„Das Thema bewegt mich halt sehr”, sagt Thomas Seeling, 53, verheiratet, Vater zweier Kinder, von denen eines auf Lehramt studiert, das zweite die 11. Klasse besucht. Seeling ist seit sechs Jahren im Kreiselternbeirat im hessischen Wetteraukreis und derzeit im Stress. Corona an Schulen war in den letzten Wochen ein Riesenthema. Schulen schließen oder offenhalten? Was muss passieren, um das Ansteckungsrisiko in den Klassen so gering wie möglich zu halten? Die Diskussion reicht von regelmäßigem Stoßlüften, über Masken im Unterricht bis zu Wechselklassen.
Eine Möglichkeit wären auch mobile Luftfilter, die die Viren aus dem Klassenraum fischen.
Die Kooperation
Übermedien arbeitet zum Thema Corona mit den WissenschaftsjournalistInnen von RiffReporter zusammen. Wir veröffentlichen gemeinsam Artikel, die sich mit der Berichterstattung über Corona beschäftigen.
Bei RiffReporter berichten rund 100 freie JournalistInnen gemeinsam zu Wissenschaft, Umwelt, Technologie, Gesellschaft und Internationales. Ein Schwerpunkt ist auch die Berichterstattung über das neue Corona-Virus.
Luftfilter sind für Seeling und den Elternbeirat eine sinnvolle Ergänzung zum Stoßlüften. Der Beirat setzt sich dafür ein, dass sie eine wichtige Rolle in einer Strategie für einen „sicheren Klassenraum” spielen. Die Politik favorisiert indes die preiswerte Lüftungslösung, gestützt auf eine Empfehlung des Umweltbundesamtes, das die wissenschaftliche Studienlage dazu analysiert hatte.
Stoßlüften viel effektiver?
Dann liest Seeling am 25.11. im Lokalteil der „Wetterauer Zeitung” einen Artikel, über den er sich auch Tage später noch aufregen kann. Titel des Artikels: „Viel wirksamer als Luftfiltergeräte.” In der Unterzeile heißt es: „Forscher der Technischen Hochschule Mittelhessen weisen hohen Wirkungsgrad des Stoßlüftens nach.” Der Artikel berichtet darüber, wie zwei Professoren der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), der zweitgrößten Fachhochschule Deutschlands, die Wirksamkeit des Stoßlüftens gegen die Verbreitung des Corona-Virus’ in Aerosolen in einem leeren Klassenraum untersucht haben. In sperrigem Deutsch fasst der Text das scheinbar klare Ergebnis zusammen: „Als wesentliches Resultat zeigte sich, dass die Stoßöffnung aller Fenster über drei Minuten bei Außentemperaturen von 7-11 Grad Celsius die eingebrachte Konzentration an Aerosolen bis zu 99,8 Prozent senkte.”
Dann ein Satz, der Seeling besonders aufregt: „Damit erwies sich die Fensterstoßlüftung um das 10 – 80-Fache wirksamer als ein unlängst dokumentierter Einsatz der maschinellen Luftfilterung.” Fazit: Die Untersuchungen zur Wirksamkeit der Fenster-Stoßlüftung bestätigen die Umweltbundesamt-Empfehlung zur Infektionsvorbeugung uneingeschränkt.
Was Seeling so aufregt, ist die völlig unkritische Darstellung der Untersuchung und ihrer Ergebnisse. Es fällt auf, dass der Artikel kein kritisches Wort zur THM-Studie verliert. Es gibt keine Informationen zur Aussagekraft der Untersuchung, oder zu Problemen mit dem Stoßlüften, keine Angaben zur Finanzierung oder welche andere Forschung es zum Thema gibt. Welche die angesprochene Vergleichsstudie sein soll, erfährt man ebenso wenig, wie eine Erklärung, ob die beiden Untersuchungen überhaupt so einfach zu vergleichen sind. In welchem Fachmagazin wurde die Studie eigentlich veröffentlicht? Wer hat sie finanziert? Fragen über Fragen stellen sich Seeling und seinen Mitstreitern im Kreiselternbeirat nach diesem Artikel, der die Ergebnisse der THM-Forscher in bestem Licht erscheinen lässt.
