„Spiegel Online“

Eine zweifelhafte Expertin fürs „Charakter-Profiling“

Unter der Überschrift „Auch Menschen ohne Facebook-Konto haben ein Problem“ hat „Spiegel Online“ vor kurzem ein Interview mit der „Online-Profilerin“ Suzanne Grieger-Langer veröffentlicht. Sie berät „als Charakter-Profilerin auf Grundlage von Datensammlungen große Unternehmen bei der Einstellung neuer Bewerber“, schreibt „Spiegel Online“.

Charakter-Profilerin? Einstellung von Bewerbern aufgrund von Datensammlungen? Spätestens da müsste jeder Redakteur aufhorchen. Mit einem Charakter-Profiling anhand von Datensammlungen würde sich jedes Unternehmen strafbar machen. Denn die Nutzung personenbezogener Daten ohne Zustimmung des Betroffenen ist nicht erlaubt.

Doch wer ist Suzanne Grieger-Langer? Ein detaillierter Lebenslauf lässt sich nicht finden. Laut ihrem Xing-Profil ist sie Diplom-Pädagogin mit Ausbildung in Transaktionsanalyse, einer wissenschaftlich nicht anerkannten Form der Psychotherapie.

Ich habe Grieger-Langer im vergangenen Jahr selbst erlebt. Auf der „Digital Mind Change“-Konferenz von Xing stellte sie sich als „Psychologin, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin“ vor. Von einem Abschluss in Psychologie und einer Ausbildung in Psychoanalyse, die eigentlich nur Psychologen und Ärzten offensteht, findet man jedoch nichts; auch auf Anfrage gibt sie nicht an, ein Psychologiestudium abgeschlossen zu haben. Mit einer falschen Angabe könnte sich Grieger-Langer sogar strafbar machen. Denn die Bezeichnung Psychotherapeut ist geschützt und setzt ein Studium der Medizin oder Psychologie voraus.

Auf der Konferenz erklärte Grieger-Langer: „Seit der Jahrtausendwende können wir den psychogenetischen Code berechnen, ohne mit der Zielperson in Kontakt zu kommen.“ Dafür genügten schon Name, Geburtsdatum und ein Foto. Dann suche sie aus dem Internet alles, was es zu der Person gibt, und berechne mit Hilfe von Algorithmen das „Charakter-Profil“. Darin erkenne man zum Beispiel, wie jemand mit Geld umgeht oder ob er loyal gegenüber seinem Unternehmen sein kann. Damit wiederum wählt sie angeblich Führungskräfte für Unternehmen aus. Mehr Unsinn geht kaum.

Aufschlussreich ist auch ein Artikel aus der „Süddeutschen Zeitung“ aus dem Jahr 2009. „Manche Personen kann man in drei Minuten lesen“, behauptete Grieger-Langer dort. Das sei eben wie bei der DNA, wo auch schon eine Hautschuppe genüge. Manchmal sei auch ein 20 Jahre altes Foto ausschlaggebend. Aber auch Körperform, Frisur, Brillentyp und Stimme würden analysiert.

Falsche Lorbeeren

Bei ihren angeblichen Tätigkeiten für Hochschulen schmückte sich die Online-Profilerin nach meinen Recherchen mit falschen Lorbeeren. So behauptete sie, für die Frankfurt School of Finance and Management den Studiengang „Certified Profiler“ entwickelt zu haben. Das war falsch.

Sie habe lediglich ein eintägiges Wahlmodul im 22-tägigen Zertifikatsstudiengang „Certified Fraud Manager“ unterrichtet, schrieb die Hochschule und mahnte sie ab. Daraufhin wechselte sie die Hochschule aus und schrieb auf ihrer Website: „Für die Steinbeis University Berlin entwickelte sie den Studiengang ‚Certified Profiler'“. Doch auch das war falsch.

„Frau Suzanne Grieger-Langer ist keine Mitarbeiterin der Steinbeis-Hochschule und wurde von uns auch nicht beauftragt, einen Studiengang ‚Certified Profiler‘ zu entwickeln“, teilte Carsten Rasner mit, der Direktor der Steinbeis School of Management and Innovation an der Steinbeis-Hochschule Berlin. „Unsere Geschäftsführung hat Frau Grieger-Langer aufgefordert, diese Angabe unverzüglich zu entfernen.“

All diese Informationen sind im Netz leicht zu finden. Doch bei „Spiegel Online“ hat man offenbar nicht recherchiert, sondern der Interviewerin vertraut.

