Wochenschau (17)

Bastelanleitung für ein Streitgefängnis mit eingebauter Schweigespirale

Erinnern Sie sich? Früher, als das Internet aus Holz war und sich Sportler noch regierungskritisch äußern durften? Als sich Boris Becker als furchtloser Dissident einen Namen machte und Franziska von Almsick barbusig auf die Barrikaden ging?

Heute geht das ja alles gar nicht mehr, denn es gibt sie nicht mehr, die gute alte „eigentliche“ Meinungsfreiheit. Heimlich und den eigenen Hals riskierend morste uns vergangene Woche Handball-Legende Stefan Kretzschmar aus einem deutschen Gulag zu, wie eingeschränkt das Leben als systemkritischer Sportler sein kann. Shitstorms, gekündigte Werbeverträge, tendenziöse Journalisten – und das nur, weil man einen „kritischen Geist“ habe. Sobald man als Profisportler etwas „System- oder Regierungskritisches sagt“, gebe es auf die Fresse:

„Es sei denn, es ist die politische Mainstream-Meinung, wo man gesagt hat ‚Wir sind bunt‘ und ‚Refugees Welcome‘, wo man gesellschaftlich nichts falsch machen kann. Hat man eine kritische Meinung, auch gesellschafts- oder regierungskritisch, dann darf man in diesem Land nichts mehr sagen. Das wird dir sofort vorgeworfen.“

Stefan Kretzschmar Foto [M]: Sven Mandel / CC-BY-SA-4.0

Endlich brach Kretzschmar also sein Schweigen und somit auch das der vielen sich wegduckenden Profisportler, die es heute so hart wie nie zuvor haben, mit ihren Verträgen, Sponsoren, Fans, Managern und Teamkollegen, derentwegen man heute nichts mehr sagen darf; nicht einmal mehr, dass man nichts mehr sagen darf, darf man mehr sagen – also außer eben in den Interviews in Funk und Fernsehen. Und auf Pressekonferenzen. Und Online.

Natürlich, betont er, „kommt man nicht ins Gefängnis“, aber es gebe eben soziale und ökonomische Sanktionen, weshalb von einer echten, richtigen Meinungsfreiheit nicht gesprochen werden könne.

ZDF-Journalistin Nicole Diekmann fragte nach dem Auftauchen des T-Online-Interviews mit Kretzschmar:

Diekmanns Satz ist eigentlich lustig, nur dass diese Sache mit der Meinungsfreiheit für sie aktuell natürlich weniger lustig sein dürfte, nachdem sie den höchst kontroversen, ja geradezu polemischen Satz „Nazis raus“ getwittert hat, für den die Korrespondentin seit einer Woche mit heftigen Morddrohungen konfrontiert wird. Daher muss es für sie umso absurder anmuten, wenn sich nun ein Sportler aufgrund von Werbeverträgen in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlt.

Also, worum handelt es sich da bloß, bei dieser Meinungsfreiheit?

Meinungsfreiheit ist immer die Freiheit des Widersprechenden

Man könnte zunächst mal naiv definieren, was sie nicht ist: Meinungsfreiheit ist nicht das Recht unwidersprochen bleiben zu dürfen. Denn selbstverständlich ist auch die Gegenrede durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Wer auf Meinungsfreiheit besteht, der kämpft immer schon zugleich für die Meinung und Freiheit der eigenen Kritiker.

Dass das Ausüben des Rechtes auf Meinungsfreiheit soziale Sanktionen oder ökonomische Konsequenzen haben kann, bedeutet nicht, dass es keine freie Meinungsäußerung gibt. Die absolute Meinungsfreiheit ist im Rahmen eines Sponsorenvertrags in der Tat eingeschränkt, und diese scheinbare Bevormundung nennt sich „Wohlverhalten“:

„Dem Sponsor ist im Rahmen einer Sponsoring-Kooperation daran gelegen, dass der Gesponserte sich in der Öffentlichkeit im Sinne des Sponsors verhält. Zumindest soll er sich nicht schädlich für den Sponsor verhalten. Der Gesponserte hat ein Interesse daran, dass der Sponsor ihn nicht bei der Ausführung seiner Aktivitäten oder der Erreichung seiner Ziele einschränkt.“

Wenn Sport-Marken ihre Zielgruppen und Aktionäre nicht verschrecken wollen, dürfen sie von gemieteten Sportlern erwarten, dass diese sich nicht auf eine Art äußern, die der Firma, der Marke und dem Image schaden könnten. Prinzessinnen dürfen in Disneyland auch nicht „Ich hasse Kinder“ sagen.

Kretzschmar geht es aber um noch etwas anderes, wie im Gespräch mit WDR5 klar wird (ab 22:30):

„Damals ging es, [anzuecken], heute geht es nicht mehr. Damals waren die Medien, die wichtig waren, die Zeitung; heute gibt es Social Media, und in dem Bereich hat sich viel geändert, weil aus dem Sportler von damals der gläserne Sportler von heute geworden ist. […] Diese Entwicklung macht Sportler zu Menschen, die keine Position mehr beziehen, die keine Meinung mehr haben, weil sie den Shitstorm nicht mehr ernten wollen und das kann ich völlig verstehen. Da war in den Neunzigern nicht so, da konnte man Parolen raushauen.“

Ist es nicht viel eher so, dass man früher Dinge sagen konnte, die heute einen Shitsotrm nachziehen würden, weil man heute vielleicht weiß, dass sie früher Quatsch waren? Die Behauptung, dass man wegen der sozialen Medien plötzlich zu einem angreifbaren Opfer seiner diskursiven Impulse wird, weshalb sich kein Prominenter mehr laut zu denken traue, ist mir zu kulturpessimistisch und entmündigend.

