Wochenschau (93)

Exklusiv: Live aus dem Clubhouse Weekly Clubhouse Room Daily Update auf Clubhouse

Montagmittag auf Clubhouse Screenshot: Clubhouse

Sprecher 1: Hallo, sind alle online? Sind alle da? Ich fang mal an, es kommen ja sicher noch ein paar Zuhörer hinzu. Ah, ein Clubhouse-Zuhörer, sehr gut. Herzlich willkommen zu unserem ersten und einzigen Clubhouse Weekly Clubhouse Room Daily Update auf Clubhouse, wo wir über das Clubhouse-Branding, die Clubhouse-Performance, das Clubhouse-Storytelling und den Clubhouse-Buzz der neuen Plattform Clubhouse sprechen werden. Ich moderiere diesen Clubhouse-Raum, wir haben heute einige Sprecher hier im Raum: mich und noch eine Version von mir, und es kann sich gerne jeder in das laufende Gespräch mit mir selbst dazuschalten.

Für die, die zum ersten Mal bei uns sind, eine kurzer Reminder wie Clubhouse und die Teilnahme an unserem Clubhouse-Gesprächsraum hier funktioniert: Derzeit befindet sich die reine Audio-App ja noch in der Betaphase, das heißt, im Augenblick können interessierte NutzerInnen nur von anderen Clubhouse-NutzerInnen eingeladen werden. Auf der App selbst können Clubhouse-Teilnehmer Räume erstellen, in denen sie über Themen sprechen, interessierte Zuhörer können dazukommen und dem Gespräch still lauschen, so wie hier. Möchte sich jemand am Gespräch beteiligen, kann er digital die Hand heben und von einem Moderator, also mir in diesem Fall, ins Gespräch geholt werden.

Oben rechts findet ihr den Kalender, wo die für euch interessanten Gespräche der nächsten Zeit angezeigt werden. Morgen um 19:00 Uhr unterhalten sich zum Beispiel vier Clubhouse-Experten über Clubhouse, reinhören wird bestimmt unvorstellbar aufregend und sehr innova – ah, wir haben schon einen User, der die Hand hebt. Ja, du hast das Wort.

Sprecherin 2: Danke, ich wollte nur anmerken, so neu ist die Idee nun an und für sich ja nicht, im Grunde sind das ja einfach verstimmlichte Chatrooms, so wie wir sie in den Neunzigern und Mitte der zweitausender Jahre hatten. Als das Internet noch aus Holz war und Geocities-Seiten als schön galten, da hatten sich doch fremde Menschen allabendlich in AOL-Chatrooms verabredet, um die Welt zu zerreden oder sich Links von rotten.com hin und her zu schicken. Es gab meist einen Moderator, man musste um Einlass in die Chatrooms bitten und konnte dem Gespräch zuschauen oder sich daran sogar beteiligen.

Sprecherin 3: Das stimmt, die Mechanik ist nicht neu, im Grunde genommen ist es eine Lagerfeuerkommunikation oder vielleicht etwas moderner: Es ist die Art von Interaktion, die man hat, wenn man sich auf einer Party oder einer Messe zu einer Gruppe Menschen mit seinem Getränk stellt und ihren Gesprächen über Kryptowährung oder das noch ungeschriebene Buch zuhört.

Sprecher 4: Ihr habt beide natürlich nicht unrecht, aber hier im Clubhouse kann man sich ja dazu verabreden, einem Gespräch lauschen zu dürfen, und weiß im Gegensatz zu aufgeschnappten Dialogen auch schon im vorhinein, worum es gehen wird. Es ist ein im Kalender eingetragener Blick durchs Schlüsselloch – aber für die Ohren.

Das ist ja erstmal nicht unpraktisch: Wenn man mir sagt, morgen um sieben telefonieren fünf Expertinnen miteinander, um einen Weg zu finden, die Welt zu retten, würde ich aus Akustik-Voyeurismus doch durchaus gerne heimlich zuhören können.

Sprecherin 3: Du hast gerade das Prinzip von Podcasts beschrieben.

