„Verlegerisches Nebenprodukt“ für Hengste und Hobbyhuren
Die DDV Mediengruppe aus Dresden verdient sich mit Sex ein bisschen was dazu. Der Verlag, in dem unter anderem „Morgenpost“ und „Sächsische Zeitung“ erscheinen, betreibt seit einiger Zeit auch ein Portal für „Escorts, Hobbyhuren und Clubs“, das den leicht irreführenden Namen „LIEBE24“ trägt.
Beworben wird die Seite als „Deutschlands neues Portal für erotische Abenteuer“, derzeit bieten sich dort allerdings vor allem Männer und Frauen aus dem Raum Dresden an. „Callboy-Hengst20x6cm-ausdauernd“, zum Beispiel, kann nach eigenen Längenangaben eine „halbe bis 1 Stunde verkehren ehe ich komme“, und „das bis zu 7 Mal hintereinander“, und die angeblich 18-jährige „Tenny-LOLA“ lässt wissen, sie sei „sehr jung, zierlich und sehr eng gebaut“.
Interessierte, die sich kostenlos bei dem Portal anmelden, können den „Hobbyhuren“ Nachrichten schreiben und sich so mit ihnen verabreden. Wer sich für einen „Premium“-Account entscheidet, bekommt unter anderem „FSK18-Inhalte“ und Zugang zu einem „Notfall-Kontakt“, 24 Stunden erreichbar. Wer das will, muss zahlen: Ein Monat „Premium“ kostet 19,90 Euro, ein Jahresabo 9,90 Euro im Monat. Das ist das Angebot für Freier. Inwieweit „Hobbyhuren“, Prostituierte und Clubs als Mitglieder zahlen, ist unklar.
„Bodenständigkeit, Qualität und Vertrauen“
Anbieterin der Seite ist die Morgenpost Sachsen GmbH, eine Tochtergesellschaft der DDV, gemeinsam mit der TAG24 NEWS Deutschland GmbH, die mit der Ramschseite tag24.de ein „Infotainment-Portal für die schnelle Information“ betreibt, wie es der Verlag nennt. Die Boulevard-Seite ersetzte im Sommer 2016 mopo24.de und bietet eine Mischung aus Politik, Blaulicht und Brüsten.
Ein Portal für „Hobbyhuren“ und professionelle Prostituierte anzubieten, ist für die DDV Mediengruppe offenbar der nächste Schritt, im Internet Geld zu verdienen. „Wir entdecken neue Themen, gehen mutig neue Wege und bündeln Kompetenzen, um noch besser zu werden“, schreibt der Verlag in seinem Profil. „Werte wie Bodenständigkeit, Qualität und Vertrauen gelten für alle Bereiche, Unternehmen und Leistungen der Mediengruppe.“
Hinter der DDV Mediengruppe stecken als Gesellschafter der Familienverlag Gruner+Jahr („Stern“) – und die SPD. Die Partei ist mit der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg), einer 100-prozentigen Tochter, an Zeitungen, Radios und Digitalangeboten beteiligt. Hier hält sie 40 Prozent der Anteile.
Ein „Herzilein“ für zwei Coins, ein „Ring“ für 500 Coins
Auf Anfrage von Übermedien antwortet die ddvg, es entspreche weder ihrer Haltung, noch könne sie alles „ständig im Fokus“ haben, was Beteiligungsunternehmen machen. Man befasse sich auch nicht „mit deren inhaltlicher Ausgestaltung.“ Die liege in der Verantwortung der Verlage. Außerdem sieht die ddvg in liebe24.de ein „verlegerisches Nebenprodukt eines Beteiligungsunternehmens“, wie sie schreibt, mit dem die Rubriken-Anzeigen in der Printausgabe der „Morgenpost Sachsen“ ins Netz übertragen würden – und mehr nicht: „Ein etwaiger Ausbau des Portals zu einem eigenständigen Geschäftsfeld fände keine Unterstützung durch die ddvg.“
Fraglich ist aber, ob es nicht längst ein eigenständiges Geschäftsfeld ist. Immerhin können sich Freier bei liebe24.de kostenpflichtig anmelden und „Coins“ kaufen, in Paketen bis zu 99,95 Euro für 3000 Stück. Mit dem Spielgeld können sie den „Hobbyhuren“ dann „virtuelle Geschenke“ machen: ein „Herzilein“ für zwei Coins, ein „Küsschen“ für acht Coins, oder sogar einen „Ring“ für 500 Coins. Wie viel von den Geldgeschenken bei den „Hobbyhuren“ und Clubs ankommt und wie viel beim Verlag bleibt, ist offen.
„Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft und zeigen Dein Interesse an einer ernsten und zwanglosen Bekanntschaft“, heißt es auf der Seite. Außerdem können die Coins genutzt werden, ein Treffen per Pushbenachrichtigung anzufragen („Schneller geht es nicht!“) oder auch offline versorgt zu sein: „Lade einfach alle Bilder, die Dir gefallen auf dein Gerät, um sie immer verfügbar zu haben.“
Das geht weit hinaus über Rubrikenanzeigen, wie man sie aus Boulevardzeitungen kennt, und die es auch weiterhin in der „Morgenpost“ gibt. Dort bewirbt die „Morgenpost“ auch ihr „Hobbyhuren“-Portal. Eine Anzeige wirbt außerdem für girls24.tv, einen Livecam-Dienst, der auch auf liebe24.de verlinkt ist. Betrieben wird er laut Impressum von einer Wiener Internetfirma.
Die DDV Mediengruppe hält sich auf Anfrage von Übermedien zu ihrem noch recht neuen Geschäftszweig eher bedeckt. Nach Angaben des Verlags ist das Portal seit Anfang 2017 online, scheint aber erst in den vergangenen Monaten weiter ausgebaut worden zu sein. Wir hatten den Geschäftsführer unter anderem gefragt, wieso die DDV Mediengruppe diese Seite in ihr Portfolio aufgenommen hat, was sie sich davon verspricht und inwieweit es etablierte Medienmarken wie die „Sächsische Zeitung“ stärkt, wenn im selben Verlag auch liebe24.de erscheint. Die Antwort der Pressesprecherin fiel knapp aus.
Die DDV Mediengruppe betreibe mit der „Morgenpost“ eine Boulevardzeitung für Sachsen. Dazu gehöre „traditionell die Rubrik Kontakte“, und liebe24.de sei „das entsprechende digitale Angebot für Sachsen“. „Die Entscheidung für ein solches Nebenprodukt“ liege bei der DDV Mediengruppe, so der Verlag: „Wir hatten dazu keine Rücksprache mit den Gesellschaftern.“
Der Artikel lässt mich etwas ratlos zurück.
Ist die Kritik hier, dass sich ein Verlag, der unter anderem Zeitungen herausgibt, auch ein „Escortportal“ (oder wie nennt man solche Seiten?) besitzt? Wenn ja, warum? Ich sehe da keine Interessenkonflikte o.Ä.
Und wir leben ja — zum Glück — nicht mehr in Zeiten, in denen solche Seiten verboten sind. Und es werden ja sicherlich auch nicht die Journalisten von der Sächsischen Zeitung jetzt Artikel für „Liebe24“ schreiben müssen.
Also wo liegt denn hier das Problem? Oder habe ich irgendwas überlesen?
@1 Ichbinich: Ich beschreibe lediglich, womit Zeitungsverlage heute auch noch Geld verdienen. Und dass es nicht nur Rubrikenanzeigen sind, die da ins Netz übertragen werden, sondern mehr. Wer genau das „redaktionell“ betreut, ist unklar. Manche Verlagsmitarbeiter sehen es übrigens offenbar kritisch, dass ihr Arbeitgeber diese Seite betreibt. Und der Verlag reagiert komischerweise recht verhalten, wenn man ihm Fragen dazu schickt.
Ich sehe kein Problem darin, dass ein Zeitungsverlag eine Erotikseite betreibt und finde es darüber hinaus auch nicht besonders wichtig, dass zu „beschreiben“.
Die Verlagsmitarbeiter, die das „offenbar“ kritisch sehen, sollen sich mal nicht so haben und der Verlag selbst darf ruhig offensiv damit umgehen.