‪Mir geht es hier übrigens nicht um eine politische Einordnung Kretzschmars. Ich maße mir nicht an, aus der Ferne die Couleur seines Kaffeesatzes deuten zu wollen, ehrlich gesagt, ist es auch egal. Mich verwundert nur diese verschwörerische Aussage, man dürfe als Profisportler „heute“ nichts Kontroverses „mehr“ sagen. Es ist eine seltsame Fiktion des Nostalgischen, welche die Vergangenheit über- und die Gegenwart in ihrer Resilienz und Diskurstoleranz unterschätzt.

Hat er eigentlich mitbekommen, wie sich NFL-Footballspieler trotz Drohungen hinknieten, um gegen Trump zu protestieren? Oder LeBron James und Kobe Bryant, die die NBA nutzten, um gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA zu protestieren? Özil hat in einem Rundumschlag die gesamte deutsche Gesellschaft kritisiert. Konsequenz: Stress und Gegenrede, ja. Eben, weil es Meinungsfreiheit gibt. Adidas und Apple blieben. Wintersportler Felix Neureuther setzt sich für den Umweltschutz ein und verprellt dabei sowohl den Skisport sowie den Tourismus.

Und Ribéry nannte seine Kritiker Unfallgeburten.

Nicht politisch sein müssen wollen

Sport will aus ökonomischen Gründen per se nicht politisch sein müssen. Der Weltfußballverband hält in seiner Charta fest: Die vorgeschriebene Grundausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bilder aufweisen. Aber das hat nichts mit der von Kretzschmar empfundenen Schere im Kopfball zu tun.

„Solange [Sportler] eine systemkonforme Meinung äußern, wenn ich jetzt ein Sportler bin, der sagt: „Die AfD ist scheiße“ oder: „Refugees welcome“, dann ist diese Meinung willkommen in diesem Land. Habe ich aber eine gegenteilige Meinung – siehe zum Beispiel auch die systemkritische Meinung von Xavier Naidoo -, dann werde ich in diesem Land Probleme bekommen, dann werde ich in den Medien Probleme bekommen. Solange ich konform mit den Medien schwimme, und da eine Parallele zur DDR, komme ich super klar. Wenn ich aber ein kritischer Geist bin und das hinterfrage, Thema Flüchtlingsmanagement zum Beispiel, dann habe ich ein Problem. Und das ist dann doch keine totale Demokratie, die wir haben, sondern in dem Sinne bin ich daran gebunden und hänge dann auch fest an den ökonomischen Zwängen, denen ich ausgesetzt bin. Wenn ich eine Familie zu ernähren habe, dann kann ich eben nicht frei von der Leber meine Meinung äußern, die ich mir angeeignet habe, sondern bin gezwungen mich da zurückzuhalten.

So geht’s mir auch: Ich würde mich in vielen Fällen politisch äußern und da brennt es mir auch manchmal unter den Fingernägeln, aber es ist nicht möglich. Ich habe mich auf meinen Social-Media-Kanälen seit zwei oder drei Jahren nicht mehr politisch geäussert. Im privaten Kreis kann man das machen, aber öffentlich ist es schwer.“

(Xavier Naidoo, den alten Systemkritiker, als Zeugen für irgendwas zu nennen, ist ja wirklich immer eine super Idee.)

Kretzschmar hat also Meinungen, von denen er denkt, sie könnten ihm Ärger bereiten, wenn er sie öffentlich äußert. (Habe ich auch. Ich halte Pornhub für besser als Youporn. Ich hasse Hygge. Ich bewundere Raucher.)

Was auch immer diese unpopulären Meinungen sein mögen, er geht offenbar davon aus, dass seine Ansichten nicht „Mainstream“ genug seien, um widerspruchslos in der Öffentlichkeit artikuliert werden zu können.
Der Berliner Büroleiter der „Neuen Zürcher Zeitung“, Marc Felix Serrao, gibt ihm, zumindest was die Angst vor dem oppressivem Mainstream angeht, recht:

Ralph Ruthe hingegen hat die Erfahrung gemacht, dass politische Positionen, die nicht vom „Mainstream“ abweichen, zu Ausgrenzungs- und Erikettierungsversuchen führen können:

Das führt mich zur zweiten Frage: Was genau meint der Ex-Sportler mit „Mainstream“?

Mainstream-Begrenzungsstreifen

Kretzschmar nennt „die AfD ist scheiße“, „Refugees welcome“ und „wir sind bunt“ als Beispiele für „Mainstreammeinungen“ und die Kritik am „Flüchtlingsmanagement“ als etwas, das Probleme bereiten könnte. In einem politischen Klima, in dem seit drei Jahren nahezu täglich über die Frage diskutiert wird, ob Flüchtlinge willkommen sind, und man nahezu wöchentlich darüber debattiert, wie heterogen unsere Gesellschaft nun sein darf, ist es schon eine interessante Sicht der Dinge, „Refugees welcome“ und „wir sind bunt“ eben nicht als gesellschafts- und regierungskritische Statements zu lesen. Im Subtext definiert er „Mainstream-Meinungen“ so als „Political Correctness“.

Und da wird es heikel, denn je nachdem, was man selbst behauptet, was die Gesellschaft als konsensfähig wahrnimmt, definiert man die Parameter seiner eigenen, eingeschränkten Meinungsfreiheit. Wer willkürlich definiert, was der sogenannte Mainstream ist, wird der Gesellschaft auf dieser gefühligen Grundlage vorwerfen, wenn eine vermeintliche Minderheiten-Meinung nicht mehr unter dem Protektorat der Mehrheit steht.

