Notizblog (49)

Ist es egal, ob es eine Kampagne ist?

Die Vorwürfe gegen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer treffen im Kern zu. Haben Medien dennoch anders darüber berichtet, weil der Absender das rechte Online-Magazin „Apollo News“ ist?
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer bei einer Bundestagssitzung am 13. November.Foto: dts/IMAGO

Natürlich ist es eine Kampagne. Vor einer Woche berichtete „Apollo-News“, dass eine Firma von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegen Geld „Einfluss auf die politischen Einflussträger“ verkauft. Seitdem hat das rechte Online-Medium auf seiner Seite mehr als 30 Artikel und Videos zum Thema veröffentlicht. In schrillem Ton kritisiert es den Minister, nennt ihn eine „Gefahr für die Demokratie“, und schreibt nach der „Affäre Weimer“ auch eine „Affäre Merz“ herbei.

Das Ziel ist offenkundig: Den Minister, oder vielleicht sogar die Regierung, durch anhaltendes Trommelfeuer zur Strecke zu bringen. Laut „Apollo News“-Chefredakteur Max Mannhart ist ohnehin nur noch die Frage, ob er jetzt zurücktritt „oder in ruhigen Tagen über Weihnachten gesichtswahrend gehen darf“.

Die Vorwürfe sind trotzdem nicht falsch

Auch andere rechte Medien wie „Tichys Einblick“ oder „Nius“ wettern mit größter Intensität gegen Wolfram Weimer und wollen offenkundig seinen Rücktritt herbeischreiben. Das ist dann schon eine Kampagne: Wenn in einer solchen Intensität und mit einer klaren politischen Absicht berichtet wird. 

Insofern hat Weimer recht, wenn er von einer rechten Kampagne spricht, aber damit ist die Frage noch nicht beantwortet, ob deren Auslöser nicht ein tatsächlich mindestens problematischer, wenn nicht gar skandalöser Vorgang ist. Weimer spricht von einer „gezielten Diffamierung“ durch rechte Netzwerke, aber das würde voraussetzen, dass ihre Vorwürfe falsch sind. Das sind sie aber im Kern nicht.

Andere Medien, die Einblick in die Unterlagen der Weimer Media Group nehmen konnten, auf die sich „Apollo News“ beruft, bestätigten, dass das Unternehmen Premiumkunden seines Ludwig-Erhard-Gipfels mit dem Versprechen lockt, „Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“ nehmen zu können. Wolfram Weimer hatte die Geschäftsführung der Firma zwar nach seiner Ernennung zum Minister abgegeben, blieb aber Gesellschafter. Erst in der Folge der Veröffentlichungen gab er seine 50 Prozent an einen Treuhänder ab

Haben Medien zu lange gezögert?

Dass es ein Medium ist, das klar im rechten Spektrum verortet ist, ermöglicht es Weimer, die Vorwürfe als rein politisch motiviert abzutun. Aber wie sollten andere Medien mit dem Thema umgehen – und mit einer Quelle wie „Apollo News“?

Manche Beobachter hatten den Eindruck, dass die etablierten Medien zögerten, deren Recherchen überhaupt aufzugreifen. Der Journalist Bernward Janzig schrieb auf LinkedIn:

Vor 25 Jahren wäre es DER SPIEGEL gewesen, der die Causa #Weimer aufgedeckt hätte. Die anderen Medien hätten die Geschichte sofort weitergedreht, binnen weniger Tage hätte der Kanzler seinen Staatsminister entlassen.

Die Situation heute: Nicht ein großes Medienhaus deckt die Vorgänge auf, sondern ein kleines Internetportal (Apollo News). Weil diese Redaktion den meisten etablierten Medienhäusern (inkl. ÖRR) politisch nicht genehm ist, ignoriert man die Enthüllungen fürs Erste. Einen Tag lang findet das Thema daher fast ausschließlich im Netz statt, bis irgendwann auch die etablierten Medien nicht mehr umhinkommen, – zum Teil zähneknirschend – nachzuziehen.

Ich wünsche mir hingegen einen Journalismus, der die Größe hat, einen Scoop von Kollegen als solchen zu würdigen, unabhängig von allen Fragen der politischen Sympathie.

Wie die Berichterstattung wirklich aussah

Aber stimmt die Beobachtung auch? Ein genauerer Blick auf die Abläufe: 

„Apollo News“ veröffentlichte seine Recherche am frühen Montagmorgen. Am selben Tag berichtete auch die „Berliner Zeitung“. Am späten Nachmittag brachte die Nachrichtenagentur dpa eine ausführliche Meldung. Die „Süddeutsche“ berichtete auf dieser Grundlage am frühen Abend

Bayern prüft Unterstützung für Politgipfel am Tegernsee

Beim Ludwig-Erhard-Gipfel können sich Unternehmer exklusiven Zugang zu Bundesministern erkaufen. Ausrichter ist die Weimer Media Group, an der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer immer noch Anteile hält. Selbst bei der Staatsregierung hält man das offenbar nicht für ganz sauber.

Auch die „Welt“ und das „Handelsblatt“ brachten online die dpa-Meldung.

Am folgenden Tag berichteten unter anderem „Bild“ und die Boulevardzeitung „tz“ über die Vorwürfe. Der „Münchner Merkur“ vermeldete sie auf der Titelseite („Ärger um See-Gipfel“) und ausführlich im Politikteil. Auch andere Zeitungen der Ippen-Gruppe wie die „Frankfurter Neue Presse“ berichteten in größerer Aufmachung. Alle nannten „Apollo News“ als Quelle. 

