In eigener Sache

Die Geschichte einer „Skandalgeschichte“

Der Chef des „Katapult“-Magazins, Benjamin Fredrich, wirft uns vor, ihn belogen zu haben, um eine „Skandalgeschichte“ über ihn verbreiten zu können. Er beschimpft unseren Redaktionsleiter Jürn Kruse als #lügenjürn.

Fredrichs Vorwürfe sind maßlos und im Kern falsch, seine behauptete Transparenz ist selektiv. Hier ist unsere Replik.


Benjamin Fredrich hat ein Buch geschrieben über seine eigene Erfolgsgeschichte: „Wie konnte ich mit 20.000 Euro Schulden ein Magazin gerade in Greifswald gründen?“ Es ist ein Buch über die Entstehung von „Katapult“, ein autobiographischer Roman, alles darin soll wahr sein, aber nichts darin muss wahr sein. Einige reale Personen tauchen darin mehr oder weniger verfremdet auf, und das „mehr oder weniger“ ist ein Problem, und das weiß auch Benjamin Fredrich.

Das Problem mit dem Arzt

Als er vor ein paar Monaten in der Sendung „NDR Kultur à la carte“ zu Gast war, habe ihn der Moderator darauf angesprochen, sagt Fredrich: „Sagen Sie mal, warum verschleiern Sie die Leute eigentlich nicht genügend“, habe er ihn gefragt. „Den Arzt, wenn man den sucht, dann findet man den sofort.“

Der Arzt ist ein Nachbar, mit dem sich Fredrich streitet, er heißt im Buch „Streek“, und Fredrich zeichnet ihn als cholerische Witzfigur, auch beruflich ein Versager. Fredrich erzählt, wie er mit der Vorhaltung des Interviewers in der NDR-Sendung umgegangen sei:

„Und dann hab ich da gesagt: ‚Ja, okay, ich hab jetzt mal gegoogelt, und wenn man … das erste, was man findet, das ist er nicht.‘ Obwohl er es natürlich ist! Um das zu konterkarieren. Die hatten aber Schiss dann und haben das rausgeschnitten.“

Fredrich ist Chefredakteur einer angesagten Zeitschrift und gründet gerade eine Regionalzeitung für Mecklenburg-Vorpommern, um eine Alternative vor allem zum „Nordkurier“ zu schaffen, dem er verantwortungslosen Journalismus vorwirft. Er behauptet, es störe ihn „enorm, dass Transparenz und Aufrichtigkeit so häufig in genau der Branche fehlen, in der es eigentlich darum geht, Transparenz und aufrichtige Weitergabe von Informationen zu garantieren.“

Aber er hat kein Problem damit, öffentlich die Unwahrheit zu sagen, wenn ihm – zu recht, wie er selbst einräumt – vorgeworfen wird, dass er Personen in seinem Roman nicht genügend verschleiert habe.

Gelogen, gepiepst

Die Geschichte mit dem Arzt und dem NDR-Interview hat Fredrich unserem Redaktionsleiter Jürn Kruse so erzählt, in einem langen Gespräch über sein Buch und Vorwürfe, die ihm von ehemaligen Kollegen dazu gemacht werden. Weil sich Fredrich sehr über Kruse, seine Vorgehensweise und unseren Artikel geärgert hat, hat er den kompletten Mitschnitt auf seiner Seite veröffentlicht – das sei zwar „nicht legal, aber legitim“.

Es ist auch nicht legitim. Und die Transparenz, die er den Leserinnen und Lesern durch die Veröffentlichung des Mitschnitts suggeriert, täuscht: Die Stelle, in der er die Sache mit dem Arzt und dem NDR-Interview schildert, in der er einräumt, dass er seinen Gesprächspartner angelogen hat, um seinen eigenen Fehler zu kaschieren – diese Stelle hat er aus dem Audio entfernt, indem er einen Piepston darüber gelegt hat.

Es gibt also offenbar mindestens eine Romanfigur in seinem Buch, deren reale Vorlage man von außen ergoogeln kann. Es gibt andere Romanfiguren, in denen man die Menschen wiedererkennt, wenn man sie kennt. Von dieser zweiten Gruppe handelt der Artikel, den wir in der vergangenen Woche über Fredrich veröffentlicht haben.