Man zimmert sich selbst ein diskursives Gefängnis mit eingebauter Schweigespirale, aber klappert dabei laut mit der Blechtasse gegen die Gitterstäbe. Getreu dem Motto: Meine Meinungsfreiheit endet dort, wo der Mainstream des anderen beginnt. Dieser Gedanke ist antidemokratisch. Aber durch die Meinungsfreiheit geschützt.

Von der „Bild“-Zeitung nach einem konkreten Beispiel gefragt, bei dem „Leute eins auf den Deckel bekamen wegen nicht konformer Meinungen“, antwortete Kretzschmar übrigens, dass es nicht viele Beispiele gebe. „Vielleicht Toni Kroos.“

Und was hatte dieser Polemisches, Systemkritisches, Mainstream-Abseitiges gesagt?

Man darf als Sportler in Deutschland offenbar so sehr nichts Regierungskritisches „mehr“ sagen, dass man nicht einmal etwas Regierungslobendes sagen darf! Kretzschmar hat Recht, man darf wirklich gar nichts mehr sagen.

39 Kommentare

  1. [Vorsicht – enthält Ironie]
    Ja genau, wie wir leben ist eine Parallele zu DDR. Wer abweichende Meinungen äußert muss mit dem Entzug der Werbeverträge rechnen, genau wie in der DDR.

    In den 90ern konnte man noch alles sagen. Hmmm, Wikipedia zu Harald Schumacher: „1987 veröffentlichte er sein Enthüllungsbuch Anpfiff, worauf er in der Nationalmannschaft und auch bei den Kölnern suspendiert wurde.“ Okay, war wiederum 3 Jahre vor den 90ern…

  2. So oft stelle ich fest, dass die Aussage es muss Meinungsfreiheit geben eigentlich heißen muss:

    „Ich will, dass meine Meinung Konsequenzen hat und zwar für alle außer für mich.“

    Denn viele dieser „unpopulären“ nicht Mainstream Meinungen fordern ja Konsequenzen für andere. Wer gegen eine bunte Gesellschaft ist will sie abschaffen, er/sie will also Konsequenzen für andere.

    Aber wie man eben auch hier sieht, Konsequenzen für den mit der Meinung darf es nicht geben. Dahinter steht das eigentliche Problem oder eine gewisse Doppelmoral.

  3. Ja, ganz schlimm, man kann gar nicht mehr mit Erdogan ein vergoldetes Steak essen gehen, ohne dass diese linksgrünversifften Veganer einem eine oder gar zwei Millionen vom Werbevertrag streichen, und es nur noch für versilbertes Schnitzel reicht.
    Das ist Jammern auf Wolkenkuckucksheimniveau. Erstens, nur, weil man seinen hochbezahlten Traumjob evt. nicht mehr hat, wenn man seinen Arbeitgeber öffentlich niedermacht, heißt das ja nicht, dass man nie mehr nirgendwo irgendeine menschenwürdige Anstellung kriegen kann, und zweitens, die Sprüche, die Sportler für ihre eigentliche Arbeit kassieren, sind z.T. auch so weit unter der Gürtellinie, dass man den verwöhnten, weltfremden Zuckerpüppchen doch generell ein etwas dickeres Fell wünschen würde, wenn man ein bisschen Sympathie mit Leistungssportlern aufbringen könnte.

  4. Wobei: Kretzschmars Ausgangspunkt ist, dass man sich als Berufssportler sich nicht (mehr) so als Persönlichkeit profilieren kann, weil man den Ball flach halten müsste (auch als Handballer), so dass es „hübsche Jungs“ aber keine „Typen“ mehr gäbe, und _deshalb_ seien Shitstorms für nicht-so-Mainstream-Meinungen wie „Merkel ist toll“ oder „Flüchtlingspolitik-ist-doof“ ein Problem.
    Ja, und? Sollte man sich als Sportler nicht durch sportliche Leistungen profilieren? Oder, wenn man sich auch außerhalb seines Berufes profilieren möchte, kann das nicht Malerei/Musik/Kochen/Naturschutz sein, und nicht gerade Politik? Und was ist mit Leuten, die sich nicht profilieren wollen, sondern tatsächlich über bestimmte Themen debattieren möchten? Sind die von Shitstürmen nicht schlimmer betroffen?
    Und außerdem, bei nur einer, 1×1 m großen Öffnung zu einer öffentlichen Veranstaltung ist der Begriff „offen“ schon sehr „weit“ gedehnt. Da waren wir im Mittelalter schon tatsächlich weiter.

  5. Ich glaube einige missverstehen Kretschmar. Im Interview beschreibt er, wie sich die Zeiten geändert haben, man früher kantiger und aneckender sein konnte. Heute wird man wegen Handyverfügbarkeit ständig überwacht (jeder kann Videos von einem machen und auf Facebook hochladen); wenn man mit Meinungen aneckt, muss man einen Shitstorm fürchten. (Wie er ja gerade auch über Kretschmar hereinzubrechen scheint.)

    Dahinter steht eine Entwicklung, die ich als Ostler auch beobachten kann und die mir eine Klassenkameradin, die nun Gymnasiallehrerin ist bestätigt: die jungen Menschen werden stromlinienförmiger, angepasster. Trauen sich kaum anzuecken oder eine eigene Persönlichkeit oder eben Meinung zu haben.

    Vielleicht hat sich Kretschmar nicht super geschickt ausgedrückt, aber was er beschreibt ist eine Veränderung im gesellschaftlichen Leben weg von der Freiheit auch schräg drauf sein zu können hin zur Selbstzensur oder Anpassung. Eine Entwicklung, wo man immer aufpassen muss, dass man nur ja nix Missverständliches oder von der herrschenden Meinung Abweichendes sagt. Das Stromlinienförmige in der nachwachsenden Generation kann man im übrigen auch an der Uni beobachten – also ich beobachtete es dort.