Auch weitere Hochschulen bestreiten inzwischen auf Anfrage die Verbindungen, die Grieger-Langer zu ihnen behauptet. Grieger-Langer lässt gegenüber Übermedien erklären, sie sei weder von der Frankfurt School of Finance and Mangement noch von der Steinbeis Hochschule abgemaht worden. Einen detaillierten Lebenslauf veröffentliche sie seit Jahren nicht mehr, „da wir in der Vergangenheit mehrfach sehr unangenehme Erfahrungen mit Stalkern machen mussten“.

Am Tag, als das Interview erschien, habe ich die Leiterin des Netzwelt-Ressorts, Judith Horchert, und Chefredakteurin Barbara Hans auf die Zweifel an der Seriosität der Interviewpartnerin aufmerksam gemacht und ihnen die entsprechenden Links geschickt. Es passierte nichts. Antwort bekam ich nicht – erst auf eine erneute Anfrage ausdrücklich für die Berichterstattung auf Übermedien.

Auch das Interview selbst ist peinlich. Grieger-Langer sagt darin:

„So, wie Cambridge Analytica psychometrische Methoden einsetzt, sind sie sehr mächtig. Die Nutzer müssten eigentlich wissen, was sie mit ihren Daten preisgeben. Sie wollen es aber nicht wissen und verhalten sich online so, als wären ihnen alle wohlgesonnen.“

Das ist im Zusammenhang mit dem Skandal um Cambridge Analytica Unsinn. Denn dabei wurden die Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern widerrechtlich genutzt. Entwickler einer App an der Cambridge University hatten Daten an Cambridge Analytica weitergereicht, wo man dann wiederum für das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump gearbeitet hatte. Einen guten Überblick über das ganze Vorgehen gibt ein Artikel im „Tagesanzeiger“.

An der Cambridge University wollte man damals herausfinden, ob sich aus den Facebook-Likes etwa zu Filmen, Stars oder Büchern – und damit aus an sich unverfänglichen Angaben – ein valides Persönlichkeitsprofil erstellen lässt. Die Aussage von Grieger-Langer, dass Nutzer eigentlich wissen, was sie mit ihren Likes preisgeben, ist daher unsinnig. Zudem lassen sich bisher heute aus den Daten keine validen Persönlichkeitsprofile erstellen. Aber man findet bestimmte Vorlieben und Verhaltensweisen, die für die gezielte Ansprache – wie im Wahlkampf – genutzt werden können.

SPIEGEL ONLINE: Sie beraten große Unternehmen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Welche Rolle spielen Facebook-Profile in Ihrer Arbeit?

Grieger-Langer: Eine marginale. Neben den Daten, die ein Kandidat mit der Bewerbung abliefert, holen wir Daten aus dem offenen Internet. Vieles ist frei und ohne Passwortschutz zugänglich, auch auf Plattformen wie Facebook. Die Menschen sollten sorgsamer mit Daten umgehen. Auch Menschen ohne Facebook-Konto haben ein Problem.

Auch hier gilt: Unternehmen, die das tun, machen sich strafbar, wenn sie nicht die Berechtigung der Personen haben, die Daten zu nutzen.

Völlig wirr und in sich unschlüssig wird es bei der folgenden Antwort:

Daten können kein Eigenleben entwickeln. Algorithmen können aber schlecht berechnet sein und Relevantes auslassen, sodass die Maschine nur scheinbar ein Ergebnis liefert. Bei Beurteilungsverfahren in Assessment-Centern etwa wird oft gesagt, die Technik biete ein mogelfreies Verfahren. Aber die Maschine rechnet nicht damit, dass der Mensch über die Technik hinausdenkt und überlegt: „Der Arbeitgeber wünscht Teamfähigkeit. Ich bin nicht teamfähig, weiß aber, wie sie sich ausdrückt. Also klicke ich die Antwort an, die ein teamfähiger Mensch auswählen würde.“

Einmal geht es um Assessment Center (also einer Verhaltensbeobachtung von mehreren Bewerbern durch mehrere Beobachter), einmal offenbar um Fragebögen („dann klicke ich die Antwort an“) und ein anderes mal um Algorithmen. Doch was hat Verhaltensbeobachtung mit Algorithmen zu tun?