Da ist zum Beispiel der, den Fredrich „Ingo“ nennt und auch mal „Kacke-Ingo“. Dieser „Ingo“ schätzt den Kreis der Menschen, die ihn aufgrund der genannten Details problemlos in dieser Figur wieder erkennen können, auf mindestens 50 bis 100. Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil Fredrich diesem fiktiven „Ingo“ auch Züge zuschreibt, für die eine ganz andere reale Person Vorbild ist, etwa dass dieser „Ingo“ auf Partys die Hose runterlasse.

Fredrich hat jetzt eingeräumt: „Offensichtlich sind ein paar Menschen durch meinen Roman verletzt worden. Das tut mir leid.“ Er wolle einige Textstellen für die zweite Auflage abwandeln, wenn die Betroffenen das wünschen.

So weit, so gut. Doch Fredrich fühlt sich von uns verraten. Er wirft uns „Bild-Gotcha-Journalismus“ vor. Und er wirft Jürn Kruse vor, ihn angelogen zu haben, um eine Skandalstory erzählen zu können, verbreitet den Hashtag „Lügenjürn“ auf Twitter.

Die Lüge soll darin bestehen, gegenüber Fredrich im Interview behauptet zu haben, dass man die realen ehemaligen Mitarbeiter hinter den fiktionalisierten Figuren in seinem Buch auch als Fremder herausfinden könne. Fredrich formuliert diesen Vorwurf so:

„Kruse aber ruft mich an und sagt, er hätte das alleine rausbekommen, damit die Kritik lautet: Alle können diese Figuren finden! Guck, was du angerichtet hast, Fredrich! Du machst hier Leute fertig, du trittst nach unten und die ganze Welt weiß, wer deine fiktiven Figuren in Wirklichkeit sind.“

Es ist kein Wunder, dass Fredrich in diesem Absatz keine Anführungszeichen benutzt, denn die Zitate sind keine Zitate. Jürn Kruse hat all das ihm gegenüber nicht gesagt, und auch in unserem Artikel findet sich dieser Vorwurf nicht.

Quellenschutz

Was stimmt: Jürn Kruse weicht Fredrichs mehrfachen Fragen im Interview, wie er auf die Personen hinter den Romanfiguren gekommen sei, immer wieder aus. Der Grund dafür ist, dass er seine Quellen schützen will. Teil der Recherche war ein langes Abwägen der Betroffenen, ob sie in unserer Geschichte vorkommen wollen und in welcher Form. Es ging darum, sie zu schützen, und Kruse wollte zu diesem Zeitpunkt Fredrich keinen Anhaltspunkt für eigene Nachforschungen geben, wer uns kontaktiert hat.

Das führt im Gespräch tatsächlich zu einer merkwürdigen Leerstelle, die Fredrich sich dann selbst soweit ausmalt, bis er glaubt, es gehe um die Erkennbarkeit von außen, für „die ganze Welt“. Diesen Vorwurf haben wir aber nicht erhoben, nicht im Artikel und auch nicht im Gespräch.

Problematisch ist, dass Jürn Kruse im Gespräch anfangs sagt: „Es war ja auch für mich nicht so schwer, Ingo ausfindig zu machen.“ Aber als Fredrich später darauf zurückkommt, ergibt sich folgender Dialog:

Benjamin Fredrich: „Darf ich eine Sache nachfragen? Konnten Sie die zurückverfolgen, weil Sie die schon kannten? Oder kannten Sie die vorher gar nicht?“

Jürn Kruse: „Ich habe rumgefragt über Verbindungen, wer war mal bei Katapult.“

Benjamin Fredrich: „Das sind ja harte Recherchen.“

Jürn Kruse: „Mich interessiert diese Szene wirklich, weil ich die wirklich krass finde. Weil ich mir vorgestellt hab, würde ich denken. Als ich in Leipzig studiert habe, das ist ja überall das gleiche, es gibt einen Kreis von Leuten – Freundeskreis, erweiterter Freundeskreis – von 100 Personen, die kennt man, man weiß die Namen und wenn jetzt jemand über meine Freundin sowas geschrieben hätte und ich wäre jetzt mit der zusammen, würde mich das – glaube ich – treffen.“

Das ist der Kern der Geschichte. Es geht um die Erkennbarkeit durch einen größeren Freundeskreis. (Wovon Fredrich auch offensichtlich schon vor dem Interview Wind bekommen hatte. Als das Gespräch erstmals auf „Ingo“ kommt, sagt Fredrich amüsiert, da gebe es übrigens „Probleme“, der habe sich wiedererkannt.)

Jürn Kruse erzählt das mit dem Freundeskreis so, weil er gar keine Täuschungsabsicht hat über die Geschichte, die er schreiben will. Er hat nur die Absicht, den Weg zu verschleiern, wie die Geschichte zu uns gekommen ist.