    Junge Menschen passen sich den gesellschaftlichen Normen an und passen sich ein. Es wird ja auch empfohlen keine Partybilder auf Facebook hochzuladen, als Student, da das künftige Arbeitgeber abschrecken könnte. Es geht hier also um eine gesellschaftliche Entwicklung, die mit digitalen Medien, schneller Verbreitung, schnellen Reaktionen und härteren Konsequenzen zu tun hat, die zu ner Selbstzensur führen können. (Eher ne komplexere Sache.) Da gab es mE schon mehr Vielfalt in der Vergangenheit, weil es eben auch weniger „Überachung“, sprich digitale Abbildungen des Alltags an jeder Ecke via Handy gab oder Massenverbreitung via Sozialer Kanäle, Shitstorm inklusive.

    Vielleicht sollte man hier noch mal innehalten und den Hintergrund genauer erforschen / eruieren, auf den Kretschmar abzielt. Er hat nicht völlig Unrecht. Glaube, er hat sich nur nicht super geschickt ausgedrückt.

    Außerdem, das würde ich ernst nehmen, beschreibt er ja auch wie er sich selbst zensiert. Das ist also nicht aus der Luft gegriffen. Bissel Empathie und sich mal in seine Lage versetzen könnte helfen.

    Ja, zur Erinnerung: Özil hat einen ganz oberfetten Shitstorm abbekommen, weil er sich nicht mainstreammäßig gegen Erdogan gestellt hat. Das wird hier von SAMIRA EL OUASSIL als „Stress und Gegenrede“ heruntergespielt. So kann man sich seine Welt auch zurechtbiegen.

  6. @mycroft #5

    Wieso sollte ein Sportler nicht kantig, widerborstig, eigensinnig, aufmüpfig sein? Wieso muss er brav und stromlinienförmig sein? Es geht um das Sein-lassen, das Akzeptieren versus Verbiegen und Anpassen. Das ist glaube das was hinter Kretschmars Aussagen steht.

    Neben den Veränderungen zu früher, die ich schon listete, kommt wahrscheinlich noch dazu, dass man heute Sportler als Vorbilder für die Jugend haben will. Der eher kantige Kretschmar beschreibt einfach, wie er früher noch sein konnte wie er halt tickt und heute nicht mehr. Das sich Verbiegen müssen um nicht anzuecken, das scheint sein Thema zu sein. Da hat er mE einen gültigen Punkt.

  7. Ok, wenn man „eckig“ ist und das auch sein will, ist es dazu notwendig, das in der Öffentlichkeit zu sein? Oder wenn man es öffentlich ist, und dafür Kritik, und zwar nicht nur die von der sachlichen Sorte, sondern auch die aus den unteren Schubladen erfährt, ist das nicht etwas, was schon immer die Folge vom „Eckigsein“ war?
    Bei öffentlichen Personen ist die Kritik natürlich umfangreicher als bei Normaloas, weil es mehr Leute gibt, die zu ihnen eine Meinung haben als zu Max Mustermann und Otto Normalverbraucher.
    Aber das ist auch nichts neues. Nur, dass es die Probleme auf FB, Twitter und Co. gibt, aber naja. Einfach boycottieren. Wichtig ist auf dem Platz bzw. in der Halle.

  8. Tja, die Kohle über Werbung und andere öffentlichkeitswirksame Auftritte sieht man natürlich gerne aufm Konto, potenziellen Gegenwind aber dann doch bitte nicht… putzig, dass der Kretzsche tatsächlich immer noch glaubt, dass heutzutage zB Spitzensportler ihre Gelder nur rein wegen ihres Sports verdienen und sonst nix…

  9. Schon wieder so ein Medien-Großverdiener ohne Selbstbewusstsein.
    Will die ihm gebotene Plattform der Handball-Expertise zur Agenda benutzen und wundert sich, warum das dem Medienmacher nicht gefällt.
    Dann kündige bei Sky und den ÖR und dann publiziere was du willst! Startkapital genug sollte vorhanden sein.

  10. das, was Herr Kretzschmar meint, gab es früher auch, da kann er seine Ex-Freundin Franziska van Almsick fragen.
    Sie sagte unbedarft, dass Hitler eine interessante Person sei bzw wurde so lapidar zitiert.
    Da gab es dann auch mediales AUfsehen, aber ihr wurde nicht der Mund verboten und es wurde erklärt, warum man/sie das so einfach nun nicht sagen darf.
    Meinungsfreiheit bedeutet auch, dass man mit anderen Meinungen zurecht kommen muss, wenn man seine Meinung äußert.

  11. Das Problem ist doch die Überhitzung der und das hysterische Umsichwerfen mit Totschlagargumenten und Begriffen, gerade in den sozialen Medien.
    Kritisiert man den Islam, z.B. wegen des Frauenbildes, ist man ein Islamfeind und flugs in der rechten Ecke.
    Kritisiert man Israel, z. B. für die Siedlungspolitik, ist man ein Antisemit und wird ebenfalls in der rechten Ecke verortet.
    Das beobachte ich seit längerem ja auch hier bei Übermedien. Wenn ich eine von der Blogmehrheit und den selbst ernannten Blogwarten abweichende Meinung äußere, bekomm man das Etikett „Rechtsrelativierer“ und das beliebte „Troll“ aufgepappt.
    Was soll das?
    Der einzige, mit dem man hier noch ruhig, sachlich und argumentativ diskutieren kann ist Stefan Niggemeier selbst. Vielleicht sollten sich einige hier mal ihren Gastgeber zum Vorbild nehmen.

