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Noch mehr schlechter Sex

Ließe man mich ein anständiges Frauenmagazin machen, kämen zwei Wörter sofort auf den Index: „Problemzonen“ und „nymphomanisch“. Wahrscheinlich habe ich das jetzt gespoilert, aber was soll’s: Im Magazin „Separée“ taucht das n-Wort auf Seite 29 (von 100) auf, und nach ihren Problemzonen wird ausgerechnet eine Transfrau gefragt, was ironisch on so many levels ist.

Ein paar Absätze später soll sie übrigens erklären, wie man zum Social-Media-Star wird, was ja genau die Dinge sind, die man aus einem Erotikmagazin für Frauen erfahren will.

„Separée“ ist ein bisschen wie ein Date mit einem Mann, bei dem man schon während des ersten Gläschens Veltliner merkt, dass er leichten Mundgeruch hat.

Aber weil es halt nicht so viele gibt, die wenigstens den aufrechten Gang beherrschen und in zusammenhängenden Sätzen sprechen können, gibt man die Hoffnung nicht auf und versucht ein weiteres Gläschen lang, seine Bewunderung für Christian Lindner zu ignorieren. Nach dem dritten Gläschen und der Erkenntnis, dass er Atze Schröder witzig findet, resigniert man und hofft, dass der Typ wenigstens im richtigen Moment still hält und nachher nicht auch noch fragt, wie er war.

Tut mir leid, schlechter Sex macht eben unleidlich. Und ein schlecht gemachtes Frauenmagazin auch.

Dabei habe ich mich wirklich bemüht. Es war ja vielversprechend losgegangen. Das Cover kommt schon einmal gut: Eine Frau, spärlich, aber vollständig bekleidet, blickt die Käuferin direkt und herausfordernd an. Auf den dritten oder vierten Blick erkennt man, dass da noch ein zweites Lebenwesen zu sehen ist, das an ihrem Hals knabbert. Männlein? Weiblein? Egal.

„Erotik ist weiblich“ verspricht das Cover, was ja schon einmal freudig erregt. Bei der entweder verklemmten oder sterilen oder hyperplumpen Art, wie hierzulande über Sex geschrieben wird, lässt das hoffen – dass ein Magazin, das sich explizit diesem Thema widmet, es endlich einmal anders macht.

Auf der folgenden Seite sind die beiden Herausgeberinnen zu sehen, und sie wirken so angenehm down to earth, dass man ihnen das langatmige Editorial verzeiht, sogar diesen Satz:

„Und weil wir bekanntlich gern ein paar Sichtweisen und Stereotypen (sic!) auf den Kopf stellen, wenn es darum geht, wer denn nun die Hosen anhat und auszieht, gibt es in diesem Heft extra viel nackte Männerhaut zu sehen.“

Puh.

Wahnsinnig viel wird nicht gerade auf den Kopf gestellt. Ein Text über Singlebörsen beginnt mit einer Frau, die ihren Ehemann online kennengelernt hat und mit ihm „jetzt glücklich im verflixten 7. Jahr“ lebt. Lebensziel erreicht!

Ein Produkttipp für ein Korsett reduziert die Existenzberechtigung weiblicher Brüste ausschließlich darauf, einem Mann Lust zu verschaffen und ihm – ich scherze nicht – die schlechte Laune „wegzutauen“. Wenn ich wissen will, was ich alles tun muss, damit mein Macker glücklich ist und nur ja bei mir bleibt, kaufe ich mir in Zukunft einfach wieder die „Cosmopolitan“.

Neckisches Speise-Eis und glitzernde Cockpins

Dort werden auch die Shoppingtipps in derselben Sprache angepriesen. Mit selbstgemachtem Speise-Eis an einem „neckischen Penis-Stiel“ soll einem „sogar beim Eisschlecken ganz heiß“ werden. Ja, wenn man 70 ist und die vergangenen 30 Jahre in einem Frauenkloster verbracht hat. Der Cockpin gleich daneben, der die Eichel mit „einem echten Swarovski-Kristall und einem Stern“ schmückt, soll „Frauenherzen schmelzen lassen“.

Ich habe ja auch einmal mein Geld mit Sex verdient, aber das ist lange her, weswegen ich erst googeln musste, was man mit dem Ding anstellt. Ganz sicher bin ich mir immer noch nicht, aber ich fürchte, es könnte zu Verletzungen führen. Deshalb, liebes „Separée“, erklär mir doch bitte in Zukunft, wieso hier mein Herz schmelzen soll, anstatt zu nichtssagenden PR-Floskeln zu greifen. Und überhaupt: diese Sprache!