Fredrich schreibt, dass Jürn ihm auf seine verzweifelten Nachfragen, wie er das recherchiert habe, geantwortet habe: „Für mich war die Information: die Freundin, die bei der Deutschen Welle gearbeitet hat, natürlich ein extrem guter Hint.“ Daraus macht er, dass Jürn den Eindruck erweckt habe, mit dieser Information ließe sich das von außen herausfinden.

Aber das Zitat geht weiter:

„Für mich war die Information: die Freundin, die bei der Deutschen Welle gearbeitet hat, natürlich ein extrem guter Hint, um deutlich zu machen: Diese Person brauche ich. Und die [Personen aus dem „Katapult“-Umfeld] sagen halt: In dieser Konstellation gab es in Greifswald in dem Kreis keinen sonst.“

Auch hier ist der Bezugspunkt zur Identifikation: Der Kreis von Leuten in Greifswald. Es gibt keine Lüge.

Unser Fehler

Trotzdem gibt Fredrich im Gespräch deutlich zu verstehen, dass er glaubt, es gehe um eine Identifizierbarkeit von außen, von völlig Fremden. Dass Jürn Kruse dem nicht klar widersprochen hat, war ein Fehler. Darum ging es nicht. Das ist auch nicht das Thema unseres Artikels.

Fredrich behauptet, unser Artikel sei ein „Freundschaftsdienst“, aber wir kannten die Betroffenen, die sich von ihm schlecht behandelt fühlen, vorher gar nicht. Es handelt sich auch nicht um eine „Auftragsarbeit“, wie er weiter behauptet.

Fredrich wirft uns „Gotcha-Journalismus“ vor. Damit sind Methoden gemeint, in denen Befragte durch Überrumpelung dazu gebracht werden sollen, sich um Kopf und Kragen zu reden. Ja, es stimmt: Wir haben Fredrich nicht deutlich genug gesagt, was der Ausgangspunkt unserer Recherchen war. Das war ein Fehler, und das tut uns leid.

Aber wir haben ihm seine Zitate aus dem Gespräch und inhaltliche Aussagen von ihm vor der Veröffentlichung zugeschickt, so dass er sie überprüfen und gegebenenfalls korrigieren konnte. Wir sind seiner Bitte nachgekommen, mehrere Aussagen nicht zu verwenden. Wir haben ihm auf seinen Wunsch sogar den kompletten Mitschnitt des Gesprächs zugeschickt, so dass er es alles selbst noch einmal nachhören könnte. Das alles hat mit „Gotcha-Journalismus“ nichts zu tun.

Fredrichs Marketing

Wir haben, was er uns übel zu nehmen scheint, nett mit Fredrich geplaudert, bevor wir ihn mit den kritischen Fragen konfrontiert haben. (Vieles davon ist auch in den Artikel eingeflossen, der am Anfang ausführlich den unerschrockenen, erfolgreichen Macher Fredrich beschreibt.) Wir haben nicht über die unproblematischen Stellen in seinem Buch geschrieben, sondern besonders über die problematischen. Wir haben ihm nicht die Quelle genannt, durch die wir auf das Thema gekommen sind. Man hat darauf aus guten Gründen auch keinen Anspruch.

Vor allem haben wir nicht, wie Fredrich in seiner Skandalgeschichte behauptet, mithilfe von Lügen eine „Skandalgeschichte“ konstruiert. Er wirft uns vor, ihn hintergangen zu haben, hält sich aber selbst an keinerlei Regeln, veröffentlicht unerlaubt einen Mitschnitt (nachdem er eine Stelle, in der er eine eigene Lüge zugibt, unkenntlich gemacht hat) und fährt eine extrem zugespitzte, extrem persönliche Kampagne gegen einen unserer Mitarbeiter. Sie ist unfair und ungerechtfertigt.

Diese Lautstärke gehört zu Fredrichs erfolgreichem Marketing. Wir wollen kein Teil davon sein.

22 Kommentare

  1. Danke für die Aufklärung! Hr Fredrich scheint ein schwieriger Mensch zu sein, der recht willkürlich Regeln festlegt, die er bei Bedarf dann selbst bricht. Euer Artikel war fair und transparent, weshalb ich euch gerne unterstütze.