  12. @11: „Meinungsfreiheit bedeutet auch, dass man mit anderen Meinungen zurecht kommen muss, wenn man seine Meinung äußert.“
    Eben, Gegenrede ist auch eine Meinung. Zurecht kommen heißt ja nicht, dass man das widerspruchslos hinnehmen muss.

    @12: Schon wieder Opfer? Das geht immer so schnell…
    Wer hat Ihnen denn das Kritisieren der israelischen Siedlungspolitik und des Frauenbilds des Islam verboten?
    Oder geht es hier auch nur um das „widerspruchslos“?

    Der Fairness halber schlage ich vor, auch die Siedlungspolitik anderer Staaten und das Frauenbild anderer Religionen anzuschauen.
    Vielleicht bemerkt man dann ja, dass es ein genrelles Problem der Siedlungspolitik gibt, kein israelisches. Und es ein generelles Problem des Frauenbilds in Religionen gibt, kein muslimisches.
    Vielleicht.

  13. @Anderer Max
    Offenbar haben Sie meinen Punkt gar nicht verstanden. Mangelnde Lesekompetenz ist auch so ein Problem dieser Zeit.
    Natürlich darf man meiner Ansicht widersprechen, das ist der Sinn einer Diskussion. Aber es geht um die Form des Widerspruchs. Das Argumentationsgebäude mancher scheint so baufällig zu sein, dass sie nicht sachlich widersprechen können, sondern die Ansicht des Widerparts sofort als gesellschaftlich nicht akzeptabel diskreditieren. Die haben es sich auf ihrem moralisch hohen Ross prima eingerichtet und blicken nur mitleidig auf Andersdenkende herab, die aus ihrer Sicht nur ein Pony reiten!
    That´s not nice!

  14. Nachtrag zum zweiten Teil Ihrer Ausführungen:
    Ist das nicht diese „die anderen aber auch“ Argumentation, die Sie sonst hier immer vehement kritisieren.

  15. @14:
    Unterstellen Sie doch bitte dann mir die mangelde Lesekompetenz, am besten mit Nachweis.
    Sagen Sie doch dann ganz konkret: „Das ist kein sachlicher Widerspruch, darauf gehe ich nicht ein“, anstatt schon wieder rumzuwinseln, was an der bösen Welt so falsch ist. Auch hier würde ich mir wenigstens ein Argument wünschen, warum mein Argument unsachlich sein soll.
    Sie haben außerdem ein Probelm mit meiner Moral – Okay, kann ich mit leben!
    Nur dem Vorwurf des „mitleidig Hinabsehens“ weise ich zurück. Der Aufklärer in mir schreit: Beklagen Sie sich nicht über die gefühlte Größe anderer, sondern wachsen Sie selbst.

    @15: Nein. Eben nicht.
    „die anderen aber auch“ wäre: Guck doch mal Christentum, da ist auch Frauenbild.
    Ich schrieb allgemein von „Religionen“ und von „Staaten“.
    Lesekompetenz und so.

  16. @Anderer Max
    Sehen Sie, das ist genau der Punkt. Ich tue meine Ansicht hier kund und für Sie geriere ich mich als Opfer oder winsle rum. Sehr sachlich und mit argumentatorischer Tiefe. Sie möchten nicht in der Nähe sein, wenn ich wirklich anfange rumzuwinseln.
    Außerdem habe ich bis auf die Lesekompetenz ganz allgemein gesprochen und meine Beobachtungen in den sozialen Netzwerken und Medienseiten wiedergegeben. Aber wenn Sie sich angesprochen fühlen, bitte sehr.

  17. Nicht alle, die die israelische Siedlungspolitik kritisieren, sind Antisemiten, aber alle Antisemiten kritisieren die israelische Siedlungspolitik. Man muss also etwas sorgfältiger formulieren, damit man nicht in die falsche Schublade gesteckt wird (klappt auch nicht 100%ig, ich weiß). Auch sind die meisten sog. „Asylkritiker“ in Wahrheit Asylgegner, da hat es ein tatsächlicher Asylkritiker etwas schwer, seine Kritik unterzubringen.
    Wenn also ein hauptberuflicher Sportler mit harten Training und gelegentlichen Spielen nicht ausgelastet ist, und sich tatsächlich zur israelischen Asylpolitik oder sonstwas äußern möchte, darf er das tun, er sollte sich aber tatsächlich vorher Gedanken machen und keine Hitlersprüche raushauen. (Für hauptberufliche Sportlerinnen gilt sinngemäß dasselbe.)
    Soll DAS jetzt das Problem sein?

  18. @Michael J. #6
    Nun bin ich nicht in der DDR aufgewachsen und weiß daher nicht, wie kantig und wie wenig stromlinienförmig es in der DDR zuging (obwohl ich als Kind/junger Jugendlicher mal da war), aber dennoch möchte ich Ihrer These widersprechen.

    Was ist denn überhaupt diese „herrschende Meinung“, von der man nichtg abweichen darf? Es mag einen gewissen Grundkonsens geben, aber selbst der wird doch von der AfD seit einger Zeit erfolgreich aufgelöst. Ansonsten ist die herrschende Meinung m.E. sehr gruppenbezogen. Im Ortsverein der CSU und Oberbayern wird die anders aussehen als die der Grünen in Kreuzberg – und die Mitgleider beider Ortsvereine können in anderen Umfeldern wie Familie, Beruf, Freunde etc. nochmals ganz andere und zum Teil auf widedersprechende „herrschende Meinungen“ stoßen. Zudem habe ich keineswegs den Eindruck, dass es da Einschränkungen gibt, eher im Gegenteil. In den Diskussionsforen im Netz kann ich ohnehin sagen, was ich will, selbst sehr radikale Meinungen können in vielen Foren ganz offen geäußert werden. Aber auch im Real Life kann ich doch weitestgehend sagen, was ich will, ohne auch nur irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen. Das gilt natürlich nicht uneingeschränkt – das war aber nie der Fall. Ich würde aber sagen, dass es früher viel mehr Probleme gegeben hätte, etwa als Kirchenmitarbeiter geschieden zu sein oder offen zu sagen, dass man nicht sehr gläubig ist und als Grüner kann man heute gegen Migration und für die Automobilindustrie sein und trotzdem Karriere machen. Ich finde, die Gesellschaft ist insgesamt eher liberaler geworden und akzeptiert viel mehr als früher.

