Klaas Heufer-Umlauf über seine gescheiterte Rettungsboot-Aktion: „Ich würde es wieder tun“
Im Juli 2018 rief der ProSieben-Moderator Klaas Heufer-Umlauf zu Spenden auf für eine private Rettungsmission im Mittelmeer. Weil das Rettungsschiff „Lifeline“ wenige Tage zuvor beschlagnahmt worden war, wolle er ein Zeichen setzen und konkret Hilfe leisten. Mit dem Geld sollte mindestens ein Schiff gechartert werden. „Ich werde persönlich dafür Sorge tragen, dass das Geld da ankommt, wo es hinmuss.“
Der Aufruf brachte viel Aufmerksamkeit und 297.036 Euro an Spenden. Der Verein Civilfleet Support e.V. wurde gegründet und meldete im August 2018: „Schiff in Aussicht“ und im Oktober: „Wir arbeiten am Schiff“. Doch es kam nie zu einem Einsatz.
Gestern machte das österreichische Online-Magazin „Addendum“ das unter der Überschrift „Kein Schiff wird kommen“ öffentlich. Civilfleet antwortete darauf in einer langen Erwiderung. Die zentralen Fakten sind aber nicht strittig.
Klaas, wie kam es dazu, dass du im Sommer 2018 dazu aufgerufen hast, Geld zu spenden, um Schiffe für die Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu sammeln?
Klaas Heufer-Umlauf: Ich bin mit Erik Marquardt, der sich in der Seenotrettung engagiert, in Kontakt gekommen, und wollte eigentlich zunächst einmal selber Geld spenden, was ich auch getan habe. Jan Böhmermann hatte ja kurz vorher schon einen Aufruf gemacht, für Rechtskosten für die Besatzung der Lifeline zu spenden. Organisationen, die ich wichtig und gut finde, unterstütze ich schon immer, aber ich mache das selten öffentlich. Aber ich wollte Leuten hier die Möglichkeit geben, an einer zumindest kurzfristigen Lösung der Situation im Mittelmeer mitzuarbeiten. Das fand ich damals schon eine gute Idee und finde es immer noch.„Heufer-Umlauf will Boote chartern“ oder „Heufer-Umlauf will Flüchtlinge im Mittelmeer retten“.
Ich habe einem Projekt, das im Entstehen war, ein bisschen Aufmerksamkeit verschafft. Daraus wurde dann in der Wahrnehmung „mein Projekt“. Das fand und finde ich aber nicht schlimm. Ich habe mich nie gezwungen gesehen, diese Differenzierung zu machen.
Das Projekt entstand erst richtig nach deinem Aufruf?
Es gab eine eine Grundidee, dass man ein paar Leute zusammenbringt, die effektiv vor Ort etwas machen können. Ohne einen Spendenaufruf hat man ja kein Geld, das man verteilen kann.
„Ich glaube nicht, dass die Spender enttäuscht sind.“
Wie konkret warst du involviert? Warst du bei der Gründung des Vereins Civilfleet dabei?
Nein. Ich war Initialzündung für die Gründung. Aber es war jedem klar, dass das dann übergeben wird an ein Gremium von Menschen, die auch vor Ort sind und die Erfahrung haben. Das erwartet auch keiner der Spender, dass ich das mache.
Du hast allerdings ein Versprechen abgegeben: „Ich werde persönlich Sorge dafür tragen, dass das Geld da ankommt, wo es hinmuss.“
Ja. Und genau das ist passiert.
Naja!
Doch, das Geld ist dahingegangen, wo man es nach besten Wissen und Gewissen investieren muss, um das zu erreichen, was wir versprochen haben.
Aber meinst du nicht, dass die Leute gedacht haben, dass mit dem Geld, das sie dir zum Chartern eines Schiffes zur Seenotrettung gegeben haben, auch ein Schiff zur Seenotrettung gechartert wird? Dazu ist es nicht gekommen.