    Recherchen sind nicht immer einfach und man muss seine Informanten auch schützen bzw. trifft manchmal falsche Entscheidungen. Gut, dass Uebermedien sich da selbst kritisch hinterfragt. Allerdings würde ich Kruses „Fehler“ nicht als solchen beschreiben. Es ist eher ein entschuldbares Versäumnis.

    Dass Fredrich einen manipulierten/bearbeiteten Mitschnitt veröffentlicht… Dazu fällt mit nichts mehr ein…

  2. Der einzige Vorwurf, den man Jürn Kruse machen könnte: nicht erahnt zu haben, wie dünnhäutig der Meister des Ausrastens und Austeilens ist, wenn es ans Einstecken geht.

    Dieses Versäumnis würde mir an Kruses Stelle aber keine schlaflosen Nächte bereiten. 😇

  3. Ich bin hier wirklich etwas hin und hergerissen, da ich sowohl Katapult abonniert habe als auch – wie ja BF auch – Uebermedien gern unterstütze. Ich denke, die Geschichte ist inzwischen heißer gekocht worden als sie jemals hätte werden sollen und ich wünsche mir, dass BF euch hier noch einmal entgegenkommt. Er wirkt halt wie ein beleidigtes und cholerisches Kind und das wird ihm und seinem Magazin nicht gerecht.

  4. Ehrlich gesagt enttäuscht mich diese Reaktion von Übermedien. Es geht hier bereits um Vorwürfe mangelnder Transparenz, Unaufrichtigkeit und generell unannehmen Verhaltens. Wieso schreibt Ihr dann z.B. ohne weiteren Kontext: „Er beschimpft unseren Redaktionsleiter Jürn Kruse als #lügenjürn.“? Das war (nach Aussage von Fredrich) eine Reaktion auf Rosenkranz’ Tweets zu „#kackebenni“ (https://mobile.twitter.com/der_rosenkranz/status/1380511490881552392), was mindestens ebenso beleidigend ist. Das sollte man erwähnen, find ich, wenn man es schon nicht lassen kann, sich über „#lügenjürn“ zu beschweren — oder überhaupt mit so blödsinnigen und niveaulosen Hashtags anzufangen.

    Das soll keine Verteidigung von Fredrich sein, dessen Stil (bzw. Mangel an Stil) mag ich eh nicht. Aber ich bin Fan von Übermedien und finde, dass ihr euch in dieser Geschichte nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Schade :(

  5. Die Frage, was man als komplett Außenstehender nachvollziehen kann oder nicht, ist vllt. nicht unwichtig, aber als Betroffener wäre es für mich schlimmer, wenn Menschen aus meinem Bekannten- und Kollegenkreis mich wiedererkennen, als solche, die am anderen Ende der Republik wohnen und evt. versuchen, mich zu googlen.
    Ansonsten unterstelle ich allmählich mehr böse Absicht als Unfähigkeit, was die mangelhafte Anonymisierung betrifft.

  6. Das ist ja ein so possierliches Hickelhackel, bei dem niemand eine gelungene Figur abgibt, aber die Umstehenden gut unterhalten werden. Und es legt so tiefsitzende Missverständnisse im deutschen Journalismus offen. Niedlich.

  7. Ich habe auch sowohl Ü als auch K abonniert. Letzteres werde ich aber wohl wieder kündigen, obwohl ich das Magazin eigentlich mag. Aber die völlige Unfähigkeit von Fredrich, überhaupt den Kern des Problems zur Kenntnis zu nehmen, und stattdessen in etwas, das als Entschuldigung angekündigt war, so eine Breitseite nachzuschieben, statt sich zur Sache zu äußern Dinge zu widerlegen, die ihm gar nicht vorgeworfen wurden, und Lügen und mehr zu unterstellen, wo er sich selbst widerspricht und offensichtlich die Unwahrheit sagt, disqualifiziert ihn eigentlich für jede journalistische Funktion, erst recht in einer Führungsrolle.

    Schade um das schöne Projekt Katapult. Eingebrockt hat sich das aber nur Fredrich selbst.