  19. Ein wenig korrigieren muss ich mich allerdings schon. Man darf nicht überall sagen, was man möchte:

    „Wir können Ihren Kommentar nicht veröffentlichen, da Sie von Jouwatch gesperrt wurden.“

    Bei mmnews wiederum bin ich nicht gesperrt, werde aber regelmäßig aufs übelste beleidigt und bedroht.

    Genau diese Leute, die Seiten wie jouwatch oder mmnews ganz toll finden, beklagen sich allerdings gleichzeitig über mangelnde Meinungsfreiheit…

  20. @TM #19
    Da stimme ich Ihnen zu, was herrschende Meinung ist, ist durch Gruppen und Zugehörigkeit definiert.

    Teile der CSU Führung haben sich ja mit rechtslastigen Sachen mehr aus dem Fenster gelehnt als hier ein Herr Kretschmar, der gar nicht rechtslastig ist. Dobrindts „Anti-Abschiebe-Industrie“ hat es sogar zum „Unwort des Jahres“ geschafft …

    Nun, Kretschmar gehört zur Gruppe von Sportlern, die Vorbild sein sollen. Die Werte der Unternehmen und Vereine, die er vertreten soll, oder die sie vertreten haben wollen sind iR: Bunt, offen, Vielfalt willkommen heißend, Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit, LGBT befürwortend, in Zuwanderung und Menschen aus dem Ausland eine Chance aber nicht ne Bedrohung sehen etc. Wenn nun einer was gegen diese Werte sagt wird er iR ordentlich Gegenwind bekommen und vielleicht auch nen fetten Shitstorm. Aus Sicht und Erfahrung von Kretsche, war das früher nicht so extrem.

  21. Der Sport soll sein: „bunt, offen, Vielfalt willkommen heißend. Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit, LGTB befürwortend, in Zuwanderung und Menschen aus dem Ausland eine Chance, aber keine Bedrohung sehen“.
    Und „etc.“, was immer das sein soll.
    Schauen wir uns mal „Die Mannschaft“ an: alles sportliche junge Männer, alles deutsche Staatsbürger, Abstammung deutsch und nicht deutsch.
    Und die Handball-Nationalmannschaft der deutschen Männer? Ähnlich, außer bei der Abstammung. Die ist fast nur deutsch.
    Bei beiden Mannschaften keine Geschlechtergerechtigkeit, wenig LGTB, keine Inklusion, Altersdiskriminierung.
    Wofür sind diese beiden Mannschaften Vorbild?

  22. „Wofür sind diese beiden Mannschaften Vorbild?“

    Dafür dass sie was können Heinzje. Kennst du auch noch andere SportelerInnen Sportarten außer 2 Männerteams? Und woher stammen deine Erkenntnisse darüber das die 2 Teams wenig LGTB Anteil haben? Tunten können nicht werfen, wie Mädchen oder woran macht das der Tastenheld so fest?

  23. Mich würde mal interessieren, wie Heinz „Abstammung“ definiert…

    Und natürlich, als Beispiele ganz zufällig NATIONALmannschaften ausgewählt, das ist halt blöd…

  24. @Schnellinger, #23:
    Kennen Sie einen homosexuellen Handballer in der dt. Nationalmannschaft? Falls nicht, hat Herr Schnabel hier nicht unrecht: Entweder es gibt keine, dann ist die Botschaft: „Homosexuelle kommen nicht in den Nationalkader.“ oder es gibt sie (was ja rein statistisch zu erwarten wäre), aber sie reden nicht darüber, dann lautet die Botschaft: „Du kannst auch als Homosexueller alles werden. Du darfst Dich bloß nicht outen.“ Keine der beiden Varianten ist irgendwie LGBT-befürwortend.

  25. @25 / Mycroft

    Kennen Sie einen homosexuellen Handballer in der dt. Nationalmannschaft?

    Woher ist Ihnen die sexuelle Orientierung der Handballer bekannt?

    aber sie reden nicht darüber, dann lautet die Botschaft […]

    Vielleicht sind die ja auch einfach schon weiter. Vielleicht lautet die Botschaft, wir reden nicht über deine sexuelle Orientierung weil sie (für deinen Job als Handballer) komplett irrelevant ist?

  26. @Wonko:
    Dann sind die von der Phase, in der die Existenz von Homosexualität komplett totgeschwiegen wurde, direkt in die Phase, wo Homosexualität kein Thema mehr ist, gesprungen, und haben die Phase, in der darüber geredet wird, dass Homosexualität kein Ausschlusskriterium (mehr) ist, komplett übersprungen? Oder habe ich die irgendwie verpasst?

    Oder, auch wenn handballintern das tollste LGBT-Klima herrscht, diese hypothetische Vorbild-Funktion soll doch für Jugendliche allgemein gelten. Wie bekämen die das denn mit? Bzw., was genau brächte Jugendliche dazu, zu denken, dass der Handball irgendwie LGBT-befürwortend ist, wenn es keine offen homosexuellen Handballer gibt? Für mich ist das, wenn überhaupt, LGBT-neutral. (Es gibt mWn lesbische Fußballerinnen.)
    Um das klar zu machen, wenn irgendein Mensch, ob homo- oder heterosexuell, sagt, dass sein Liebesleben Privatsache sei, die weder den Arbeitgeber, noch die Kollegen und ganz sicher nicht die Öffentlichkeit angeht, dann ist das auch so. Meinetwegen brauchen Handballer auch keine Vorbilder für irgendwas oder -wen sein. Aber wenn schon, denn schon.

