Wenn sich mächtige Männer als Außenseiter inszenieren
In der absurden Debatte um Meinungsfreiheit erschwindeln sich Männer aus der gesellschaftlichen Elite einen Opferstatus. Das funktioniert nur, weil auch Medien an schwerer Machtvergessenheit leiden und diese Debatte immer wieder neu inszenieren.
Ulf Poschardt, Herausgeber der „Welt-Gruppe“, in der ZDF-Sendung „Lanz“. Foto: ZDF/Markus Hertrich
Es ist ein einträgliches Geschäftsmodell, sich als Kritiker der „Wokeness“ (früher „Cancel Culture“, davor „Political Correctness“) zu inszenieren. Man kann sich damit mediale Aufmerksamkeit, publizistische Reichweite und Buchverträge sichern. Denn dass man gar nichts mehr sagen darf, dass sich immer mehr Menschen in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlen, das ist eines jener Themen, die seit Jahren von Medien mit großer Sorgfalt gehegt und gepflegt werden.
Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen steht das Geschäftsmodell der Anti-Wokeness allerdings vor den Trümmern seines eigenen Erfolgs. Rechte und rechtsradikale Politiker wie Trump und seine Partei, die seit Jahren gegen „Wokeness“ oder „Cancel Culture“ hetzen, greifen basale bürgerliche Grundrechte an, attackieren etablierte Medien und versuchen die Universitäten zu zerstören. Für diese Leute bedeutet „Meinungsfreiheit“ nichts anderes, als die eigene Meinung mit aller Macht durchzusetzen und die Meinung anderer mit Gewalt zu unterdrücken.
Jetzt soll „Wokeness“ plötzlich rechts sein
Vor diesem Hintergrund ist es aufschlussreich, eine aktuelle Folge des erfolgreichen Podcasts „Lanz & Precht“ zu hören. Die beiden Medienpromis haben sich des Themas „Meinungsfreiheit“ noch einmal angenommen und sehen diese ebenfalls in Gefahr. Bemerkenswerterweise bleibt das engagierteste Händeringen Fällen wie dem Outing des Betreibers des extrem rechten YouTube-Kanals „Clownswelt“ vorbehalten. Für Precht bedeutet das nicht weniger, als jemanden in „bester mittelalterlicher Tradition an den Pranger“ zu stellen, „nackt ausgezogen und dem öffentlichen Spott und dem öffentlichen Hass preisgegeben“.
Nun kommen die beiden aber nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, dass die US-Regierung gerade mit äußerster Gewalt gegen Andersdenkende vorgeht. Dafür haben sie sich aus dem amerikanischen Diskurs den Begriff der „Wokeness von rechts“ geborgt, der die irrwitzigen Attacken auf Medien, Kulturinstitutionen und Universitäten erklären soll. Nach der „Wokeness von links“ komme jetzt, heißt es an einer Stelle im Podcast, eine „ganz harte Wokeness von rechts“, die alle Mittel nutze, die die „linke Wokeness zur Verfügung gestellt hat“.
So wird ein kausaler Zusammenhang hergestellt zwischen der progressiven Kritik an Rassismus oder Sexismus und der offen autoritären Politik einer Regierung, die Menschen ohne Verfahren in Lager entführt oder ausländische Studierenden mit Ausweisung bedroht – ein absurder Gedanke, der allerdings für Menschen, die seit Jahren die Meinungsfreiheit vor allem durch linke Anliegen in Gefahr sehen, eine wichtige Funktion einnimmt.
In der Opferposition
Auch Dieter Nuhr, der auf der Bühne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens seit Jahren einträglich von der Kritik linker „Cancel Culture“ lebt, darf bei „Maischberger“ noch einmal verbreiten, dass die „überzogene Wokeness-Bewegung das provoziert hat“. Mit „das“ ist der Aufstieg Trumps gemeint und die Zerstörung, die er jetzt anrichtet. Die Linken sind also schuld am Aufstieg der Rechten – und nicht Männer wie Nuhr, die deren Talking points seit Jahren öffentlich vertreten.
Die Kolumne
Johannes Franzen ist Literaturwissenschaftler und Kulturjournalist. Er arbeitet an der Universität Siegen, wo er zu kulturellen Konflikten und ihrer medialen und gesellschaftlichen Bedeutung forscht. Zudem schreibt er Essays für FAZ, taz, Zeit Online u.a. und ist Mitbegründer des Online-Feuilletons 54books. Für Übermedien blickt er einmal im Monat auf die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie.
Es handelt sich um den leicht durchschaubaren Versuch, die Sorge um die Meinungsfreiheit als legitimes politisches Anliegen zu retten. Denn diese Sorge hat in den letzten Jahren eine wichtige Rolle in der Selbsterzählung bestimmter medialer Eliten gespielt. Die Fiktion einer diskursiven Übermacht von links, die man schwer beweisen kann und auch nicht beweisen muss, ermöglicht es Männern wie Nuhr, Lanz oder Precht, sich in eine Opferposition zu begeben, in der sie sich als heroische Außenseiter inszenieren können.
Das funktioniert, weil wir uns im Zeitalter einer allgemeinen Machtvergessenheit befinden. Damit meine ich eine gesellschaftlich weit verbreitete Unfähigkeit, einzuschätzen, wer tatsächlich Macht besitzt und wer nicht.
Der gesunde Menschenverstand würde davon ausgehen, dass Macht bei denen liegt, die Ressourcen, Aufmerksamkeit und institutionellen Zugang in Massen gehortet haben. Also etwa die Betreiber eines extrem erfolgreichen Podcasts, der vom ZDF mit einer riesigen Summe finanziert wird. Zumal Precht ein reicher Buchautor und Lanz der Moderator einer der wichtigsten Talkshows im deutschen Fernsehen ist. Auch Nuhr verfügt über eine riesige Bühne und wird – wenn er nicht sehr schlecht mit Geld umgehen kann – inzwischen märchenhaft wohlhabend sein.
Es fällt also schwer, sich Menschen auszudenken, deren Meinungsfreiheit weniger einschränkt ist. Und doch ist die Vorstellung weit verbreitet, dass nicht solche Menschen die Debattenhoheit besitzen, sondern ein vager progressiver Diskurs. Man muss sich schon sehr verbiegen, um zu dieser Erkenntnis zu kommen.
Das Märchen von den „sozialen Kosten“
Precht und Lanz sprechen in ihrer Podcastfolge von „sozialen Kosten“, die für bestimmte Äußerungen gestiegen wären. Die Spannbreite der Äußerungen, die man machen kann, ohne dass sie „einen Unmut hervorrufen oder heftige Aggressionen oder heftige Anklagen oder moralisierende Repliken“, werde immer kleiner.
Das ist eine ziemlich seltsame Vorstellung von Meinungsfreiheit. Unter „soziale Kosten“ kann man nun alles fassen, was einem an Kritik an einer eigenen Meinung zu weit geht. Vor allem aber ist das eine Definition, die die materielle und mediale Grundlage von Meinungsfreiheit vollkommen außer Acht lassen kann.
Ein perfektes Beispiel für Machtvergessenheit lieferte Lanz nur kurze Zeit später in seiner Sendung, die das Thema „Meinungsfreiheit“ noch einmal für das ZDF-Publikum aufbereitete. Eingeladen waren unter anderem der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer und Ulf Poschardt, langjähriger Chefredakteur und derzeit Herausgeber der „Welt“-Gruppe. Beide klagen bei jeder Gelegenheit verlässlich darüber, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde.
Poschardt steht gerade mit seinem Buch „Shitbürgertum“ auf der Bestsellerliste. Mit seiner Position bei Axel Springer ist er aber auch eine der mächtigsten Personen der deutschen Medienlandschaft. In einem umfangreichen Porträt, das zum Anlass der Veröffentlichung dieses Buches im „Spiegel“ veröffentlicht wurde, ging es unter anderem um seine beiden Ferraris und seine Villa am Berliner Schlachtensee. Es müsste also eigentlich für Gelächter sorgen, dass sich so ein Mann über bürgerliche Eliten und deren vermeintliche Diskursmacht beklagt.
Die Debatte ist eine mediale Schmierenkomödie
Die Antwort auf die Frage, warum das dennoch möglich ist, lautet: Machtvergessenheit. Medien fördern diesen Zustand, indem sie bestimmte Vorstellungen immer wieder durch die Re-Inszenierung von Debatten in die Öffentlichkeit tragen.
So greift Poschardt in seinem ersten Redebeitrag bei „Lanz“ direkt zahlreiche Talking points und Beispiele aus der Podcastfolge von Lanz und Precht auf. Später wiederholt Palmer die dort vorbereitete Argumentation, dass Trump eine Reaktion auf linke Verfehlungen darstellt. Das muss nicht bedeuten, dass beide die Folge zur Vorbereitung auf die TV-Sendung gehört haben. Es zeigt nur, wie wirkungsvoll sich ein bestimmter Diskurs verbreiten lässt.
Palmer wird an einer Stelle von Lanz gefragt, welches Wort er denn nicht sagen darf. Es ist tatsächlich: „Das N-Wort“. An dieser Stelle wird noch einmal mit erschreckender Deutlichkeit sichtbar, dass Palmer eine ganze politische Identität darauf aufgebaut, ein rassistisches Schimpfwort nicht verwenden zu dürfen. Daraus konstruiert er eine ganze Gesellschaftsdiagnose. Wie das konkret aussieht, konnte man 2023 bei einer Veranstaltung an der Universität Frankfurt beobachten. Demonstranten hatten diese wegen Palmers Verwendung des N-Worts gestört, woraufhin er der Gruppe zurief: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.“
Darf einfach nicht mehr das N-Wort sagen: Boris Palmer. Foto: ZDF/Markus Hertrich
Der diskursive Mehrwert Palmers als Talkshow-Gast geht gegen null. Er hat zu diesen Fragen nichts Intelligentes oder Originelles zu sagen; er ist kein charismatischer oder artikulierter Gesprächspartner; er hat nicht mehr zu bieten als die Verkörperung eines Ressentiments. Die Sendung zeigt eindrücklich: Die Debatte um die Meinungsfreiheit ist eine medial inszenierte Schmierenkomödie. Es geht um nichts anderes als die Reproduktion eines künstlichen Reizthemas.