  8. @#4, sly


    Wieso schreibt Ihr dann z.B. ohne weiteren Kontext: „Er beschimpft unseren Redaktionsleiter Jürn Kruse als #lügenjürn.“? Das war (nach Aussage von Fredrich) eine Reaktion auf Rosenkranz’ Tweets zu „#kackebenni“

    Der Ausdruck K****benni war seinerseits eine Anspielung auf den Begriff K****ingo, den Fredrich in seinem Buch verwendet. Auch ich fand das unglücklich von Boris, diesen Ausdruck von Fredrich auf ihn selbst umgemünzt zu haben, weil dadurch der sachliche Ton des ursprünglichen Artikels auf eine Penäler-Ebene („Du K*****ingo“ – „selber K****benni“ – „Lügenjürn“) gesenkt wurde. Das ändert aber nichts daran, dass Fredrich selbst diesen Begriff einführt hat (in einem Strudel zahlreicher ähnlicher Ausdrücke), und er nicht in der Lage ist, die Berichterstattung über ihn mit seinem eigenen Verhalten zuvor in Verbindung zu bringen, und er stattdessen dies zum ungerechtfertigten Angriff umdefiniert, der dann wiederum seine Verteidigung legitimiert. Anders gesagt: er scheitert am Spiegeltest.

  9. Guten Abend,

    das Interessante an der Auseinandersetzung ist, dass hier zwei Magazine involviert sind, die ich beide schätze. Bei Übermedien vs. BUNTE o. ä. muss ich in der Regel wenig grübeln, hier ist es anspruchsvoller.

    @ #9: Aus meiner Sicht scheitern beide Seiten am Spiegeltest. Die Übertragung eines despektierlichen Namens von einer Buchfigur auf eine lebende Person ist aus meiner Sicht durchaus ein Eskalationsschritt seitens ÜM, und dies nicht zu erwähnen, wenn man der anderen Seite ihre Benennungen vorwirft, hat auch ein G´schmäckle. Alles in allem erinnert die Aufdröselung, wer worauf mit welchen Bezeichnungen, und zwar jeweils übertrieben, reagiert hat, wie die alte Sandkasten-Diskussion, wer angefangen habe, mit Förmchen zu werfen.

    Was mir gefällt, ist aber der sachliche Duktus der ÜM-Antwort, auch wenn man manche Punkte noch mal im Detail diskutieren könnte.

    In der ganzen Diskussion gibt es eine logische Hürde, über die ich nicht wegkomme (Fredrich nennt sie auch, aber sie drängt sich mir unabhängig auf): Es wird kritisiert, dass eine reale Person hinter eine fiktiven erkennbar sei – und dann, dass etwas über die fiktive gesagt werde, was „gar nicht stimme“, als würde es das noch schlimmer machen. Tatsächlich scheint es den Vorwurf der Erkennbarkeit eher in Frage zu stellen, weil sich damit die Darstellung von der realen Person weg zu Verfremdung bewegt. Und damit ja auch bei allen anderen Punkte in Frage stellt, ob die der angeblichen realen Person zuzuschreiben sind oder doch reine Erfindung. Vielleicht überschätzt ja auch der sich gemeint Fühlende, wie gut er tatsächlich nach außen hin erkennbar ist. Das kann man als Außenstehender naturgemäß nicht einschätzen.

    Ich glaube nicht, dass ich mit Herrn Fredrich näher zusammenarbeiten wollte. Auch den angekündigten Text „Fredrich rastet aus“ zum Thema werde ich vermutlich nicht lesen, auch wenn er vielleicht eine ganz eigene Art von Ästhetik haben könnte. :-) Aber einen Grund, dass sehr interessante Katapult-Magazin zu deabonnieren, sehe ich in diesem Sturm im Wasserglas auch nicht. Und so sehr ich das Bedürfnis von Journalisten beiderseits verstehe, Dinge „richtig“ darzustellen und auch zu kritisieren, fände ich es Energieverschwendung, hier noch weiter in die Details zu gehen.

  10. Schade. In der Sachebene herrscht ja offenbar weitgehend Einigkeit, was man jeweils hätte besser machen können und dann entsteht da so ein Konflikt daraus. Den #Kackebenni fand ich jedenfalls auch unnötig.
    @Xenia: Wenn man Personen zeichnet, die reale und identizierende Merkmale tragen, wird es ja dazu führen, dass ich als Halbwissender, der sie erkennt, dann die fiktiven Merkmale auch der Person zuordne. Da liegt das Problem. Man fängt dann ja nicht an zu denken: Ach, dann ist ers doch nicht.

  11. Mein (vollkommen subjektiver) Eindruck von Herrn Fredrich, nicht erst nach seinem jüngsten Beitrag, ist, dass er sich selbst für zu wichtig hält, gerne mit seinen Erfolgen prahlt und bei anderen Maßstäbe ansetzt, denen er selbst nicht immer gerecht wird. (Letzteres trifft vermutlich auf die meisten Menschen zu, mich eingeschlossen. Außerdem sind solche Ferndiagnosen eh schwierig, da viele anderen Facetten der beurteilten Person zwangsläufig unberücksichtigt bleiben. 100 Schritte in den Schuhen des anderen laufen und so.)