Algorithmen suchen nach Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen. Sie können nicht „scheinbar ein Ergebnis liefern“. Sie liefern immer ein Ergebnis, das allerdings auf Scheinkorrelationen beruhen kann.

Das Interview erweckt an etlichen Stellen den Eindruck, dass weder Frau Grieger-Langer noch die Autorin noch die Redaktion wissen, um was es eigentlich geht.

Ist das Interview vielleicht im hektischen Tagesgeschäft durchgerutscht und wurde nicht mehr gegengelesen? „Spiegel Online“ bestreitet das auf Nachfrage. „Selbstverständlich ist das Interview vor der Veröffentlichung sowohl im Ressort als auch von einem Chef vom Dienst gründlich gegengelesen und redigiert worden. Zudem wurden die Antworten von Frau Grieger-Langer autorisiert“, erklärt Ressortleiterin Horchert.

Und die inhaltliche Kritik? „Wir konnten keine groben sachlichen Fehler entdecken, die einer Richtigstellung bedürften. Es mag sein, dass sich die Interviewpartnerin im Gespräch hier und da ungenau ausdrückt oder Dinge sagt, die polarisieren. Beides ist unserer Auffassung nach in einem Interview völlig normal.“

Immerhin gesteht „Spiegel Online“ ein, dass man sich nicht die Mühe gemacht hat, über die Online-Profilerin zu recherchieren. Meine Recherchen zur Arbeit von Frau Grieger-Langer seien der Redaktion nicht bekannt gewesen. „Wir haben sie aber zur Kenntnis genommen und werden sie ggf. zukünftig berücksichtigen.“

Besonders interessant ist natürlich das „ggf“. Vielleicht greift „Spiegel Online“ ja bald wieder auf die „Expertise“ dieser Dame zurück? So ändern sich die Zeiten. Früher wurden bei „Spiegel online“ häufiger Scharlatane entlarvt, heute werden sie promotet.

Nachtrag, 29. Mai. Bärbel Schwertfeger hat weitere Ungereimtheiten und Falschangaben von Grieger-Langer hier zusammengetragen.

Nachtrag, 16. Juli. Suzanne Grieger-Langer hat Übermedien abgemahnt und aufgefordert, mehrere Aussagen über sie zurückzunehmen. Wir haben das abgelehnt und bleiben bei unserer Darstellung.

Grieger-Langer ist auch gegen unsere Autorin Bärbel Schwertfeger juristisch vorgegangen. Sie wollte ihr unter anderem den Vorwurf untersagen, sie habe gelogen, was ihren Lebenslauf angeht. Das Landgericht Bielefeld hat den Antrag Grieger-Langers abgelehnt. Bei den „Ruhrbaronen“ gibt es einen ausführlichen Bericht über die Verhandlung.

26 Kommentare

  1. Interessante Einblicke, aber zum Thema „Daten, die man im Internet über potentielles Personal findet“, ist dieser Einwand sehr akademisch:
    „Auch hier gilt: Unternehmen, die das tun, machen sich strafbar, wenn sie nicht die Berechtigung der Personen haben, die Daten zu nutzen.“

    Das ist ungefähr so, als würde ich sagen, wer in mein Haus eindringt, ohne eine Berechtigung zu haben, macht sich strafbar. Ist an sich nicht falsch, aber kein Argument, nicht abzuschließen.
    Hinzu kommt, dass man als nicht genommener Bewerber oder Bewerberin i.d.R. nicht gesagt bekommt, dass die Absage an Dingen lag, die man gegoogelt hat.
    Und dazu kommt noch, wenn ein Unternehmen mich nicht nimmt, weil es meine I-Net-Vorgeschichte erforscht hat, will ich es darauf verklagen, mich doch noch einzustellen oder bin ich froh, da nicht gelandet zu sein? Oder habe ich als Arbeitsuchender eigentlich die finanziellen Kapazitäten, so eine Klage anzustrengen? Für so ein Unternehmen könnte das ein kalkuliertes Risiko sein.