Sie wollen kritisieren, aber nicht kritisiert werden
Halten wir also fest: Die Machtvergessenheit im (medialen) Diskurs über Meinungsfreiheit hilft Ferrari-Besitzern, vermögenden Autoren und Oberbürgermeistern, sich mit der Klage über „soziale Kosten“ den Status von gesellschaftlichen Außenseitern und Nonkonformisten zu erschwindeln. Wenn man aber von der dröhnenden Debatte einmal einen Schritt zurücktritt, dann klingen „soziale Kosten“ verdächtig nach dem, was man früher schlicht als „Konsequenzen“ für das eigene Tun und Reden bezeichnet hätte.
Und darum geht es eigentlich: Menschen, die nach allen soziologischen Kategorien zur Elite des Landes gehören, wollen sprechen, aber nicht hören, wollen kritisieren, aber nicht kritisiert werden. Wenn sie austeilen, dann ist das Meinungsfreiheit, wenn sie einstecken sollen, dann jammern sie über „soziale Kosten“. Das ist von Trumps Rhetorik, die nun rasch einer ausgedachten Linken in die Schuhe geschoben werden soll, nicht weit entfernt.
88 Kommentare
Einen herausragenden Sendeplatz im ÖR sein Eigen nennen und dortselbst unablässig verkünden, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe – ich werde nie verstehen, wie man mental verdrahtet sein muss, um so einen Unsinn ernsthaft vertreten und leben zu können.
Jammert Herr Poschardt wirklich darüber, dass er sich nicht so äußern kann, wie er es will? Dem geht es doch wirklich gut bei Axel Springer. Aber ist das das „Märchen von den sozialen Kosten“ wirklich ein Märchen? Wenn junge Männer sich im Urlaub besaufen und bescheuerte Texte grölen, so kann man zwar die Köpfe darüber schütteln, aber ihnen deshalb ihre Jobs zu kündigen, erinnert mich doch sehr an die zu Recht von links kritisierten Berufsverbote. Wenn ein Rentner das Meme mit dem „Schwachkopf professionell“ teilt, sollte er nicht mit einer Hausdurchsuchung bedacht werden und vor Gericht landen. Der Besitz von Jagdwaffen sollte nicht an eine Parteizugehörigkeit geknüpft werden. Beamte sollten nicht bevorzugt werden, wenn sie in Bayern zur CSU gehören oder in Bremen zu linksgrünen Parteien, aber entlassen werden, wenn sie zur AfD gehören. Womit der Autor recht hat: Wer sich (extrem) rechts äußert, der muss mit (extrem) linken Gegenäußerungen rechnen und umgekehrt. Da sollte man nicht mimosenhaft reagieren. Aber seine Arbeit zu verlieren wegen politischer Meinungen gehört nicht in eine Demokratie. Die Ansichten der Person hinter „Clownswelt“ anzuprangern, das ist völlig in Ordnung. Aber sein privates Leben in der Öffentlichkeit auszubreiten, das ist schäbig.
Erstaunlich ist allerdings auch, wie präsent fragile Männlichkeit in all diesen Debatten ist.
9.6. 21:00, 3 Kommentare und noch keiner veröffentlicht.
Uiuiui.
„Machtvergessenheit“, schöne Wortschöpfung.
Das in etwa meinte ich, als ich gestern unter das Interview mit Leonie de Jong schrieb:
„Die Rechte muss ja ein virtuelles „die-da-oben“ geradezu produzieren, um nicht komplett absurd zu erscheinen.
Die Mehrheit aller VT lebt von dieser Klientel.“
Die Form in der diese Personen ihren Anteil an den aus Amerika importierten Culture War, dem auch Politiker wie Markus Söder und Jens Spahn immer wieder neuen Anschub geben, erinnert doch sehr an das Verhalten der AfD: die politische Öffentlichkeit mit ihrem „Diskurs“ dominieren, die Politik in Ländern und Bund indirekt beeinflussen, und zugleich immer wieder auf die Opferrolle setzen, wenn sie angegriffen, ihre Machenschaften und Verbindungen offengelegt werden.
@Florian Blechschmidt:
Zunächst einmal werden Hausdurchsuchungen in Deutschland immer noch von Staatsanwaltschaften veranlasst – das sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen. Und dass so etwas in München vielleicht schneller passiert als anderswo, als „soziale Kosten“ zu framen, bloß weil diesmal Habeck betroffen hat, wirkt doch ziemlich konstruiert.
Angesichts dessen, was sich manche Staatsanwaltschaften in diesem Land sonst einfallen lassen, rangiert die Durchsuchung nach einer Minister-Beleidigung jedenfalls nicht ganz oben auf meiner Skandalhitliste. Aber das „Opfer-Narrativ“ hat sich der rechte Rand ja ohnehin dauerhaft gesichert.
„Was hast du mich da wieder tun lassen, Stan?“
Wie stehen Sie denn eigentlich zu den sozialen Kosten, die der „Letzten Generation“ auferlegt werden – bei all dem Verständnis für besoffen gegrölte Neonazi-Parolen? Wobei die meisten da froh wären, wenn es bei denen geblieben wäre.
Sehr schön das ganze Thema nochmal aufgeschrieben, danke!
@Florian Bechschmied Weil hier wieder eine Falschbehauptung geteilt wird: Es gab keine Hausdurchsuchung, weil Robert Habeck jemanden wegen des Schwachkopf-Memes angezeigt hatte. Die Hausdurchsuchung war bereits vorher wegen des Verdachts der Volksverhetzung beantragt gewesen. Inzwischen wurde der Mann übrigens zu 90 Tagessätzen verurteilt, und zwar wegen „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Volksverhetzung“, nicht wegen der angezeigten Beleidigung von Habeck. (siehe https://www.deutschlandfunk.de/strafbefehl-nach-hausdurchsuchung-unter-anderem-wegen-schwachkopf-beleidigung-gegen-habeck-100.html)
„Die Linken sind also schuld am Aufstieg der Rechten – und nicht Männer wie Nuhr, die deren Talking points seit Jahren öffentlich vertreten.“
Dass Nuhr oder Männer wie er am Aufstieg Trumps Schuld sein sollen, halte ich aber ebenfalls für falsch.
@6 und @8: Es geht mir gar nicht um den Politiker Robert Habeck. Jeder Politiker sollte Kritik, auch unsachliche Kritik, selbst Beleidigungen nicht mit dem Strafrecht abwehren. Das muss er aushalten, zumal die meisten Politiker auch gerne austeilen. Insofern sollte insbesondere der § 188 StGB wieder gestrichen werden. Besonders häufig wurde er von Herrn Habeck und Frau Baerbock „missbraucht“, berichtet die Presse. Rekordhalterin sei aber Frau Strack-Zimmermann, die ich ansonsten sehr schätze. Aber auch Frau Weidel hat, wie jetzt bekannt wurde, sehr intensiv Anzeigen nach § 188 StGB gestellt. Das irritiert mich besonders, da die AfD die Abschaffung dieses Paragraphen fordert. Ich befürworte nicht, dass Bürger sich beleidigend gegenüber Politikern äußern. die anderer Meinung sind als sie selber. aber die Politikern sollten das tolerieren. Sie selbst können ja mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie ihre politischen Gegner in der Sache kritisieren, nicht aber deren persönliche Integrität beschädigen.
Dann ziehen wir doch mal Bilanz:
Herr Blechschmied findet also, Politiker*innen sollten sich „nicht so haben“. Ein Standpunkt, der auf bemerkenswerte Weise gleichzeitig dramatisiert und bagatellisiert. Chapeau.
Zur Einordnung: Robert Habeck hat keine Hausdurchsuchung veranlasst. Die Empörung darüber basiert auf einer gezielten Verdrehung der Fakten.
Was dabei gern unter den Tisch fällt: Die massiven Kampagnen, die von rechten Troll-Armeen und Desinformationsnetzwerken gegen Politiker*innen wie Habeck, Baerbock und ganz besonders Ricarda Lang gefahren wurden – systematisch, mit enormer Reichweite und oft jenseits jeglicher zivilisatorischer Standards.
Dass man sich dieser gezielten Verrohung nicht einfach aussetzen muss, ohne dagegen vorzugehen, sollte eigentlich Konsens sein. Stattdessen erleben wir eine routinierte Täter-Opfer-Umkehr: Der Hetzer wird zum vermeintlich Bedrohten, während der Versuch, sich juristisch gegen Verleumdung zu wehren, als autoritär gebrandmarkt wird.
Die eigentliche Schlagseite in dieser Debatte liegt jedoch tiefer: Sie ignoriert völlig, dass es längst nicht mehr um einzelne verbale Entgleisungen geht, sondern um ein strukturelles Problem – die Erosion des demokratischen Diskurses durch Desinformation, Empörungskapitalismus und die Normalisierung von digitaler Hetze.
Währenddessen driftet die Öffentlichkeit weiter – auf einer schrägen Ebene, geschmiert von Fake-News, Framing und absichtlicher Verwirrung.
Und viele schauen zu. Oder schlimmer: reden sie schön.
Weil hier wieder eine Falschbehauptung geteilt wird: Es gab keine Hausdurchsuchung, weil Robert Habeck jemanden wegen des Schwachkopf-Memes angezeigt hatte.
Da wissen Sie mehr als die Staatsanwaltschaft.
Alexander Baum von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bamberg hat am 21.11.2024 klargestellt, dass es bei Anordnung der Wohnungsdurchsuchung ausschließlich um den Schwachkopf ging.
„Bamberg / Lkr. Haßberge, 21.11.2024 Einem 64-jährigen Mann aus dem Landkreis Haßberge wird vorgeworfen, über das Internet den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck beleidigt zu haben. Am 12.11.2024 erfolgte bei dem Beschuldigten eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Tatverdachts einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gem. §§ 185, 188, 194 StGB. „
@FrankD
Warum verbreitest du denn eine veraltete Presseerklärung? ist es aus Versehen, aus Inkompetenz oder vielleicht sogar absichtlich/aus Bösartigkeit? Hmmm…
Da Habeck erst am 12.09.2024 (siehe Text) Strafantrag gestellt hat, ist diese Information sehr entscheidend.
Hier, nur für dich, die aktuelle Version (vom 22.11.2024, also auch schon über ein halbes Jahr alt) ohne Schreibfehler:
„Anmerkung vom 22.11.2024:
In der ursprünglichen Fassung der Pressemitteilung wurde aufgrund eines Schreibfehlers in
Absatz 4 mitgeteilt, dass der Durchsuchungsbeschluss am 08.08.2024 beantragt wurde. Dies
wurde korrigiert. Der Durchsuchungsbeschluss wurde tatsächlich am 05.08.2024 beantragt.