Ein Vibratortest, der das Testobjekt als „Corpus delicti“ bezeichnet, könnte auch in der „Bäckerblume“ erscheinen. Dass 13 Zeilen für die Anlieferung durch den Postboten, die Verpackung, das Aussehen (des Vibrators, nicht des Postboten) und ein Lob für den günstigen Preis draufgehen, spricht nicht wirklich für das Teil. Dass es in 6,5 weiteren Zeilen allen Ernstes darum geht, welche Batterien man wie einlegt, fände sogar Rolf Eden chauvinistisch. Und dass man „für Etwaitäten“ immer ein paar Extra-Batterien im Haus haben sollte, steht vermutlich in der chinesischen Gebrauchsanweisung.

Generell ist „Separée“ stilistisch leider so hochwertig wie ein Großteil der Erotik-Romane, die Hobby-Autorinnen zu Dutzenden im Internet hochladen. „Ich folge dann seiner Zunge mit meinen Lippen und schließe meine Mundhöhle so fest um ihn“ – um wen? – „dass eine Sogwirkung entsteht“, heißt es in einer Geschichte übers Küssen. Und weiter:

„Wenn seine Zunge einmal liebevoll, dann besitzergreifend und fordernd in meinen Mund eindringt und sich dort bewegt, zärtlich kreist, auf meine Zunge wartet, sie dann wieder zurückschiebt, um meinen ganzen Mund einzunehmen, fokussiere ich mich völlig auf ihn.“

Erst der Cockpin, dann die Beschreibung des wohl schlechtesten Kusses der Welt. Wem es hier noch nicht alles zusammenzieht, sollte im Impressum die Aufforderung an hoffnungsvolle Nachwuchsmodels lesen: „Bitte schicken Sie ein aussagekräftiges Foto von Ihnen an …“ Vor mir liegt Ausgabe 19. Ich hoffe, dieser Satz stand nicht schon in den 18 Ausgaben davor.

Vulva vs. Vagina

Das bereits erwähnte Interview mit der Transfrau Nicolette ist leider nicht nur sehr eindeutig per Mail geführt worden, man war sich auch bei der weiblichen Anatomie nicht ganz einig.

Frage: „Kann man eine Vulva mit allem Drum und Dran funktionsfähig konstruieren?“

Antwort: „Bei einer nachkonstruierten Scheide ist es immer …“

Man wird ja heutzutage rasch bekannt, wenn man den Unterschied zwischen Vulva und Vagina nicht kennt, man sollte dann aber nicht ausgerechnet für ein erotisches Frauenmagazin arbeiten.

Wieso es sich dann doch gelohnt hat, bis zum dritten Gläschen durchzuhalten? Weil hinten im Heft nicht nur eine überraschend unverkrampfte Reportage über den Besuch eines Swingerclubs steht, sondern auch ein sehr lesenswertes Interview mit Kerstin Ehmer, Teilhaberin der Berliner Victoria Bar.

Von ihr hätte man sich gern noch sehr viel mehr darüber erzählen lassen, wie die Menschen in ihrer Bar zusammenfinden, ab wann sie erkennt, ob’s was wird zwischen zwei Gästen, und wann sie einschreitet und jemanden vor jemand anderem bewahrt. Aber allein für diesen Satz haben sich zwei der immerhin 8,90 Euro gelohnt:

„Große Trinker? Sind die nicht inzwischen abgelöst worden durch Hedi-Slimane-Anzugträger?“

Zwei weitere gehen an Barkeeper Hermann, der die Wirkung eines Martinis mit den Worten beschreibt:

„Da kann man schon davon ausgehen, dass sie nicht nach Hause gehen, um zu stricken.“

Man hätte übrigens beide gern gesehen, Frau Ehmer und Herrn Hermann, aber vielleicht soll man die auch selber googeln. Genauso wie die Rezepte zu den Drinks, über die gesprochen wird.

Wenn das jetzt alles nach einer frustrierten Alten klingt (ich meine damit mich), dann wohl, weil ich mir so viel erhofft hatte. Vor allem ein sexpositives, selbstbewusstes Magazin, das eben nicht so tickt wie 99,9 Prozent aller Frauenmagazine, die ihren Leserinnen mehr oder weniger subtil einreden, sie würden die Erfüllung nur finden, wenn sie a) sich rundum selbstoptimieren und daraufhin b) endlich den ersehnten Mann finden.

Ich hatte mir ein Magazin erhofft, das nicht in die seit Eva weitergereichten Denkmuster rutscht, nach denen Frauen erwarten, dass sie vom Mann zur Lust animiert werden. Das steht zumindest in einem „Separée“-Artikel, der in seinem früheren Leben eine bei Amazon hochgeladene Kurzgeschichte war und ins Heft übernommen wurde.