Ich glaube nicht, dass die Spender enttäuscht sind. Das Ziel von Seenotrettung ist natürlich, ein Schiff aufs Wasser zu bringen und damit Menschen aus Seenot zu retten. Dass das auch im Normalfall nicht so leicht ist und es viel Zeit und Geld kostet, das ist ja klar. Das Schiff muss so umgebaut werden, dass man damit im Idealfall 200 Leute retten kann.
„Es gibt Situationen im Leben, da muss man das tun.“
Das habt ihr beim Trawler Golfo Azzurro gemacht, den ihr gechartert habt und der unter der Flagge Panamas fuhrt. Dann entzog Panama seine Flagge zwei anderen Booten, die für Seerettungs-NGOs im Einsatz waren.
Panama ist ein Land, das gewisse Handelsbeziehungen mit Italien und der EU hat. Auf einmal sagten die: Das machen wir nicht mehr.
Ein anonymer Experte, den „Addendum“ zitiert, sagt, zu diesem Zeitpunkt hättet ihr noch ohne große Verluste aussteigen können. Stattdessen wurde versucht, das Schiff auf Vanuatu umzuflaggen.
Zu diesem Zeitpunkt kann man entweder sagen: Lassen wir das jetzt komplett, bevor wir noch mehr verlieren? Oder nutzen wir die letzte Tür, die uns noch offen steht, und versuchen, das jetzt zu Ende zu machen. Es gibt Situationen im Leben, da muss man das tun. Es gibt Geld, das man dafür bezahlt, dass man eine Möglichkeit nicht sofort beim ersten Widerstand aufgibt.
Man kann euch vorwerfen, dass ihr Gutes tun wolltet, aber treuherzig und ahnungslos wart und dann in Probleme geraten seid, weil ihr euch einfach nicht auskennt.
Mal abgesehen davon, dass ich Treuherzigkeit sympathischer finde als Kaltherzigkeit, ist das ein falscher Vorwurf. Er klammert total aus, dass sich in dieser Zeit die politischen Umstände wöchentlich geändert haben. Dann hätte man natürlich sagen können: Dann lassen wir es lieber, aber dann wäre auch sicher, dass kein Seenotretter auf den Wassern unterwegs ist. Das heißt, niemand ist auf dem Meer; niemand rettet die Menschen; die Menschen ersaufen. Das passiert gerade und ich finde, dass Leute sich trotzdem diesen wirklich extrem kafkaesken Strukturen da stellen, hat nichts mit Treuherzigkeit oder Ahnungslosigkeit zu tun.
Ihr wart nicht zu blauäugig?
Es ist natürlich leichter, auf dem freien Markt ein Schiff zu chartern als auf einem Markt, der politisch von Woche zu Woche immer enger wird, so dass jeder, der Schiffe verchartert, die Angst haben muss, dass er sein Schiff nicht mehr wiedersieht, weil es aus fadenscheinigen Gründen irgendwo festgehalten wird. Das sind Situationen, die nicht absehbar waren. Wir wussten aber natürlich, dass da Komplikationen kommen werden. Wir wussten, das ist nicht wie ein Tretbootverleih am Ammersee. Vor allem die Leute, die vor Ort schon ihre Erfahrungen gesammelt haben mit Repressalien und immer neuen Stöckchen, die sie in die Speichen geworfen bekamen, die wussten das.
„Improvisieren beinhaltet immer die Möglichkeit zu scheitern.“
Was ist mit dem Geld passiert?
Es ist zum großen Teil dafür verwendet worden, Seenotrettung möglich zu machen. Es ist investiert worden in die Ausbildung der Menschen vor Ort. Es wurde ein Speedboot für die See-Eye 3 organisiert, das Einsätze gefahren ist und aktiv Seenotrettung betrieben hat. Außerdem wurde eine Mission von Sea-Eye bezahlt, die ohne uns nicht stattgefunden hätte und bei der vor Weihnachten dutzende Menschen gerettet wurden. Darüber hinaus gab es Investitionen in das Schiff, das wir chartern wollten. Da gibt es eine komplett eingerichtete Krankenstation. Und einen Tank, der schusssicher gemacht wurde, weil die libyschen Milizen bekannt dafür sind, darauf zu schießen. Die sind dafür gedacht, sie anderen Seenotrettungs-NGOs zur Verfügung zu stellen. Um am Ende irgendwann die Chance zu haben, ein Schiff auf dem Wasser zu haben, das Leute rettet, musst du die Seenotsettungs-Organisationen vor Ort am Leben halten. Das kostet sehr viel Geld. Das ist keine schöne Situation, liegt aber daran, dass diesen Menschen, die den Job machen, von offizieller Seite kein Geld gegeben wird. Und die EU stattdessen libysche Milizen fördert.