Die Pressemitteilung wurde am 22.11.2024 im 5. Absatz (Datum des Erlasses des
Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht Bamberg) ergänzt.“
„Ebenfalls am 02.08.2024 wurde der Sachverhalt von
der Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt dem Bundesminister Dr. Habeck zur Prüfung der
Stellung eines Strafantrags mitgeteilt. Strafantrag wurde durch diesen am 12.09.2024 gestellt.“
„Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung
wurde hier durch die Staatsanwaltschaft Bamberg bei Beantragung des
Durchsuchungsbeschlusses am 08.08.2024 bejaht, da es sich bei Herrn Dr. Habeck um den Bundesminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland handelt und zudem Verdachtsmomente einer antisemitischen Gesinnung des Beschuldigten bestehen. […]
Staatsanwälte tun staatsanwaltliche Dinge. Für die Beweisführung bei diesen Delikten ist es extrem hilfreich, wenn das Device, mit dem sie ausgeführt wurden, unprepariert sichergestellt werden kann. Ohne ist die Zuordnung weit schwieriger (da hat jemand mein WLAN benutzt, bspw.).
Aber mir liegt es fern, Staatsanwälte zu verteidigen. Nur haben wir es bei den Rechten mal wieder mit einem Jammern auf hohem Niveau zu tun. Wenn ich mich an die Durchsuchungen (deutlich Plural) von Radio Dreyeckland bspw. erinnere (Anlass: ein Beitrag über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform Indymedia Linksunten), dann erscheint mir diese ganze Habeck-und-sein-Troll-Geschichte oberlächerlich. Teil einer breiten Kampagne eben. Oder hier in HH nach der „Pimmel“-Affäre um den Innensenator oder die PlanB-Durchsuchung: https://taz.de/Skandaloeser-Polizeieinsatz/!5520469/
Ich möchte auch auf gar keinen Fall §188 verteidigen, aber diesen gerade zu einer Zeit in den Fokus zu nehmen, in der solche Übergriffe inflationär und konzertiert betrieben werden (wobei die Player dann mitunter in der Größenordnung ganzer Verlagshäuser daherkommen), ist schon bezeichnend. Oder wo sich anderswo Billionäre Plattformen kaufen, um Shitstorms nach Belieben lenken zu können.
FrankD, lesen Sie doch einfach Ihre eigene Quelle. Hausdurchsuchung beantragt durch StA am 8.8., Anzeige erstattet durch Habeck am 12.9. Es bleib also dabei, keine Hausdurchsuchung weil Habeck das wollte. Passt halt nicht in Ihr Narrativ, aber ist halt die Wahrheit. Da Sie aber auch an Menschen-Importe glauben, lassen Sie sich aber bestimmt nicht von solchen nervigen Dingen wie Tatsachen beeinflussen.
@Mr Re:
Anscheinend hat die Staatsanwaltschaft „von Amts wegen“ ermittelt. Was jetzt zwar nicht beweist, dass Habeck da nicht auf dem kurzen Dienstweg angerufen hätte, aber wenn nicht, verschiebt das das Problem eben mehr zur Staatsanwaltschaft.
Aus meiner Sicht, und gemessen an den Beleidigungen, die man sonst so bei TwiX und Co lesen kann, war die anlässliche Beleidigung recht harmlos, und es stellt sich zumindest die Frage der Verhältnismäßigkeit.
„Was jetzt zwar nicht beweist, dass Habeck da nicht auf dem kurzen Dienstweg angerufen hätte“
Sobald die andere Seite bei einer Diskussion anfängt, in Richtung von Verschwörungserzählungen abzudriften, weiß man, dass man recht hat.
@Surfguard:
Wieso? Wenn ich argumentiere, muss ich solche Argumente wählen, von denen ich hoffen kann, dass die andere Seite sie akzeptiert. Dass Habeck erst nach der Durchsuchung Anzeige erstattete, wird niemanden überzeugen, der an Habecks „Schuld“ glaubt.
Aber wenn wir uns darauf einigen, dass Habeck dafür nichts konnte, ist die StA da mMn sehr übereifrig gewesen, was eigentlich das größere Problem ist, weil Habeck ja abgewählt wurde, diese StA aber noch da ist.
Und wenn man sagt, dass die StA in der Frage leider keinen Handlungsspielraum hat, ok, dann sollte man eine Bagatellgrenze einführen.
Habecks berühmter heisser Draht zur Staatsanwaltschaft Bamberg, wer kennt ihn nicht?
@Mycroft, Sie haben aber schon diesen Halbsatz im Schreiben des Staatsanwaltes gelesen?
„und zudem Verdachtsmomente einer antisemitischen Gesinnung des Beschuldigten bestehen.“
Er ist letztlich imho auch wegen anderer Delikte in diesem Komplex verurteilt worden, gar nicht wegen der Beleidigung.
Was also hätte da eine Bagatellgrenze geholfen?
Täglich werden Menschen rassistisch, sexistisch, transfeindlich etc beleidigt, diskriminiert, gekündigt und erfahren Polizeigewalt. Trotzdem hat es ein laut angezeigtem Vor- und Nachnamen vermutlich weißer Mann geschafft, dass sich die ganze Kommentarspalte um die Grenzen der Freiheit für weiße Männer dreht.
Wer hat hier also Diskursmacht?
@erwinzk:
Ebend
Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Bei der oben. verlinkten Hausdurchsuchung im PlanB hat sich die Polizeibehörde einen Durchsuchungsbefehl auf Halde beschafft, den Wochen später in anderem Kontext gezogen, um dann mit automatischen Waffen im Anschlag und nach Aufbrechen der Wohnungstür ( obwohl die anwesende Wohnungseigentümerin sich erboten hatte diese aufzuschliessen ) auch noch Teile der Wohnung zu durchsuchen, die gar nicht im Beschluss vorkamen. Alles komplett illegal, wie es das Gericht im Nachhinein beschied.
Beim Radio Dreyeckland wurde der Durchsuchungsbefehl auch willkürlich ausgedehnt und komplett Unbeteiligten wurden die Arbeitsgeräte ( Computer, Laptops ) beschlagnahmt.
Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge. Nur wenn das Opfer mal eine rechte Lobby hinter sich weiß, wird es zum Angriff auf die Freiheit.
„Er ist letztlich imho auch wegen anderer Delikte in diesem Komplex verurteilt worden, gar nicht wegen der Beleidigung.“
Mag ja sein, ist aber erstens vom Ergebnis her argumentiert – wenn man lange genug sucht, findet man halt was, also muss es erlaubt sein, beliebig lang zu suchen – zweitens heißt das in der Konsequenz, dass Antisemiten nur mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie etwas gegen einen Minister sagen (anstatt umgekehrt), und drittens halte ich zumindest die gegenständliche Beleidigung wirklich sehr für eine Ausrede.
„Was also hätte da eine Bagatellgrenze geholfen?“
Die Staatsanwaltschaft wäre kein Staat im Staate. Zufällig hat es hier „den Richtigen“ getroffen. Sie selbst kennen Dutzende von Beispielen, wo es die Falschen trifft. Umgekehrt gibt es Millionen von Beispielen, wo jemand schlimmer beleidigt wurde als das jetzt, und keine StA interessiert’s.
Nervt Sie nicht die Arroganz der Macht? Demnächst sagt irgendwer was despektierliches gegen einen CDU-Minister, mit mutmaßlich demselben Ergebnis.
@Mycroft:
Kurz gesagt: Nein.
Mich nervt, wenn die „Arroganz der Macht“ immer nur dann entdeckt wird, wenn sich die Opfer unterirdischer Kampagnen mal zur Wehr setzen.
Der Typ ist ein notorischer Querulant und Troll. Schön, wenn es auch mal einen von denen trifft.
Ich kann Ihnen nur raten, Ihren Kompass gelegentlich neu zu justieren – wenn die Nadel seltsamerweise immer nur dann ausschlägt, wenn irgendein weißer Möchtegern-Arier mal die Minimalkonsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt.
Wenn Sie doch so ein ausgeprägtes Rechtsempfinden haben, warum ist es dann so selektiv?
„Der Typ ist ein notorischer Querulant und Troll. Schön, wenn es auch mal einen von denen trifft.“
Der Typ ist vor allem ziemlich unwichtig. Aber selbst wenn es anders wäre: ethische Urteile sollten nicht von meinem oder Ihren Sympathien abhängig sein.
„Ich kann Ihnen nur raten, Ihren Kompass gelegentlich neu zu justieren – wenn die Nadel seltsamerweise immer nur dann ausschlägt, wenn irgendein weißer Möchtegern-Arier mal die Minimalkonsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt.“ Nicht alles, was gebildet klingt, ist eine Metapher: Kompassnadeln schlagen nicht aus.
JETZT sind Sie gegen eine Bagatellgrenze und verharmlosen den Vorgang als „Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge“; demnächst, wenn es wen trifft, den Sie leiden mögen, kann ich mich darauf beziehen, dass ich ja schon immer für eine Bagatellgrenze war, egal, wer davon profitiert.
@Mycroft:
Sie wissen von dem Vorfall, weil ein riesiger Player im Hintergrund daraus eine Geschichte gemacht hat, im Rahmen einer konzertierten Kampagne gegen die Grünen im Allgemeinen, und gegen Habeck im Besonderen.
Daraufhin den moralisch Überlegenen zu spielen ist weit jenseits von lächerlich. Aber klar, ihr moralischer Kompass hat ausgeschlagen. Ansonsten ist er halt immer auffallend ruhig.
[Google]
Übersicht mit KI
Der Ausschlag einer Kompassnadel beschreibt die Ablenkung der Nadel von ihrer ursprünglichen Position, wenn sie in der Nähe eines magnetischen Feldes ist. Dies liegt daran, dass die Kompassnadel selbst ein kleiner Magnet ist, der sich in Richtung der magnetischen Feldlinien ausrichtet.
Der Ausschlag einer Nadel bezieht sich auf die Nadel einer altmodischen Anzeige (heute ist sowas meist digital), wenn beispielsweise an einem Geigerzähler die Nadel die Skala schlagartig hochzuckt und wieder herunterfällt, sagt man, dass sie ausschlägt. Dies zeigt dann Radioaktivität, also Gefahr an.
Einen Geigerzähler kann man kalibrieren.