  27. Einige Kommentatoren hier scheinen der durch Neid angetriebenen Meinung zu sein, nur weil Spitzensportler wie Kretschmer durch Werbeverträge so viel Geld verdienen, sei es ok, wenn sie als Folge ihrer Meinungsäußerung diese gekündigt bekommen. Alles mit dem Unterton „die sollen sich mal nicht so haben“
    Aber das eigentliche Punkt ist ja, dass solche Reaktionsmechanismen dazu neigen, sich zu verselbstständigen und damit das Grundprinzip der freien Meinungsäußerung mehr und mehr ausgehöhlt wird.

    Es ist also ok, einen Spitzensportler wirtschaftlich zu sanktionieren, wenn er eine Meinung äußert, die von laut genug pöbelnden, anonym auftretenden Menschen als falsch empfunden wird?

    Dann ist es auch ok, wenn AfD Parteimitglieder dasselbe Schicksal erfahren, am besten durch den Grundsatz „Besitz des AfD Parteibuchs verhindert eine Anstellung irgendwo“.

    Natürlich sollten wir aus Gerechtigkeitsgründen dasselbe auch den Parteimitgliedern der Linken zukommen lassen.

    Dann sollten natürlich auch beliebige Angestellte entlassen werden, wenn sie unliebsame Meinungen äußern.

    Reiche, also Millionäre oder Manager, sind sowieso suspekt, wenn sich solche nicht korrekt äußern, dann wäre eine Enteignung eigentlich angebracht

    Ladenbesitzer darf natürlich auch nur jemand sein, der Meinungsmäßig nicht daneben tritt. Man könnte einen alten Slogan wieder auffrischen „Kauft nicht bei …“

    Wer jetzt protestiert, dass ich übertreibe, der sage mir bitte, wo der prinzipielle Unterschied des ersten Ereignisses zu dem letzten Ereignis liegt.

  28. @Michael J. #21

    “ Aus Sicht und Erfahrung von Kretsche, war das früher nicht so extrem.“

    Ich glaube, das empfinden viele, nicht nur aber vor allem aus dem Bereich der AfD-Sympathisanten, so. In gewisser Weise ist das vermutlich auch richtig. Noch in den 1990er Jahren konnte man mit Blondinenwitzen ein Millionenpublikum begeistern, noch in den 1980ern fanden es wohl nur wenige problematisch, Wörter wie Kanacke, Fidschie, Schwuchtel usw. zu sagen oder zu hören. Das führt heute vermutlich/hoffentlich in den allermeisten Kreisen zu Reaktionen, die bei Fremdschämen beginnen und bei einem Shitstorm aufhören. Die Gesellschaft ist hier m.E. insgesamt in vielen Bereichen toleranter, liberaler und politisch korrekter geworden.

    Aus Sicht eingier Leute ist das aber kein Gewinn, sondern im Gegenteil ein Verlust an Toleranz und Liberalität, weil man vieles nicht mehr so wie früher sagen kann, ohne Gegenreaktionen zu erhalten.

    Ich vermute zudem, dass sich viele AfD-Anhänger tatsächlich persönlich angegriffen fühlen (und nicht nur gespielt empört sind), wenn sie dem rechten Lager zugerechnet oder gar als Nazis bezeichnet werden. Denn die allermeisten wünschen sich keine Rückkehr nach 1939, sondern in eine gar nicht so weit zurückliegende Vergangenheit, wo man noch offen rassistisch, homophob oder sonst irgendwie diskriminierend sein konnte, ohne damit negativ aufzufallen.

  29. @ThomasM:
    Ok, kann sein, dass ich so rüber kam.
    Ich unterstelle mal, wenn ein Sponsor wirklich mal einen Vertrag einseitig wegen eines einzelnen Tweets oder FB-Spruches kündigt, kann der Sportler oder die Sportlerin dagegen Klage erheben, so, wie Angestellte gegen Kündigungen klagen dürfen; Sportler, die eine nicht-mehrheitsfähige Äußerung tätigen, sind Sponsorenwillkür jedenfalls nicht wehrlos ausgeliefert.
    Und die Beschwerde war ja nicht, dass der Umgangston oder die Diskussionskultur so nachgelassen hätten, oder dass Arbeitgeber ihren Angestellten nachspionierten, sondern dass es genau Sportprofis so schwer hätten. Joah.

  30. @THOMASM #28
    „Wer jetzt protestiert, dass ich übertreibe, der sage mir bitte, wo der prinzipielle Unterschied des ersten Ereignisses zu dem letzten Ereignis liegt.“

    Der Unterschied liegt darin, dass Ihr Szenario nicht mit dem hier diskutierten Szenario zu vergleichen ist.

    „Es ist also ok, einen Spitzensportler wirtschaftlich zu sanktionieren, wenn er eine Meinung äußert, die von laut genug pöbelnden, anonym auftretenden Menschen als falsch empfunden wird?“
    Nein.
    Es ist aber ok, wenn der Sponsor die Meinung ebenfalls als Falsch empfindet.
    Und wenn wir die Meinungsfreiheit wahren wollen, dann hat das bitte auch ok zu bleiben!

    Ähnliches gilt für die anderen Beispiele.