Die Existenz der Seite an sich halte ich auch für trivial. Dass man dort effektiv dem Verlag Geld geben kann, um (anscheinend ohne ausdrückliche Gegenleistung?) einen unklaren Anteil des Geldes an die Frauen zu schicken, finde ich schon nennenswert, aber vielleicht kein zentrales ÜM-Thema (außer halt dadurch, dass da am Ende ein Verlag hinter ist).
Wenn man jemandem per Paypal geld schickt, weiß man ja wenigstens, wieviel Geld im Äther verschwindet. Dieses System selber finde ich schon nennenswert.
@Boris Rosenkranz
Danke für die Antwort! Die Info, dass das einige Mitarbeiter kritisch sehen (und am besten auch warum) hätte ich im Artikel hilfreich gefunden. Mir fällt da nämlich bisher nicht viel kritikwürdiges ein.
@Vetaro:
Ist das nicht gängige Praxis in diesem Milieu? Schließlich gibt es in Stripclubs nicht umsonst immer die hauseigenen Dollar. Da weiß man doch auch nicht was diejenige Dame davon bekommt, oder?
Was ist daran neu?
Alle größeren Verlage betreiben Erotikportale oder sind daran (direkt oder indirekt) beteiligt.
Holzbrink, Ippen, Springer… alle!
Ab 2007 gab es ein regelrechtes Wettrennen unter den Verlagen. Alle wichtigen Rubriken wie Immobilien, Autos, Stellenanzeigen waren bereits ins Internet abgewandert. Beim Thema Escort/Rotlicht wollte man dabei sein.
Meist floppte das, weil die Verlage (mit Außnahme von Springer) das Internet nicht verstanden und mit ihrer alten Denke daran gingen.
Nur Wenige Portale wie z.B. Sexdo.com konnten sich bundesweit durchstzen.
ich sehe da ein ganz großes Problem, wenn die Zeitungen dieser Verlage, der rot-grünen Regierung von damals vorw(a)erfen, mit dem damaligen Prositutionsgesetzt, die Situation von Prostituierten eben nicht verbessert zu haben.
Denn Portale wie kaufmich, Ladies, nimmsie oder ähnliche, machten es nach dem Gesetz möglich, dass Prostituierte eigenständig für sich werben konnten.
Genauso nun bei Liebe24
Bin mal gespannt, wenn mal wieder eine konservative Regierung dran ist (hoffentlich nie wieder), die dann die Prostitution so reglementieren will, dass Werbung dafür auch verboten ist und solch Portale dann keine Zukunft mehr haben werden, wie die Verlage (bzw dieser Verlag) dann die Regierung bearbeiten wird.
@7 Civichief: Das führt uns thematisch jetzt etwas abseits, aber: Auf eine neue Regierung braucht man dafür evtl. gar nicht warten – erste Rückschritte zurück zu einem repressiveren Umgang mit Prostitution hat schließlich bereits die letzte GroKo mit dem – mit feinem Sinn für Ironie benannten – „Prostituiertenschutzgesetz“ getan. Angetrieben und unterstützt werden solche Schritte stets von Leuten, deren letztendliches Wunschziel die komplette Illegalisierung von Prostution ist. Insofern ist Ihr Szenario gar nicht mal so abwegig, egal ob von einer „konservativen“ oder „progressiven“ Regierung – Abolitionisten gibt’s auf beiden Seiten, und auf der „linken“ empfinde ich sie bei dem Thema sogar als deutlich aktiver.
Wenn die SPD in Sachsen und anderswo schon nicht weiß, wie sie sich für den wählenden Bürger attraktiv präsentieren will, soll und kann – den für Erotik zahlenden Bürger scheint sie leichter für sich gewinnen zu können
Diese Aktivitäten stellen eine offensive Unterstützung der Prostitution dar, rechtlich vielleicht legal, moralisch aber verwerflich – vor allem da die SPD nicht geringe Prozente an der DDV-Mediengruppe besitzt.
Ausserdem sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der öffentlichen Bewerbung von liebe24.de und der in der Morgenpost Dresden veröffentlichten Inserate und „Telefonlines“, der Jugendschutz quasi ausgehebelt wird.
Ich finde solche Aktivitäten äußerst verwerflich!