Eine Kompassnadel ist kein Messgerät im eigentlichen Sinne, da es kein Maß angibt; sie schlägt auch nicht aus, sondern orientiert sich am örtlich stärksten Magnetfeld.
Einen Kompass kann man nicht kalibrieren. Ihr Metapher ist nur dazu da, Sie intelligent wirken zu lassen.
„Daraufhin den moralisch Überlegenen zu spielen ist weit jenseits von lächerlich.“ Sie unterstellen mir, dass mein Sinn für Recht und Unrecht nur bei „weißen Möchtegern-Ariern“ reagiert.
Es ist nicht meine Schuld, dass die StA nur bei Beleidigungen gegenüber Ministern reagiert, insbesondere bei Beleidigungen, die mir egal wären, wenn sie mir gälten. Es ist nicht meine Schuld, dass Habeck irgendwann doch Anzeige erstattet hat, was er nicht musste. Es ist nicht meine Schuld, dass die politischen Gegner der Grünen dergleichen instrumentalisieren, was ziemlich erwartbar ist.
Aber weil mein Track-Rekord zum Thema „Willkür der Exekutive“ Ihnen anscheinend nicht gut genug ist, soll ich meine Meinung zum Thema nicht sagen.
Sie hingegen verteidigen etwas, was Sie sonst kritisieren, in Abhängigkeit davon, ob es weiße Möchtegern-Arier betrifft oder nicht.
Wir haben derzeit einen Innenminister, der bekräftigt, Gerichtsurteile ignorieren zu wollen. Wir haben eine bayerische Staatsanwaltschaft, die Carla Hinrichs und vier andere Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt hat. Wir haben eine Antifa-Aktivistin im Hungerstreik, die in höchster Eile nach Ungarn verschleppt wurde – bevor am selben Tag das Bundesverfassungsgericht das hätte verhindern können – und der dort nun 24 (!) Jahre Haft drohen, wegen des angeblichen Verprügelns von Nazis auf einer Nazikundgebung.
Und Sie tragen hier wieder seitenlang der Springerpresse ihr Kampagnenfutter hinterher – wegen eines Soziopathen, dessen Beleidigung der eingesetzten KI der Grünen-Prominenz zum Opfer gefallen ist und der deshalb automatisch angezeigt wurde.
Ihr Gerechtigkeitsempfinden ist dermaßen verwackelt, dass das Lesen nur noch weh tut.
Ich kann beim besten Willen nicht so bescheuert sein, diesem Mob – von Springer bis Nius – die Talking Points nachzuplappern, wie Sie das begeistert exerzieren.
Und zur Kompass-Geschichte: Kommen Sie sich nicht wenigstens manchmal selbst idiotisch vor, wenn Sie so etwas ablassen?
„Wir haben derzeit einen Innenminister, der bekräftigt, Gerichtsurteile ignorieren zu wollen. Wir haben eine bayerische Staatsanwaltschaft, die Carla Hinrichs und vier andere Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt hat.“
Und das habe ich an keiner Stelle verteidigt, weder hier noch anderswo. Es belegt allerdings das Narrativ, das die Obrigkeit unliebsame Meinungen unter Missbrauch oder Umgehung rechtsstaatlicher Mittel unterdrücken würde. Dass es nicht unbedingt unliebsame _rechte_ Meinungen sind, macht die Sache ja nicht besser. Auch wenn Nius und Co das behaupten.
„Und Sie tragen hier wieder seitenlang der Springerpresse ihr Kampagnenfutter hinterher“ Kontaktschuld? Eine Aussage wird nicht in Abhängigkeit davon wahr oder unwahr, aus welcher Quelle sie kommt.
„wegen eines Soziopathen, dessen Beleidigung der eingesetzten KI der Grünen-Prominenz zum Opfer gefallen ist und der deshalb automatisch angezeigt wurde.“
Persönlich ist mir der Mann egal. Ich habe allerdings genug Abstraktionsvermögen, vom konkreten Fall auf die Allgemeinheit zu schließen, und bin nicht der Auffassung, dass das allgemeines Prinzip sein sollte.
„… zur Kompass-Geschichte: Kommen Sie sich nicht wenigstens manchmal selbst idiotisch vor, wenn Sie so etwas ablassen?“
Ich sag mal so – wenn KIs nach Beleidigungen, ad hominems und dergleichen suchen und ggfs. die StA alamieren, wird es Sie eher erwischen als mich. B-)
@29: Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, Dobrindt würde Gerichtsurteile ignorieren wollen. Dobrindt setzt die Entscheidung punktgenau um. Es ist lediglich das Narrativ interessierter Kreise, nennen wir sie freundlich „Open-Border-Blase“, aus der Einzelfalleilentscheidung einer zweifelhaft besetzten Kammer eines Verwaltungsgerichts ein Grundsatzurteil konstruieren zu wollen. Zu einem solchen ist die Kammer nicht befugt, im Eilverfahren gleich gar nicht.
Die ehemaligen Verfassungsrichter Di Fabio und Papier vertreten die Auffassung, dass die Dublin-Verordnungen das deutsche GG bzw. die deutsche Asylgesetzgebung nicht brechen können und Zurückweisungen an den Grenzen selbstverständlich möglich sind. Dieser Rechtsauffassung darf ein deutscher Innenminister durchaus nähertreten. Bis halt ein befugtes Gericht vielleicht grundsätzlich anders entscheidet…
Am Ende sogar noch ein „RAF“ reingequetscht. Abschließender Satz: „Das OLG Dresden muss noch über die Zulässigkeit der Klage entscheiden.“ Kein Hintergründe dazu, oder so.
Ich hoffe ja auch auch noch auf einen Artikel hier bei üm über die Berichterstattung über den Verfassungsschutz-Extremismusbericht und wie einfach Dobrindt alle Journalisten auf das Nachplappern von „alles ist gestiegen, alles ist gleich schlimm“ einschwören konnte.
Arne Semsrott, Volksverpetzer, etc. haben dazu schon was aufgeschrieben.
@Lake_of_the_Woods
„Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, Dobrindt würde Gerichtsurteile ignorieren wollen.“
Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, dem sei nicht so.
Rein formal sind es Einzelfallurteile, das stimmt. Rechtlich ist er nicht verpflichtet, deren Argumentation auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Politisch und praktisch bringt er damit aber nicht nur die betroffenen Zurückgewiesenen, sondern auch die ausführenden Beamt*innen in eine nahezu unlösbare Situation.
Im Übrigen widersprechen zahlreiche Expert*innen dieser Einschätzung ganz entschieden.
@33: Noch einmal: Der Minister setzt die Entscheidung punktgenau um. Zu mehr ist er nicht verpflichtet. Seine Beamten sind auch nicht in Schwierigkeiten, denn für sie gilt die Dienstanweisung des Ministers.
Ob durch nämliche irgendwelche „Betroffenen“ Schwierigkeiten haben, ist herzlich egal.
Sie wollen mir nicht wirklich „correctiv“ als seriöse Quelle verkaufen? Machen Sie sich nicht lächerlich.
Was sei Correctiv eine unseriöse Quelle?
@Lake_of_the_woods
Natürlich ist CORRECTIV eine seriöse Quelle – besonders im Vergleich zu dem, was Sie hier ins Feld führen: ein bruchstückhaft und schwammig wiedergegebenes Phönix-Interview mit Herrn Di Fabio.
Und auch wenn Ihnen das abwegig erscheinen mag: Beamte sind nicht nur dem Gesetz, sondern auch ihrem Gewissen verpflichtet. Zum Glück gibt es Menschen im Staatsdienst, denen das Schicksal der Betroffenen eben nicht „herzlich egal“ ist – anders als es bei Ihnen den Anschein hat.
Ihr Angriff auf CORRECTIV ist ein klassisches Beispiel für eine ad hominem-Strategie: Inhaltlich haben Sie nichts entgegenzusetzen, also greifen Sie die Autoren an. Dabei macht CORRECTIV in der Regel genau das, was Sie vermutlich nicht getan haben: Sie sprechen mit ausgewiesenen Expert:innen.
Rhetorik Anfängerlevel.
@36: Hängen bleiben (bei der Zielgruppe) muss ja nur „dass da was ist“ (analog das Gleiche beim Klima-NGOs-Thema heute). Die Experten sind sich zum allergrößten Teil einig, dass die Maßnahmen unrechtmäßig sind. Das ist der Fakt. Die spekulative Debatte am Köcheln zu halten, hilft also ausschließlich denen, die Zweifel an der Unrechtmäßgkeit säen wollen. So machen es andere Teilnehmer hier (und überall im Interwebz) es ja auch immer wieder.
Und auch nicht vergessen: Der Behaupter muss belegen. Wenn jemand Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines unabhängigen Nachrichtenmediums sät, dann muss er das halt belegen. Ihre Schnappatmung (und meine zugegebenermaßen auch des Öfteren) ist einkalkuliert.
Das sind alles rein rhetorische Mätzchen, aber dass sie Anfängerlevel seien, wage ich zu bezweifeln.
@37:
Name dropping ( Di Fabio ) und ad hominem, Ich bitte Sie.
Dass damit Kulturkampfstrategien auf einem ganz anderen Level bedient werden, bleibt unbenommen. Das ahnen die Ausführenden aber meistens selber nicht ( „Trump spielt 4D Schach“ ).
Man könnte mal den Begriff „unmoralisch“ mal in die Debatte einführen, denn der „Moralisierend!“-Vorwurf in Dauerschleife und Finger-Pointing in Richtung links dient vor allem dem Kaschieren des eigenen (zunehmend) unmoralischen Verhaltens, dass man lieber nicht diskutieren möchte.
Ist wohl eher ein letztes Aufbäumen jener, die der „alten Welt“ hinterhertrauern. Die kommt aber nicht zurück, egal wie sehr Ulf Poschardt auf den Boden stampft. Er ist noch ein bisschen Posterboy im Dienste des fossilen Konsortiums, das großer Anteilseigner bei der WELT ist und dann wird die Welt halt doch „grüner“, ist ja schon längst der Fall. Ich lehne mich zurück und schau mal, wie lange es dauert.
Oh Mann, was für ein Diskussionsniveau. Die Staatsanwaltschaft ist übrigens eine weisungsgebundene Behörde. Das wird vielfach international an der Bundesrepublik kritisiert, dass die Behörde nicht unabhängig ist.