  31. Samira El Ouassil steht eindeutig nicht auf der Seite derer, die ein Problem darin sehen, wenn Menschen eine politische Meinunng haben und lieber darauf verzichten diese öffentlich zu äussern, weil sie befürchten müssen von einem Teil der meinungsgebenden Medien ausgegrenzt zu werden.
    Wäre diese Meinung aber links oder grün, dann fände Samira El Ouassil das sicher völlig empörend.
    Meinungsfreiheit ist allerdings nicht teilbar, und erst wer sich für das Recht des Andersdenken einsetzt, der steht auch völlig dahinter.

  32. Ein Sponsor, der einen Sportler für Werbung bezahlt, darf natürlich kündigen, wenn das Verhalten des Sportlers nicht zu den vertretenden Werten des Unternehmens passt. Ein ganz normaler Vorgang. Das gilt übrigens bei allen Unternehmen in allen Richtungen und hat gar nix mit Meinungsfreiheit zu tun. Das gilt z. B. auch, wenn ein Automobilhersteller wirbt, und der Sportler sich öffentlich gegen Autoverkehr stellt o. Ä.
    Insofern verstehe ich die Aufregung nicht.
    Im übrigen teile ich auch nicht die Meinung, dass das früher „besser“ war — die generellen Meinungen waren nur anders. Z. B. konnte man früher halt nicht sagen „Homosexuelle und Frauen sind gleichberechtigt“ ohne sanktioniert zu werden. Heute ist es andersrum. Leute, die sich darüber aufregen, dass man „nicht mehr alles sagen darf“ finden in Wahrheit nur besser, was damals Konsens war. Sanktioniert wurde man schon immer — nur die Meinungen sind liberaler geworden. Illiberale Menschen finden das halt doof — so what.

  33. @ICHBINICH #33
    „so what.“
    Ja, wäre schön, wenn man es so abtun könnte.

    Ich bin voll bei Ihrem Beitrag, sehe aber, dass es mehr als eine Minderheit in unserer Gesellschaft gibt, die es vermisst, nicht mehr sagen zu dürfen, dass sie ein Problem mit Homosexuellen, Ausländern und der Gleichberechtigung für Frauen haben. Wenn nicht direkt, dann verklausuliert.
    Es sind genug Menschen, dass es ausreicht, ein gesellschaftliches Problem zu sein.

    So hilflos das jetzt klingen mag, muss ich gestehen, dass mich das wirklich traurig macht.

  34. @Micha:

    Stimmt ja alles. Nur habe ich nicht das Gefühl, dass dieses „gesellschaftliche Problem“ weg geht wenn man ständig drüber redet — ganz im Gegenteil.
    Und „traurig werden“ ist halt leider auch keine Lösung sondern es geht einem dann nur noch schlechter.
    Deswegen ist meine Lösung: so gut es geht ignorieren und lieber wirkliche Probleme lösen und sich engagieren wo man kann und es einen wichtig ist. Sollen die andern doch in Hass ertrinken. Ich mach da nicht mit.

  35. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich den Artikel noch nicht komplett lesen kann, aber woher stammt denn dieses Zitat?

    „Es sei denn, es ist die politische Mainstream-Meinung, wo man gesagt hat ‚Wir sind bunt‘ und ‚Refugees Welcome‘, wo man gesellschaftlich nichts falsch machen kann. Hat man eine kritische Meinung, auch gesellschafts- oder regierungskritisch, dann darf man in diesem Land nichts mehr sagen. Das wird dir sofort vorgeworfen.“

    In dem verlinkten Interview bei t-online steht:

    „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die Mainstream-Meinung, mit der man nichts falsch machen kann. Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land nicht mehr haben.“

    Der Bunt- und Refugees-Teil der hier zitiert wird, fehlt dort. Wurde das bei t-online nachträglich gekürzt oder hat er noch anderswo ein Interview mit teils identischem Wortlaut gegeben?

  36. dass es mehr als eine Minderheit in unserer Gesellschaft gibt, die es vermisst, nicht mehr sagen zu dürfen, dass sie ein Problem mit Homosexuellen, Ausländern und der Gleichberechtigung für Frauen haben.

    Und da ist sie wieder, die vollkommen unhaltbare Behauptung, man dürfe etwas nicht (mehr) sagen.
    Natürlich darf man das weiterhin sagen; passiert doch auch permanent. Man darf aber nicht (mehr) erwarten, dergleichen ohne Widerspruch zu sagen.

  37. @Wonko
    Wirklich anderes habe ich damit auch nicht gemeint.
    Ich dachte, das geht aus dem Kontext hervor.

    @Schreibkraft
    Wenn man nach „Stefan Kretzschmar dürfen Sportler noch ihr Meinung sagen?“ bei Youtube sucht, dann findet man das Interview mit diesen Zeilen.

  38. @29 TM:
    „Denn die allermeisten wünschen sich keine Rückkehr nach 1939, sondern in eine gar nicht so weit zurückliegende Vergangenheit, wo man noch offen rassistisch, homophob oder sonst irgendwie diskriminierend sein konnte, ohne damit negativ aufzufallen.“

    Das ist mMn der beste Kommentar zur deutschen Gesellschaft 2019. Damit lässt sich nämlich auch erklären, warum es so ein Theater wegen z.B. „Schokoküssen“ gibt.
    Durch das Internet wird die Aufregung um diese Umbenennung gebündelt, auf einmal finden sich 1000 Leute quer durch Deutschland, die das doof finden, und schon ist der schönste Shitstorm beisammen.
    Dabei ist der Mehrheit das total egal oder viele stimmen dem sogar zu.
    Trotzdem, Shitstorm.
    Und die Aufregung darüber wird dann hochgekocht.

    Da möchte man tatsächlich an einen Medienführerschein denken, der vor allem voraussetzt, dass man die eigenen Emotionen besser im Griff hat.

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