    Irgendwie habe ich aber auch den Eindruck, dass in dieser Auseinandersetzung etwas hochkocht, dass diese Aufmerksamkeit gar nicht wirklich verdient. Ehrlich gesagt lese ich das ganze eher interessiert amüsiert, als schockiert und betroffen. Den #kackebenni hätte sich Übermedien/Rosenkranz natürlich gerne sparen können, auch wenn es im Kontext zumindest nachvollziehbar ist, wo er herkam. Dennoch kein konstruktiver Beitrag in der Sache.

    Ich mag Euch trotzdem.

  12. Die Kommentare hier sind richtig schön balanciert. Daumen hoch!

    Ich war vorm Lesen des Artikels ja gespannt, wie Niggi den Spagat zwischen Verteidigung des Redaktionsleiters (Loyalitäts-Pflicht), der argumentativ gefütterten Journalismus-Kritik (Opfersicht von BF) und dem allgemeinen Selbstanspruch von Übermedien (Top-Down Strukturen aufdecken & humanistischen Journalismus machen) ausführen wird.

    Und ich finde, dass der Fokus am Ende doch stark verrutscht ist in Richtung: Die eigene Marke schützen & „Benni Friedrich ist mindestens genauso Täter wie Opfer“!

    Punkt 1)
    Das mit #kackebenni von Boris Rosenkranz wurde ja schon von Sly beschrieben.

    Punkt 2)
    Benni Friedrich steht alleine gegen 3 Publizisten von Übermedien. Woraus natürlich systembedingt direkt der Luxus auf Seiten von Übermedien entsteht, dass aus 3 unterschiedlichen Richtungen gegen BF zu argumentieren. (das heißt nicht, dass es so intendiert war, aber es ist halt faktisch Realität)
    – Kruse horcht Friedrich kumpelhaft aus, um dann einen nicht-kumpelhaften Artikel zu schreiben.
    – Rosenkranz würzt das satirisch überspitzt.
    – und nachdem Friedrich das kumpelhafte & satirisch überspitzte kontert – in einer daran angepassten Form(!) – schreibt Niggi einen Text, der dann Seriösität & Präzision hochhält.

    Punkt 3)
    Ich weiß nicht, ob es auf persönlicher oder Business-Ebene irgendwelche Animositäten vor Veröffentlichung des Kruse-Artikels von Seiten Übermedien in Richtung Benni Friedrich gab. Aber falls nicht, wundere ich mich ein wenig, wieso Übermedien, nach der Replik von Friedrich nicht zum Hörer gegriffen hat, um den Konflikt zwischenmenschlich zu klären?
    Ich meine, Samira El-Ouassil veröffentlicht so viele Texte auf Übermedien in denen sie betont wie viel gewonnen wird, wenn dem Gegenüber Raum gegeben wird. ( https://uebermedien.de/57222/eigentlich-ist-es-ganz-leicht-nicht-ueber-menschen-sprechen-sondern-mit-ihnen/ ) Wieso wurde hier, bei einem immer noch sehr kleinem Konflikt-Gegner, so viel Wert auf die Wahrung Unanfechtbarkeit gelegt?

    Punkt 4)
    Was hindert Übermedien daran zu sagen:
    – „Kruse hat investigativen Journalismus betrieben. Investigativer Journalismus ist halt nicht straight forward.“
    – „Wir haben die Kritik von Friedrich am Interviewstil gelesen. Danke für den Input – auch wir sind nicht perfekt!“
    – „Übermedien hat nicht das Ansinnen einzelne Personen fertig zu machen. Nichtsdestotrotz sind wir im Kontext unserer Recherche weiterhin der Meinung, dass Friedrich als Person des klaren Wortes eben auch harte & fundierte Kritik in dieser Form aushalten muss.“
    – „Friedrich meint, „Ingo“ & „Nele“ könnten durch seine Veröffentlichung keine Unannehmlichkeiten im größeren Bekannten- oder Verwandtenkreis widerfahren. Wir sind da anderer Meinung.“
    – „Wir haben seine Replik unter unseren Originalartikel verlinkt“

    Ich denke, dieses Statement von Niggi ist eine vertane Chance gewesen, um ein Beispiel zu setzen, wie öffentliche Fehlerkultur aussehen kann jenseits von „Wir dürfen keinesfalls nachgeben oder unsere Marke beschädigen“.