Dein Satz lautete: „Ich werde persönlich Sorge dafür tragen …“ Wie hast du das getan?
Wir haben die großen Entscheidungen natürlich besprochen – zum Beispiel, sich einen anderen Flaggenstaat zu suchen, nachdem Panama ausschied, obwohl das mit einer Neuregistrierung und großen Kosten verbunden ist. In dem Moment, wo ich eine Chance darauf habe, dass man einen Flaggenstaat findet wie Vanuatu, der nicht so leicht von Italien unter Druck gesetzt werden kann, da entscheide ich mich natürlich dafür zu sagen: Das probieren wir jetzt.
Aber du bist auch kein Experte für Seenotrettung.
Nein, und viele, die da ehrenamtlich arbeiten, sind es auch nicht. Dennoch wurde in allen wichtigen Momenten Experten eingebunden. Aber grundsätzlich ist das ja das Traurige, dass ich als Fernsehmoderator solche Entscheidungen treffen muss. Das ist die Folge davon, dass diejenigen, die eigentlich dafür verantwortlich wären, sich nicht darum kümmern. Die Alternative wäre: Kein Geld bezahlen, kein Risiko eingehen. Ich könnte als ProSieben-Moderator wunderbar leben, ohne dass ich Gespräche führen müsste wie dieses und ohne dass ich mich mit Artikeln wie dem in „Addendum“ auseinandersetzen muss. Für mich ist das nur ein Risiko. Aber wenn ich für eine Situation, die offiziell nicht gelöst ist, improvisieren muss, weil es eben um Leben und Tod geht, dann lieber improvisieren als Nichtstun, oder? Improvisieren beinhaltet auch immer die Möglichkeit zu scheitern. Ich denke, dass jedem Spender klar war, dass „David gegen Goliath“ eben auch heißen kann, dass Goliath die Nase vorn hat. Was aber nicht heißt, dass man dann damit aufhört. In diesem Fall hat eine Sache aus nachvollziehbaren Gründen nicht geklappt. Aber das motiviert mich eher, weiterzumachen.
Man redet ja kaum noch über die perfiden Machenschaften, die dazu geführt haben, dass Panama einfach diese Flagge aberkennt. Salvini sagt: Entweder die Schiffe werden entflaggt oder hier läuft überhaupt kein Schiff aus Panama mehr in den Hafen. In dem Moment weißt du: Das Geld wird aufgefressen von der Zeit, die man warten muss. In der Zeit ist das Schiff, das dringend gebraucht wird, nicht auf dem Wasser. Wer das lustig findet, kann da schadenfroh sein. Ich bin traurig darüber. Ich finde es zynisch zu sagen: Ach guck mal, die Doofis, hat nicht geklappt.
Du hast auch nicht das Gefühl, dass du dich mit den falschen Leuten eingelassen hat?
Nein, ich habe mich mit den absolut richtigen Leuten eingelassen.
„Das hätte man besser kommunizieren können.“
Hättet ihr eure Unterstützer nicht informieren müssen über all die Komplikationen? Das letzte Update war vom Januar!
Ja, vollkommen. Natürlich muss man viel mehr kommunizieren. Am Anfang haben wir das getan, zuletzt hätten wir mehr kommunizieren müssen. Teilweise hatte es taktische Gründe, gewisse Information nicht sofort zu kommunizieren, um andere Kräfte die gegen ein Gelingen arbeiten, nicht mit der Nase drauf zu stoßen, wo es etwas zu verhindern gilt. Man darf sogar annehmen, dass die Öffentlichkeit mit der die Aktion begleitet wurde, in gewisser Weise sogar ursächlich für den Verlust des Flaggenstaates war.
