Die Salamander-auf-Moos-Koalition
Die „Schwampel“ war einmal, vielleicht erinnert sich noch jemand. Früher nannten Journalisten so schwarz-grün-gelbe Koalitionen, bis Jörg Schönenborn um die Ecke kam. Wie der „Merkur“ berichtet, war der ARD-Zahlenwischer der Erste, der den Ausdruck ins Spiel brachte: „Wir haben einfach eine Flaggendatenbank durchgesucht, und Jamaika ist das einzige, was wir gefunden haben.“ Und seither sprechen also alle nur noch von „Jamaika“-Bündnissen. Weil man damit ja auch ganz viele raffinierte Wortspiele machen kann:
Die Reise nach Jamaika
(zeit.de)
Merkels unsichere Reise nach Jamaika
(wienerzeitung.at)
Segel gesetzt – Kurs: Jamaika!
(inforadio.de)
Jamaika ist keine Weltreise
(faz.net)
Der Weg nach Jamaika ist sehr weit
(welt.de)
Keiner will nach Jamaika
(faz.net)
Auf nach Jamaika!
(br.de)
Erste Schritte auf dem Weg nach Jamaika
(jetzt.de)
SPD schickt Merkel nach Jamaika
(tagesschau.de)
Die Grünen packen schon für Jamaika
(Leipziger Volkszeitung)
Die CDU nimmt Kurs auf Jamaika
(Kölnische Rundschau)
Gestärkte Grüne steuern gen Jamaika
(Die Welt)
Jamaika ist eine (westdeutsche) Insel
(Spiegel Online)
Wird Deutschland jetzt von Jamaika regiert?
(heute.at)
No woman, no cry
(salto.bz)
Jamaika-Koalition? Das könnte stürmisch werden!
(augsburger-allgemeine.de)
Jameika oder Neinmeika?
(„Bild“)
Und wie kann man so eine Jamaika-Koalition noch so richtig schön bebildern? Da sind der Kreativität in den Redaktionen wenig Grenzen gesetzt!
Super sind natürlich Jamaika-Flaggen. Zum Beispiel vor dem Reichstag.
Oder mit Merkel davor.
Oder mit Merkel davor, aber irgendwie falsch.
Und mit bedeutungsschwangeren Schattenspielen.
An die Zielgruppe angepasst.
Aus bunten Pillen.
Oder von gut gelaunten Menschen geschwungen.
Auch sehr beliebt sind Spielfiguren: schön bunt und einfach zu besorgen.
Und, sehr praktisch: Sollte eine Partei die Koalition ablehnen, naja…
Jeder beliebige andere Gegenstand in den korrekten Farben kann natürlich auch genutzt werden. Je absurder, desto besser!
Dass da nicht mehr draufgekommen sind!
Na klar, ein schöner Strand in Jamaika ist auch toll, um dem Leser die exotische Koalition angemessen vor Augen zu führen.
Was natürlich nicht fehlen darf: Das schlechte, alte, rassistische Klischee. Von Meisterhand gephotoshoppt.
Dem Ganzen die Krone auf setzte – wie könnte es anders sein – schon vor einiger Zeit: die „Bild“. Das ist, äh, ja… Ach, alles was dazu gesagt werden muss, hat der Bildblog ja schon aufgeschrieben.
Und ob sich die Menschen auf Jamaika für die Jamaika-Koalition interessieren, haben sich Journalisten natürlich auch schon gefragt. Und nachgesehen. Überraschende Antwort: „Jamaika ignoriert Jamaika-Debatte“.
Nachtrag, 2. Oktober: Und weiter geht die wilde Reise:
Nachtrag, 22. November: Auch das Scheitern der Sondierung will natürlich bebildert werden:
Ich möchte mir für die nächsten zehn Jahre schon mal die Urheberschaft für die „Brampel“ (Braune Ampel) für eine Union-FDP-AfD Koalition sichern.
Bahamas – da ham mer’s
Ach wat, wenn ich ’n See seh brauch ich kein Meer mehr!
