Entwickler, die bis zu einer Million US-Dollar pro Jahr im App Store umsetzen, bezahlen an Apple ebenfalls nur 15 Prozent Provision.
Klar, Apple ist ein Tech-Riese, der seine Marktmacht ziemlich oft zum Nachteil der anderen nutzt. Das Unternehmen bieten außerdem genügend Fläche für berechtigte Kritik, sei es die umstrittene Monopol-Stellung eben jenes App-Stores oder fragwürdiges Verhalten gegenüber autoritären Regierungen in China oder Russland.
Doch der Datenschutz und somit die Neuerung beim Werbe-Tracking ist ernst gemeint, seit mindestens Sommer 2020 angekündigt, und vor allem zum Schutz der Nutzer gedacht.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet in einem Datenschutz-bewussten Land wie Deutschland, wo man sich über zwei Monate lang über Verschlüsselung in Corona-Apps streitet, ein deutscher Verleger eine Beschwerde gegen den Technologie-Riesen aus dem Silicon Valley einlegt, nur weil der sein Datenschutz-Versprechen hält.
Ich mag’s, wenn ein verlogener Konzern wie Springer rumjammert, dass er mich nicht mehr ausspionieren kann, um mir hinterher seinen Bullshit in den Mac zu kübeln.
Ich zitiere mal meinen Lieblingsbrowser:
»bild.de Profilerstellung durch 16 Tracker verhindert.«
»welt.de Profilerstellung durch 20 Tracker verhindert.«
Und was meint Apple zu Übermedien?
»Diese Website hat keine Tracker kontaktiert.«
Mag ich auch.
Zeit Online und Spiegel-Online hatten auch Artikel zur Beschwerde beim Kartellamt online gestellt. Der Text der beiden Berichte war sehr ähnlich. Spiegel hat am Ende des Textes berichtet, dass Sie selbst quasi dazugehören durch Ihre Mitgliedschaften bei den Verbänden. Zeit online hat diese Information unterschlagen.
Beide Artikel haben behauptet, dass Apple seine eigenen „(Werbe)dienste“ von dieser Funktion ausnimmt.
Wie in den Kommentaren zu diesen Artikeln zu lesen war, Apple hat keine Werbedienste, und man kann der Datenübertragung zu Apple komplett widersprechen. Diese Artikel enthielten also falsche informationen, die vor allem eigenen interessen dienen.
@2: Apple hat sehr wohl Werbedienste: den App Store und laut eigenen Aussagen auch Apple News und die Aktien-App . Und der nutzt ohne zu fragen persönliche Daten wie Wohnort und Geschlecht, um bezahlte Werbung auszuspielen. Der Unterschied ist, dass kein Tracking über den App Store hinaus erfolgt. Mit iAd gab es das mal, war aber kein Erfolg.
Apple teilt und verkauft die gesammelten Infos nicht. Das ist gut, aber auch irgendwie scheinheilig. Wie wollen sie garantieren, dass die Daten nicht doch in falsche Hände geraten oder doch mehr über eine Person verraten, als zunächst angenommen? Außerdem ist Apples Haltung nicht ganz eindeutig. Mal verurteilen Sie die Datensammlung an sich und mal nur die Art und Weise, wie damit umgegangen wird.
Idealerweise fallen einfach keine oder möglichst wenige Daten an (Datensparsamkeit). Dass Apple dies aber nicht bevorzugt und selber fleißig Daten sammelt, finde ich schon beklagenswert. Streng genommen könnte bei nicht ermittelten Daten auch nicht von Datenschutz sprechen, denn was nicht anfällt, muss nicht geschützt werden.
Apple ist gut darin, dass möglichst wenig Daten die Konkurrenz erreicht. Für die Safe-Browsing-Abfragen von Safari soll künftig (oder ist das schon soweit?) ein Proxy zwischengeschaltet werden, damit Google noch weniger Daten von Apple bekommt. Die Konsequenz ist aber, dass Apple immer mehr die Datenhoheit besitzt.
Es gibt hier dann zwar nur noch einen einzigen Vertrauenspartner, aber der erhält dadurch auch deutlich mehr Macht. Die Frage ist nicht, ob sie die Macht missbrauchen, sondern ob sie es könnten. Und ja, das könnten sie.
Wenn Tim Cook abdankt, könnte der neue Chef ja plötzlich eine andere Linie fahren und seinem Mitarbeitern: Hey, jetzt haben wir so viele Daten über unsere Kunden gesammelt und vor Zugriff durch Dritte geschützt, wie können wir davon noch stärker profitieren?
Klar, das ist Spekulation. Aber ohne die ganze Datensammelei wäre sie weder nötig, noch könnte sie sich in irgendeiner Weise bewahrheiten.
Wahrer Datenschutz ist deshalb in meinen Augen: Möglichst wenig Daten anfallen zu lassen, ob jetzt auf Servern oder auf einem Gerät. Letzteres ist besser, aber die Geräte sind so komplex, dass es unmöglich ist, dass ich als Nutzer tatsächliche Datenhoheit habe. Kein Gerät ist sicher und auch der gemaßregelte App Store schützt nicht zu 100 % vor Schnüffelapps.