Es wäre ja auch eine Chance gewesen, die politischen Widerstände und ihre konkreten Auswirkungen zu erklären: Wer arbeitet dagegen, dass so ein Schiff nicht zum Einsatz kommt?
Ja, man hätte ein Lehrstück über die Blockade machen können. Und erklären, dass nicht einfach Geld irgendwo verschwendet wird. Das hätte man besser kommunizieren können.
Welche Lehre ziehst du aus dem Ganzen?
Ich lerne daraus, wie systematisch Lebensrettern das Leben schwer gemacht wird. Das hätte ich so krass nicht erwartet. Heute würde ich wahrscheinlich mit einem größeren Bewusstsein für das Risiko in die Situation gehen. Aber das ändert nichts daran, dass ich es wieder tun würde. Die Konsequenz daraus kann doch nicht sein: Oh, da haben die uns das jetzt kaputt gemacht, dann lassen wir das mal lieber. Dann haben die gewonnen, die Seenotrettung unmöglich machen wollen.
Man ahnt natürlich eine gewisse Schadenfreude: Da hat der Fernsehclown sich ja schön übernommen.
Ja, das ist ein Elfer ohne Torwart. Nach dem Motto: Der Komiker, der sich beruflich einen Donut in den Kopf spritzen lässt, denkt jetzt, er könnte EU-Politik im Alleingang aushebeln. Aber weder die Häme, die von irgendwelchen Idioten mit Nazisymbolik im Profilbild jetzt über mich ausgekippt wird, noch die systematische Verhinderung von Seenotrettung durch die Politik wird mich davon abhalten, immer wieder nach Wegen zu suchen, sie zu ermöglichen oder zu unterstützen. Ich habe deutlich mehr Kritik einstecken müssen von Leuten, die Seenotrettung eh scheiße finden, als von denen, die Geld gegeben haben.
Offenlegung: Der Manager von Klaas Heufer-Umlauf ist auch Manager von Sarah Kuttner und Geschäftsführer der Firma, die unseren Podcast „Das kleine Fernsehballett“ produziert.
Woher kommt eigentlich dieser völlig unkritische Umgang mit addendum? Dass ausgerechnet aus dieser Ecke ein kritischer Artikel über sein Seenotrettungsprojekt kommt, wundert bei übermedien niemanden?
@Gunnar: Aber der Artikel ist doch in Ordnung. Man kann sicher über einige Formulierungen und Details diskutieren, aber es ist doch legitim, kritisch nachzufragen, was aus so einem Projekt geworden ist.
@Stefan
Kritisch nachzufragen, was aus einer Aktion geworden ist, ist natürlich legitim.
Mir geht es eher um die Motivation dahinter. Zumal addendum in Deutschland auch nicht so bekannt sein dürfte.
Die Verbindungen zwischen addendum, Mateschitz, ServusTV, Martin Sellner (der sogar versucht, Seenotretter im Mittelmeer zu behindern!) sind in Bezug auf das Thema der Seenotrettung schon bemerkenswert. Man könnte auch sagen, es hat ein Geschmäckle.
Man könnte natürlich auch im Gegenzug fragen, wieso von den großen deutschen Medien (meiner Kenntnis nach) niemand über den Verbleib der Spendengelder berichtet hat. Belassen wir es also lieber dabei, dass hier vermutlich so einiges falsch gelaufen ist.
@1: Meine Vermutung ist, dass übermedien das Thema aufgreift, damit die gleichgeschalteten rechten Medien nicht den Vorwurf erheben können, sie wären die einzigen, bei denen man Infos dazu bekommt (+SEO Zielgruppe) – Nach wie vor ein vorgeschobenes Argument, um nicht inhaltlich argumentieren zu müssen, aber anscheinend springen wir jetzt grundsätzlich über deren Stöckchen ¯\_(ツ)_/¯
Ich interpretiere das mittlerweile so, dass übermedien die die Funktion des „Sichtbarmachers“ übernimmt. Für mich positiv: Ich hatte vor deren „kritischen Nachfragen“ keine Ahnung was Addendum für ein Verein ist.