Immerhin gibt es eine ganze Latte halb- bis ganz nackter Männer. Der eine ist wirklich sehr nackt, voll frontal, bis auf ein paar Engelsflügel, aber die sind ja gottlob immer hinten. Leider scheint er Sorgen zu haben, so wie er auf allen Fotos die Stirn runzelt. Ja, Frauen schauen immer zuerst ins Gesicht. Und nein, kalt ist ihm nicht.

Die anderen Männer tragen Unterwäsche und zwar auf den PR-Fotos der jeweiligen Hersteller. Die Bilder fügen sich problemlos in das durchgehend schöne Layout ein und sind vollkommen okay für ein Magazin, das ohne großes Budget auskommen muss. Aber dann dürfen die Produktbeschreibungen gern ein bisschen weniger brav klingen.

Ich weiß, dass jede in diesem Land, die es wagt, überhaupt irgendein Magazin herauszubringen, mit einem Jahresvorrat an Batterien belohnt werden sollte. Es gibt genügend große Verlage, die sich das nicht trauen. Ich hätte mir in „Separée“, Ausgabe 19, wenigstens ein bisschen mehr solides Handwerk gewünscht. Bildunterschriften, zum Beispiel. Nicht nur die schöne Fotostrecke mit Pinup-Model Kikki Pineapple kommt so ein bisschen nackt rüber.

So witzig wie ein kleiner Stelter

Und ich hätte mir eine sehr viel strengere Hand bei der Redigatur gewünscht. Oder jemanden, der mir erklärt, worum es in der Rausschmeißer-Kolumne „Im Villabajo der Sexartikel“ geht, außer um eine Bewerbung als Gagschreiber für Kramp-Karrenbauers nächsten Karnevalsauftritt.

Geht es darum, dass Sextoys für Frauen leichter zu reinigen sind als jene für Männer? Dass eine Frau die Batterien im Mikro des Autors „in einer Rasanz“ gewechselt hat, „die ich bisher nur von Zauberwürfel-Schnelldrehern kannte“, weil ja schließlich „nur eine Frau, die schon hundertmal in sehr verzweifelt erregten Situationen die Batterien in einem immer langsamer verbrummenden Gerät gewechselt hat, so schnell sein kann“.

Oder darum, dass der Autor weder von weiblicher Selbstbefriedigung noch von technischen Geräten eine Ahnung hat? Ich weiß, diese „Separée“-Kolumne soll witzisch sein. Bernd Stelter findet sie zum Brüllen.

Demnächst erscheint „Separée“ Nr. 20, das Jubiläumsheft. Ich wünsche den Macherinnen zum Geburtstag (noch) mehr Mut, eine strengere Hand – und mehr Bildunterschriften.

„Separée“
UNA GlitzaStein GmbH
8,90 Euro

8 Kommentare

  1. Bei aller vermutlich berechtigter Kritik: Es gibt Dinge – und eine Produktrezension eines Vibrators gehört dazu – bei denen wüsste ich aber auch echt nicht, wie man die so gut schreiben könnte, dass sie den Ansprüchen an ein nicht-klischeehaftes Magazin genügen und gleichzeitig nicht zu bemüht daherkommen.

  2. Ein herzliches Willkommen auch Ihnen, Frau Neudecker! Musste natürlich ebenfalls Cockpin googeln … mein anschließendes Stirnrunzeln lässt sich zweifelsfrei darauf zurückführen. :)

  3. Wer guten Sex hat, braucht kein Magazin mehr darüber. Von daher erscheint mir die Thematisierung von nicht-so-guten-Sex logisch.

  4. „Und nein, kalt ist ihm nicht.“
    Ja, da kam der kleine Stelter in mir zum Vorschein und hat laut gelacht.

    „Geht es darum, dass Sextoys für Frauen leichter zu reinigen sind als jene für Männer?“
    Hm. Ist es schon sexistisch zu implizieren das Dildos nur was für Frauen sind? ;)
    Außerdem: Cockpin.

  5. Hat Spaß gemacht, den Text zu lesen. Auch wenn ich nicht zur Zielgruppe des Magazins gehöre.

    Aber auch wenn ich jetzt klinge wie ein Sprachnazi: „was ironisch on so many levels ist“ oder „so angenehm down to earth“. Muss das sein? Sind „auf so vielen Ebenen“ oder „bodenständig“ wirklich so old-fashioned, dass man auf cooles Neusprech wechseln muss?

    Ist wirklich als ernstgemeine Frage gedacht.

  6. Und nur zur Klarstellung: Ich bestehe nicht darauf, „Cockpin“ einzudeutschen. Nein, das lieber nicht.

  7. Schöner Text.
    Vielleicht guckt der Nachte so, weil er darauf hofft, dass Leserinnen ihm die Sorgen wegblasen wollen. (Upps, der kleine Stelter in mir)

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