Bahnhofskiosk

Die sind doch high!

Schneller habe ich noch nie ein Zeitschriftenkonzept erklärt: Im Wesentlichen schreibt die Redaktion von „High Life – Internationaler Lifestyle für Männer“ PR-Texte von Luxusfirmen um, bebildert das Ganze mit PR-Bildern eben jener Firmen und verkauft denselben Firmen die Anzeigen zwischen den so entstandenen Seiten. „Internationaler Lifestyle“ beschreibt dabei ungefähr das Männerbild eines 12-jährigen James-Bond-Fans in den Achtzigerjahren: tolle Autos, teure Hotels, Yachten und abends ein Stück Fleisch.

Es gibt eine Geschichte im Heft über einen sechs Meter breiten, 480.000 Euro teuren Flachbildfernseher, in dem sich lustig gemacht wird über das absurde Teil, buchstäblich alle anderen Geschichten im Heft sind ausschließlich Jubelarien. Es gibt außerdem eine Geschichte, für die der Herausgeber, der die meisten Texte im Heft schreibt, nach Zürich gefahren ist und den Künstler Conor Mccreedy getroffen hat1)Der zwar Künstler ist, aber „Bloomberg Market TV […] bescheinigt ihm das Potenzial zur kommenden, eigenen Luxusmarke“. Der Übermedien Bahnhofskiosk bescheinigt ihm ganz großes Bullshit-Potenzial und wundert sich, dass er 149.000 Follower auf Twitter hat, seine Tweets aber regelmäßig nur etwa sieben Likes. Da ist irgendwas fishy., ansonsten gibt es keinen Text im Heft, den man nicht anhand von Pressemitteilungen schreiben konnte. Jedes einzelne Foto im Heft ist ein kostenlos von den Herstellern gestelltes Pressefoto.

Ich zitiere mal aus einer Geschichte über das 24-Stunden-Rennen von Le Mans:

Die Faszination des 24-Stunden-Rennens von Le Mans hat jetzt auch die Premium Lifestyle-Marke GANT wiederentdeckt, die für die nächsten drei Jahre offizieller Sponsorpartner ist. Viele Gemeinsamkeiten verbinden beide Marken2) Offenbar ist das Rennen auch eine Marke.. Die Leidenschaft, die Herausforderung, die Innovation, technische Höchstleistungen und Teamgeist. Und natürlich die Tatsache, dass Motorsport und Männer perfekt zusammen passen.3)Das ist der lustigste Satz des zugegeben noch jungen Jahres. Dass zu den Gemeinsamkeiten, die beide Marken verbinden, auch gehört, dass „Motorsport und Männer perfekt zusammenpassen“, ist nicht nur falsches Deutsch, sondern verbindet beides dann auch perfekt mit Prostatakrebsvorsorgeuntersuchungen, Krieg, Krawatten, Nasenhaarschneidern und Pinkelbecken. Warum GANT das wollen sollte ist mir einigermaßen unklar, denn anders als man jetzt annehmen würde, verkauft die Marke auch Klamotten für Frauen und Kinder in der Le-Mans-Kapselkollektion. Mannometer, alter Peter.

Die Erfolgsgeschichte von GANT begann einst mit dem legendären Button-Down-Shirt, eine [sic!] Ikone, die noch heute, nach mehr als 60 Jahren, die Männerkollektionen der Marke beflügelt. So wie die beiden Stil-Ikonen Steve McQueen und Paul Newman, die zu ihrer Zeit erfolgreiche Le-Mans-Rennfahrer waren und nachhaltig den Mythos Le Man unsterblich gemacht haben. Beide Protagonisten, sowie die jungen, stilbewussten Fahrer der Gegenwart – wie der Schauspieler Patrick Dempsey – haben GANT zu einer limitierten Kapselkollektion inspiriert und animiert.

Das ist an sich schon eine krude Mischung aus Stilblüten – „nachhaltig unsterblich“? Wie ginge denn nicht nachhaltig unsterblich? –, Falschinformationen – Steve McQueen war kein erfolgreicher Le-Mans-Fahrer, sondern hat nur einen gespielt, weshalb er auch von GANT in ihrem Le-Mans-Pressetext-Kladderadatsch nicht genannt wird. Und Tote „animieren“ sowieso niemanden, ich glaube, das Wort hat der Autor falsch verstanden.