  2. Die Zusatzausbildung zum Psychotherapeuten steht grundsätzlich auch studierten (Sozial-)Pädagogen offen. Daher ist es kein Ding der Unmöglichkeit, dass die Dame eine solche Ausbildung absolviert haben könnte.
    Es gibt aber, wie im Artikel dargestellt, genügend andere Anhaltspunkte, um die Frau kritisch zu betrachten.

  3. „Das Interview erweckt an etlichen Stellen den Eindruck, dass weder Frau Grieger-Langer noch die Autorin noch die Redaktion wissen, um was es eigentlich geht.“
    Das scheint mir der Kern des Problems zu sein. Alle beteiligten simulieren Wissen. Reihen Buzzwort an Buzzthema. Und fertig ist der Online-Artikel. Liest sich ok, eine „Expertin“ hat mitgewirkt. Alles gut. Was will man mehr?
    Was immer wieder erschreckt, ist die Kritikresistenz. Da stört nur jemand den normalen Ablauf…

  4. Diplom-Pädagogin, Transaktionsanalyse, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin…..

    Wann sollte eine angebliche Diplom-Pädagogin wissen, dass der Begriff „Psychotherapeut“ gesetzlich geschützt ist? Vorrangig, wenn sie eine Ausbildung zur „Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin“ absolviert hat. Ebenfalls ein durch das Psychotherapeutengesetz geschützter Begriff. Wenn das nicht der Fall ist, macht sie sich definitiv strafbar. Dann würde eine etwas fragwürdrig arbeitende Dame sich mit falschen (nicht fremden, sondern falschen) Federn schmücken.

    Im Nebel stochern geht auch einfacher. Solange die Entscheider in Unternehmen glauben, dass sich Psychogramme mittels einer Abart des Kaffeesatzlesens erstellen lassen, muss ich mir um den Niedergang essentieller Werte in der deutschen Wirschaft keine Gedanken machen. Er ist gesichert.

    Und: Solange das psychologische Wissen ausschließlich in der Köpfen der „Gelehrten“ verbleibt und nicht den Weg in die Köpfe der Menschen auf der Straße findet (siehe Schulz von Thun), werden psychologisierende Scharlatane immer leichtes Spiel haben.

  5. „All diese Informationen sind im Netz leicht zu finden. Doch bei „Spiegel Online“ hat man offenbar nicht recherchiert, sondern der 22-jährigen Autorin vertraut.“

    Bezieht sich die Altersangabe auf Frau Grieger-Langer? In dem Artikel der SZ von 2010 ist ihr Alter als 37 angegeben. Demnach sollte sie heute 45 sein.

  6. Also das Buzzword-Bingo in den Zitaten hätte mich schon stutzig gemacht in der Kompetenz der Dame.
    Dass da kein Redakteur hellhörig wird, bedeutet, dass hier gar kein Interesse bestand, um was es eigentlich geht.
    Hauptsache „persönliche Daten“ und „Cambridge Analytics“ kommt irgendwie vor.

    Aber gerade für die Netzwelt-Redaktion ist das sehr peinlich vor allem kurz vor Inkrafttreten der EU-DSGVO, in der nochmal ausdrücklich – wie auch im bestehenden BDSG – auf Datensparsamkeit und die BEschränkung der Nutzung von personenbezogenen Daten hingewiesen wird, mit Strafandrohung bei Verstoß gegen diese Prinzipien.

  7. Mal wieder das alte Problem von Journalisten: Es wird über etwas geschrieben, von dem man eigentlich keine Ahnung hat. Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie? Da gibt es Unterschiede? Auch bei der Ausbildung?!

  8. @9: „Der Journalist an sich …“
    Sippenhaft?
    Ich bin doch auch kein nationalsozialistischer Massenmörder, nur weil ich dieselbe Konfession („Lutheraner“) wie der bekloppte Breivik habe.
    (Hab‘ ich nicht mal, ist nur exemplarisch gemeint.)