Übrigens ein sehr schöner Artikel über die Verteilung der Macht und die freiwillige Einnahme von Opferrollen. Vielen Dank dafür.
„Oh Mann, was für ein Diskussionsniveau.“
Na endlich – es geht bergauf.
„Die Staatsanwaltschaft ist übrigens eine weisungsgebundene Behörde. Das wird vielfach international an der Bundesrepublik kritisiert, dass die Behörde nicht unabhängig ist.“
Aha. Und weiter?
Helfen Sie mir doch bitte kurz aus:
War das jetzt eine Insinuation – oder habe ich im Kontext die Frage überlesen?
Einfach ein Einwurf.
Wenn ich so Sachen lese wie „ Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge“ oder „Staat im Staat“, dann finde ich das immer schwierig.
Da möchte ich so Sachen sagen: Ja, Handwerker tun so Handwerkersachen. Außerdem gibt es eine riesige Handwerkerverschörung. So finden Sie keinen Elektriker, der ihnen das Klo repariert, wenn Sie überhaupt einen finden.
Wir können hier aber auch, das für und wieder der Verwendung von Butter gegenüber von Margarine diskutieren.
Nur, was hat das mit dem Thema des Artikels zutun?
@Frank Gemein: Ihrer Einschätzung zum Erlass des Bundesinnenministers folge ich gerne. Auch halte ich Correctiv für eine glaubwürdige Quelle.
Und ich sehe auch die Situation der Beamten der Bundespolizei für problematisch an (Kadavergehorsam hatte wir ja schon in unserem Land).
Aber alles off topic.
@Frank Hansche
Ob Staatsanwälte auf Weisung oder aus eigenem Antrieb handeln, ist im Einzelfall sicherlich oft umstritten. Häufig dürfte beides zusammenkommen – ebenso wie Fälle vorauseilenden Gehorsams.
Am Ergebnis ändert das jedoch nichts – unabhängig davon, wer der eigentliche Agens war.
Nehmen wir die Staatsanwaltschaft Bamberg: Es mag zutreffen, dass es eine generelle Weisung gab, bei §188 strenger vorzugehen.
Dass aber ausgerechnet Habeck über Buschmann direkten Einfluss auf diesen konkreten Fall genommen haben soll, erscheint höchst unwahrscheinlich. Genau diese unbelegte Annahme wird jedoch zur Grundlage für das bekannte Kampagnenfutter.
Wie groß der tatsächliche politische Einfluss auf Staatsanwaltschaften ist, kann ich nicht mit Gewissheit sagen.
Was ich aber beurteilen kann, sind die Ergebnisse – und davon habe ich in meinem Leben schon einige gesehen. Die Trennschärfe zwischen Judikative, Exekutive und Legislative war dabei nicht immer erkennbar.
„Es ist lediglich das Narrativ interessierter Kreise, […] aus der Einzelfalleilentscheidung einer zweifelhaft besetzten Kammer eines Verwaltungsgerichts ein Grundsatzurteil konstruieren zu wollen. “
Was genau macht die Entscheidung zum Einzelfall, also welche Charakteristika deuten auch nur vage darauf hin, dass eine Entscheidung in irgend einem anderen Fall anders ausfallen würde?
Noch mal kurz zurück zum Thema:
„Für Precht bedeutet das nicht weniger, als jemanden in „bester mittelalterlicher Tradition an den Pranger“ zu stellen, „nackt ausgezogen und dem öffentlichen Spott und dem öffentlichen Hass preisgegeben“.“
Ich dachte das Narrativ sei „Ätschibätsch ihr doofen Denunzianten-Linken, der Kanal ist um 50% gewachsen und ihr habt das Gegenteil von dem erreicht, was ihr wolltet!“
Man muss sich mal irgendwann festlegen, ist man unverschuldetes Opfer von Hass und Spott oder ist man Profiteur einer missglückten Kampagne? Im rechten Alternativitätsmainstream ist man immer gleich alles auf einmal.
„Ich dachte das Narrativ sei „Ätschibätsch ihr doofen Denunzianten-Linken, der Kanal ist um 50% gewachsen und ihr habt das Gegenteil von dem erreicht, was ihr wolltet!““
Ich dachte, das Narrativ sei, dass es schon deshalb keine Cancel-Culture gäbe, weil die angeblich Gecancelten davon immer profitieren. Denn es sei nicht links, immer dasselbe zu tun und trotzdem mit anderen Ergebnissen zu rechnen.
Aber natürlich ist das nur ein Narrativ. Böhmermann zu unterstellen, er wolle den Ketzerclown irgendwie Klicks zuschustern, ist eine besonders abwegige VT.
Dieser Artikel ist zwar gut geschrieben und zutreffend, aber nichtsdestotrotz völlig überflüssig. Das Argument „Leute wie Sarrazin, Nuhr, Lanz, Precht usw. behaupten zwar immer wieder, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde, beweisen aber, indem sie das in der Öffentlichkeit immer wieder sagen, faktisch das Gegenteil“ ist inzwischen zur Stanze geworden. „Es ist zwar alles schon gesagt worden, aber noch nicht von jedem“.
@Mycroft: Bis „profitieren.“ konnte ich folgen. Selbstverständlich ist das aber nicht das Narrativ der Clownswelt-Seite, weswegen ich den Vergleich zu meinem unterstellten Narrativ nicht wirklich verstehe. Ich selbst bin der Meinung, „Cancel Culture“ unterstellt, dass der linksgrüne Mainsteam tatsächlich existiert, was ich für Quatsch halte. Letztenendes läuft es auf demokratischen Diskurs hinaus, in dem viele einfach nicht aushalten, dass man nicht ihrer Meinung ist. Da ist der Ausweg über die Opferrolle einer Unterdrückungskultur einfacher, als inhaltlich zu argumentieren (oft mit „musste ich früher auch nicht …“ garniert).
Dass „Cancel Culture“ nicht existiere, weil „die Gegenseite“ ja immer auch von der Aufmerksamkeit profitiere, halte auch ich für eine schwache Herleitung. Immerhin ist eine Kausalität zu erkennen und nicht ein ausschließlich axiomatisch-gefühlsgetrieber Ansatz, wie die „Cancel Culture“ einfach zu unterstellen.
Ich würde das insgesamt differenzieren: Jede homogene Gruppe cancelt. Es gibt also nicht die eine Cancel Culture sonden viele verschiedene Cancel Cultures, je nach Gruppe / Ideologie / Interesse etc.
Zu unterstellen, es gäbe nur die Eine (linksgrüne) ist der eigentliche kommunikative Kniff.
Den Rest verstehe ich nicht wirklich, sorry.
„immer dasselbe zu tun und trotzdem mit anderen Ergebnissen zu rechnen.“ ist doch diese viel zitierte „Definition von Dummheit“. Aber den Kontext zum Vorherigen verstehe ich nicht.
„Böhmermann zu unterstellen, er wolle den Ketzerclown irgendwie Klicks zuschustern, ist eine besonders abwegige VT.“ Da simmer uns einig.
@ Robert Kruse:
„ist inzwischen zur Stanze geworden.“ Na und? Macht es ja nicht unwahr. Mein Eindruck ist, dass das noch laaaange nicht oft genug gesagt wurde.
Ulf Poschard steht auf Platz 2 der Spiegel-Bestseller und sitzt bei Lanz um rumzuheulen, dass er ja nichts mehr sagen dürfe.
Solange diese Daueropfer von anderen Meinungen immer noch frei im ZDF sagen dürfen, dass sie ja nichts mehr sagen dürfen, so lange ist auch das hinweisen darauf nicht „völlig überflüssig.“
@Mycroft:
„Ich dachte, das Narrativ sei, dass es keine Cancel Culture gäbe, weil die angeblich Gecancelten am Ende immer profitieren – und es sei schließlich nicht links, ständig dasselbe zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten.“
Irgendwie scheint es schwer vorstellbar zu sein, dass Linke mitunter nur am Rande beteiligt sind.
Tatsächlich ist es längst ein Geschäftsmodell, sich öffentlich als Cancel-Opfer zu inszenieren – völlig egal, ob an der Kritik etwas dran ist oder man schlicht keinen Widerspruch verträgt.
Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen denen der Auftritt angeblich abgesagt wurde.
Ich sollte vielleicht eine Agentur gründen, bei der man sich das Canceln bestellen kann – als letzter PR-Trick für mittelmäßige Künstler.
Ein schlechter Musiker verkauft über die Wutbürger-Schiene noch ein paar Tonträger.
Ein miserabler Autor funktioniert noch über das Narrativ: „Endlich sagt es mal einer!“ – obwohl er es längst schon hundertmal in Talkshows gesagt hat.
Was mich bei Poschardt interessieren würde: Wird sein Buch ähnlich selten gelesen wie die von Sarrazin – oder dient es auch bloß als pseudo-intellektuelle Requisite im Bücherregal?
@Frank Gemein: Tja, da sehen Sie mal, wie krass die linksgrüne Diskursdominanz schon ist – die müssen nicht mal was sagen, diese Fiesen, oder auch nur mitkriegen, dass jemand etwas ‚Verbotenes‘ sagen will, und die Person wird trotzdem gecancelt!
@AM:
„Ich selbst bin der Meinung, „Cancel Culture“ unterstellt, dass der linksgrüne Mainsteam tatsächlich existiert, was ich für Quatsch halte.“
Cancel Culture funktioniert ja auch nicht (zuverläsig). Das liegt halt daran, dass dieser Mainstream nicht existiert, bzw., der „Stream“ ist nicht „Main“ genug. Ändert nichts daran, dass häufiger _versucht_ wird, Leute zu Canceln.
@FG
„Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen denen der Auftritt angeblich abgesagt wurde.“
Na, das zumindest ist aber logisch. Lisa wurde natürlich nicht wegen der linken Nachbarschaft abgesagt (oder wegen den Juden vllt.?), sondern wegen des „schwarzen Blockes“. Kann natürlich sein, dass das einfach ein paar Kollegen von Ihr waren, die Ihr einen Streich spielen wollten. Oder Ihr eine Rolle als Opfer verschaffen wollten, False Flag und so.
@Mycroft:
„Na, das zumindest ist aber logisch. Lisa wurde natürlich nicht wegen der linken Nachbarschaft abgesagt (oder wegen den Juden vllt.?), sondern wegen des „schwarzen Blockes“. “
Dafür, dass Sie offensichtlich keine Ahnung haben, klingen Sie aber mächtig überzeugt. Aber genau das ist wohl das Problem.
