Rechtsstreit

Marlene Engelhorn wehrt sich gegen „Israel-Hass“-Artikel in „Bild“

Weil die Aktivistin gegen einen Text über sich vorgeht, muss „Bild“ eine gerichtliche Mitteilung veröffentlichen. Das Boulevardblatt ist empört und sieht die Pressefreiheit angegriffen. Engelhorn sagt im Gespräch mit Übermedien, sie fühle sich faktenfern „durch den Dreck gezogen“.
Überschrift bei Bild.de: „In eigener Sache – Mitteilung gemäß § 8a Absatz 5 des österreichischen Mediengesetzes betreffend Marlene Engelhorn“.
Gerichtliche Mitteilung bei Bild.de vom 23.9.2025Screenshot: Bild.de

Bei Bild.de ist am Dienstagabend eine interessante „Mitteilung“ erschienen. Interessant wegen ihres Inhalts, aber auch sprachlich, was damit zu tun hat, dass sie von einem Gericht kommt, und auch damit, dass dieses Gericht in Österreich ist. 

Schon der Titel ist sperrig:

„Mitteilung gemäß § 8a Absatz 5 des österreichischen Mediengesetzes betreffend Marlene Engelhorn“

Marlene Engelhorn ist eine österreichisch-deutsche Aktivistin, die in Wien lebt. Sie wurde unter anderem durch die Initiative „Tax me now“ bekannt, mit der sie sich dafür einsetzt, Superreiche stärker zu besteuern. Und durch ihr Vorhaben, ihr Millionen-Erbe weitgehend zu verschenken, um soziale Projekte zu fördern.

Die Aktivistin Marlene Engelhorn.
Marlene EngelhornFoto: IMAGO / SEPA.Media

Seit einiger Zeit macht Engelhorn vor allem Schlagzeilen mit ihrem Engagement für Gaza. Anfang August gab sie bekannt, mit der „Global Sumud Flotilla“, einer Schiffsflotte, in den Nahen Osten reisen zu wollen. Aus Protest gegen den Genozid in Gaza, wie sie erklärte, und um auf die humanitäre Notlage aufmerksam zu machen. An ihrem Plan gab es viel Kritik – teilweise auch scharfe, wie üblich bei diesem Thema. 

„Des Israel-Hasses gezeiht“?

Gegen den „Bild“-Artikel, der ihre Ankündigung am 3. August aufgriff, wehrt sich Engelhorn juristisch. „Bild“ hatte getitelt:

„Israel-Hass! BASF-Erbin segelt nach Gaza“

In der Mitteilung, die nun bei Bild.de erschien, erklärt das Landesgericht Wien, dass Marlene Anna Katharina Engelhorn durch den Artikel

„den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Absatz 1 des österreichischen Strafgesetzbuches erfüllt sieht, weil sie des Israel-Hasses gezeiht werde“.

Sie habe „deswegen medienrechtliche Anträge auf Entschädigung wegen erlittener persönlicher Beeinträchtigung und auf Löschung des strafbaren Inhaltes gestellt“.

Österreichisches Mediengesetz

Dass ein österreichisches Gericht eine solche Veröffentlichung von einem deutschen Medium verlangt, kommt nicht so oft vor. Aber es ist möglich. Weil „Bild“ auch im EU-Ausland erscheint (und Bild.de sowieso), können Betroffene dort klagen und müssen nicht zwingend vor ein deutsches Gericht ziehen. Ein österreichisches Gericht kann dann die Veröffentlichung der Mitteilung anordnen, „wenn anzunehmen ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen“, wie es im österreichischen Mediengesetz heißt.

Die Mitteilung ist erst mal nur das: eine Mitteilung – und zwar darüber, dass es ein Verfahren gibt. Mehr nicht. „Bild“ hängt den Vorgang trotzdem extrem hoch und spricht von einem „Eingriff in die Pressefreiheit“ und einer „Einschränkung der Grundrechte“. Dabei ist noch nichts entschieden oder gar untersagt, der angegriffene Artikel ist auch weiterhin abrufbar. Eine Verhandlung steht aus, ein Termin dafür wurde noch nicht festgelegt, wie das Gericht auf Nachfrage von Übermedien mitteilt.