„Du hättest dabei sein müssen!“

Sprecher 4: Jein, es ist im Grunde die konsequente Weiterentwicklung einer Symbiose von Podcasts, Sprachnachrichten und Chatrooms. Sendungsbewusstsein und Mitteilungsbedürfnis können hier sehr niedrigschwellig und unkompliziert verbunden werden mit dem Angebot einer planbaren, aber gleichzeitig vergänglichen akustischen Interaktion. Die Gespräche sind wie ein Liveevent, das hinterher nicht mehr abgerufen werden kann. Man kann sie auch nicht per Screencaption aufzeichnen. Von der Plattform werden die Gespräche mitgeschnitten, aber nur dann gespeichert, wenn ein Verstoß gegen die Community Guidelines erfolgte, um diese zu dokumentieren. Aber hat man einem Gespräch nicht beigewohnt, wird man es nie wieder abrufen können und sich auf ewig anhören müssen: „Du hättest dabei sein müssen!“

Sprecherin 2: Man hätte die App einfach gleich FOMO nennen können. Ich glaube, es geht nicht mal um das Hören von Informationen, das vielleicht auch, aber es ist zudem die Angst davor, eine gute Konversation verpasst zu haben.

Sprecherin 3: Hm, hm, hm. Interessant ist vor allem, dass gerade in einer Zeit, wo das Gefühl, etwas zu verpassen, komplett runtergefahren wurde, weil alle daheim sind und es dementsprechend nichts zu verpassen gibt, eine elitär-hermetisch anmutende App aufploppt, die so viele und durchtaktete Interaktionen verspricht, dass man einen Kalender braucht, um die Events überhaupt planen zu können.

Sprecherin 2: Im Grunde ein öffentliches Zoommeeting, nur ohne Bild. Und wenn ich etwas während der Pandemie nicht noch mehr möchte: Gesprächskonferenzen um zehn Uhr morgens.

Sprecher 4: Vielleicht ist es ja genau deshalb die Plattform zur Pandemie. Wisst ihr noch, wie im April plötzlich mehr gesendet wurde? Es entstanden Podcasts, Tagebücher, es wurden Instalive-Streams terminiert, Kammer-Konzerte zu festen Tageszeiten geplant, Stand-Ups und Lesungen organisiert. Es war, als kompensierte jeder durchs digitale Senden die äußeren Strukturen, die komplett weggefallen waren. Diese App ersetzt nun aber nicht das Ausbleiben von Kulturveranstaltungen und Live-Performances, sondern die Kommunikation und Lausch-Dynamik von Tischgesprächen, Café-Dialogen, Bar-Smalltalk, Messe-Austausch, Panelrunden, Party-Geplauder. Und die Einordnungen, die dort stattfinden sind nicht mehr nur einseitig sendend, sondern dialogisch mit den Hörern.

Reproduzierte Homogenität

Sprecherin 2: Ja, aber so dialogisch oder interaktiv ist es dann doch auch wieder nicht. Die Medienwissenschaftlerin Danah Boyd hat mal erklärt, dass Jugendliche im Internet immer dasselbe machen wie im Offline-Leben auch: sich Räume suchen, wo Erwachsene nicht sind. Deswegen ist TikTok zum Beispiel so erfolgreich bei einer bestimmten Demographie, deswegen will keiner mehr bei Facebook sein. Ist das bei Clubhouse nicht auch so? Ist die Mechanik, dass nur von NutzerInnen eingeladene NutzerInnen Teil der Plattform sein dürfen, nicht auch unangenhem exkludierend?

Wenn jeder nur zwei Personen einladen darf und jeder seine eigenen Peergroups bestückt, dann reproduzieren wir die Homogenität mancher Räume auf dieser neuen Plattform und ihren Gesprächsbühnen.

Bourdieu, der in „Die feinen Unterschiede“ über die soziologischen Manöver der Eliten schreibt, die sie kultivieren, um unter sich zu bleiben, hätte seine helle Freude an einer Anwendung gehabt, die ausgerechnet „Clubhouse“ heißt. Das ist das Soho House als App, die exklusive Privatparty als kommunikative Infrastruktur.

Sprecherin 3: Und nur für iPhone Nutzer!

Sprecher 4: Aber vielleicht ist es auch genau andersherum. Gerade wenn zum Beispiel politische oder gesellschaftspolitische Themen verhandelt werden, kann man auf mehr überparteiliche Kommunikation hoffen. Eventuell erreichen diese Gesprächsräume by Design genau das, was als Mantra gegen eine politische Polarisierung immer wiederholt wird: Sich aussprechen lassen. Meinungen, die der eigenen nicht entsprechen anhören. Sich insgesamt gegenseitig mehr zuhören.