  9. Insgesamt ein interessanter und lohnender Artikel! Insoweit geht mein Lob für die Recherche an die Autorin.

    Allerdings möchte ich bei einem Detail etwas einhaken – nämlich wenn gesagt wird, dass die Transaktionsanalyse „eine[…] wissenschaftlich nicht anerkannte[…] Form der Psychotherapie“ sei.

    Das suggeriert m.E. etwas Falsches, nämlich dass es eine relativ klare Unterscheidung zwischen wissenschaftlich anerkannten und wissenschaftlich nicht anerkannten Formen gebe. Die ersteren, so würde man vermutlich meinen, fußen auf Erkenntnissen der Wissenschaft, sind effektiv und finden in der Fachwelt allgemeine Anerkennung – die letzteren hingegen haben keine wissenschaftliche Grundlage, sind vermutlich ineffektiv und werden von den meisten Fachleuten kritisch gesehen.

    Das stimmt so aber nicht, wie ich Punkt für Punkt ausführen möchte:

    Wissenschaftliche Fundierung:

    Bei zahlreichen Therapie-Verfahren – darunter auch solch prominenten und vom Wissenschaftlichen Beirat für Psychotherapie anerkannten wie der Psychoanalyse – ist umstritten, ob und inwieweit sie auf „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ beruhen. Dies kann man ganz leicht selbst recherchieren, weshalb ich das hier wohl nicht weiter zu belegen oder zu vertiefen brauche.
    Doch selbst bei der kognitiven Verhaltenstherapie weisen sog. „Dismantling-Studien“ darauf hin, dass man Teile des Verfahrens einfach weglassen kann. Oder mit anderen Worten: Auch hier gelangen Rituale, die im jeweiligen Fall keinen nachweisbaren Effekt haben, zum Einsatz.

    Effektivität:

    Die Effektivität ganz unterschiedlicher Psychotherapie-Verfahren ist sehr ähnlich. Ob nun gar kein messbarer Unterschied besteht, wenn alle relevanten Variablen berücksichtigt werden („Dodo-Bird-Urteil“), oder ob doch zumindest geringfügige Differenzen zu verzeichnen sind, kann dabei offen bleiben. Die große Mehrheit der Metastudien zeigt jedenfalls, dass Unterschiede – wenn sie denn bestehen -, relativ unbedeutend sind. Entsprechend erklären therapeutische Techniken dann auch nur einen kleinen Anteil der Varianz vom Erfolg von Therapie. Das spricht stark dafür, dass es nicht so sehr einzelne Techniken oder Verfahren sind, sondern vor allem „unspezifische“ Faktoren, die bei der Psychotherapie die Hauptrolle spielen (etwa therapeutische Beziehung, Erwartung usw.). Ich weiß nun nicht, was speziell die Studienlage zur Transaktionnsanalyse ist; aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieses Verfahren oder eine andere der weniger bekannten Therapien wesentlich ineffektiver wäre als die populäreren Therapie-Methoden.

    Akzeptanz in Fachkreisen:

    Es existiert eine enorme Anzahl psychotherapeutischer Verfahren, die (auch) von Psychologen und Psychiatern entwickelt wurden und von ihnen vertreten werden – und zu denen es oftmals Symposien, Ausbildungsangebote, akademische Bücher und Fachzeitschriften gibt. Die erwähnte Transaktionsanalyse wäre ein Beispiel, das all diese Bedingungen erfüllt.
    Es gibt natürlich Therapieverfahren, die populärer sind als andere – aber das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass diese wesentlich mehr auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen würden oder wesentlich effektiver wären als andere (s.o.). Auch stehen unterschiedliche therapeutische Verfahren nicht zwingend in einem unüberbrückbaren Gegensatz, sondern lassen sich häufig kombinieren. Wenn also viele Therapeuten die bestimmte Methoden favorisieren, heißt das nicht, dass sie alle anderen Methoden ablehnen oder als „unwissenschaftlich“ betrachten müssten. Im Gegenteil kombinieren die meisten Kliniker in der Praxis ohnehin unterschiedliche Verfahren.

    Die Rede davon, dass ein Therapieverfahren wie etwa die Transaktionsanalyse „nicht wissenschaftlich anerkannt sei“ ist also problematisch, da sie beim nicht vorgebildeten Leser vermutlich einen irrigen Eindruck erzeugen wird.