„Ohne vorherige Anhörung“

„Bild“ aber stört sich daran, dass der Beschluss „ohne vorherige Anhörung“ ergangen und man zur Veröffentlichung der Mitteilung „gezwungen“ worden sei. Man habe keine Möglichkeit gehabt, sich zur Wehr zu setzen. 

Doch inwiefern untergräbt dieser juristische Vorgang die grundrechtliche Pressefreiheit, die garantiert, dass der Staat nicht zensierend eingreift? Auf Nachfrage schreibt ein „Bild“-Sprecher: 

„Der strafbewehrte Zwang, eine solche Mitteilung zu veröffentlichen, ist natürlich ein Eingriff in die redaktionelle Freiheit.“ 

Für „Bild“ ist es offenbar unerträglich, aufgrund von Gesetzen veröffentlichen zu müssen, dass sich jemand gegen die Berichterstattung von „Bild“ wehrt.

Das Boulevardblatt verteidigt seinen Artikel vehement und bestreitet, dass er „üble Nachrede über Frau Engelhorn“ verbreite. Man werde „mit allen Mitteln vor Gericht gegen die Einschränkung der Grundrechte kämpfen“. Inzwischen hatte „Bild“ auch die Möglichkeit, gegenüber dem Gericht Stellung zu nehmen. Aber „nur zu der tatsächlichen Klage“, wie der „Bild“-Sprecher schreibt, „eben nicht zu dem Verfahren, an dessen Ende die Pflicht zur Veröffentlichung stand“.

Tatsachenbehauptung oder Meinung?

Nun geht es um die Frage, ob es zulässig ist, Engelhorn „Israel-Hass“ zu unterstellen. Nach Informationen von Übermedien geht die Aktivistin außerdem dagegen vor, dass fälschlicherweise behauptet wird, sie sei „BASF-Erbin“, und offenbar ebenfalls gegen Zusammenhänge, die „Bild“ zur NS-Zeit herstellt. 

Der Artikel spielt unter anderem auf Engelhorns Familiengeschichte an. Sie ist eine entfernte Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Im Dritten Reich hatte der Chemiekonzern IG Farben, zu dem BASF gehörte, das Giftgas Zyklon B produziert, das in Konzentrationslagern genutzt wurde, um Juden zu ermorden. Der Historiker Michael Wolffsohn erklärt in „Bild“, man dürfe „Frau Engelhorn nicht in Sippenhaft nehmen“, aber. 

„Aber etwas Zurückhaltung wäre geboten, gerade wegen ihres Familienhintergrundes. Dann von Genozid zu sprechen, ist eine Frage der Pietät und der Moral – wer unmoralisch handelt, soll nicht moralisch predigen.“

Belege für „Israel-Hass“, etwa in Engelhorns öffentlichen Äußerungen, lieferte „Bild“ nicht. Offensichtlich genügte schon die angekündigte Teilnahme an einer Protestfahrt, oder wie „Bild“ es nannte: an einem „Zusammenschluss von internationalen Aktivisten, Israel-Hassern und Hamas-Sympathisanten“. 

„Bild“ will das als Wertung verstanden wissen, wieder mit Bezug auf die Pressefreiheit. In einer Anmerkung zur Mitteilung heißt es: 

„In Ausübung der durch Art. 5 des Grundgesetzes geschützten Presse- und Meinungsfreiheit bewertet BILD diese gegen Israel gerichtete Aktion und ihre prominenten Teilnehmer.“

Was juristisch wohl darauf abzielt, dass es sich beim unterstellten „Israel-Hass“ nicht um eine Tatsachenbehauptung handle, sondern um eine Meinungsäußerung.

Sie finde es wichtig, sagt Marlene Engelhorn im Telefonat mit Übermedien, „dass sich Journalist:innen an Regeln halten und sorgfältig arbeiten. „Bild“ macht das in diesem Fall nicht, das ist schade, aber das hat auch Konsequenzen“.