Sprecherin 2: Ach Gott, das ist ja süß. Sorry, aber das ist naiv. Ganz praktisch kannst du als stiller Zuhörer den Moderator oder die Sprecher nicht kritisieren oder korrigieren für das was sie sagen, wenn sie dir buchstäblich keine Redeerlaubnis erteilen. Die falschen Informationen und menschenverachtende Inhalte können also einfach verbreitet werden. Es gibt auch kein Korrektiv in Form von Bewertungsmechanismen. Du kannst Hass-sprechende Personen nur blocken oder einen Verstoß gegen die Community Guidelines vermelden. Das Ergbnis ist bereits jetzt eine Menge Räume, die für die Verbreitung von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie genutzt werden. Auch Verschwörungstheoretiker, die von anderen Plattformen verbannt wurden, finden dort neue Bühnen.

Kritikloser Hype

Sprecherin 3: Gut, aber das Problem hat ja jedes unmoderierte soziale Netzwerk. Du stellst gerade fest, dass Clubhouse so problematisch ist wie Telegram oder Signal.

Sprecherin 2: Ja, aber Telegram und Signal werden nicht von Oprah Winfrey, Paris Hilton oder Drake beworben, als wäre es der hot shit.

Sprecherin 3: Also ist das Problem der kritiklose Hype?

Sprecherin 2: Ja, auch, vor allem auf Grundlage der manipulativsten und ältesten Marketing-Strategie: Künstliche Verknappung. Je strenger der Türsteher, desto begehrenswerter der Club. Spürst du nicht auch den Unangenehmheit des Hypihypes?

Sprecherin 3: Ich spüre vor allem die High-Profile-Multiplikatoren, die dazu beigetragen haben. Besonders ungewöhnlich, bemerkenswert oder kritikwürdig ist diese Strategie übrigens nicht, Google+ war zu Beginn auch nur per Einladung nutzbar, StudiVZ ebenso, und es gab das soziale Netzwerk „Ello“, dessen ganzes Idee darauf basierte, nur von Usern eingeladene User aufzunehmen. Nach der Betaphase wird der Zugang einfacher ermöglicht werden.

Sprecher 4: Neben diesem Kartoffeltrick kuratiert eine Invite-Only-Politik natürlich auch gleich die Netzwerkzusammenstellung mit und sorgt für ein eingebautes soziales Korrektiv: auf der Profilseite ist nämlich fortan zu sehen ist, von wen man eingeladen wurde. Man bürgt also öffentlich für die Person, die man ins Clubhouse geholt hat und wählt dementsprechend eher Kontakte, denen man gutes Benehmen zutraut.

Sprecherin 2: Apropos Kontakte: Können wir mal darüber sprechen, dass man der App ohne Not Zugriff auf ALLE seine Kontakte gewährt inklusive Nummern, also ohne, dass die Besitzer der Nummern überhaupt ihr Einverständnis geben? Und können wir darüber sprechen, dass, auch wenn sie nicht gespeichert werden, alle Gespräche mitgeschnitten werden? Und dass wirklich alle Daten gesammelt werden?

Sprecher 1: Da können wir leider nicht mehr drauf eingehen, die Zeit ist rum, danke, dass ihr alle zugehört habt beim ersten und einzigen Clubhouse Weekly Clubhouse Room Daily Update auf Clubhouse, wo wir über Clubhouse clubhouse Clubhouse! Clubhouse!

12 Kommentare

  1. Danke für das umfassende Gespräch mit den verschiedenen Samiras, damit sollte ich jetzt genug darüber wissen, um es nicht selbst ausprobieren zu müssen (wenn ich die Zeit dafür hätte, aber die hat man eh nie sondern muss sie sich nehmen).
    Die Idee halte ich für total bescheuert, dabei war hier nicht mal die Samira dabei, die vielleicht über die Belästigungs- und Trollmöglichkeiten der Plattform gesprochen hat.
    Hoffe ja, die Welle spült schnell vorbei, das Risikokapital ist schnell verbrannt, oder es werden zumindest nur Influencer mit Werbung beauftragt, denen ich entgehen kann.