    Schade.

  13. Als eine Konsequenz sollte sich Übermedien überlegen, ob es wirklich nötig ist, dass alle auf ihrem individuellen Twitteraccount die Artikel mit Kommentaren anreichern oder in diesem Fall (#kackebenni) anarmern müssen. Schließlich gibt es einen allgemeinen Account von Übermedien, auf dem man sowas machen kann und so die Meinung der Marke zum Ausdruck kommt.
    Auch die manchmal etwas albernen Kommentare über die Subjekte der Berichterstattung sollte man überdenken. Die Sachlichkeit der Artikel hier unterscheidet sich doch signifikant von den Twitterauftritten, das tut der Reputation nicht gut. Denn offenbar bedeutet bei Vertretern aller politischen und publizistischen Denkrichtungen von Dobler über Brechtken bis Kuhnke und auch Übermedien Twitter an – Hirn aus!

  14. Es ist, wie es manchmal im ganz normalen Leben geht: Zwei Leute, die man mag (bzw. hier: Zwei Leute, bei denen man mag, was sie machen, denn ich kenne beide nicht persönlich), haben Stress miteinander. Dann möchte man am liebsten, dass sie wieder miteinander klarkommen, damit man sich nicht zwischen beiden entscheiden muss. Auf der sachlichen Ebene hat eindeutig ÜM meine Zustimmung. Auf der persönlichen hoffe ich, dass Benni Friedrich zur Vernunft kommt und mit dem Scheiß aufhört.
    Aber ob das nun geschieht oder nicht, ist für mich kein Anlass, mich von ihrer Arbeit abzuwenden, die ich weiterhin für gut und vor allem hoch notwendig halte.

  15. Katapult? Noch nie gehört. Skandalgeschichte von Übermedien? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin ÜM-Förderer und liebe die HP aufgrund der hohen Glaubwürdigkeit.
    Ich habe mir jetzt das fast eineinhalbstündige Interview angehört, die Artikel und Repliken gelesen.
    Mein Fazit: Was wird hier (von beiden Seiten) eine Provinzposse aufgebauscht? Schade, dass Jürn Kruse nicht gleich gesagt hat, um was es ihm beim Interview geht. Ich hätte als Benni Friedrich tatsächlich auch das Gefühl gehabt, aufs Glatteis geführt worden zu sein. Das war es dann aber auch. Friedrich und ÜM haben sich für ihre jeweiligen Verfehlungen entschuldigt. Das wars.
    Nicht ganz. Katapult hat mich neugierig gemacht. Werde es wohl für ein Jahr abonieren. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass Herr Friedrich den künstlich aufgepuschten Karren an die Wand fahren könnte. Freiburg hatte mal solch einen Wunderpresseknabe, der die bundesweit gefeierte Neugründung ZaS an die Wand gefahren hat. Auch dort zählten Freie nichts.

  16. @#13, Dom

    Ich sehe es ziemlich ähnlich wie Dom.
    Ich finde Herrn Kruses Verhalten in dieser Causa nicht in Ordnung – nicht an den Maßstäben gemessen, die ich an Übermedien anlege, als Abonnement seit Tag 1.
    Das geht deutlich besser und auch wenn Herr Fredrich in Allgemeinen ein grober Keil ist, der gern kräftig zulangt, wenn ihm etwas nicht passt, heißt dass nicht, dass die Art der Interviewführung in Ordnung war. Ich hätte mich da auch getäuscht gesehen. Und der Twitterbeef – nunja, muss jeder selbst wissen, aber dass es die Sache nicht besser macht, sollte auch klar sein.

    Ich erwarte mehr von euch. Legt bitte dringend an euch die Maßstäbe an, die ihr auch an andere anlegt. Das fehlt hier ein wenig, die Entschuldigungen war doch eher lau. Und Herr Fredrich sollte aufhören, zu krawehlen wie ein 3jähriger, sich ebenfalls ehrlicher entschuldigen, eigenes Fehlverhalten erkennen und besonders sollte er keine Interview-Mitschnitte verfälschen.

    Fazit: Zwei gute Magazine haben sich nur so mittelprächtig hier präsentiert. Passiert. Weitermachen.

  17. Ich möchte gerne auch hier kurz auf die Kritik antworten an dem Hashtag, den ich auf meinem Account genutzt habe. Ich schrieb gestern dazu auch schon in unserem Übonnent*innen-Newsletter.

