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„Stayin‘ alive“: Politiker landet Internet-Hit

BBC-Artikel mit der Überschrift: "'Stayin' alive': Bee Gees hit free to German first aiders"

Roy Kühne hat es geschafft. Diverse Online-Medien schreiben gerade über ihn; sein Name steht inzwischen sogar in einem Artikel der BBC. Roy Kühne, CDU-Bundestagsabgeordneter, ist nun also auch in England bekannt: als der Mann, der die GEMA zum Einlenken brachte. Für einen guten Zweck. Angeblich.

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) steht, Kühne habe eine „Ausnahmegenehmigung“ für Sanitätsdienste in Schulen der niedersächsischen Stadt Clausthal-Zellerfeld erwirkt: „In seinem Wahlkreis“, heißt es, „darf künftig offiziell ‚Staying Alive‘ gesungen werden, wenn der Brustkorb zwecks Reanimation bearbeitet wird.“ Weil sich dieses Lied, dieser Rhthmus, gut dafür eignet. Als Übung. Dafür würden aber eigentlich GEMA-Gebühren fällig, „wie bei allen Aufführungen von Musik bei öffentlichen Veranstaltungen – auch wenn es nur ein Ersthelferkurs im kleinen Kreis ist.“ So hätten sich die Ausbilder aus Clausthal-Zellerfeld bei Roy Kühne beklagt.

Die GEMA widerspricht auf Anfrage von Übermedien: „Wir haben für diese Art von Veranstaltungen noch nie eine Lizenz erhoben“, sagt Michael Duderstädt, Direktor Politische Kommunikation der GEMA. Die Rechtsgrundlage dafür sei eindeutig: §52, Urheberrechtsgesetz. Dort seht:

Die Vergütungspflicht entfällt für Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Alten- und Wohlfahrtspflege, der Gefangenenbetreuung sowie für Schulveranstaltungen, sofern sie nach ihrer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zugänglich sind.

Diesen Paragraphen gibt es schon lange. Er schützt auch die Kurse, um die es im Fall von Roy Kühne geht. Die Artikel, die nun dazu erscheinen, lesen sich aber so, als hätte Roy Kühne das neu durchgeboxt.

Exklusivmeldung des Radiosenders ffn, Schlagzeile: "ffn exklusiv: GEMA-freie Reanimation möglich"

Auslöser der Berichterstattung war eine (inzwischen gelöschte) Exklusivmeldung, die der Radiosender ffn dazu am Mittwoch veröffentlichte. Auch dort stand, es würden „GEMA-Gebühren fällig“, wenn man „Stayin‘ Alive“ von den Bee Gees in Unterrichtsstunden spielt:

Unglaublich, befand der Politiker und nahm Kontakt zur GEMA auf. Nach vielen Gesprächen verriet er nun gegenüber radio ffn, dass in seinem Wahlkreis (Goslar, Northeim, Osterode) die Nutzung des Bee Gees-Songs für das Unterrichten an Schulen der Reanimation ohne Kosten zugelassen wird. Natürlich möchte Dr. Roy Kühne dieses Engagement auf Niedersachsen und auch ganz Deutschland ausweiten, weil es eine gute Sache ist, die eine wichtige Kampagne unterstützt: „[…] Durch die Zustimmung der GEMA wird der Takt künftig kostenlos zu Trainingszwecken gespielt werden dürfen. Und wir bleiben hierzu weiter in Gesprächen. Denn diese Möglichkeit sollte allen Schulen in Deutschland eröffnet werden. Wir können damit Leben retten.“

Roy Kühne will also als nächstes für ganz Deutschland durchsetzen, was er für seinen Wahlkreis schon knallhart durchgesetzt hat – dass man, egal wo, auch weiterhin, wie immer also: keine GEMA-Gebühren zahlen muss, wenn man im Schulunterricht zu einem Song der Bee Gees Herzen reanimiert.

Offenbar hat sich Kühne damit selbst an Radio ffn gewandt, wie aus der Redaktion zu hören ist. Und offenbar hat die Redaktion sich dann nicht noch mal bei der GEMA rückversichert, sondern Kühnes Geschichte, die keine ist, als „ffn exklusiv“ verkauft. Andere schreiben sie nun ab. Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat dazu, bereits am Mittwoch, eine Meldung herausgegeben und den Unsinn damit bis in die Online- und Zeitungs-Redaktionen verbreitet. Erst heute hat dpa die Meldung um eine korrigierende Stellungnahme der GEMA ergänzt hat. Womit die Geschichte eigentlich hinfällig wäre.