  2. Was folgt ist erstmal keine Kritik, sondern nur ein Erfahrungsbericht meines Leseerlebnisses.
    Grundsätzlich bin ich durchaus ein Fan der stilisierten Sprachbilder die Samira El Ouassil malt, aber gelegentlich und auch hier, frage ich mich, ob ich alt werde, oder ob es diesmal einfach ein wenig konfuser anfängt.
    Wenn man sich einmal eingelesen hat, ließt es sich ganz flüssig, aber die Überschrift habe ich bestimmt 5 Mal gelesen, bis ich beschlossen habe, dass ich wohl schon verstehen werde worum es geht, wenn ich einfach draufklicke und lese (ich lese jeden Übermedienbeitrag, daher funktioniert das. Wäre es ein anderes Medium, hätte ich wohl eher weiter gescrollt)
    Und auch die ersten paar Absätze waren immer noch eher verwirrend als erhellend. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich wirklich noch nie von dieser angeblich so gehypten App gehört hatte. Wahrscheinlich habe ich in meiner Bubble zu wenig Applenutzer oder Influencer-Beeinflusste, um Trends dieser Art mitzubekommen.
    Es kann natürlich sein, dass ich durch meine wenig trendige Lebensweise oder durch mein gehobenes Alter (30 ist ja quasi gleichbedeutend mit digitalem Fossil) nicht so recht zur Zielgruppe des Artikels gehöre, wenn aber doch, wäre ein etwas zugänglicher Einstieg mir sehr entgegen gekommen.

  3. Ich habe zwei ehrliche Frage, für die ich noch keine Antwort gefunden habe:
    1.) „Von der Plattform werden die Gespräche mitgeschnitten, aber nur dann gespeichert, wenn ein Verstoß gegen die Community Guidelines erfolgte, um diese zu dokumentieren.“ Bin ich das oder heißt „mitgeschnitten“ und „gespeichert“ nicht dasselbe?
    2.) Wer macht die PR? Storymachine? Für eine neue Audio-Snapchat-App sind mir das zu viele Promis auf einmal. Und dann noch der Lindner …

    Und ansonsten: Noch eine Social App die als Sendungsapp konzipiert ist aber Interaktion vorgaukelt. Hoffe, das scheitert. Glaube es aber nicht.

  4. Ist das „Mehr über: Chathouse“ Absicht? Ich erkenne darin einen subtilen Witz aber war der so gedacht? (Dieser Kommentar kann gelöscht werden)

  5. 1. Wie hieß die App noch gleich?
    2. mIRC würde heute noch für Alles reichen.
    3. rotten.com … Ersma auf ebaumsworld guggn ob neuer Salad Fingers da is. Hasse „A Gamer’s Day“ gschaut? Gimma Serva IP, kann grad bissl zoggn, teleniert grad keina! (Ja, so habe ich 2002 echt geschrieben.)
    4. Ich hatte so sehr auf eine Kolumne zur Semsrott-Sonneborn Causa in diversen konservativen Heuchel-Medien gehofft :( Bitte macht hier noch was!
    5. Klapphaus?

  6. @Daniel
    Zu 1) Im Prinzip hast Du absolut recht.
    Man könnte hinein interpretieren, dass der Mitschnitt nur eine gewisse Zeit X (1 Tag? 1 Woche? solche Zeiträume wären sinnvoll) vorgehalten wird und dann gelöscht, es sei denn, da gab es diese etwaigen Verstöße und in dem Fall wird es nicht gelöscht, sondern persistent gespeichert. Technisch ist das natürlich einfach eine temporäre Speicherung, aber semantisch schon ein Unterschied.

  7. @Mycroft: Da geht es mir genau so… wobei ob ich zu alt bin, wenn Christian Lindner dafür wirbt? Aber ich bin auf jedenfall zu arm (okay, vielleicht auch zu eitel, ich werde mir nie ein iPhone kaufen)

  8. Aha, das ist also Clubhouse. OK.
    Dann werde ich nicht aktiv etwas gegen meine Assoziationen zu Clubhouse: nämlich Steak, Hamburger oder Potatoes unternehmen. Und die App bleibt im Appstore.

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