Pressemitteilung –> Artikel
Das wiederum kann niemanden überraschen und auch die Eltern finden schnell heraus: Der Text in der Zeitung ist ein klassisches Beispiel für Copy-Paste-Journalismus. Die Pressemitteilung der Uni wurde eins zu eins übernommen.
Eine kurze Recherche auf der Webseite der „Wetterauer Zeitung“ verrät, dass das kein Einzelfall ist: Immer wieder finden sich Pressemitteilungs-Texte der Fachhochschule in der Zeitung, wenn es um Corona-Forschung der THM geht, mal gekürzt, mal komplett übernommen.
Man könnte dieses Durchreichen der Forschungs-Pressemitteilungen als Teil der Beschleunigung der Wissenschaftskommunikation in der Corona-Krise betrachten. Es sind schwere Zeiten, in denen wichtige Forschungsergebnisse möglichst schnell zugänglich sein sollten. So etwa lautet die Begründung für die inzwischen selbst bei Laien bekannten „Preprints”. Das sind Fachartikel der Forschungs-Studien, die bereits auf Servern frei zugänglich sind, bevor sie in einem Auswahlprozess und einer Begutachtung durch Kollegen – dem PeerReview – mehr oder weniger streng auf Herz und Nieren geprüft und dann veröffentlicht werden. (Es gab sie indes auch schon in Vor-Corona-Zeiten).
Aber wenn die Fachhochschule das doch sagt
Der Autor
Marcus Anhäuser arbeitet seit 20 Jahren als freier Wissenschaftsjournalist und unterstützt KollegInnen bei der Berichterstattung über Medizin- und Ernährungsthemen im Rahmen des Medien-Doktor-Projektes. Bei den Riffreportern erzählt er die Wissenschaftsgeschichte der Gen-Schere CRISPR/Cas9 in der „#CRISPRhistory“.
Und warum sollten Pressemitteilungen von Forschungsergebnissen einer großen Fachhochschule nicht für eine Berichterstattung genügen? Wenn sich doch auch bei den Erfolgsmeldungen zu den ersten Corona-Impfstoffen die Medien geradezu überschlagen haben, die Ergebnisse der Pharmafirmen – denen ja sonst niemand traut – durchzureichen, ohne einen Blick auf die genauen Studien-Daten werfen zu können?
Nun, zum einen: Ob es gut oder schlecht war, nur auf Grundlage von Pressemitteilungen über die noch nicht zugelassenen Impfstoffe zu berichten, darüber herrscht tatsächlich Uneinigkeit, deren Spannbreite in diesenbeiden Artikeln besonders gut abgedeckt wird
Zum anderen: Pressemitteilungen von Universitäten oder Forschungseinrichtungen als alleinige Quelle journalistischer Beiträge zu nutzen oder sie gar einfach durchzureichen, ist kein spezifisches Corona-Phänomen, sondern war schon immer ein Problem.
Wer erinnert sich nicht an den Brustkrebs-Test der Uni-Heidelberg, den die „Bild“ zur „Weltsensation!” hochgejazzt hatte, und viele Medien mitzogen, obwohl die Daten noch in keinem einzigen Fachartikel veröffentlicht waren und lediglich in einer Pressemitteilung der renommierten Heidelberger Uniklinik verkündet wurden. Später erwiesen sie sich als völlig haltlos.
Ein Jahr warten auf die umfassende Publikation
In der Medizin ist das noch nicht mal ungewöhnlich. Wenn etwa auf einem Kongress die handverlesenen Studienergebnisse des neuen Diabetes-Mittels oder eines Blutdrucksenkers auf einer Pressekonferenz präsentiert werden, der Fachartikel dazu aber erst Monate später erscheint. 2018 hatten sich US-Forscher dieses Phänomen speziell für Krebsmedikamente angesehen und festgestellt, dass im Durchschnitt fast ein Jahr vergangen war, bis die Publikation in einem Fachmagazin mit dem Begutachtungs-Prozess der Pressemitteilung der Firma folgte.
