Das Magazin für anspruchsvolle Golfer, die es beim Journalismus nicht so genau nehmen
Es gibt ein Problem! „Auf Golfplätzen wird geklaut, als würden Raben über jedem Green kreisen.“ Kreditkarten, Autoschlüssel, große Scheine, einfach alles wird dort gestohlen, angeblich von Mitmenschen, die im Gebüsch lauern oder im Wald, also wahrscheinlich keine Golfer. Die sacken offenbar nur ein, was so im Golfresort rumliegt: Range-Bälle, Handtücher, sogar Pfeffermühlen!
Das steht im Magazin „golf spielen“, das ja nicht irgendein Magazin ist, sondern „Das Magazin für anspruchsvolle Golfer der ‚Süddeutschen Zeitung'“, womit aber nicht (nur) die Redakteure gemeint sind, sondern 1,24 Millionen Leser, die das Magazin angeblich erreicht – alles Leute mit Anspruch, Anstand, keine Handtuchdiebe. Was Werbekunden natürlich aufhorchen lässt, weil das eine super Zielgruppe ist. Wenn nicht gerade irgendwer Geldklammern und andere Sachen „im Wert von etwa 50.000 Euro“ aus dem Cart „stibitzt“ hat.
In der aktuellen Ausgabe von „golf spielen“ gibt es dementsprechend Anzeigen für dies und das, für Schläger, Turniere, Autos. Und wenn es für Turniere und Autos ist, ist es keine Anzeige, sondern ein Artikel, der wie eine Anzeige wirkt, nur seriöser: aus dem Hause der „Süddeutschen Zeitung“!
Aktuell steht da zum Beispiel die Geschichte über die BMW International Open, ein Traditionsturnier in Köln, das seit Mittwoch läuft und bereits auf dem Titel des Magazins als „Sport total“ angekündigt wird, was immer „total“ hier bedeutet. Drei Seiten widmet „golf spielen“ den International Open, alle großzügig illustriert und so gestaltet wie andere Artikel, allerdings fehlt der Autorenname. Man weiß also nicht, wer da all die wertvollen Sätze hingeschrieben hat.
Der Text ist eine freundliche Ankündigung zum 30. Geburtstag des Turniers: „Die Chroniken sind voll von Anekdoten, die Gästebücher zieren die großen Namen der Szene“, heißt es, und ein paar Golfer kommen auch zu Wort und rühmen die „gesellige Atmosphäre“ des „familienorientierten Turniers“, das natürlich ein „Highlight im Saisonkalender“ ist. Laut „golf spielen“ nennt es der Sponsor, falls das jemanden interessiert: ein „Wohlfühlturnier“.
Nicht zu vergessen: das tolle „Unterhaltungsprogramm“, das am Wochenende „noch ein paar Umdrehungen schneller dreht“, denn: „Die Möglichkeiten, abseits des Turniergolfs auf seine Kosten zu kommen, sind riesig.“ Vor allem für BMW-Fans: Die können gleich mehrere Modelle testen, und „die Hybrid-BMW beweisen die emotionalisierenden Möglichkeiten der Eletromobilität“. Das steht da wirklich so: emotionalisierende Möglichkeiten! Wie man sich in der Werbung halt ausdrückt.
Eigentlich muss man es nicht dazu sagen: Das ist natürlich kein unabhängiger redaktioneller Beitrag, der Text ist Teil eines Deals. Die Neue Mediengesellschaft Ulm, die „golf spielen“ verantwortet, schreibt uns:
„Es gibt eine Absprache, wonach ‚golf spielen‘ alljährlich breit über das Turnier berichtet, was selbstverständlich ist und der Bedeutung des Turniers für die Golfwelt entspricht. Die Texte kommen von uns. Der Name BMW kommt darin durch den Namen des Turniers oft vor. Wenn man besonders korrekt sein wollte, müsste vielleicht auf allen Seiten „Advertorial“ stehen.
Naja, aber so besonders korrekt wollten sie bei „golf spielen“ nicht sein. Auch weiter hinten im Heft, auf den Seiten, die als „PGA Special“ überschrieben sind. Oben steht noch klein die Unsinnsbeszeichnung „Verlagssonderbeilage“, als wäre das darunter irgendwie besonders und nicht einfach eine Anzeige: Alle Texte kommen von der Professionell Golfers Association (PGA) selbst, dem Verband der professionellen Golftrainer. Das Kürzel „pga“ steht unter den Texten. Bis auf den ersten, da steht ein Name: der des PGA-Kommunikationschefs.