@Anderer Max: Das verstehe ich nicht. Was auch immer „Addendum“ für eine politische Agenda hat, ist doch der Bericht journalistisch und sauber. Klaas‘ Aufruf im vergangenen Jahr hat eine große Welle der Berichterstattung ausgelöst. Nachzufragen, was eigentlich daraus geworden ist (insbesondere wenn der Verein selbst schon eine Weile nicht mehr darüber berichtet hat), ist ebenfalls einfach journalistisch.
Und dann wiederum ist es doch normal, Klaas Fragen dazu zu stellen, so dass er sich erklären kann, und am Ende kann sich jeder eine Meinung zu dem ganzen bilden. Dazu muss ich wiederum keine besondere Strategie haben, irgendetwas sichtbar machen zu wollen.
Ich versteh’s wirklich nicht.
@6
Die Kritik basiert wohl auf der zunehmend um sich greifenden Auffassung, dass es gute Medien und schlechte Medien gibt. Gute Medien liegen immer richtig und schlechte auch dann falsch, wenn sie sauber arbeiten. Sowas hat man einfach nicht zu lesen und schon gar nicht als Grundlage für die eigene Berichterstattung zu machen, denn das ist einfach Pfui.
Je nach eigener politischer Auffassung sind immer andere gut oder schlecht; für AfD-Leute ist der ÖR generell böse und für Fans der Seenotrettung eben beispielsweise addendum. Ein völlig unreflektiertes Dogma. Dementsprechend können die Kritiker dann meist auch gar nicht begründen, warum man einen nach journalistischen Maßstäben ordentlichen Artikel nicht ansprechen darf.
Dazu gesellen sich dann noch quasi Verschwörungstheorien, beispielsweise dass man nur notgedrungen berichtet um anderen zuvorzukommen oder irgendwem den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es folgt dann meist noch die Unterstellung die anderen hätten keine Argumente und daher müsse man sich darum auch gar nicht kümmern.
In diesem Fall stört wohl auch, dass die vom Kommentator wohl als grundsätzlich positiv zu wertende Sammelaktion, nun mit lästigen Nachfragen womöglich beschädigt wird.
Aus meiner Sicht eine ganz üble gesellschaftliche Entwicklung, und ich bin froh, dass man hier nicht so arbeitet.
@HHCL
Das ist mir auch schon aufgefallen, zuletzt nebenan bei Herrn Bojanowski.
Offenbar erwarten viele Abonnenten hier eine bestimmte politische und gesellschaftliche Ausrichtung und empfinden davon abweichende Artikel und Meinungen geradezu als obszön.
Wie kann man diesen Eindringlingen in die Übermedien-Filterblase nur ein „Forum oder eine Plattform“ bieten, wie es ja immer heißt.
Ich bin froh, hier nicht immer im eigenen Saft zu schmoren und auch mal andere, vielleicht kontroverse Ansichten zu lesen.
Das sowas in rechtskonservativen oder ganz rechten Blogs nicht passiert, macht Übermedien für mich noch lesenswerter und wertvoller.
Also ich finde, er kommt auch hier im Interview nicht gut weg.
Das mag alles ein hehres Anliegen gewesen sein, aber letztendlich scheint mir die ganze – versuchte – Umsetzung von vorn bis hinten stümperhaft. Ich glaube, es erwartet niemand von Klaas und seinem ehrenamtlichen Team Experten zu sein. Aber Seenotrettungen gibt es jetzt schon so lang, wie schwer wäre es gewesen, sich irgendwo an „Experten“ zu wenden und so Expertise von außen einzuholen, wenn man schon mit dem Geld anderer Leute hantiert? Gerade als Prominenter mit Kontakten in den Medien wird man es doch nicht allzu schwer haben, da irgendjemanden zu finden, der einen da zumindest beraten kann.