    Der Hashtag war eine Referenz auf „Kacke-Ingo“, eine Figur aus Fredrichs Buch, um die es in unserem ersten Text unter anderem ging, und es war eine Referenz auf Fredrich selbst: Schimpfwörter sind sein Markenkern. Ich verstehe dennoch die Kritik, ich verstehe auch, dass sich der Bezug in einem Tweet zu einem Text, der zunächst hinter der Paywall war, nicht erschließt. Doof.

    Aber sollte das eine Kampagne werden? Nein. Erst recht keine Kampagne, wie sie nun Fredrich (extrem persönlich) gegen unseren Redaktionsleiter fährt.

  18. @13 Dom:

    Ganz kurz zu dem, was Sie schreiben:

    Herr Fredrich ist nicht „alleine gegen 3 Publizisten von Übermedien“. Herr Fredrich hat mehr als 30 Mitarbeiter*innen. Und: „Kumpelhaft“ und „Nicht-Kumpelhaft“ sind hier keine Kategorien. Es war ein freundliches Telefonat – und es ist ein kritischer Text. Das eine schließt das andere nicht aus.

    Überraschend finde ich, dass Sie die Form, mit der Fredrich reagiert, „angepasst“ finden. Ich in vielen Punkten nicht.

    Und, naja: Marken-Schutz. Natürlich nehmen wir öffentlich Stellung dazu, wenn uns öffentlich im Kern falsche Vorwürfe gemacht werden. Und ganz besonders wollen wir unseren Mitarbeiter vor extrem persönlichen Anfeindungen schützen.

    Zu Punkt 4: Schöne Sätze dabei!

    (Fredrichs Text haben wir bereits unter unserem verlinkt.)

  19. Hallo Herr Rosenkranz,

    zunächst mal danke dafür, dass Sie hier antworten.

    @18: Verständnis ist gut und wichtig, aber teilen Sie die Kritik auch? Was genau ist „doof“? Dass die Referenz hinter der Paywall war? Dass Fredrich andauernd flucht? Dass Sie den Hashtag genutzt haben? Anders gesagt: Schimpfwörter mögen Herrn Fredrichs Markenkern sein, aber die Frage ist, warum Sie Schimpfwörter benutzen. Der Markenkern von Ihnen oder Übermedien sind sie ja hoffentlich nicht.

    @19: „Zu Punkt 4: Schöne Sätze dabei!“ Ja, aber die hat Dom gesagt — und er hat auch gleich gefragt, warum Übermedien diese Sätze nicht sagt.

    Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Sie und Übermedien in der ganze Sache sehr defensiv und mit einem gewissen Beißreflex agieren und ich verstehe ehrlich gesagt nicht warum. Warum nicht sagen: „‚#kackebenni‘ war unter meinem Niveau, tut mir leid.“ Warum nicht auf Doms 4. Punkt antworten mit: „Stimmt, das hätten wir sagen sollen. Haben wir hiermit nachgeholt (siehe Link xyz). Schade, dass wir das nicht gleich getan haben.“ Stattdessen kommt ein unspezifisches „doof“ und „schöne Sätze dabei“. Sie sollen doch nicht Doms Sätze bewerten.

    Warum so schmallippig?

  20. Wow ist das persönlich, BFs Keilen gegen Jürn Kruse. Es liest sich bei BF streckenweise so als ob ein völlig medienfremder gutmütiger Hans guck in die Luft einem abgezockten Springer Stinkstiefel begegnet, der ihn gnadenlos vorführt.
    Es ist so menschlich daß man sich auf dem falschen Fuß ertappt fühlt und erschrocken ist. Doch die Reaktion erscheint mir unangemessen.

    Was haben Ausbildung oder Selfies mit dem Fall zu tun? #character-assasination.

    Wie okay ist es, ohne Einverständnis einen Mitschnitt zu veröffentlichen, der ihm transparenterweise zur Verfügung gestellt wurde? Ist es legal?

    Wieso sorgt es für Empörung, sich auf ein Interview vorzubereiten& vorab zu recherchieren? Ist es das Äquivalent davon, eine Agenda zu haben?

    Es ist eine sehr unsouveräne Reaktion.
    Ich verstehe wenn man sich persönlich angegriffen fühlt sich BF macht die Sache mit seiner Reaktion größer als sie ist – und lässt sich selbst nicht unbedingt besser dastehen.

    Es ist übrigens eine große Freude, die vielen klugen und interessanten Kommentare oben zu lesen, unabhängig von der jeweiligen Meinung.

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