    Wer übrigens meinen Ausführungen nicht glauben mag, der sei beispielhaft auf nachfolgenden Text von Bruce Wampold, einem führenden Psychotherapiefoscher, verwiesen; die meisten meiner Erläuterungen werden finden sich samt Belegen dort. Siehe insbesondere das Kapitel „Specific Effects“:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4592639/

  10. Schön, dass Frau Schwertfeger noch aktiv ist und weiter gegen unseriöse Psychoscharlatane anschreibt.

  11. Wenn das, was diese Online-Profilerin erzählt, Unsinn ist, dann ist es doch egal, was sie studiert hat. Da könnte sie eine richtige Frau Professor sein und es wäre immer noch Unsinn. Ihr vorzuhalten, dass sie nichts Rechtes studiert hat und dass sie sich mit fremden Federn schmückt … ja nun … macht dieses „Erwischt“ den Unsinn noch unsinniger?

  12. @Danny (13)
    Es geht hier ja um die Medien. Das Problem ist, dass sie sich mit solchen „Nichtexperten“ schmücken und als Autoritäten für Artikel nutzen.

    …könnte ja jeder kommen ;-)

  13. Für mich ist Frau Grieger Langer in erster Linie eine Infotainerin. Mit ihren provokativen Aussagen fasziniert sie. Eine reine Hochstaplerin ist sie aber sicher nicht. Ich höre gerade kritisch ein Hörbuch von ihr, das relativ tiefes Wissen in Jungianischer PT und Transaktionanalyse vermittelt. Ich finde es gut, dass Frau GL durch diesen Artikel in einen gewissen Rechtfertigungsdruck kommt. Letztendlich wird dabei whs rauskommen, dass es sich um eine Lehrerin Handelt, die im Nebenfach etwas Psychologie studiert hat und nicht staatliche Kurse in Transaktionsanalyse und dem schweizerischen Jung Institut belegt hat. Mit geschicktem provokativen Selbstmarketing inszeniert sie sich als Eliteberaterin der ganz grossen Bosse und in gewisserweise als Gruftiversion einer zeitgenössischen Tarotkartenleserin. Diese wilde Mischung beherrscht sie allerdings so gut, dass ich regelmäßig ihre Videos mit grossem Vergnügen angucke.

  14. Ihr Infotainment sei Ihnen ja gegönnt. Nur geht es hier auch um Personalauswahl. Ich weiß nicht, ob Sie es auch noch so unterhaltsam fänden, wenn Sie als Bewerber aufgrund ihrer abstrusen Methoden (psychogenetischer Code!!!) und ihren unerlaubtem Datensammlungen den erwünschten Job nicht bekämen. Zudem schmückt sie sich mit falschen Titeln (Psychologin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin) und die Darstellung ihrer angeblichen Tätigkeiten an diversen Hochschulen ist überwiegend falsch. Ein Hochstapler ist übrigens eine Person, die bewusst (mit oder ohne betrügerische Absicht) vorgibt, eine Person höheren Ansehens zu sein, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen. Aber mit der Lehrerin könnten Sie richtig liegen. Laut Wikipedia ist das Thema ihrer Diplom-Arbeit: „Transaktionsanalyse – Emotionale Kompetenz mit individuellen Fördermaßnahmen im Unterricht der Primarstufe.“ Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik 1997.

  15. Liebe Frau Schwertfeger,

    ich schätze ihre Artikel sehr. Aber hinsichtlich der juristischen Bewertung, die sie hier und an anderer Stelle vornehmen, das Folgende:

    Die Verarbeitung von allgemein zugänglichen bzw offensichtlich öffentlich gemachten Daten ist nicht per se strafbar wie Sie schreiben. Es ist noch nicht mal per se rechtswidrig. Und es ist grundlegend falsch, wenn Sie schreiben, dass die Datenverarbeitung stets der Einwilligung der Betroffenen brauche.

    Es schmerzt mich immer von guten Journalisten wie Ihnen, derart falsche juristische Ausführungen zu lesen.