Schwampel – Gefällt mir, let’s bring it back!
Weitere Vorschläge: Schwagrügel, Grüschwagel, GrüSchwaz, Chamäleon-Koalition, Saruman (nach Gandalfs Rückkehr), Regenbogen, HDR mit 10bit RGB, Öl-auf-Pfütze, Dark-side-of-the-Moon oder Pantone.
Is‘ aber auch albern.
Kastenfrosch trifft auf Tigerente – dass das noch niemand als Symbolbild genommen hat wundert mich ja
Doch stets wenn man vermeint, der absolute Flachsinns-Rekord müsse irgendwann erreicht sein und sich nimmer untertreffen lassen, kommt zuverlässig der Kindergartenkalauer-Ausheckbeauftragte vom SPIEGEL daher:
»Bundestagswahl 2017: Jamaik-aaah«
Ich finde nur die zweite Grafik (bild.de) rassistisch, die erste (Abendzeitung) hingegen nicht, weil hier die klischeehaften Kleidungsstücke hinzugephotoshopped wurden. Das sehe ich nicht als großes Problem an, oder sehe ich das falsch?
Die Bild-Grafik geht für mich aber gar nicht.
Also das Spiegel-Online-Foto mit Cola, Waldmeister- und Orangenlimo finde ich schon klasse, zumal die Bildunterschrift verrät: „Getränkeflaschen bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags in Kiel (im Juni)“ – da waren es also gar nicht die Journalisten, die diese Kombination erfunden hatten.
Könnte man auch mit einem Strafraumkuddelmuddel aus dem Spiel Dortmund-Bremen bebildern…
Oh, wie geht mir die zwanghafte Symbolbilderitis auf die Nerven!
Die ganzen $RandomFlag-Koalitionen die sich Medienschaffende ausdenken gehen mir schon seit Jahren auf die Klöten.
Begrifflichkeiten für Kleinkinder die nur Farben verstehen. Was soll das, es gibt keine 140 Zeichenbegrenzung, man kann auch ganz klar die Parteien aufsagen, die haben nämlich praktischerweise schon Abkürzungen.
Komischerweise hört man nie was von der „Deutschland-Koalition“ CDU-SPD-FDP. Wahrscheinlich nicht gestattet, wegen „Respekt für die Flagge“ (Donald T.). Jamaika noch Kenia haben den anscheinend nicht verdient.
Ich entsinne mich noch an die Wahlberichterstattung, bei der von Jörg Schonbohm der Begriff „Jamaika-Koalition“ erfunden wurde. Joschka Fischer war der erste, der auf diese Begrifflichkeit inhaltlich einging: In der Wahlparty der Grünen sagte er damals, er habe vor seinem inneren Auge die Politiker der FDP mit einem Joint in der Südsee sitzen sehen – und da habe er gewusst: Das geht gar nicht.
Da habe ich mich bereits sehr über diesen Begriff geärgert, vor allem aber darüber, daß er von Joschka Fischer so akzeptiert wird. Ein Staat, in dem Homosexualität immer noch mit dem Tode bedroht ist, wird von einem führenden Politiker der Grünen als Inbegriff von Freiheit und Toleranz dargestellt. Es täten alle progressiv denkenden Politiker gut daran, alle Assoziationen mit dem Staat Jamaika weit von sich zu weisen!
Bemerkenswerterweise ist die Tatsache, für welche Menschenrechtsverletzungen der Name „Jamaika“ steht, immer noch nicht öffentlich diskutiert worden. Von keinem Politiker habe ich bislang eine deutlich Ansage gehört, daß er sich von diesem Begriff distanziert. Warum nicht?
Also bis auf das Bild mit der Insel ist das aber alles recht OK gelöst – und manches sogar erstaunlich gut (die Landwirte).
Hier ist noch was für die Sammlung:
http://m.faz.net/aktuell/woran-ist-jamaika-wirklich-gescheitert-innenansichten-eines-gescheiterten-experiments-15312630.html