„Es ist genau so wichtig, dass man sich das nicht gefallen lässt, wenn – gerade in einer aufgeladenen Debatte wie der um Gaza – so faktenfern über Menschen geurteilt wird. Der Artikel ist deutlich suggestiv und diffamierend. Ich sehe nicht ein, wieso ich das hinnehmen sollte, wenn ich derart durch den Dreck gezogen werde.“

Nach Gaza ist Engelhorn übrigens dann doch nicht gesegelt. In Sizilien habe die österreichische Delegation aufgrund des begrenzten Raums an Bord entschieden, ihren Platz einer anderen Person zu überlassen.

13 Kommentare

  1. Irgendwie entspricht es derzeit gängigen Narrativen, laut aufzuheulen, wenn man „etwas nicht mehr sagen darf“. Im Gegensatz zu anderen Fällen, in denen das, was nicht mehr gesagt werden darf, erstens gesagt wird und zweitens gesagt werden durfte (und Kritik an dem Gesagten mit „ich darf das nicht mehr sagen“ verwechselt wird), durfte hier etwas tatsächlich nicht mehr gesagt werden.
    Aber wie man die Pressefreiheit als völlige Freiheit von jeglichen Regeln und jeglichem Anstand, ja, sogar als erhaben über andere Gesetze und Grundrechte aufhängen kann, ist mir ein Rätsel. Letztlich könnten (sollten? müssten?) solche Entgleisungen doch auch zur Einschränkung der Pressefreiheit führen. Österreich hat es wohl vorgemacht.
    Wie sieht das bei uns aus?

  2. Noch was: die Veröffentlichung fußt auf diesem Gesetzestext:
    „(5)Absatz 5 Im Verfahren über einen selbständigen Antrag auf Entschädigung nach den §§ 6, 7, 7b oder 7c hat das Gericht auf Antrag des Betroffenen die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, daß die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; im übrigen ist § 37 sinngemäß anzuwenden.“
    Es hätte demnach also eine „kurze Mitteilung“ genügt. Wenn „Bild“ das zu einer Schlagzeile wie in dem Screenshot aufbläst, legt das die Vermutung nahe, dass „Bild“ die derzeitige Konjunktur so einschätzt, dass diese Einschränkung der Pressefreiheit zu einem Skandal taugt.
    Ich mache mir Sorgen. Wegen dieser Konjunktur.

  3. Kritik an der „Bild“-Zeitung kommt seit 60 Jahren immer gut an. Oft ist sie leider berechtigt. Aber in diesem Falle sollte auch eine Millionenerbin mit aktivistischen Ambitionen Kritik ertragen. Kritik an Israel muss doch erlaubt sein, heißt es immer. Aber auch für Kritik an der Kritik muss das gelten.

  4. @Florian Blechschmied
    Sie wird von der Bild als Israel Hasserin bezeichnet. Das ist keine Kritik. MMn legitim dagegen vorzugehen.

    Und dieser Teil:
    „Aber etwas Zurückhaltung wäre geboten, gerade wegen ihres Familienhintergrundes. Dann von Genozid zu sprechen, ist eine Frage der Pietät und der Moral – wer unmoralisch handelt, soll nicht moralisch predigen.“

    Da wird ihr unmoralisches Handeln vorgeworfen – auch keine Kritik sondern ein Werturteil.
    Und dann wird noch impliziert sie hätte was mit dem zutun, was BASF zur Nazizeit gemacht hat. Davor zu sagen man dürfe sie nicht in Sippenhaft nehmen und es dann doch machen ist typisches unterirdisches Bild Niveau. Und mehr als verständlich dass sie dagegen vorgeht.

  5. @Florian Blechschmidt

    Diese vermeintliche Neutralität ist genau das Problem. BILD hetzt seit Jahrzehnten gegen Minderheiten, Arbeitslose, Linke, sät Hass im Proletariat, sie desinformiert, leugnet wissenschaftliche Fakten und missachtet Privatsphäre und journalistische Grunsätze. Sie fördert neoliberale Ideologie, Ellbogengesellschaft, Entsolidarisierung, und macht seit Gründung Nationalismus wieder stark und koppelt das mit einer Verpflichtung auf Zionismus, also israelischem Nationalismus. Deutschlands Deutungs- und Herrschaftsanspruch besteht darin, den eigenen Völkermord an den Juden (und anderen, wobei, dafür sind die ja egal) so toll aufgearbeitet zu haben und sich darin jetzt super auszukennen. Was Springer in der Anfangszeit natürlich nicht gehindert hat, Nazis zu beschäftigen, und Axel Springers journalistisches Schaffen unter Hitler wurde weder von ihm noch vom Konzern aufgearbeitet.