Diese Specials hat „golf spielen“ schon seit Jahren im Heft, sie hätten auch einen „hohen Nutzwert für ’normale‘ Leser“, schreibt der Verlag. Und auch dieses Special ist ein Deal:
Die PGA beteiligt sich mit einem Druckkostenzuschuss an den Herstellkosten dieser Seiten. Sicherlich sind die Texte trotzdem keine Anzeigen im klassischen Sinn. Aber über das Wort „Verlagsbeilage“ lässt sich trefflich streiten. Vielleicht sollten wir für kommende Ausgaben über ein eigenes, kleines Impressum nachdenken.
Ja, vielleicht mal nachdenken, und streiten muss man über den Begriff „Verlagssonderbeilage“ ja gar nicht, man könnte ihn auch einfach abschaffen und durch etwas ersetzen, womit nicht mühsam verschleiert wird, dass man gerade Werbetexte liest, die auch noch im Gewand redaktioneller Artikel daherkommen. Aber auch dafür hat der Verlag ja eine Erklärung, also für den Umstand, dass sie dasselbe Layout haben:
Weil sie aus der gleichen Graphik kommen.
Ah ja.
So etwa 23 Seiten in der aktuellen „golf spielen“ sind als „Anzeige“ gekennzeichnet, eine komplette Seite kostet die jeweiligen Kunden rund 20.000 Euro. Drei davon hat dieses Mal BMW gebucht, um für seine International Open zu werben, zwei Seiten folgen gleich auf den werblichen, aber nicht als „Anzeige“ gekennzeichneten Text über das Turnier.
Ob darüber hinaus Geld fließt für die „Absprache“, das Turnier stets redaktionell zu bewerben, sagt der Verlag nicht. Aber möglicherweise zahlt auch der Autobauer einen „Druckkostenzuschuss“ wie die PGA, was (auch bekannt als „Produktionskostenzuschuss“) offenbar ohnehin ein Modebegriff ist, im Sinne: Nein, die haben die Werbung, die wir in ihrem Auftrag herstellen, nicht bezahlt, sondern nur Papier und Druck, dubdidu.
Die Neue Mediengesellschaft Ulm schreibt, „golf spielen“ beschäftige sich „im Kern mit den Fragen“, wie, wo und mit welchem Gerät man am besten Golf spiele, und „bei all diesen Fragen sind wir unseren Lesern ein objektiver und hoffentlich nützlicher Begleiter“, bei anderen wohl eher nicht. Kein bedeutendes Turnier komme außerdem ohne Sponsor aus, den es meistens auch im Namen trage: So könne man „praktisch nicht über den Sport schreiben, ohne einen Firmennamen mitzutransportieren“, so der Verlag.
Dabei geht es ja gar nicht um Texte, die einen Markennamen unvermeidbar mittransportieren, es geht um Texte, die geschrieben werden, eben gerade um einen Markennamen zu transportieren.
In dem Text über das BMW-Turnier ist das mehr als augenfällig, auch weil es mit BMW-Fotos illustriert ist, auf denen teilweise Autos abgebildet sind. Unter einem steht: „Das ist der Trend: die neuesten BMW-Modelle“. Auf unsere Frage, inwieweit das mit Golf zu tun habe, schreibt der Verlag, dass man den Text „sicherlich auch ohne dieses Bild“ hätte bebildern können. Das Foto sei „nicht relevant für den Artikel, aber eng gesehen hat außer Golf nichts mit Golf zu tun.“
Weit gesehen ist es schlechte Tradition bei „golf spielen“, den redaktionellen mit dem Anzeigenteil zu verwurschteln, und würde man noch tiefer einsteigen in die aktuelle Ausgabe, man würde vermutlich weitere Verschränkungen finden, die nicht weiter gekennzeichnet sind, aber abgesprochen.
Vor sieben Jahren berichtete Golfnerd.de, in wie vielen deutschen Golfmagazinen Artikel erscheinen, die letztlich hübsch getarnte Schleichwerbung sind. Dort findet sich auch eine Anekdote über das anspruchsvolle Golf-Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ und die „PGA Specials“, die auch damals schon „regelmäßig“ erschienen. Unter anderem sei dort eine „Pressemitteilung der PGA von der Redaktion unbearbeitet abgedruckt“ worden.
Die Anekdote: SZ-Starinvestigator Hans Leyendecker schrieb damals in der „Süddeutschen Zeitung“ über werbliche Texte aus Redaktionen. Nachdem er dann darauf hingewiesen wurde, er solle dazu mal im eigenen Haus Ausschau halten, stand in der nächsten Ausgabe von „golf spielen“ über den PGA-Seiten plötzlich „Anzeige“, aber das hat sich nicht etabliert. Leyendecker ist jetzt im Ruhestand, und bei „golf spielen“ werben sie einfach weiter so intensiv, wie auf Golfplätzen gestohlen wird.
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