Am selben Mittag veröffentlichte stern.de einen Kommentar, in dem von einem „Verdacht der Minister-Vermietung“ die Rede war und der in der Weimers Geschäftspraktiken in scharfer Form kritisiert wurden. „Süddeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Allgemeine“ brachten am Nachmittag ausführliche eigene Recherchen, die auf den Enthüllungen von „Apollo News“ aufbauten. Am nächsten Tag, dem Mittwoch, berichtet auch die „Tagesschau“ in ihrer 20-Uhr-Ausgabe ausführlich und kritisch über den Fall.

Es braucht keine rechten Medien für eine Kampagne

Wenn Medien also tatsächlich gezögert haben sollten, die „Apollo News“-Recherchen zu übernehmen, dann höchstens einen Tag lang. Dass sie dann aber nur irgendwie widerwillig in das Thema eingestiegen sind, dafür spricht – abgesehen von einem einzelnen auffallend weimerfreundlichen Artikel in der FAZ – nichts.

Der weitere Ablauf der Affäre und ihrer Berichterstattung folgte durchaus bekannten Mustern: weitere Details kommen ans Licht, es wird mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, Rücktrittsforderungen aus der Opposition folgen, der Betroffene rudert ein bisschen zurück. Vorläufiger Höhe- oder Tiefpunkt war die gewagte, weil falsche Behauptung des Bundeskanzlers, alle Vorwürfe gegen Weimer hätten sich als falsch entpuppt. 

Für eine solche Dynamik braucht es auch keine „rechte Kampagne“ im Hintergrund. Wenn Journalisten sich auf ein Ziel eingeschossen haben, wird Berichterstattung häufig zur Kampagne. In besonders drastischer und problematischer Form hat sich das beim Fall des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff gezeigt.

Natürlich spielt der Absender eine Rolle

Es kann schon sein, dass die ganze Sache mit Wolfram Weimer schneller eskaliert wäre, wenn die ursprüngliche Meldung nicht von „Apollo News“, sondern vom „Spiegel“ gekommen wäre. Vielleicht hätten andere Medien dann auch nicht so sorgfältig sortiert, wie das Medium politisch einzuordnen ist und die Vorwürfe nicht so gründlich selbst überprüft.

Das spricht aber weniger gegen die Abläufe in diesem Fall, als gegen das blinde Abschreiben in anderen Fällen. Man kann zwar durchaus argumentieren, dass etablierte Medien einen größeren Vertrauensvorschuss verdient haben. Aber auch das ersetzt – wie spektakuläre Enten oder hartnäckig weitererzählte Falschmeldungen zeigen – nicht die eigene Recherche.

Dass eine Enthüllung von einem rechten Medium wie „Apollo News“ kommt, kann für unabhängige, seriöse Medien kein Grund sein, sie zu ignorieren – aber es wäre naiv, so zu tun, als würde diese Tatsache nichts verändern. Denn jede übliche journalistische Abwägung, ob ein Vorgang wirklich ein Thema oder gar ein Skandal ist, findet plötzlich vor der Schablone statt, eine Diskussion möglicherweise „den Rechten“ zu überlassen oder, umgekehrt, sich zum Werkzeug ihrer Kampagne zu machen.

Die „Zeit“ berichtete schon im Mai über Interessenkonflikte

Die Unterstellung, dass klassische Medien solche problematischen Veranstaltungen wie den Ludwig-Erhard-Gipfel gar nicht mehr angemessen kritisch begleiten, ist dabei übrigens falsch. Mehrere Medien brachten im Mai Reportagen vom diesjährigen Event. Die „Zeit“ problematisierte damals zwar insbesondere die Rolle der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, thematisierte aber auch die möglichen Interessenskonflikte von Wolfram Weimer und die „Klüngelei“ hinter dem Geschäftsmodell der speziellen Kontaktpflege. 

Die Recherchen von „Apollo News“ reicherten das, was ohnehin bekannt und von anderen Medien kritisiert worden war, mit vorher unbekannten Fakten und Details an. 

„Apollo News“-Chef Max Mannhart sieht hinter der breiten, kritischen Berichterstattung über Weimer und seinen Gipfel das Zeichen, dass eine mediale Brandmauer gefallen sei. Er schreibt: 

„Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Logik der Abgrenzung nicht mehr funktioniert. Das erste Mal war die Affäre Brosius-Gersdorf, die ja – trotz viel Geschrei – am Ende eben nicht gewählt wurde. (…) Damals allerdings waren sich viele Medien noch einig: Dahinter steckt bloß eine böse rechte Kampagne. 

Dass es jetzt anders läuft, ist auch ein Zeichen einer veränderten und sich weiter ändernden medialen Öffentlichkeit.“

Das glaube ich nicht. Ich glaube, es ist eher ein Zeichen dafür, dass etablierte Medien das tun, was ihre Aufgabe ist: Sie prüfen, ob das, was rechte Netzwerke skandalisieren, wirklich ein Skandal ist oder nur eine politisch motivierte Skandalisierung und berichten entsprechend. 

Richtig ist aber, dass Journalisten sich auf eine kompliziertere Medienwelt einstellen müssen, in der rechte Medien nicht nur mit Hetze und Emotionen, sondern auch mit Recherchen und Journalismus den öffentlichen Diskurs beeinflussen.

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