Pressemitteilungen aus Wissenschaft und Medizin können dabei auf den großen Vertrauensvorschuss setzen, den die Bevölkerung (wie auch Journalistinnen und Journalisten) der Forschung seit jeher entgegenbringen, wie Umfragen jedes Jahr auf’s Neue bestätigen.
Nur stellt sich die Frage, ob man dieses Vertrauen auch einem traditionellen Werkzeug von PR und Marketing wie der „Pressemitteilung” entgegenbringen sollte. Auch Universitäten und Forschungsorganisationen stehen im Wettbewerb um Forschungsmillionen. Der Druck, Drittmittel einzutreiben, wächst – und damit auch der Drang die eigene Institution in bestem Licht zu präsentieren. Die Pressestellen der Universitäten haben in den letzten Jahren ihr Personal erheblich aufgestockt – nicht nur um der hehren Wahrheit und Transparenz zu Sichtbarkeit zu verhelfen.
Werbung für die eigene Forschung
Die Leiterin des britischen Science Media Centers Fiona Fox hatte vor einigen Jahren schon über ihre Skepsis gegenüber Forschungspressemitteilungen in ihrem Blog geschrieben:
„Ich habe das schreckliche Gefühl, dass wir, wenn wir die schlimmsten Zeitungsschlagzeilen nehmen und ihre Ursprünge zurückverfolgen würden – die Pressemitteilung in weit mehr Fällen schuld sein könnte, als wir alle zugeben möchten.“
Dass Pressemitteilungen aus Forschung und Wissenschaft mit der Schönfärberei in anderen Bereichen mithalten können, zeigen einige Untersuchungen. Pressetexte tragen regelmäßig mit dazu bei, dass wissenschaftliche Ergebnisse übertrieben dargestellt und wahrgenommen werden. Je nach Arbeit und Untersuchungsgegenstand finden sich Übertreibungen und positiver „Spin” in ca. 20 bis 50 Prozent der Mitteilungen.
In einer erst kürzlich auf einem Kongress vorgestellten Arbeit wurde herausgefunden, dass bei Pressemitteilungen von Universitäten die Rate der Übertreibungen etwa 50 Prozent höher lag als bei Mitteilungen von Fachverlagen, die damit einen ihrer Fachartikel bewerben. Auch wenn insgesamt der Trend in den letzten zehn Jahren leicht rückläufig war.
Bessere Pressemitteilungen sind möglich …
Dass Pressemitteilungen zum Teil unterirdisch sein können, belegen einzelne Bewertungen des Projekts Medien-Doktor am Lehrstuhl für Wissenschaftsjournalismus der TU Dortmund, das über mehrere Jahre die Qualität solcher Mitteilungen aus der Wissenschaft verfolgt hat. Siehe etwa hier, hier und hier.*
Der Fairness halber sei aber auch darauf verwiesen, dass Pressemitteilungen durchaus besser sein können als der journalistische Beitrag, weil etwa Interessenkonflikte und Angaben zur Finanzierung gemacht werden, die dann aber im journalistischen Artikel fehlen, wie diese Beispiel hier, hier und hier zeigen.
… und bessere Einordnung nötig
Das ganze Problem wäre wahrscheinlich nur halb so schlimm, wenn es erstens genug JournalistInnen gäbe, die diese Pressemitteilungen professionell einschätzen und bearbeiten könnten. Und zweitens, das Zielpublikum dieser „Pressemitteilungen“ nicht massiv ausgeweitet worden wäre. Die Wahrheit ist: Pressemitteilungen in ihrer ursprünglichen Form gibt es eigentlich gar nicht mehr.