Ich finde das hochgradig fahrlässig. Und dann sollen, so glaubt er, die Spender nicht enttäuscht sein? Die Spender nicht mal hinsichtlich des Scheiterns zu informieren, obwohl immer wieder nachgefragt wurde, stellt diese Aussage komplett in Frage. So wie ich das lese, ist das einzige, was er gelernt hat, wie schwierig Seenotrettung ist. Aber der Großteil dieses Lernprozesses hätte schon stattfinden müssen, bevor man anfängt das Geld auszugeben. Das ist wirklich der Inbegriff von „gut gemeint“ vs „gut gemacht“.
Was macht eigentlich Till „vierfuffzisch für Leitungswasser“ Schweigers groß angekündigtes Flüchtlingsheim?
„Gerade als Prominenter mit Kontakten in den Medien wird man es doch nicht allzu schwer haben, da irgendjemanden zu finden, der einen da zumindest beraten kann.“
Das würde aber voraussetzen, dass man sich des Beratungsbedarfes bewusst ist. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass einige Leute sich für so unfehlbar halten – sowohl intellektuell als auch moralisch -, dass eine Beratung aus deren Sicht geradezu Blasphemie wäre. Sie haben immer recht, sind moralisch überlegen und unfehlbar und jeder Kritiker ist ein rechtsextremer Unmensch und Klimaleugner.
@Stefan
Ich finde die Frage nach der politischen Agenda des Mediums und der journalistische Umgang damit ganz spannend.
Um es einmal zuzuspitzen: Was wäre denn, wenn dieser „saubere Bericht“ in der Sezession von Herrn Kubitschek erschienen wäre?
Hätte es dann einen Hinweis für die Leser gegeben? Wenn ja, wo wäre denn die Grenze, ab der so ein Hinweis angebracht wäre? Oder täusche ich mich und das Medium ist komplett irrelevant und es kommt nur darauf an, dass es sauber und journalistisch ist?
(In einem Artikel der Süddeutschen wird übrigens die Frage gestellt, ob addendum nicht Ähnlichkeit mit Breitbart hätte. Das nur zur Verdeutlichung bezüglich der Bewertung.)
#9 „Aber Seenotrettungen gibt es jetzt schon so lang, wie schwer wäre es gewesen, sich irgendwo an „Experten“ zu wenden“
Ich sehe das Problem darin das es eben nicht einfach nur um Seenotrettung geht und das auffischen von Flüchtlingen eben auch politische Hürden mit sich bringt. Wenn da was unterschätzt/verpasst wurde dann wohl es auch politisch auf sichere Füße zu stellen.
Die Lehre hat Klaas Heufer-Umlauf ja auch gezogen.
Insofern bin ich mir nicht sicher wie er bei dem Interview wegkommt. Denn das Fazit lautet meiner Meinung: Alles Geld auf dem Weg zur Startlinie verbrannt. Etwas was mich als Initiator wahnsinnig ärgern würde…
Aber die Leute im Vorstand von Civilfleet, Erik Marquardt und Ruben Neugebauer, sind doch Leute, die sich mit Seenotrettung auskennen.
@Gunnar: Ich weiß nicht, ich finde die Frage nicht so spannend und kann sie auch nicht beantworten. Ja, die SZ hat zum Start (!) die Spekulationen (!) zitiert, ob „Addendum“ sowas wie ein österreichisches „Breitbart“ wird. Ich finde den Vergleich abwegig, habe das Projekt aber auch nicht so im Detail verfolgt.
Ich finde auch das Thema an sich schon interessant und komplex genug, dass ich nicht noch ein Bonus-Dilemma daraufpacken muss, ob ein – im Kern seriöser – Beitrag dazu aus einem Medium stammt, das man trotzdem nicht als solches behandeln darf.
„Ich denke, dass jedem Spender klar war, dass „David gegen Goliath“ eben auch heißen kann, dass Goliath die Nase vorn hat.“
Lächerlich.
Ihr seid Goliath weil es genug gibt die dafür sind.
Die Gegenseite ist David und die haben es geschafft ein Schiff auf die Reise zu schicken!
Mehr als Maulhelden seid ihr Selbstdarsteller aus Fernsehen & Co. nicht, auf Til Schweigers Heldentaten warten wir auch immer noch.