    Mehr zur Frage der Datenverarbeitung aus allgemein zugänglichen Quellen:

    https://diercks-digital-recht.de/2017/06/active-sourcing-und-talent-relationship-management-trm-unter-der-datenschutzgrundverordnung-i-teil-9-zur-eu-dsgvo/

    Besten Gruß,
    Nina Diercks

    PS. Die Datenverarbeitungen wie hier beschrieben sind nach summarischer Prüfung dennoch wohl rechtswidrig und Unternehmen müssten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Bußgeldern nach der DSGVO rechnen, wenn sie diese Auswahlverfahren einsetzten.

  16. Liebe Frau Diercks,
    der Satz heißt: „Mit einem Charakter-Profiling anhand von Datensammlungen würde sich jedes Unternehmen strafbar machen. Denn die Nutzung personenbezogener Daten ohne Zustimmung des Betroffenen ist nicht erlaubt.“ Er bezieht sich auf die Datensammlungen von Frau Grieger-Langer (Stimme, Brillenform…) und ihr Profiling. Es geht also nicht um Active Sourcing, sondern um Personalauswahl. Sie behauptet, dass sie alle frei zugänglichen Daten für ihr Profiling nutzen kann und das ist – so zumindest auch der hessische Datenschutzbeauftragte – nicht zulässig. Das hat auch das Gericht so bestätigt. Siehe auch ZD 2018, 353 Datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Pre-Employment Screening. Aufsatz von Lea-Christina Schwarz. Aber ich bin natürlich kein Anwalt.
    viele Grüße
    Bärbel Schwertfeger

  17. Liebe Frau Schwertfeger,

    natürlich ist mir bewusst, dass es hier nicht um Active Sourcing geht, sondern um die Datenverarbeitung von offensichtlich öffentlich gemachten Daten (früher: allgemein zugängliche Daten) – und zwar im Rahmen vom Profiling. Mein vorstehend genannter Artikel – den Sie scheinbar leider schon aufgrund des Titels nicht gelesen haben – beschäftigt sich eben der Zulässigkeit der Verarbeitung offensichtlich bekannt gemachter Daten im Rahmen von Personalauswahlverfahren (hier nur: Sourcing).

    Es ging mir darum klarzustellen, dass es nicht per se verboten ist, im Sinne von Art 9 Abs. 2 e) DSGVO offensichtlich öffentlich bekannt gemachte Daten (früher § 28 BDSG) zu nutzen und dass es es nicht per se der Einwilligung zur Datenverarbeitung bei Personalauswahlverfahren bedarf.

    Gerne verweise ich an dieser Stelle auf die Zusammenfassung vom heutigen Tage, der die Rechtslage kurz und knapp darstellt: https://blog.recrutainment.de/2018/08/13/nein-man-braucht-nicht-per-se-eine-einwilligung-zur-datenverarbeitung-vom-bewerber-auch-nach-dsgvo-nicht/

    Es bedarf der jeweiligen Einzelfallprüfung bei Personalauswahlverfahren, ob die Datenverarbeitung zulässig ist oder nicht.

    Die Auffassung des hessischen LDA ist mir bekannt. Hier besteht kein Dissenz. Weder grundsätzlich, noch in der Sache.

    Bei dem „Personalauswahlverfahren“ von Grieger-Langer spricht auch mE vieles für eine unzulässige Datenverarbeitung.

    Oder um es einmal anders zu formulieren: Ich plädiere weder hier noch an anderer Stelle für die Personalauswahlverfahren von G-L, sondern für eine saubere Darstellung der juristischen Kriterien.

    Und klar, dass fällt Journalisten, die einen Schwerpunkt auf Psychologie haben, naturgemäß nicht leicht. Deswegen versuch ich ja nur zu helfen. :-)
    (Btw, unabhängig von dem Vorstehenden, der Satz „Unternehmen machen sich strafbar“ ist und bleibt falsch ist. Es gibt kein Unternehmensstrafrecht in Deutschland. Strafbar können sich nur natürlich Personen machen. Zunächst einmal geht es hier um die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung. Ggf. können sich ausführende Organe daneben strafbar machen. Aber das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.)

