Beschwerden über die Brema: Journalisten wollen Rauswurf nicht auf sich sitzen lassen
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) protestiert gegen den Ausschluss von Medienvertreter/innen bei einer Sitzung der Bremischen Landesmedienanstalt (Brema). Vorige Woche hatte der Medienrat der Brema getagt und beschlossen, in einem Tagesordnungspunkt nicht öffentlich zu tagen – obwohl nicht klar ist, ob es dafür eine rechtliche Grundlage gibt. Normalerweise tagt das 30-köpfige Kontrollgremium öffentlich.
„Wir halten diesen Ausschluss für rechtswidrig“, schreibt der Landesvorstand der dju Niedersachsen-Bremen nun in einem offenen Brief und wendet sich an die Rechtsaufsicht der Brema:
„Wir fordern den Bremer Senat […] auf, den Vorgang zu prüfen und dafür zu sorgen, dass Pressefreiheit und Gesetze zur Herstellung von Transparenz künftig eingehalten werden. Der dju-Landesvorstand fordert den Senat ferner auf festzustellen, welchen Einfluss die Direktorin auf die Entscheidung genommen hat, die Presse auszuschließen, und ob für die Zukunft gewährleistet ist, dass sie ihre Aufgaben als Medienkontrolleurinwahrnehmen und die Rechte der Presse achten wird.“
Der Medienrat, schreibt die dju weiter, habe nicht einmal den Versuch unternommen, „seine Entscheidung über den Ausschluss kurz zu begründen“. Dies sei aber das Gebot jedes rechtsstaatliche Verfahrens.
„Auf diese Freiheit sind die Bremer stolz“
Eine ähnliche Beschwerde beim Bremer Senat bereitet offenbar auch der „Weser-Kurier“ vor, der in Bremen erscheint. Auch einer seiner Reporter war, wie Übermedien, am vergangenen Donnerstag der Sitzung verwiesen worden.
WK-Redakteur Florian Schwiegershausen wurde daraufhin in einem Leitartikel recht deutlich: „Korrekt heißt es Freie Hansestadt Bremen“, schreibt Schwiegershausen. „Auf diese Freiheit sind die Bremer stolz. Dazu gehört selbstverständlich auch die Pressefreiheit.“ Doch die habe ausgerechnet die Mehrheit des Medienrats „mit Füßen getreten“.
Am Ende seines Textes legt Schwiegershausen der Brema-Direktorin den Rücktritt nahe. Sie soll bereits vor der Sitzung des Medienrats intern darauf hingewirkt haben, keine Presse zuzulassen:
„In anderen Bundesländern wäre der öffentliche Druck längst so groß geworden, dass Holsten als Direktorin nicht zu halten wäre. Schon allein wegen des Medienausschlusses ist nun als nächsthöhere Kontrollinstanz der Senat gefragt. Wenn er in diesem Punkt einen Rechtsbruch feststellen sollte, müsste spätestens das das Ende für Holsten als Brema-Direktorin bedeuten. Ein Teil der Medienratsmitglieder sollte auch gleich den Hut nehmen. Schnell sollte jetzt etwas passieren, ansonsten könnten noch andere über die „Podcast-Affäre“ stolpern.“
„Keine Handhabe für Maßnahmen der Rechtsaufsicht“
Wie viel eine Beschwerde bei der Rechtsaufsicht bringen wird, ist fraglich. Wir hatten bereits Mitte Februar bei der Senatskanzlei angefragt, wie sie es bewertet, dass die Direktorin der Brema, Conni Holsten, die Produktion eines Podcasts von einer RTL-Tochter geschenkt bekommen hatte – während die Brema gleichzeitig eine andere RTL-Tochter beaufsichtigen soll. Die Antwort:
„Die Senatskanzlei hat im Zusammenhang mit dem Podcast Fragen an die Bremische Landesmedienanstalt gerichtet, die von dieser beantwortet worden sind. Nach Beurteilung der Senatskanzlei geben die ihr bisher vorliegenden Informationen keine Handhabe für Maßnahmen der Rechtsaufsicht.“
Das klingt schwammig: Welche Fragen die Senatskanzlei der Brema gestellt hat, bleibt offen. Unklar ist auch, was „bisher vorliegende[n] Informationen“ bedeutet. Fehlen noch welche? Hat die Brema nicht alles beantwortet?
Außerdem betont die Senatskanzlei, dass sie sich ohnehin nicht zu sehr einmischen möchte: Sie übe „die Rechtsaufsicht im Hinblick auf die Staatsferne des Rundfunks so aus, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Landesmedienanstalten ein möglichst großer Handlungsspielraum verbleibt“.
Das ist einerseits natürlich sinnvoll und geboten, andererseits die grundsätzliche Crux dieses Aufsichtssystems. Damit nicht der Eindruck aufkommt, die Senatskanzlei mische sich in den staatsfernen Rundfunk oder dessen Aufsicht zu sehr ein, sagt sie lieber nur das Nötigste. Ein Sprecher weist auch noch mal darauf hin, „dass wir in dieser Sache sehr zurückhaltend sind“.
„Es bleibt aber bei unserer Antwort“
Unbeantwortet blieb auch unsere Frage, ob die Brema-Direktorin gegen §54 des Bremischen Landesmediengesetzes verstößt, in dem es heißt, sie habe „für eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit“ zu sorgen. Einen Fragenkatalog von Übermedien zu ihrem Podcast hatte Brema-Direktorin Holsten nicht beantwortet. Nun schweigt auch die Rechtsaufsicht zu diesem Vorgang. Als wir deswegen noch mal nachhaken, schreibt ein Sprecher:
„Ich habe zur Sicherheit gestern Abend noch einmal nachgefragt. Es bleibt aber bei unserer Antwort. Die Senatskanzlei hat den gesamten Sachverhalt in die Bewertung einbezogen. Also die Herstellung und Veröffentlichung des Podcasts sowie den weiteren Umgang der Brema mit dem Thema.“
Wohlgemerkt: Das war vor dem Ausschluss der Presse bei der Medienrats-Sitzung. Die neue Sachlage müsste nun separat vom Senat bewertet werden.
Bemerkenswert ist auch, wie ein Vertreter der Rechtsaufsicht in der Medienrats-Sitzung agierte. Als es dort darum ging, ob ein Journalist (genau genommen: ich) eine Frage stellen darf, schüttelte Timo Utermark von der Bremer Senatskanzlei vehement mit dem Kopf. Dass eine Mehrheit des Medienrats die Frage zuließ, konnte Utermarks Kopfschütteln nicht verhindern, aber es ist bemerkenswert: Hat die Rechtsaufsicht etwas gegen eine Frage eines Journalisten in einer öffentlichen Sitzung? Und falls ja: Wäre sie überhaupt die richtige Instanz, über einen möglichen Gesetzesverstoß der Brema zu befinden, in dem es ausgerechnet um Pressefreiheit und Transparenz geht?
Blöd gefragt, müsste das Protokoll der als vertraulich eingestuften Ratssitzung veröffentlicht werden, wenn man zu dem Schluss käme, dass die Entscheidung, die Öffentlichkeit auszuschließen, rechtswidrig wäre?
Ich vermute eher, wenn rechtswidrig die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, dass die vom Gremium gefassten Beschlüsse unwirksam sind und die Sitzung wiederholt werden müßte, diesmal öffentlich.