    Außerdem fördert die BILD und der ganze Verlag die Interessen der Überreichen, was ja auch naheliegt, da er im Besitz von Milliardären und der Fossilindustrie ist. Ein britischer Journalist verstand sein Handwerk mal als Gewerkschaft der Reichen, und genau das ist die BILD.

    Die BILD ist strukturell und inhaltlich der Feind der Arbeiterklasse, einer für die Demokratie notwendigen gemeinsamen Faktenbasis, eines für Zivilisation notwendigen stabilen Weltklimas und eines guten Lebens für alle.

    Wer Kritik durch BILD mit Kritik an BILD gleichsetzt, entscheidet sich dafür, im Kampf um die Zukunft der Menschheit neutral zu bleiben. Aber kleiner Weckruf: auch für Sie geht die Zivilisation wie wir sie kennen, bei 3 Grad mehr zuende, womöglich schon 2050. Ob Döpfner glaubt, das in einem Bunker zu überleben, kann Ihnen herzlich egal sein.

  6. Delegitimierung, die

    Ad-hominem: Der Kritiker sei „moralisch unqualifiziert“ oder „von falschen Motiven geleitet“.

    Whataboutism: „Warum kritisierst du nicht auch Sudan / Syrien / Russland?“ – also Ablenkung durch Verweis auf andere Konflikte.

    Schuldverlagerung durch Herkunft: „Du kommst aus einer Täterfamilie“ → implizite Unfähigkeit, moralische Kritik zu üben.

    Antisemitismus-Vorwurf: Die pauschalste Form, die den Diskurs sofort stark emotionalisiert und andere in der Debatte abschreckt.

    Der Vorwurf an sich scheint also gar nicht bestritten zu werden.

  7. @#4 das Zitat stammt von Historiker Michael Wolffsohn.

    „Man darf Frau Engelhorn nicht in Sippenhaft nehmen, weil ihre Großeltern am Völkermord gegen die Juden mit beteilligt waren. Aber etwas Zurückhaltung wäre geboten, gerade wegen ihres Familienhintergrundes. Dann von Genozid zu sprechen, ist eine Frage der Pietät und der Moral – wer unmoralisch handelt, soll nicht moralisch predigen.“ – sagt laut Bild Wolffsohn & dieser enlarvt sich dabei mE selbst als Aktivist, denn…

    Wo hat Frau Engelhorn unmoralisch gehandelt, so dass ihr ein moralisches Werturteil nicht zustehen würde? Wolffsohn ist nicht so dumm, nicht zu verstehen, was er da sagt – dass er eben doch etwas (faktenfrei) Anrüchiges an Frau Engelhorn kleben lassen möchte.

  8. Der Kommentar von Wolffsohn ist ein typischer Beispiel für die Aber-Regel. Streichen Sie einfach alles vor dem „Aber“, danach sagt er das Gegenteil dessen.

  9. „Israel-Hass“ wird bei Übermedien mit Anführungsstrichen geschrieben, Genozid grundsätzlich nicht. Seit vielen Wochen. Sowas wie Nähe zur Hamas oder antisemitische Propaganda kommt nur vor, um es als Bildzeitungs-Unsinn abzutun. Als hätten die antisemitischen Israel-Hasser schon immer recht gehabt….

    Es wäre begrüßenswert, wenn Ihr hier mal eine andere Stimme zu Wort kommen ließet.

  10. Haha, in der Bild erscheint ein Artikel über jemanden, der damit nicht einverstanden ist… – so weit, so üblich.
    Doch diesmal ist dieser „Jemand“ Bild höchstselbst.
    Die eigene Medizin scheint zwar nicht so gut zu schmecken, Lernerfahrung aber trotzdem gleich NULL.
    Naja, hatte ich auch nicht erwartet.

  11. Naja, der BILD gönne ich es schon, andererseits, wird die jetzt für etwas belangt, was ein Interview-Partner sagt?

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