Aus dem Archiv
Mehr zur Krise der Stadtmagazine, die wegen der Corona-Pandemie neue Wege finden müssen, publizistisch wie organisatorisch: hier.
Die erste Ausgabe des „Coolibri“ erschien 1983, angeblich noch in einer Wittener Privatwohnung zusammengebastelt. Über die Jahre entwickelte sich das Veranstaltungsmagazin zu einer Institution an Rhein und Ruhr. Wer wissen wollte, was los ist im Revier (oder, naja: in Düsseldorf), sah dort hinein: Veranstaltungskalender, Restauranttipps, Plattenbesprechungen. Alles da.
Doch damit ist vermutlich bald Schluss. Einen richtigen Chefredakteur oder eine -redakteurin hatte der „Coolibri“ schon länger nicht mehr, das Magazin dümpelte so vor sich hin, die Titelseite meist verkauft an Anzeigenkunden, etwa regionale Festivals. Und nachdem gedruckte Stadtmagazine angesichts digitaler Medien ohnehin an Bedeutung verloren haben in den vergangenen Jahren, droht dem „Coolibri“ nun das endgültige Aus.
Vorige Woche bereits haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Magazins ihre Kündigung bekommen; die meisten davon sind offenbar freigestellt. Der Verlag, in dem das Heft seit einigen Jahren erscheint, soll nun abgewickelt werden, wie er auf Anfrage bestätigt: „Die coolibri media GmbH & Co. KG befindet sich ab Juli in Liquidation“, schreibt Geschäftsführer Thomas Hefke.
Offizielle Begründung:
„Die Corona-Pandemie hat den Eventsektor in Nordrhein-Westfalen auf unabsehbare Zeit lahmgelegt und damit den Werbeerlösen unserer Magazine die Basis nahezu vollständig entzogen.“
Vermutlich ist es also die Krise, die auch dem „Coolibri“ den Dolchstoß versetzt – wie kürzlich erst der Berliner Legende „Zitty“. (Wobei beide Blätter in Haltung, Stil und Bedeutung nur schwer vergleichbar sind.)
In den vergangenen Jahren stand es jedenfalls schon nicht gut um den „Coolibri“, das (laut Eigenwerbung) „deutschlandweit auflagenstärkste Kultur-, Veranstaltungs- und Stadtmagazin“, das immerhin zwei Nebenbuhler überlebt hat: die einstige Party-Magazin-Kette „Prinz“ und den lokalen „Marabo“. Beide sind bereits vor etlichen Jahren verblichen.
Das lang andauernde Print-Sterben ist gerade im Ruhrgebiet exemplarisch anzuschauen, auch bei Tageszeitungen. Zum 35. „Coolibri“-Geburtstag im Jahr 2018 gab sich der Verlag trotzdem noch betont hoffnungsvoll:
„Eine Geschichte, auf die das Team stolz ist – und auch stolz sein kann: Denn in Zeiten, in denen Printmagazine um ihr Überleben kämpfen, ist der coolibri an seinen Auslagestellen stets schnell vergriffen und dadurch ein gefragter Partner für Anzeigenkunden und Veranstalter. Ein guter Grund also, um optimistisch in die Zukunft zu sehen und gleichzeitig den Weg bis hierher zu feiern.“
So optimistisch werbend klingt das heute nicht mehr.
2013 hatte sich das Dortmunder Zeitungshaus Lensing Media, das auch die „Ruhr Nachrichten“ herausgibt, den „Coolibri“ einverleibt. Auch andere Titel gehören dazu, zum Beispiel der Restaurant-Ableger „Ruhrgebiet geht aus“, „Ruhrgebeef“ und seit 2017 auch das vorher eigenständige Stadtmagazin „Heinz“. Wie es mit all den Titeln jetzt weitergehen wird – und ob überhaupt –, dazu sagt der Verlag erst mal nichts.
„Eine finale Entscheidung zu den Marken ist noch nicht gefallen und in den kommenden Wochen zu erwarten“, schreibt Geschäftsführer Hefke. Im August soll jedenfalls noch einmal ein „Coolibri“-ePaper erscheinen, aus Gründen:
„Selbstverständlich werden wir allen laufenden Verpflichtungen nachkommen, darunter auch bereits geschlossenen Verträgen mit Werbekunden.“
Wer das Blatt machen soll, nachdem der Redaktion gekündigt wurde, ist unklar. Vielleicht ein kleines Team dann freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; offenbar laufen dazu noch Gespräche. Hefke sagt jedoch nichts dazu, um wie viele Angestellte es sich handelt und wie mit ihnen jetzt verfahren wird:
„Bitte haben Sie Verständnis, dass es hierbei um persönliche Vertragssituationen und laufende Entwicklungen geht, zu denen wir erst mit Einverständnis der MitarbeiterInnen Auskunft geben können.“
Kurz gesagt: Es sieht nicht gut aus für das Magazin, das zum Beginn des Lockdowns Ende März ein Heft rausbrachte, das wegen des langen Vorlaufs nahezu vollständig Makulatur war. Seither gibt es nur noch das ePaper. Dass das nach August abermals erscheint, ist wahrscheinlich eher unwahrscheinlich.
Mehr zur Krise der Stadtmagazine, die wegen der Corona-Pandemie neue Wege finden müssen, publizistisch wie organisatorisch: hier.
Den „Dolchstoß“ mag Corona dem Coolibri verpasst haben, dabei aber nur den Monat des endgültigen Absterbens des Stadtmagazins. Obwohl man sich 2018 noch hoffnungsvoll gab, konnte man das Siechen länger beobachten, etwa bei den verkauften Titelseiten, den monatlichen Werbespecials etc. Mag sein, dass die 10er Jahre nicht mehr die Zeit der großen Stadtmagazine gewesen sind, Lensing Media war seit 2013 Mutter des Coolibri und hat es offensichtlich nicht geschafft, das Magazin zu retten. Thomas Hefke war neben Geschäftsführer auch CDO von Coolibri, dessen Webseite sich mit peinlichen Listicals und albernen Klickstrecken hervortat. Twitter und andere soziale Medien wurden zuvor wenigstens noch ausgereizt, mit Reportern auf lokalen Festivals etc. So wirkt es als hätte man ein digitales Stadtmagazin zwar versucht, ist aber krachend gescheitert.
@Felix Hoffmann: Exakt das! Ständige Kurswechsel und brutale Sparmaßnahmen, obenauf kam (sofern man diversen Berichten von Ex-Mitarbeitern glauben kann) wohl ein schreckliches Arbeitsklima sowie eine übermäßig hohe Mitarbeiterfluktuation. Die Probleme waren hausgemacht und Corona einfach nur der kleine Anstoß, den es für das Aus noch brauchte.