Burda erweckt Fake-Tochter von Prinzessin Diana zum Leben
Heute beginnen wir im Unterleib von Prinzessin Diana und landen im Kopf von Burda-Vorstand Philipp Welte. (Hätten wir auch nicht gedacht, dass wir das mal schreiben müssten.)
Denn heute ist uns am Kiosk die „Freizeit Spaß“ aufgefallen, eines der größten Blätter auf dem Regenbogenmarkt. Es verkauft mehr als 300.000 Ausgaben pro Woche, fast so viele wie der „Focus“.
Titelgeschichte diese Woche: Michael Schumacher – die vierundvierzigste seit seinem Unfall, wenn wir richtig gezählt haben. Diesmal ist die große Nachricht, dass der Sohn von Michael Schumacher ein T-Shirt trug, auf dem stand: „Through this together“.
Aber darum soll es hier gar nicht gehen.
Die viel krassere Geschichte ist die über Prinzessin Diana. Eine „sensationelle Enthüllung“ verkündet die Burda-Zeitschrift: „Das ist ihre heimliche Tochter“.
In der Regel stellt sich bei solchen Schlagzeilen im Innenteil heraus, dass nicht Diana eine heimliche Tochter hat, sondern der Schwager ihrer Friseurin eine neue Katze. Doch in diesem Fall verbirgt sich hinter der Ankündigung tatsächlich das, was versprochen wird: eine sensationelle Geschichte.
Prinzessin Diana, schreibt „Freizeit Spaß“, habe vor ihrer Hochzeit mit Prinz Charles auf Anordnung der Queen eine gynäkologische Untersuchung machen müssen, „um sicherzustellen, dass sie ihm auch Erben schenken kann“. Dabei habe jedoch ein „perfides Prozedere“ stattgefunden:
„Die Ärzte befruchteten in vitro eine Eizelle Dianas mit Charles‘ Erbgut. Die künstliche Befruchtung gelang. Der Embryo sollte danach eigentlich vernichtet werden. Doch einer der Mediziner pflanzte ihn heimlich seiner Ehefrau ein. Sie trug, ohne dass es jemand erfuhr, das erste gemeinsame Kind von Diana und Charles aus: ein Mädchen, dem das Paar den Namen Sarah gab.“
Als sie 20 war, seien ihre Zieheltern bei einem Verkehrsunfall gestorben. Später habe sie ein Tagebuch gefunden, „das ihr die Wahrheit offenbarte“. Doch sie sei „weder an die Öffentlichkeit“ gegangen, noch habe sie „Kontakt zum Königshaus aufgenommen“.
„Das Schicksal Dianas muss ihre eine Warnung gewesen sein, sich vom Palast fernzuhalten – und besser ein Leben im Verborgenen zu führen.“
Ans Licht gekommen sei die Sache erst jetzt durch das US-Magazin „Globe“, das „die Bombe platzen“ ließ und „sogar ein Foto von Tochter Sarah“ zeigte, schreibt „Freizeit Spaß“.
So weit die Informationen, die der Burda-Verlag in dieser Woche mehr als 300.000 Käuferinnen und Käufern vermittelt. Kommen wir nun zu den Informationen, die sie nicht erfahren.
Alles Fiktion
Fangen wir an bei „Globe“, dem US-Magazin, auf das sich die „Freizeit Spaß“ beruft. Wir haben lange überlegt, wie wir es in Worte fassen sollen, aber am besten schauen Sie einfach selbst:
Aus solch einer Quelle bezieht der Burda-Verlag also seine Nachrichten.
Nun zur Diana-Geschichte. Diese sei „jetzt an Licht“ gekommen, schreibt „Freizeit Spaß“. Schon das stimmt nicht: Sie erschien vor acht Jahren. 2012 titelte „Globe“: „Bombshell New Book – Princess Diana’s Secret Daughter!“
Darin wird – unter Berufung auf ein kurz zuvor erschienenes Buch – die gleiche Geschichte erzählt: gynäkologische Untersuchung, Arzt klaut Embryo, pflanzt ihn seiner Frau ein, schwupps, heimliche Tochter von Diana und Charles. Allerdings mit einem klitzekleinen Haken:
„the book is a novel“
Das Buch, aus dem die Geschichte stammt, ist ein Roman. Schon im ersten Satz stellt „Globe“ klar:
„A blockbuster book that mixes fact with fiction portrays Princess Diana having a secret daughter“
Selbst ein Quatschblatt wie „Globe“ weist seine Leser also wenigstens im Innenteil darauf hin, dass die Geschichte ausgedacht ist. Doch bei Burda wäre auch das schon zu viel des Journalismus; „Freizeit Spaß“ tut einfach so, als wäre das alles wirklich passiert.
Und das angebliche Foto der „heimlichen Tochter“? „Globe“ schrieb ausdrücklich, dies sei eine „phtoto recreation of how she would look today“, also eine Fotomontage. „Freizeit Spaß“ verschweigt das und behauptet, es sei ein echtes Foto der echten heimlichen Tochter von Charles und Diana.
Burdas Verantwortung
„Es ist Zeit“, sagte Burda-Vorstand Philipp Welte vor eineinhalb Jahren. Zeit,
„über die fundamentale gesellschaftliche Funktion zu reden, die uns Verlage einzigartig macht: Als journalistischer Teil der Medienindustrie sind wir der wertegebundene Gegenentwurf zu der nicht enden wollenden Flut an manipulativem Content, mit dem die Menschen heute in den sozialen Netzen konfrontiert sind.“
Damals startete Burda mit anderen Verlagen die Initiative „True Media“, die erklärte:
Wir investieren in die Wahrheit
Unsere publizistische Verantwortung nehmen wir sehr ernst – in Print und Digital. Wir recherchieren, wir überprüfen und wir separieren die Wahrheit, auch die unbequeme, von der Falschinformation – ob es um politische, inspirierende oder unterhaltende Inhalte geht.