„Es gab keine Drohungen
Allein, die Drohungen hat es gar nicht gegeben. Das schreibt der Nochtspeicher in einer Pressemitteilung auf der Homepage selbst: Es habe lediglich Warnungen aus der Nachbarschaft gegeben, aber eben keine Drohungen, von denen der Festivalleiter mit Bezug auf den Nochtspeicher sprach. Auf ZAPP-Anfrage bestätigt der Nochtspeicher noch einmal, dass es keine Drohungen etwa des Schwarzen Blocks oder anderer gab. So ist das gezeichnete Schreckensbild von gewalttätigen Autonomen nicht mehr als eine überdimensionierte Projektion einer mikroskopischen Darstellung.“
Aha. Es gab keine Drohungen, nur Warnungen. Ja dann. Wovor genau warnte die liebenswerte Nachbarschaft denn genau?
Doch nicht etwa, sich totzulachen?
@Lake_of_the_woods:
Lesen Sie meine Kommentare bitte etwas aufmerksamer. Weiter oben schrieb ich:
„Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen derer der Auftritt angeblich abgesagt wurde.“
Fragen Sie doch den Veranstalter – der scheint es als Einziger zu wissen.
Oder halten Sie es wie Die Zeit:
„Das kann einem schon Angst einjagen. Also: Dass man an die Existenz eines Gespenstes so sehr glauben kann, dass man mit Schilderungen über das Unwesen, das es vermeintlich treibt, das Dorfgespräch derart bemühen kann. Der Witz an Gespenstern ist nun aber dieser: Es ist völlig egal, wenn man ganz viel über sie redet, es belegt ihre Existenz nicht einen Deut mehr, es macht ihre Existenz nicht einmal wahrscheinlicher. Es spukt dann bloß in mehr Köpfen.“
Lisa „Sowieso“ jedenfalls taucht ohne Gerüchte und/oder Antisemitismus deutlich seltener in den Medien auf.
Honi soit qui mal y pense.
Variante 1:
Linke Gruppen haben mit Warnungen Eckharts Ausladung bewirkt.
Variante 2:
Veranstalter denkt sich Warnungen aus, um sie auszuladen, weil sie ihm zu rechts ist. Das wird von vielen, tendenziell eher linken Kommentatoren unterstützt.
Variante 3:
Sie selbst hat diese Warnungen ausgesprochen. Dass das funktionierte, belegt, dass echte Linke das auch hinbekommen hätten. Zumal die Ausladung auch Zustimmung erhielt.
Variante 4:
Herr Mycroft neigt dazu zu spekulieren, sobald ihm der Verlauf der Diskussion missfällt.
Festzuhalten bleibt lediglich:
Einmal mehr fiel sorgfältige Recherche der Klicklogik der Medien zum Opfer.
Cancel Culture verkauft sich hervorragend – da geht doch noch was, oder?
Hat die Sowieso nicht auch Streit mit einem jüdischen Intellektuellen?
Wurden in Hamburg nicht Farbbeutel auf das Haus von XYZ geworfen – von der Antifa?
Reicht das nicht für eine kleine Serie?
Wir empören uns gern über Bannons „flood the zone with shit“ –
aber von wem hat er das wohl gelernt?
@F. Gemein
Aus Ihrem Link:
„Wer da wie warum und aufgrund welcher möglichen Hinweise vor was genau gewarnt hat, ließ sich nicht unmittelbar herausfinden, auch Veranstalter haben ein Wochenende.“
Wenn also sogar in der Zeit spekuliert statt recherchiert wird, größeres deutsches Medium und so, darf ich das natürlich auch.
Aber ich gestehe Ihnen zu, dass der Veranstalter Eckhart einfach canceln wollte und sich die Drohungen/Warnungen vielleicht auch komplett ausgedacht hat.
Was die Sache irgendwie nicht besser macht.
„Wer da wie warum und aufgrund welcher möglichen Hinweise vor was genau gewarnt hat, ließ sich nicht unmittelbar herausfinden, auch Veranstalter haben ein Wochenende.“
Wenn also selbst in der Zeit nicht recherchiert, sondern spekuliert wird – einem der größten deutschen Medienhäuser –, dann darf ich das natürlich auch.
Dabei ist die Aussage, etwas lasse sich nicht herausfinden, eigentlich das genaue Gegenteil von Spekulation.
Aber da Sie das Spekulieren so lieben:
Bereits im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass andere Künstler ihre Teilnahme davon abhängig machten, dass Frau Sowieso nicht auftritt – mit Verweis auf ihre angeblich „antisemitischen Äußerungen“.
Wie macht man daraus am besten eine Win-win-Situation?
„Dabei ist die Aussage, etwas lasse sich nicht herausfinden, eigentlich das genaue Gegenteil von Spekulation.“
Wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft wären, etwas herauszufinden, ja.
Wenn man auf den laufenden Urlaub von jemanden verweist, nicht.
„Bereits im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass andere Künstler ihre Teilnahme davon abhängig machten, dass Frau Sowieso nicht auftritt – mit Verweis auf ihre angeblich „antisemitischen Äußerungen“.“
Ok – dann hat man die anderen Künstler also befragt? Die könnten diesbezüglich natürlich einen Kommentar verweigern oder sogar lügen, aber so gänge Recherche.
„Wie macht man daraus am besten eine Win-win-Situation?“
Indem man Eckhardt oder wie sie heißt känzelt, und dann behauptet, das käme von linken Gruppen, und dann behauptet, es käme nicht von irgendwelchen linken Gruppen? Keine Ahnung.
Leute … die Lisa Eckart Cancel-Opfer-Debatte war vor 5 Jahren. Ohne sie wäre Lisa Eckart heute nicht Stammgast bei Dieter Nuhr. (Nach 5 Jahren könnte man auch fragen: Wurde da wer gekänzelt oder war das der Publicity Boost, der überhaupt erst für ihren „Durchbruch“ gesorgt hat?) https://uebermedien.de/52132/canceln-wir-die-idee-der-cancel-culture/
Kein Protest war angekündigt, es wurde ein „schwarzer Block“ herbei imaginiert um Cancel Culture zu „belegen“. Die „besorgten Bürger™“ mussten dann als Prellbock für das diffuse Gefühl von Angst vor bösen linken schwarzen Buhmännern herhalten.
Und mal ehrlich … Muss die Kommentarspalte unter jedem dritten Artikel jetzt in einem Gemeincroft-Kleinkrieg enden?
@Anderer Max:
Im Prinzip ist es ja sehr freundlich, dass Sie deeskalieren möchten – Übertreibungen helfen dabei allerdings selten weiter.
Aktuell gibt es zwei aktive Threads, auf die Ihre Einschätzung in gewissem Maße zutrifft. Bei einem davon („Neue Softies braucht das Land“) habe ich mich allerdings bereits vor fünf Tagen aus der Diskussion zurückgezogen. Seither dreht Mycroft dort mit einem anderen Kommentator seine endlosen Runden.
In Ihrem Kommentar wiederholen Sie letztlich genau das, was ich die ganze Zeit über betont habe. Mein Insistieren lag schlicht daran, dass mir dieses Thema besonders am Herzen liegt. Ich kenne die „Nachbarschaft“ des Nochtbunkers ziemlich gut und bin generell auf St. Pauli sehr gut vernetzt.
Wenn man Dinge aus erster Hand erlebt hat, ist es umso ärgerlicher, wenn Fremde versuchen, einem ein absurdes Narrativ wie das der „Cancel Culture“ aufzuzwingen – als wollten sie einem erklären, was man selbst erlebt hat.
@Anderer Max: Ich halte niemanden davon ab, hier zu diskutieren. Insofern nehme ich dasselbe „Recht“ in Anspruch, dass ich allen anderen auch zugestehe.
„Nach 5 Jahren könnte man auch fragen: Wurde da wer gekänzelt oder war das der Publicity Boost, der überhaupt erst für ihren „Durchbruch“ gesorgt hat.“
Tja.
Fassen wir zusammen:
– es ist nicht ganz klar, von wem sie damals gecancelt oder vielleicht nur „gecancelt“ wurde, anscheinend will es niemand gewesen sein
– sofern man sie wirklich canceln wollte, wird sich „niemand“ jetzt ärgern
– sofern man sie „boosten“ wollte, hat das jetzt geklappt
Dieselbe Diskussion könnte man auch für aktuellere Fälle führen, insofern ist es EGAL.
Wenn die versuchte Cancelierung nicht klappt (Woody-Alan-Biographie), heißt es: es gibt keine Cancel-Culture, weil es nicht funktioniert.
Wenn sie klappt, aber die Cancelierten daraus später Vorteile ziehen (Lisa Eckhart), heißt es, es gibt keine Cancel-Culture, weil es nicht die erwünschte Wirkung hat.
Wenn sie klappt, und die Cancelierten daraus keine späteren Vorteile ziehen (Johnny Depp), heißt es, dass das keine Cancel-Culture sei, sondern gerechtfertigt.
Was meinen Sie, ist das keine Cancel-Culture, weil Frau Klemm später darüber ein Buch schreiben wird, oder ist es keine Cancel-Culture, weil Frau Klemm es verdient hat? Aus dem Buch ist sie ja bereits entfernt worden.
Aus dem von @Mycroft verlinkten Beitrag:
„Die Skandalisierungsrhetorik hat sich bei den Debatten der vergangenen Jahre rund um den Nebelwerferbegriff ‚Cancel Culture‘ noch nie als produktiv erwiesen – außer für rechte Politiker.“
Und genau das ist das Problem: Der Begriff ist völlig beliebig einsetzbar.
Er reicht von der Teenagerin, die ihren ersten Freund verlässt, über Künstler, die nicht mit bestimmten Kollegen auftreten wollen, bis hin zu Gewaltandrohungen gegen Veranstalter, die bestimmten Personen eine Bühne bieten.
Warum ist der Begriff so beliebig?
Weil er Teil einer rechten Kulturkampfstrategie ist – einer inszenierten moral panic.
Nur so wird das ständige Rumgeopfer privilegierter, weißer Männer überhaupt möglich: Die Begrifflichkeit hat längst keinen Bezug mehr zum konkreten Anlass.
Wer will schon „Cancel Culture“ differenzieren – nach Gründen fragen, nach Unterschieden, nach Berechtigungen?
Etikett drauf, Urteil gesprochen, Klappe zu.
