Talkshow-Ausschnitte

CDU bespielt Youtube-Kanal „irrtümlich“ mit Clips von ARD und ZDF

Mitte März plauderte Annegret Kramp-Karrenbauer noch über ihre Idee, einen Newsroom einzurichten, eine Art moderne Pressestelle, gut ausgerüstet, um „in Echtzeit auf unterschiedlichen Kanälen zu kommunizieren und eigene Nachrichten zu setzen“. Der Traum: „Herr über die Bilder“ zu sein, völlig unabhängig von anderen. Zum Beispiel von diesen nervigen Journalisten.

Wie weit die CDU davon entfernt ist, lässt sich gerade live beobachten. Seit der Youtuber Rezo seinen Rant mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ ausgestoßen hat, sind alle ganz aufgeregt, verwirrt und vor allem: planlos. Regie führen andere. Und wo es gerade eh so gut läuft, musste die Partei nun auch noch etliche Clips aus ihrem Youtube-Kanal löschen. Weil sie ihr nicht gehören.

ARD und ZDF im CDUtv Screenshot: youtube.com/CDUtv

Mehr als 30 Schnipsel aus Talkshows von ARD und ZDF hatte die Partei in ihrem „CDUtv“ hochgeladen; Statements von EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber oder von AKK, was nur bedingt wie eine gewiefte Video-Strategie wirkte. Mal 8 Sekunden, mal 41. Mal mit dem Titel „Manfred Weber über Tsipras“, mal „Manfred Weber: Von Lindner bis Wagenknecht“. Oder: „AKK: Jeder muss seinen Beitrag leisten“. Das klingt doch spannend. Mal 269 Aufrufe, mal 43.

Der Satiriker Nico Semsrott (ja, und: „Europäischer Präsidentschaftskandidat der PARTEI“) hatte ARD und ZDF daraufhin auf Twitter gefragt, ob die „Raubkopien der selbsternannten Urheberrechtspartei“ mit den Sendern abgesprochen seien. Worauf das Erste antwortete: „Selbstverständlich gibt es keine solchen Absprachen. Wir gehen der Sache bereits nach.“ Und es verging gar nicht viel Zeit, da waren die Videos aus dem CDU-Kanal verschwunden. Gelöscht.

Wie das ZDF auf Anfrage mitteilt, hatte die CDU nie angefragt, ob sie die Videos nutzen darf. Das Urheberrecht liegt hier schließlich bei den Sendern, und mit Urheberrecht kennt sich die CDU ja aus. Das ZDF allerdings hat nach eigenen Angaben nicht darauf hingewirkt, dass die Clips wieder gelöscht werden.

Auch die Pressestelle von Das Erste schreibt, ihr sei keine Anfrage der CDU bekannt. Auch habe „unseres Wissen niemand in der ARD auf die Löschung der Ausschnitte hingewirkt“. Die Rechte lägen ohnehin bei der redaktionell verantwortlichen Landesrundfunkanstalt. Aber weshalb landeten die Clips dann auf dem CDU-Kanal – und weshalb sind sie jetzt wieder weg?

Die Antwort der CDU:

„Durch einen Hinweis auf Twitter wurden wir darauf aufmerksam, dass die Videos irrtümlich auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht worden waren. Im Rahmen unserer Wahlkampfkommunikation rund um TV-Auftritte unserer Spitzenpolitiker in den vergangenen Tagen hatten wir diese kurzen Video-Schnipsel auf Twitter verwendet und haben dazu selbständige Ausführungen gemacht. Das ist durch die Zitatfreiheit grundsätzlich gedeckt. Auf YouTube wurden die Ausschnitte irrtümlich und ohne selbstständige Ausführungen eingestellt.“

Also alles bloß ein Irrtum. Aber die Macht über die Bilder – für einen Moment war sie zum Greifen.