Dass diese Texte vom Namen her „Mitteilungen an die Presse” sind, stimmt schon seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr, seit Universitäten und Forschungseinrichtungen mit dem Aufkommen des Internets ihre „Neuigkeiten” über eigene Webseiten oder spezialisierte Plattformen wie EurekAlert, Alpha Galileo oder den deutschen Informationsdienst Wissenschaft (idw) frei zugänglich machen, und sie damit jeder lesen, verlinken und in Diskussionen verbreiten kann – egal ob er oder sie die Ergebnisse kritisch hinterfragen kann oder nicht
Dass mit der Ausweitung der Publikationszone auch eine größere Verantwortung verbunden sein könnte, weil viele Laien der Wissenschaft blind vertrauen und zugleich die Qualität von Forschungsergebnissen eher schlecht als recht einschätzen können, ist ein Umstand, den heute noch so mancher Vertreter aus den PR-Abteilungen überraschend findet.
Innerhalb der Szenen der Wissenschaftskommunikation ist man sich des Problems durchaus bewusst. Im Sommer 2016 trafen sich im Rahmen des „Siggener Kreises” Wissenschaftskommunikatoren, Forscherinnen und Wissenschaftsjournalisten, um einen Leitfaden und eine Checkliste für gute Wissenschaft-PR zu entwickeln.*
Auch wenn diese Leitlinien in der Szene immer bekannter werden, zum Teil auch übernommen wurden oder als Anregung für eigene Richtlinien dienten, bleibt das grundlegende Problem, dass es sich um eine reine Selbstverpflichtung handelt, die zudem auch nicht überprüft wird. Denn die Wahrheit ist auch: Pressestellen werden an vielen Hochschulen immer noch als reine Dienstleister für gute Publicity betrachtet. Da werden Fragen der Pressestellenmitarbeiterin an einen Professor, ob er einen Interessenkonflikt hat, als abwegig betrachtet und nicht als Transparenzmaßnahme.
Viele Pressemitteilungen, wenige Journalist*innen
Fatal wird das Ganze, wenn der Hang zum Marketing auf prekäre Verhältnisse im Journalismus trifft. Regionalzeitungen sind zunehmend schlecht aufgestellt, wenn es um Wissenschaftsberichterstattung geht. Immer weniger leisten sich den Luxus eines eigenen Ressorts oder einer Redakteurin, die wissenschaftliche Ergebnisse angemessen bearbeiten kann. Auch die berühmte Nähe zur Hochschule in der Region verhindert immer wieder eine kritische Berichterstattung. Und dann werden Mitteilungen der Uni auf den Lokalseiten eben eins zu eins weitergereicht, wie im Fall der „Wetterauer Zeitung“.
Thomas Seeling und seine Mitstreiter im Kreiselternbeirat waren jedenfalls so empört über den Bericht ihrer Zeitung, dass sie das machten, was eigentlich ein Journalist der „Wetterauer Zeitung“ hätte tun müssen: Recherchieren. Zum Beispiel gingen sie der Frage nach, ob denn die Ergebnisse schon in einem Fachmagazin veröffentlicht wurden (wurden sie nicht), und ob es einen Auftraggeber gab. Die Zeitung präsentierte die Kritik des Elternbeirats an der Studie in einem eigenen Artikel zwei Tage nach dem ersten Bericht.
Der Artikel rückte einiges gerade und brachte die Zweifel des Kreiselternbeirats zum Ausdruck, es handele sich um politisch genehme Auftragsforschung. Dem widerspricht indes einer der Forscher vehement. Die Studie sei entstanden, weil man vom Sozialministerium um eine Stellungnahme zu einer anderen Untersuchung mit Luftfiltern gebeten wurde, die er selbst kritisch sehe. Finanziert sei die Untersuchung aus eigenen Mitteln, eine Information, die in der Pressemitteilung nicht zu finden war. Unbeteiligte Forscher, die die Ergebnisse einordnen, gab es indes auch in diesem Beitrag nicht.
Auch die dpa ordnet die THM-Studie nicht ein
Doch von dieser Einordnung, der Kritik und der Erwiderung hat der Rest der Republik gar nichts mehr mitbekommen. Die erreichten nur die Inhalte aus der ursprünglichen THM-„Pressemitteilung” zur Studie. Die dpa hatte sie in einem bundesweit verbreiteten Artikel aufgegriffen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Untersuchung lieferte auch dieser Beitrag nicht. Er übernahm, was die THM lieferte.