Im Büro des Bundestagsabgeordneten heißt es auf Anfrage, es habe im Wahlkreis eben „Rechtsunsicherheit“ bestanden, was die GEMA-Gebühr betrifft, deshalb hätten sich die Ausbilder an Herrn Kühne gewandt. Weshalb sich das nun so lese, wisse man aber auch nicht. Schon im Februar hatte Kühne bei der GEMA nachgefragt. In seinem Büro will man nun nochmal klären, wie das alles genau gelaufen ist. Bei Radio ffn ist am Freitagnachmittag niemand mehr zu erreichen, der offiziell dazu Stellung nehmen will.

Es scheint, als hätte hier ein CDU-Politiker geschickt die Medien genutzt, um auf seine Sache hinzuweisen, und die haben dem Politiker vertraut und eine schöne Exklusivmeldung daraus gemacht, die auch andere Redaktionen nicht noch mal nachrecherchiert haben. Bei der GEMA heißt es, man habe Kühne lediglich auf seine Anfrage hin mitgeteilt, dass keine Vergütung anfalle.

Das einzig Gute an der Geschichte ist: Jetzt wissen alle, dass man in ganz Deutschland kostenlos zu den Bee Gees Herzmassage üben darf – wenn es keine öffentliche Veranstaltung ist. „Uns ist übrigens auch egal, welcher Song da gespielt wird“, ergänzt Duderstädt von der GEMA. Jedes x-beliebige Lied ist durch die so genannte Schrankenregelung bei solchen Kursen kostenfrei. Auch außerhalb von Clausthal-Zellerfeld.

Nachtrag, 13.5.2017. Die FAZ hat ihren Beitrag inzwischen gelöscht.

8 Kommentare

  1. Darf man das jetzt eigentlich als „Fake News“ bezeichnen? Immerhin ist das aus dem Bereich „News“ und ein absichtlicher „Fake“ des Politikers und nicht einfach nur eine Falschmeldung, die auf einer Ungenauigkeit oder einem Missverständnis beruht…

  2. Das ebenfalls 100 bpm schnelle „Highway to Hell“ ist wegen des in diesem Kontext ungünstigeren Textinhalts als Taktgeber übrigens weniger gut geeignet.

  3. Wäre schön, wenn der Begriff „Fake News“ gar nicht mehr benutzt werden würde.

  4. @1 JJ Peterson: Ganz so klar ist das ja noch nicht, wer da wie zugespitzt hat. Es scheint, als hätte es Roy Kühne gut verkauft. Oder fnn? Vielleicht lässt sich das am Montag noch klären. Die GEMA selbst bezeichnet die Angelegenheit jedenfalls in einem Tweet als „Fake News“:

    https://twitter.com/gema_news/status/863010138734645249

    Aber inzwischen bezeichnen ja quasi alle alles als „Fake News“.

  5. Das ist aus Gema-Sicht natürlich eine gefälschte Nachricht, also Fake News.
    Mit guten Willen kann man das als Falschmeldung, also Irrtum sehen.

    Hier sehe ich aber eher eine Fall wie in Frankfurt am Main bzgl. den Arabern, die angeblich an Silvester in einer Bar geklaut und begrapscht hätten.
    Hier wollte sich eine Person profilieren und aufgrund des Faktenchecks wurde eine Lüge entlarvt, die aber vorher von genau einer Zeitung gerne transportiert wurde. Und andere hatten es einfach abgeschrieben.

  6. Im sinne der „Aufwachen!“-Podcast-Definition würd’s auf jeden Fall als „Fake News“ zählen: News, die ausschließlich produziert wurden, während alle Zuhause sitzen geblieben sind und sich mal was ausgedacht haben. Im Kontrast zu News, wo jemand wirklich was getan hat oder was passiert ist.

    Also „Fake“ nicht als „da hat jemand uns absichtlich verschauken wollen“, sondern „hier ist wortwörtlich gar nichts passiert, es gibt kein Ereignis“. Was, find ich, schon eine legitime Kategorie ist. Vielleicht braucht sie irgendwann mal ein eigenes Wort.

  7. @6
    Lassen wir dem US-Präsidenten den Begriff „Fake News“ und nennen wir es hier einfach wieder Zeitungs-Ente

  8. GEMD und CDU sind mir beide äusserst unsympathisch. Wenn zwei sich streiten sollte sich doch der Dritte, also ich, freuen. Kommt aber so gar keine auf ?!

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