Im Gegenteil.
Nachtrag, 15. September: Der Presserat hat eine öffentliche Rüge gegen „Freizeit Spaß“ ausgesprochen. Der Beschwerdeausschuss stellte „einen schweren Verstoß gegen die Pflicht zur sorgfältigen Recherche nach Ziffer 2 des Pressekodex und gegen das Wahrheitsgebot nach Ziffer 1“ fest.
Danke für den Artikel. Wie viel Bullshit Verlage wie Burda ohne Gewissen in diese Magazine kippen, ist unglaublich.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass man durch die Auflistung dieser Bullshit-Artikel und den Der-Wahrheit-Verpflitchet-Statements der Verlage nicht weiterkommt. Die Geschichten sind immer ausgedachter Blödsinn, die veröffentlichenden Verlage sind immer gegen Lügen und für den Qualitätsjournalismus. Diese Diskrepanz kann man auflisten, sie ist schließlich ein Skandal. Aber sie ist immer gleich.
Vielleicht muss man auf die persönliche Ebene der Redakteure gehen. Dort hat ja jemand diese Geschichte im Netz gefunden und übersetzt ins Müll-Magazin Freizeit Spaß geschrieben. Und der Autor oder der Redakteur hielt es für nötig, seine Leser anzulügen und hat verschwiegen, dass die Nachricht aus einem fiktiven Buch stammt.
Irgendwo im Prozess meinte jemand, dass er das nicht erwähnen müsse oder dass man das mit dem Buch lieber rausstreiche. Ganz bewusst (in einem System, dass dieses Verhalten begünstigt). Wie leben die Redakteure damit? Wie erklären sie das ihren Eltern? Gibt es Gewissensbisse oder sehen sie sich eher als Unterhalter und nicht als Journalisten?
Es ist bestimmt schwierig da ranzukommen. Vor allem an aktuelle Redakteure. Aber ehemalige? Anonym?
300.000 wöchentliche Käufer war der einzige Fakt, der mich schockierte.
Sehr seltsam ist ja auch, dass dieses Lügenblatt die Sensationsmeldung über Dianas heimliche Tochter etwas verschämt auf die Seite neben die grosse drölfzigste „Schumi-wieder-da“-Lüge klemmt. Das müsste ja eigentlich doch wegen der Tragweite die grosse Titelstory sein.
Oder wird dann doch noch verschämt zwischen den Grössenordnungen der Lügengeschichten priorisiert?
Gesindel…
Passt doch alles: In dem Zitat wird nur der Anspruch formuliert, die Wahrheit von den Falschinformationen zu separieren – niemand sagt, was von beidem dann in den Druck geht.
„Es verkauft mehr als 300.000 Ausgaben pro Woche“
Mei, sind die Kollegen aber fleißig!
„Schumi ist über den Berg“ soll wohl heißen, dass sein Haus auf einer Anhöhe steht. Müsste zwar „überm Berg“ heißen, aber das Korrektorat hatte an dem Tag frei.
Die Fotomontage finde ich tatsächlich gelungen – so viel Mühe machen die sich sonst nie. yayHey!
Ich weiß nicht, was Burda-Vorstand Philipp Welte an Drogen zu sich nimmt um derart irre Reden zu halten. Aber ich will das Zeug auf keinen Fall probieren müssen. Ganz offensichtlich zerstört es den Verstand.
Auch wenn das nichts entschuldigt: Ist es möglich, dass die in der Readaktion so schlecht Englisch können, dass die die Hinweise auf „fiction“ einfach ueberlesen/nicht verstanden haben? Aber naja, Welte wird ja bald wieder eine Sonntagsrede halten wo er vom verantwortungsbewussten, einordnenden Journalismus schwafelt; es ist halt traurig, wenn echter Journalimus uebermässig kritisiert wird während sich lupenreine „Luegenpresse“ jede Woche viele 100.000 Male verkauft :)
Witzig ist ja auch, dass die „Freizeitspaß“ das Foto der angeblichen Diana-Tochter aus dem „Globe“ gespiegelt hat, damit beide – Diana und „Tochter“ die selbe Blickrichtung haben…
@Teekay
In Anbetracht der Fülle an Lügen, Verdrehungen und reinen Erfindungen glaube ich bei den Mitarbeitern dieser Redaktionen (sofern nicht schon Roboter dort am Werke sind) nicht an einen Mangel an Englisch-Kenntnissen, sondern an ein erhebliches Maß an Niedertracht, Verschlagenheit und Skrupellosigkeit. Kurz: charakterlicher Verrottung.
Von Vorstand Philipp Welte ist anzunehmen, dass er von ähnlicher Natur ist. Anders, sofern man nicht tatsächlich die Einnahme bewusstseinsverändernder Substanzen unterstellen will, ist sein Sonntagsgewäsch nicht zu verstehen. Der Mann weiß doch ganz genau, was da in den Redaktionsstuben abgeht. Aber es ist ihm egal. Und die Folgen für die Opfer solcher Lügengeschichten sind ihm auch egal. So egal, wie die Leser, die jede Woche belogen werden.