    Herzlich, :-)
    ND

  18. Guten Tag Frau Schwertfeger

    Danke für Ihre Berichterstattung. Finde es immer wieder, dass verschiedene Blickwinkel auf eine Thematik wirft und Sie bieten hierbei eine grosse Unterstützung. Ich interessiere mich sehr für Psychologie- und Führungsthemen und da bin ich auch über Frau Grieger-Langer gestolpert. Mit meinem Freund (Offizier in der Armee) habe ich dann eines ihrer Clips im Internet angeschaut. Anfangs hatte ich einen guten Eindruck, bis dann mein Freund meinte: „Ist dir aufgefallen, wie oft die Floskel ’seien wir mal ehrlich‘ gefallen ist?“ (Man könnte jedesmal wieder denken: „Oh, ab jetzt spricht sie die Wahrheit.“)

    Dies machte mich skeptisch und so bin ich auf Ihre Artikel gestossen. Scheint so, als würde Frau Langer in ihren Vorträgen genau beschreiben wie sie ist… Selbstdarstellung pur.

    Langer Rede kurzer Sinn: Danke für die fundierte Berichterstattung – sowas erwarte ich von Journalismus.

  19. Einige ihrer Ausagen sind falsch: Die Transaktionsanalyse ist keine psychotherapeutische Methode und zur Psychotherapie benötigt man in Deutschland kein Studium. Unabhängig von den Vergehen der Kollegin halte ich Ihren Beitrag daher für schlampigen Journalismus.

  20. Hallo,

    leider hilft schlampiges Lesen auch nicht weiter. Es geht um die Bezeichnung als Psychotherapeut. Die ist geschützt und um sich als Psychotherapeut bezeichnen zu dürfen, braucht man ein Studium. Es steht nirgends, dass man für das Anbieten von Psychotherapie zwingend ein Studium braucht. Auch Heilpraktiker können Psychotherapie anbieten, brauchen dazu aber eine Erlaubnis. Dass die Transaktionsanalyse keine psychotherapeutische Methode ist, dürfte auch der Deutschen Gesellschaft für Transaktions-Analyse neu sein (Zufällig habe ich mal ein Buch über Therapiemethoden geschrieben/herausgegeben, in dem ein Lehrbeauftragter der Gesellschaft ein Kapitel über die Therpaieform der Transaktionsanalyse verfasst hat). Entwickelt wurde sie übrigens von Eric Berne als sozialpsychiatrische Therapiemethode. Ich finde es erschreckend, wie wenig Wissen es offenbar noch immer zum Thema Psychotherapie gibt.

  21. Nach einigem hin und her hat sich der Lebenslauf von Frau Grieger Langer als nachweisslich im grossen Stil frisiert erwiesen.
    Ein Versuch der Gegendarstellung ihrerseits (ihr gutes Recht) endete als Eigentor. Sie versuchte auch juristisch gegen das MBA Journal vorzugehen, fiel vor Gericht aber aufgrund der Beweislage durch:

    https://www.mba-journal.de/grieger-langer-transparenzoffensive-bestaetigt-luegen/

    Eine Bekannte ist ein grosser Fan von Ihr und hat mich mal zu einem Vortrag mitgeschleppt, mir kam vieles sehr vereinfacht und pauschalisiert vor. Ich persönlich kann mit Frau Lydia Benecke mehr anfangen, da wird messerscharf argumentiert und sie kann komplexe Sachverhalte exzellent auf den Punkt bringen.

  22. Auch der Versuch sich als Opfer einer Rufmord-Kampagne und einer organsisierten Verschwörung darzustellen ist gescheitert:
    https://www.mba-journal.de/grieger-langer-und-ihre-inszenierung-als-rufmord-opfer/

    Im Zuge der Ermittlungen kamen immer mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht, zum Beispiel die ebenfalls modifizierte und sogar erfundene Kundenliste:

    https://www.haufe.de/personal/personalszene/grieger-langer-und-die-gefakte-kundenliste_74_508654.html

    nteressantes Zitat vo Psiram dazu „„Einige von Grieger-Langers Methoden machen Anleihen bei pseudowissenschaftlichen und veralteten Lehren wie der Physiognomik, der Phrenologie („Schädellehre“) sowie der Graphologie und sind daher unseriös. Ihre Art der Datenerhebung über Personen ist aus Gründen des Datenschutzes fragwürdig.“

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