Und später? Dann werden Gesetze erlassen, die Sprachverbote bedeuten, Bücher verboten, Menschen entlassen – alles im Namen der Freiheit, im vermeintlichen Kampf gegen Cancel Culture und Diversität.
„Er reicht von der Teenagerin, die ihren ersten Freund verlässt, über Künstler, die nicht mit bestimmten Kollegen auftreten wollen, bis hin zu Gewaltandrohungen gegen Veranstalter, die bestimmten Personen eine Bühne bieten.“
Die Teenagerin, die ihren Freund verlässt, würde ich erstmal rausnehmen. Außer, wenn die Teenagerin es schafft, dass der Freund auch seinen Job verliert.
Und meinetwegen könnte man die Gewaltandrohungen auch rausnehmen, weil es dafür den Begriff „Nötigung“ gibt.
Dass jemand nicht mit jemand anderen eine Bühne teilen will, ist noch keine Cancel-Culture, aber wenn die Bühne schon dabei klein bei gibt, was macht die erst bei Nötigung?
„Wer will schon „Cancel Culture“ differenzieren – nach Gründen fragen, nach Unterschieden, nach Berechtigungen?“ Keine Ahnung? Wenn _ich_ das mache, höre ich jedesmal nur so Billig-Ausreden wie: „Das ist ja gar keine Cancel-Culture, Cancel-Culture ist [beliebige Nebenbedingung].“
„Und später? Dann werden Gesetze erlassen, die Sprachverbote bedeuten, Bücher verboten, Menschen entlassen.“ Welche Gesetze wären das? Aber ja, man wollte Reden, Bücher und Kapitel von Büchern verhindern, und Leute sind entlassen worden. Was man selbst macht, unterstellt man anderen, woll?
Gegen Wahn kommt man nicht an. Zum Schluss noch eine Buchempfehlung.
https://shorturl.at/JRxFv
“
Adrian Daub
Cancel Culture Transfer
Wie eine moralische Panik die Welt erfasst
Ein Gespenst geht um in Europa, ja in der ganzen Welt – das Gespenst der Cancel Culture. Glaubt man diversen Zeitungen, dürfen insbesondere weiße Männer jenseits der vierzig praktisch nichts mehr sagen, wenn sie nicht ihren guten Ruf oder gar ihren Job riskieren wollen. Ist da etwas dran? Oder handelt es sich häufig um Panikmache, bei der Aktivist:innen zu einer Gefahr für die moralische Ordnung stilisiert werden, um ihre berechtigten Anliegen zu diskreditieren?
Der Ursprung der Cancel Culture wird üblicherweise an US-Universitäten verortet. Adrian Daub lehrt im kalifornischen Stanford Literaturwissenschaft. Er zeigt, wie während der Reagan-Jahre entwickelte Deutungsmuster über Campus-Romane verbreitet und auf die Gesellschaft insgesamt übertragen wurden. Man pickt einige wenige Anekdoten heraus und reicht sie herum, was auch hierzulande zu einer verzerrten Wahrnehmung führt. Anhand quantitativer Analysen zeichnet Daub nach, wie diese Diagnosen immer weitere Kreise zogen, bis sie auch die Twitter-Kanäle deutscher Politiker erfassten.
„
„Glaubt man diversen Zeitungen, dürfen insbesondere weiße Männer jenseits der vierzig praktisch nichts mehr sagen, wenn sie nicht ihren guten Ruf oder gar ihren Job riskieren wollen.“
Das ist eine Taktik, die man das „Verschieben des Torpfosten“ nennt. Dass Wham „praktisch nichts mehr sagen“ dürfen, ist eine Maximalbehauptung, die ich nirgends getroffen habe.
Stattdessen wird mir treuherzig erzählt, dass die Känzelung Eckharts nicht durch Gewaltdrohung zustande kam, sondern durch die Missbilligung irgendwelcher anonym gebliebener Menschen, also wäre das nicht schlimm. D.h., eine kleine Gruppe kann den Auftritt unliebsamer Menschen mit viel weniger Aufwand als Gewalttätigkeit verhindern. (Dass das nicht die Linken waren, die Sie persönlich kennen, glaube ich mal, aber Sie kennen nicht alle persönlich.)
@Anderer Max: das mit dem „immer dasselbe machen und erwarten, dass sich was ändert“ ist mEn die Definition von Wahnsinn, aber egal:
dass regelmäßig auf diese Weise versucht wird, Leute oder Texte der Öffentlichkeit fernzuhalten, liegt daran, dass das eben „oft genug“ funktioniert, sonst würde das von allein aufhören.
So ein Schwachsinn:
Mycroft bastelt sich irgendeine passende Geschichte zusammen – mit der absurden Begründung, die Beteiligten hätten das ja nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Und dann kommt er ernsthaft mit dem Argument, das Fehlen bestimmter Geschichten sei der Beweis, dass Cancel Culture funktioniere.
Anders gesagt: Weil angeblich niemand mehr etwas sagt, muss es sie geben – diese Cancel Culture.
Ein Paradebeispiel für ein zirkuläres Argument: Der fehlende Beweis wird selbst zum Beweis erklärt.
Und dann wirft er anderen vor, die Torpfosten zu verschieben?
Das ist nicht nur ironisch – das ist intellektuelle Bankrotterklärung.
Mycroft spielt mal wieder Taubenschach.
Ich bin da (inhaltlich) bei Frank Gemein: Den Begriff kann man für alles beliebig einsetzen, daher ist er wertlos. Er adelt eine Seite eines Interessenkonflikts durch Pseudo-Objektivierung.
Davon unabhängig ist er m. E. ein wesentlicher Teil der Opferkommunikation. Wer „objektiv“ das Opfer einer Kultur wird, der muss sein Argument inhaltlich weniger verteidigen.
„Leute oder Texte der Öffentlichkeit fernzuhalten“ ist halt Teil von Interessenkonflikten, war es schon immer. Diese Methode nun zu einer ausschließlich links-woken Kultur zu stilisieren, ist der rhetorische Kniff, der das Ganze pseudo-objektiviert und das vermeintliche Opfer dieser Kultur von inhaltlicher Argumentation befreit.
Zu Eckart: Ich erzähle hier nichts „treuherzig“. Es hat die Gewaltandrohung von links nicht gegeben, wie soll sie dann Beleg für eine Känzelkultur sein? Weil sich Anwohner vorstellen konnten, dass es evtl. zu gewaltsamen Protesten gegen Eckart kommen könnte … Irgendein Kabarettist prägte mal das Wort „Präventivparanoia“. Im Artikel von 2020 in #12 findet man meine Argumente: Wir wissen ja immer noch nicht, wer hier überhaupt aktiv gekänzelt haben soll.
Meine Argumentation ist keine von denen, die Sie in #63 anführen, Mycroft. Letztlich halte ich diese ganzen Vokabeln für rhetorische Mittel, die schwache Argumente in einem Interessenkonflikt kaschieren sollen.
„Ich bin da (inhaltlich) bei Frank Gemein: Den Begriff kann man für alles beliebig einsetzen, daher ist er wertlos.“
Ja, manche nennen auch Schmetterlinge „Cancel Culture“, man kennt’s.
Ok, der guten Ordnung halber, _ich_ verwende den Begriff für einen Vorgang, der folgendem Muster entspricht (aber kennen Sie wirklich jemanden, der etwas grundsätzlich anderes meint?):
1. Person xy (muss kein WHAM sein) wird für eine öffentliche Aufgabe vorgesehen (Vortrag, Veröffentlichung, Job)
2. eine kleine Gruppe von Leuten (muss nicht links sein) hat etwas gegen die Person, wobei die Gruppe – wenn überhaupt – nur einen sehr kleinen Teil des zukünftigen Publikums darstellt, und versucht die Veranstalter/Verleger/Arbeitgeber dazu zu bringen, der Person abzusagen (das eigentliche canceln)
3. das Argument, das die Gruppe gegen die Person vorbringt, ist ziemlich schwach, sofern es nicht erfunden ist
4. Veranstalter/Verleger/etc. geben dem trotzdem nach (das ist der „culture“ Anteil)
Ob das bei der Eckhart jetzt gewaltbereite Linke oder besorgte Nachbarn oder irgendwelche Kollegen waren, ist EGAL, da das in jedem Fall Schritt 2 ist. Da niemand dazu steht, wird auch kein Argument genannt, was ich mal kackdreist als „schwaches Argument“, Punkt 3, verbuche. Punkt 1+4 haben unstrittig stattgefunden. Klar soweit?
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass das vielleicht bei Eckhart Personen waren, die politisch eher rechts stehen, und Eckhart entweder puschen wollten oder tatsächlich canceln, aber weil sie zu links ist oder was, und dass das damit keine _linke_ Känzelkaltscher war. Was mir jetzt auch kein Trost wäre, aber nunja. Ist das Ihr Vortrag?
„Ist das Ihr Vortrag?“
Nein. Meinen „Vortrag“ (?!) finden Sie in #69. Dort steht, was ich gesagt habe, nicht in #70.
„Klar soweit?“
Ich verstehe, dass Sie CC subjektiv so verstehen und kann das auch nachvollziehen. Aber verstehen Sie auch, dass es andere nicht tun?
„aber kennen Sie wirklich jemanden, der etwas grundsätzlich anderes meint?“
Kurz: Ja, klar. Das ist ja das Problem: Jeder interpretiert was anderes in den Begriff. Eine objektivierbare Definition finden zu wollen, ehrt Sie ja, aber es liegt in der Natur solcher Kampfbegriffe, dass sie ein Bild im Kopf auslösen (sollen). Das ist ihr Zweck. Und das ist m. E. Bestandteil der Opferkommunikation, wie erläutert. Ebenfalls unabhängig von links oder rechts.
Was Sie unter „2“ definieren, ist ja so nicht passiert. Es hatte ja keiner was gegen die Person, außer dass sie vermutlich öffentlich für ihre Inhalte (u. A. flache Judenwitze) kritisiert wurde. Wo da das Problem sein soll, erschließt sich mir nicht.
Der Auftritt wurde abgesagt, weil angeblich besorgte Anwohner (ich bezweifle sogar, dass es die tatsächlich gab) gewaltsame linke Proteste fürchteten, die nie angekündigt waren oder stattgefunden haben. Die Presse machte daraus CC von links.
Und auch das Thema „Markt regelt“ könnte man da wieder ansprechen. Wenn Heidi Reichinek nicht von Compact zum Interview geladen wird, ist das doch auch keine CC.