Aber das ist alles ein kleines bisschen egal angesichts des Kernproblems dieses Textes hier, nämlich dass er offensichtlich Werbung ist. Und selbstverständlich findet sich in der selben Ausgabe von „High Life“ eine doppelseitige Anzeige der hier so gefeierten Marke, und natürlich ist das nur einer von einigen solchen Zufällen im Heft. „High Life“ druckt PR-Texte von Marken zwischen die Anzeigen derselben Marken und möchte dafür sieben Euro von Lesern haben. Die sind doch high.

Abgesehen von den furchtbaren Texten und den artifiziellen Fotos könnte man sagen, das Heft ist professionell und mit einem guten Gefühl für Proportionen gestaltet, wenn auch ein bisschen langweilig. Die Fehler halten sich in Grenzen (nur das Inhaltsverzeichnis auf zwei Einzelseiten ist ziemlich durcheinander, mit Bildern auf falschen Seiten und falschen Seitenzahlen). Mehr Gutes fällt mir nicht ein.

Oder doch: ein Zitat von George Orwell: „Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations.“ Aber das steht natürlich nicht im Heft. Das beschreibt es nur.

High Life
Klocke Verlag GmbH
7 Euro

Fußnoten

Fußnoten
1 Der zwar Künstler ist, aber „Bloomberg Market TV […] bescheinigt ihm das Potenzial zur kommenden, eigenen Luxusmarke“. Der Übermedien Bahnhofskiosk bescheinigt ihm ganz großes Bullshit-Potenzial und wundert sich, dass er 149.000 Follower auf Twitter hat, seine Tweets aber regelmäßig nur etwa sieben Likes. Da ist irgendwas fishy.
2 Offenbar ist das Rennen auch eine Marke.
3 Das ist der lustigste Satz des zugegeben noch jungen Jahres. Dass zu den Gemeinsamkeiten, die beide Marken verbinden, auch gehört, dass „Motorsport und Männer perfekt zusammenpassen“, ist nicht nur falsches Deutsch, sondern verbindet beides dann auch perfekt mit Prostatakrebsvorsorgeuntersuchungen, Krieg, Krawatten, Nasenhaarschneidern und Pinkelbecken. Warum GANT das wollen sollte ist mir einigermaßen unklar, denn anders als man jetzt annehmen würde, verkauft die Marke auch Klamotten für Frauen und Kinder in der Le-Mans-Kapselkollektion. Mannometer, alter Peter.

6 Kommentare

  1. Vielen Dank für die wieder mal hervorragende Kolumne!

    Und fast noch mehr Dank dafür, dass Sie auf die helle Seite der Macht zurückgekehrt sind und Sätze in Fußnoten nun doch wieder mit Punkt beenden! (Anscheinend schon seit letztem Mal, da ist es mir aber anscheinend nicht bewusst aufgefallen.)

  2. Wird das Magazin eigentlich eingeschweißt ausgeliefert?
    So schön das glänzende schwarz der Titelseite auch ist, Kratzer lassen so was schnell furchtbar billig* wirken…

    *) Naja, Folienverpackung à la Yps allerdings auch.

  3. Ist doch eine spitzen Idee. Ein Magazin, dass sich sowohl von den Anzeigekunden als auch von den Lesern bezahlen lässt. Und ansonsten nur kostenlose Pressemitteilungen druckt. Wenn das kein klassischer Fall von win-win ist.
    Dass ich da nicht selber drauf gekommen bin…

  4. Von dieser Art Magazin gibt’s ja mehrere, Michalis. Ob sie am Kiosk nun 7 Euro kosten oder 5 oder 12, ist ziemlich egal, weil die Verkaufszahlen und der Vertriebserlös ohnehin lächerlich gering sind. Meistens sind sie auf Hochglanzpapier gedruckt, strotzen aber nur so vor orthographischen, Interpunktions- und typographischen Fehlern. Den Inserenten und den paar Lesern, die sie kaufen, scheint’s egal zu sein; den Machern dieser Hefte erst recht.

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