Tja, jeden Gescheiterten trifft die volle Häme des deutschen Michel, da marschieren Links und Rechts stets einträchtig untergehakt. Nur die FDP wird KHU und seine Getreuen loben, denn der Vorsitzende ist ja selber einmal als Unternehmer gesheitert.
Es sei dahingestellt, ob es den „addendum“-Artikel desavouiert, wenn die Intention fragwürdig sein sollte. Immerhin sei festgehalten, dass Herr Heufer-Umlauf und seine Mitstreiter/innen mit dem Geld nicht durchgebrannt sind, sondern das angekündigte Projekt zu realisieren versucht haben. Möglicherweise waren sie da zu blauäugig. Aber auch die Schiffe von „sea-eye“ haben letztes Jahr längere Zeit festgelegen, nachdem ihnen von den Niederlanden die Flagge entzogen wurde. Das ist ein einfaches formales Mittel, um Rettungsmissionen zu verhindern, zumal die Schiffe eine Flagge notwendig brauchen, um fahren zu dürfen, zugleich aber eine rechtliche Kategorie für Boote mit einer solchen Agenda fehlt; am Ende handelt es sich wegen der nichtkommerziellen Zielsetzung der Rettungsorganisationen um „private Ausflugsdampfer“, was wiederum leicht als rechtsmissbräuchliche Kategorisierung qualifiziert werden kann. Mit dem Kauf / der Charter eines Schiffes ist es daher nicht getan, die rechtlichen Fallstricke sind gewaltig und nicht zu unterschätzen.
Thema Expertise: Expert*innen zum Thema Seenotrettung wurden ja offenbar eingebunden bzw. waren im verein ausreichend vorhanden. Expertise dazu, wie man mit den politisch-juristischen Schikanen eines faschistischen Innenministers umgeht, gab es aber zunächst noch nicht, das war für alle Seenotretter*innen learning by doing – manchmal erfolgreicher, manchmal weniger. Trotzdem hätte man die Schwierigkeiten und das weitgehende Scheitern besser kommunizieren müssen. Und grade den Punkt kann man Herrn Heufer-Umlauf, der ja zumindest in Sachen öffentlicher Kommunikation Experte sein dürfte, schon ankreiden.
Thema addendum: Der Wetterbericht muss nicht falsch sein, nur weil er in der BILD steht, wie es so schön heißt. Trotzdem wäre eine Einordnung des Mediums imho angebracht, insbesondere wenn es eben nicht so bekannt ist wie BILD und wenn es eine für das berichtete Thema derart relevante politische Ausrichtung hat.
Wenn ich einen Apfel kaufen will, gehe ich auf den Markt zum Obststand. Dort betrachte ich die Äpfel die mir angeboten werden und suche mir einen aus. Ich bezahle diesen Apfel, weil ich weiß, dass die gesellschaftliche Pflicht, genauer der Rechtsstatus dieser Transaktion dies erfordert. Der Apfel geht nach dem Entrichten des Preises in mein Eigentum über – und ich kann ihn genießen.
Wenn ich allerdings Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten will – ohne mich keines Verbrechens (was schonmal im Kern bei einer Rettung völlig absurd ist) schuldig zu machen, dann muss ich mich auf ein Terrain begeben, welches keine Rechtssicherheit bietet. Ein Gebiet, welches neben außenpolitischen Stimmungen – innenpolitischen Konflikten auch noch regionalen Besonderheiten sowie persönlichen Bereicherungsabsichten unterworfen ist.
Die hier aufgeworfene Empörung ist für mich bestenfalls geeignet um den Initiatoren hier weiteren Mut und Tatendrang „vorzuwerfen“. Was genau passiert ist – können alle Akteure genau belegen – sowie die Entscheidungsführung nachvollziehbar darlegen. Demnach kann nur massiv Lehre aus den erlebten Hindernissen gezogen werden – nebst der Realisation, dass mannigfaltig Kräfte gegen den humanitären Auftrag wirken. Die gesamte Initiative täte gut daran aufzuzeigen wie detailliert Cooling Effekte der Rechtsprechung als Konterpart zur Humanität eingesetzt werden.
Ich finde die Aktion mutig – und nachahmenswert.