13 Kommentare

  1. Die CDU sollte so kommunizieren wie sich ihr Jugendstar Amthor kleidet, also konservativ, d.h. per gelber Post.

  2. Jetzt kommt der Bumerang der eigenen Urheberrechts Verschärfung und der Unwissenheit wie das WWW funktioniert. Das Internet ist und bleibt für die CDU ebend „Neuland“. Da wundert es auch nicht das die Angekündigte Video Antwort auf „Renzo zerstört die CDU“ ausblieb und statt dessen einen offner Brief als bleiben mußte … Eben eine Technik fremde Lobby Partei nicht mehr die Langsam Ausstirbt

  3. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher ob mit eignen Ausführungen das Nutzen auf Twitter als Zitat gedeckt ist. Das Zitat muss nach Urhebergesetz §51 in ein selbstständiges Werk eingebettet werden. Ein guck mal ich war bei der Talkshow oder ähnliches gilt nicht als eigenständiges Werk. Gab da mal ne Entscheidung vom BGH zu Raab und seinen Kurzclips.

  4. Philipp Amthor ein Jung- Jugendstar?
    Ich darf aus dem jüngsten Artikel von Michael Spreng auf seinem Blog zitieren:

    „Und dann sollte noch Philipp Amthor, ein ebenfalls 26jähriger CDU-Abgeordneter antworten. Ein Vorhaben, das die CDU schnell wieder aufgab. Es wäre auch lächerlich gewesen, auf den Youtuber einen alten CDU-Mann, gefangen im Körper eines strebsamen Kindes, antworten zu lassen. Die Community hätte sich vor Lachen gebogen. Dagegen ist Wolfgang Schäuble ein moderner, junger Heißsporn.“
    Quelle: sprengsatz, Alles alte Männer, 23.05 2019
    http://www.sprengsatz.de/

  5. @2: Ja, total kräzy, den Amthor als „Mann gefangen im Körper eines Kindes“ zu bezeichnen, ein wahrer Humor-Sprengsatz.
    Nicht mal Rezo „ja lol ey“ greift die äußeren Merkmale … ach egal … wer’s nötig hat.

    Dass sich die Community vor Lachen gebogen hätte glaube ich auch, vermutlich aber eher, weil auch Amthor die Hälfte der Dinge nicht widerlegen könnte, ohne den CDU-Lobbyinteressen entgegen zu wirken. Wäre ein lustiges Rumgeeiere geworden. Wenn sich dann noch Kevin Kühnert einmischt kann Herr Spreng ja schreiben „Sandkastenkrieg der Milchbubis“ oder so. Total witzig.

  6. Meine Antwort auf die „Sind halt alte Männer“-These dort.

    „Natürlich ist das Video einseitig, polemisch …“

    So einseitig wie ein Kommentar zu hauptsächlich einer Partei eben ist. Und die FDP hat er ganz ausgespart.

    „… und einiges hält auch dem Faktencheck nicht stand.“

    Vorführen bitte. Nicht dass ich das Gegenteil behaupte, aber vorführen bitte. Denn Rezo hat nicht behauptet, unfehlbar zu sein. Es kommt eben nicht darauf an, ob jemand überhaupt Fehler macht, sondern wie die im Kontext einzuordnen sind. Wäre so ’ne typische journalistische Aufgabe das zu machen.

    „So hat die rot-grüne Regierung Schröder mehr für die ungleiche Einkommensentwicklung in Deutschland getan als die CDU.“

    Nur war „Welche Partei hat welchen Anteil an Schuld an der Einkommensungleichheit?“ nicht das Thema hier, sondern die CDU und nebenbei Ihr neuer Dauerkoalitionspartner die SPD.

    „Aber das ändert nichts an den Grundproblemen von CDU/CSU und SPD – die Überalterung und die Unfähigkeit, die Jugend noch zu erreichen.“

    Warum so bescheiden? Ich sag mal ganz inspiriert und mit großer, nachdenklicher Miene „Das Grundproblem der CDU/CSU ist. dass sie keine Zugewinne mehr erreichen kann.“

    Gott im Himmel.

    Da bemüht sich Rezo so, alles inhaltlich zu belegen und auf eine sachliche Ebene zu kommen. Im Umfeld von Youtube und seiner Kommentarkultur wahrlich keine leicht Aufgabe.

    Und dann sowas von den behüteten, gehätschelten Edelfedern.

    Es ist natürlich völlig ausgeschlossen, dass das „Grundproblem“ vielleicht selber einen Grund hat. Eine inhaltlichen. Besser: ein Fehlen von Begründungen und Inhalten.