Und am Ende hatte die Pressemitteilung der THM auch noch ihren Weg an die gewünschte Öffentlichkeit gänzlich an der Presse vorbei gefunden. Ein gemeinsamer Rundbrief (in Form eines PDFs) des Staatlichen Schulamts in Hessen, der Stadt Marburg und des Landkreises Marburg Biedenkopf an alle Eltern vom 27. November erläuterte, warum Präsenzunterricht so wichtig sei und wie das am besten gelingen könne.
Im letzten Absatz heißt es dort:
„In diesem Zusammenhang hat die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) hilfreiche Ergebnisse einer aktuellen Studie zum Lüften und zur Wirksamkeit von Luftfiltergeräten veröffentlicht: Stoßlüftung um ein Vielfaches wirksamer als Luftfiltergeräte (thm.de).“
Der Link führte direkt zur Pressemitteilung der THM.
*) Offenlegung: Der Autor ist seit 2010 Mitarbeiter des Projektes Medien-Doktor der TU Dortmund. Er hat 2016 innerhalb des Siggener Kreises an den Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR mitgearbeitet.
1 Kommentare
Faulheit, personalmangel, schlechte bezahlung, redaktionelle vorgaben, ideologieabhängigkeit, zeitdruck, virtue-signaling, nanny-attitude.
Bevor der journalist ihres unerklärlichen vertrauens auch nur eine zeile schreibt, müsste er versuchen, wenn eine spur intellektueller restscham in ihm verblieben sein sollte, seinen parcours zur wahrheitsfindung so zu gestalten, dass er nicht zuverlässig über einen, mehrere oder alle dieser steine stolpert. Als k.t. guttenberg unerklärlicherweise noch als exzellentes kanzlermaterial galt, ändert ein witzbold einmal einen seiner zwei dutzend vornamen auf wikipedia. In der folge übernahmen die meisten der publikationen, die seine öde schnöseligkeit zu einer hohen adeligkeit verklären wollten und uns seine sämtlichen vornamen dafür vorleiern mussten, selbstverständlich auch den falschen. Wikipedia, ideologie und pressemitteilungen, das ist das gebräu aus dem der journalismus heute zu grossen teilen besteht. Und was man selber recherchiert, ist meist nur noch der pfad, auf dem man zu der erwünschten geschichte, dem vorgegebenen framing oder dem angesagten spin gelangt. Über greta, klima, gender, migration lesen sie nichts, was nicht vor recherchebeginn schon feststeht. Relotius zeigte das. Und wie es gemixt wird, so schmeckt das gebräu dann auch. Natürlich ist übermedien ganz anders.
Faulheit, personalmangel, schlechte bezahlung, redaktionelle vorgaben, ideologieabhängigkeit, zeitdruck, virtue-signaling, nanny-attitude.
Bevor der journalist ihres unerklärlichen vertrauens auch nur eine zeile schreibt, müsste er versuchen, wenn eine spur intellektueller restscham in ihm verblieben sein sollte, seinen parcours zur wahrheitsfindung so zu gestalten, dass er nicht zuverlässig über einen, mehrere oder alle dieser steine stolpert. Als k.t. guttenberg unerklärlicherweise noch als exzellentes kanzlermaterial galt, ändert ein witzbold einmal einen seiner zwei dutzend vornamen auf wikipedia. In der folge übernahmen die meisten der publikationen, die seine öde schnöseligkeit zu einer hohen adeligkeit verklären wollten und uns seine sämtlichen vornamen dafür vorleiern mussten, selbstverständlich auch den falschen. Wikipedia, ideologie und pressemitteilungen, das ist das gebräu aus dem der journalismus heute zu grossen teilen besteht. Und was man selber recherchiert, ist meist nur noch der pfad, auf dem man zu der erwünschten geschichte, dem vorgegebenen framing oder dem angesagten spin gelangt. Über greta, klima, gender, migration lesen sie nichts, was nicht vor recherchebeginn schon feststeht. Relotius zeigte das. Und wie es gemixt wird, so schmeckt das gebräu dann auch. Natürlich ist übermedien ganz anders.