    Zum Gedenken: die CDU hat sehr wohl eine inhaltlich Antwort verfasst https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/wie-wir-die-sache-sehen.pdf . Mit der beschäftigt sich aber keiner. Dabei wäre es genau jetzt die Zeit für einen verantwortungsvollen Journalisten sich deren beider Verweisliste mal vorzunehmen und sie im Vergleich für die Leser aufzuarbeiten und zugänglich zu machen. Was sich das kleine Mäxchen eben so unter Journalismus vorstellen tut.

    Aber das wäre ja schwierig, alle die Inhalte zu betrachten. Das macht ja wirklich Arbeit. Und der Zeilenerlös ist möglicherweise schmal.

    Bleiben wir doch lieber bei den GRUNDSÄTZLICHEN Fragen und tun uns wichtig.

    Kann die CDU/CSU noch Wahlen gewinnen?

    Kann Angela Merkel noch begeistern?

    Kann ich mal ’ne Tüte haben, um das Ganze zu ertragen?

    Besser zwei.

    Eine zum kotzen, eine zum Rauchen.

    Und zum Abschluss und XXKLUSIVE nur hier bei übermedien:

    Harald Lesch ist auch’n alter Mann. Wie kommt’s, dass er von der Klimapolitik der CDU/CSU nicht begeistert ist?

  7. Tja, das Recht ist für alle gleich, aber für manche eben gleicher. Wehe, es hätte die AfD gemacht. Um Gottes Willen, was ein Aufschrei wäre passiert und in den Nachrichten von ARD und ZDF eine Schlagzeile gleich zu Beginn der Ausstrahlung.

  8. Tatsächlich _ist_ es ein Unterschied, ob eine Bundestagspartei solch ein Video macht (welches bei der AfD natürlich inhaltlich grundsätzlich ganz anders ausgerichtet wäre!), oder eine Privatperson.

    Zudem: Die AfD bekommt seit Bestehen eine Menge Screentime, in der sie gegen die anderen Parteien stänkert und „vernichtet“, wie sie nur kann. Also effektiv _macht_ die AfD so etwas, spätestens seit 2015.

  9. Wehe, es hätte die AfD gemacht.

    Puh, nur gut dass auch jemand hier im Namen der sog. AfD rumopfert. Natürlich im Konjunktiv, weil es gerade nicht im mindesten um sie geht. Aber andernfalls hätten die sich sonst wieder extrem minderrepräsentiert gefühlt.

  10. Das Internet-Kompetenz-Team der CDU zeigt eine enorme Kompetenz,
    wie das Einstellen der Talkshow-Clips zeigt…
    Wenn man die wieder wegmacht, heißt das dann „(r)austellen“???
    Ich bin verwirrt…
    bin ja ein Mensch, der es gerne einfach hat!
    Heimat-Internet-Horst Seehofer sollte mal Aufklärung twittern…
    Muhahaahaha

  11. @10
    Martin Däniken
    27. Mai 2019 um 14:37 Uhr

    „Das Internet-Kompetenz-Team der CDU zeigt eine enorme Kompetenz, wie das Einstellen der Talkshow-Clips zeigt…
    Wenn man die wieder wegmacht, heißt das dann „(r)austellen“???“

    Das es ein Wort für rausstellen gibt verdanken wir tatsächlich letztlich der CDU https://de.wikipedia.org/wiki/Depublizieren
    Möglicherweise ist das Wort aber auch spezieller zu verstehen und bezeichnet wenn Videos, die von einer Zwangsabgabe der meiswten Bürger finanziert trotz problemloser Urheberrechtslage entgfernt werden, weil die gewählten Vertreter dieser Bürger jeder Phobie der Medienkonzerne nachgeben, etwas würde deren Gewinn schmälern.

  12. @Torstenv: fühlte mich inspiriert. Danke.
    Kleines Beispiel aus der Wortspielhölle:
    Depublizieren auf gut Deutsch wäre das dann „Ent(d)rücken“…vllt…
    „wegdrücken“
    Habe mir erlaubt statt drucken drücken zu nehmen,klingt stärker und doofdummpassender…

  13. @ Martin Däniken 29. Mai 2019 um 14:12 Uhr
    Fühle mich geschmeichelt und bitte um Verzeihung für die Rechtschreibfehler.

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