Für mich ist jetzt Ende der Diskussion. Alles wurde schon viel zu oft gesagt. Ich kann nur ans Herz legen, die Kolumne von Samira aus 2020 noch einmal aufmerksam zu lesen.
„Ich verstehe, dass Sie CC subjektiv so verstehen und kann das auch nachvollziehen. Aber verstehen Sie auch, dass es andere nicht tun?“
Ja, um sich um Argumente herumzudrücken. Ist das meine Schuld?
„Es hatte ja keiner was gegen die Person, außer dass sie vermutlich öffentlich für ihre Inhalte (u. A. flache Judenwitze) kritisiert wurde.“
Wenn ich jemanden für einen Antisemiten halte, habe ich was gegen soi persönlich, nicht nur gegen iose Witze. Außerdem argumentieren Sie jetzt mit der mutmaßlichen Motivation von Leuten, von denen Sie und FG mir die ganze Zeit erzählen, dass man sie gar nicht kennt.
„Und auch das Thema „Markt regelt“ könnte man da wieder ansprechen.“ Ja. Das wäre, wenn Eckhart gar nicht erst eingeladen worden wäre (1) oder aber, wenn daraufhin so wenig Tickets verkauft würden, dass man sie darum wieder auslädt. Aber dann wäre es kein sehr kleiner Anteil des Publikums mehr (2), der was gegen Eckhart hätte.
„Ich kann nur ans Herz legen, die Kolumne von Samira aus 2020 …“
Ja. Wenn Sie oder El Ouassil oder Herr Gemein der Auffassung sind, dass der Begriff „Cancel Culture“ als solcher verbrannt sei, weil er zu polemisch aufgeladen ist, mögen Sie gerne einen anderen vorschlagen.
Aber ja, die Diskussion ist meinetwegen vorbei.
Und weiterhin: freies Assoziieren bei Mycroft:
„Wenn ich jemanden für einen Antisemiten halte, habe ich etwas gegen ihn persönlich, nicht nur gegen seine Witze.“
Das mag bei Ihnen so sein, aber daraus wird kein Naturgesetz. Bleiben Sie bitte bei dem, was Sie wissen – und verschonen Sie uns mit dem, was Sie nur annehmen.
Schauen Sie doch einfach mal in die Jüdische Allgemeine und nutzen Sie die Suchfunktion zu Lisa Eckhart. Dort finden sich wohlartikulierte, differenzierte Auseinandersetzungen mit ihrer Arbeit. Aber Sie machen daraus ein persönliches Sentiment.
„Außerdem argumentieren Sie jetzt mit der mutmaßlichen Motivation von Leuten, von denen Sie und FG mir die ganze Zeit erzählen, dass man sie gar nicht kennt.“
Der Unterschied ist gravierend: Sie insistieren auf eine Bewertung des Vorgangs – obwohl Sie ebenso wenig wissen wie wir. Warum? Weil Sie ihn verwerten wollen.
Wir hingegen liefern alternative Erklärungen. Auch unbeweisbar – aber mindestens ebenso plausibel wie Ihre Spekulationen.
Sie hingegen wollen das Ergebnis zum Beweis des Vorgangs machen. Das ist die Grundlage jeder Verschwörungstheorie. Ein „Cui bono?“ für ganz Arme.
Und selbst wenn es Künstler:innen waren, die den Auftritt verhindert haben: Das ist nichts Neues. So etwas passiert, seit es Bühnen gibt.
Was macht es zur Cancel Culture – außer dass es sich gut in rechte Kulturkampf-Narrative einfügt?
Ein paar Fragen zur Einordnung:
War der Israel-Boykott des BDS Cancel Culture?
War es der Südafrika-Boykott zu Apartheidszeiten?
Ist ein Russland-Boykott Cancel Culture?
Waren Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung Cancel Culture?
Ist ein Boykott der Bild-Zeitung Cancel Culture?
Oder eine Kampagne gegen Böhmermanns Sendung?
Sind Kampagnen gegen Baerbock, Habeck und Ricarda Lang Cancel Culture – oder politische Meinungsäußerung?
Und wie sieht es bei Jette Nietzard aus?
Luke Mockridge ist Cancel Culture – gilt das dann auch für Harvey Weinstein? Für Sean Combs? Oder machen Sie da Unterschiede – und wenn ja, woran?
Warum ich so vehement widerspreche?
Weil es sich um einen von rechts initiierten Kulturkampf handelt, mit dem Ziel, die kulturelle Hegemonie zurückzuerlangen.
Dafür wird ein Popanz aufgebaut: eine angeblich „linke Meinungsdiktatur“, die angeblich „den Diskurs verunmöglicht“.
Dass diese Darstellung in der Realität völlig absurd ist – zeigt ein Blick auf Medienmacht, Verkaufszahlen, Sichtbarkeit und Gesetzgebung. Alles weist in die gegenteilige Richtung.
In den USA, wo diese moral panic ihren Ursprung hat, zeigt sich das besonders deutlich:
„Konservative und Rechte berufen sich dabei auf die Rede- und Meinungsfreiheit und rufen immer dann Cancel Culture, wenn ihre Positionen kein Gehör finden, etwa durch Ausladungen oder Kritik im Netz.
Umgekehrt sind es in den USA gerade die Republikaner, die mit parlamentarischer Mehrheit eine echte Cancel Culture durchsetzen: Bücherverbote in Bibliotheken, Einschränkungen von Schulunterricht, Verbote von Drag-Shows, Ausschluss von Transpersonen aus der Gesundheitsversorgung, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.“
→ Quelle: Deutschlandfunk Kultur
Alles klar – ein Diskurs!
„War der Israel-Boykott des BDS Cancel Culture?“
Wieso „war“? Hat der aufgehört? Aber soweit die Auftritte und Veröffentlichungen von Israelis verhindert werden sollen, ja. Außerdem halte ich die Argumente auch für dünn.
„War es der Südafrika-Boykott zu Apartheidszeiten?“
Da hatte mWn die Mehrheit des „Publikums“ (Punkt 2) sich demokratisch gegen den Handel mit Südafrika entschieden, bzw. demokratisch gewählte Regierungen, also nein.
„Ist ein Russland-Boykott Cancel Culture?“
Dito.
„Waren Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung Cancel Culture?“
Die Demonstranten waren wohl die eigentliche Zielgruppe. Aber waren die Argumente gegen die Wehrmachtsausstellung etwa stark, Ihrer Meinung nach? Außerdem wurde die Ausstellung nicht beendet, es fehlte also Punkt 4.
„Ist ein Boykott der Bild-Zeitung Cancel Culture?“
Nein. Wenn das genug machen, dass die BILD pleite geht, ist das kein kleiner Anteil des Publikums mehr, außerdem gibt es eine Menge starker Argumente, keine BILD zu kaufen.
„Oder eine Kampagne gegen Böhmermanns Sendung?“
Käme drauf an – ginge die vom Publikum aus? Hat sie gute Argumente?
„Sind Kampagnen gegen Baerbock, Habeck und Ricarda Lang Cancel Culture – oder politische Meinungsäußerung?“
Die sind schon deshalb keine CC, weil Punkt 2 nicht zutrifft, und eventuell Punkt 3 nicht. Die gegen Gelbhaar schon.
„Und wie sieht es bei Jette Nietzard aus?“
Eventuell.
„Luke Mockridge ist Cancel Culture – gilt das dann auch für Harvey Weinstein? Für Sean Combs? Oder machen Sie da Unterschiede – und wenn ja, woran?“ Ich mache Unterschiede. Siehe Punkt 3: der Mindestanspruch an ein Argument, um keine CC zu sein, wäre, dass es _zutrifft_. Also bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen, dass es zumindest ein laufendes Verfahren gibt und man das Urteil abwarten will. Das ist der Unterschied zwischen Mockridge einerseits und Weinstein und Combs andrerseits.
Aber wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben, würde ich das Gespräch an dieser Stelle beenden.
Okay … Eine Runde um den Block noch … Weil es so viel Spaß macht … *hust*
„(..) mögen Sie gerne einen anderen vorschlagen.“
George Carlin wäre begeistert. Ist wirklich nicht klar geworden, dass ich der Meinung bin, dass „Auseinandersetzung“ oder „Meinungsverschiedenheit“ oder das mehrfach schon benutzte Wort „Interessenkonflikt“ völlig ausreichen, um das zu beschreiben? Diesen Worten wohnt inne, dass es sich um einen Konflikt zweier (gleichwertiger) Parteien handelt.
Eben das genaue Gegenteil dessen, was eine unterstellte „Kultur der Abschaffung“ semantisch beinhaltet (also, dass eine Partei generell Diskurs-übermächtig sei und der Kampf dagegen deshalb nobel, nötig und Bürgerpflicht sei – All das abseits jeglicher inhaltlicher Argumente zu dem jeweiligen Sachthema).
Die unterstellte Ungleichwertigkeit ist der rhetorische Kniff.
Subjektiver Meinungsexkurs:
Und das haben sich die Rechten von den Linken abgeschaut. Nur, dass die Linken (nicht die Partei) tatsächlich gegen institutionalisierte Ungerechtigkeit gekämpft haben. Da diese institutionalisierte Ungerechtigkeit immer noch die gleiche (konservativ, kapitalistisch, imperialistisch) ist, taugt sie nicht als Begründung für den rechten Kulturkampf. Also brauchen rechte Akteure so etwas wie die herbeiphantasierte CC, um ihren noblen David-gegen-Goliath-Kampf gegen so schlimme institutionalisierte Dinge wie Gleichberechtigung, Menschenwürde und Freiheitsrechte zu rechtfertigen – ironischerweise, indem man die eigenen Gelüste zur Ungleichbehandlung auf die Gegenseite projiziert (durch Gleichsetzung von Widerspruch mit Unterdrückung, wie auch schon vor 5 Jahren von mir aufgeschrieben und oben mit dem Wort „Gleichwertikeit“ durchargumentiert).
Ich kommentiere bereits vor 5 Jahren: Dann ist die Entnazifizierung auch Cancel Culture … Damit will ich nur die Beliebigkeit betonen, mit der man CC einfach vorwerfen kann. Wenn alles CC ist, ist nichts CC und dann ist der Begriff wertlos und kann weg (und braucht auch keinen politisch korrekten Ersatzbegriff).
Den Schmetterling verstehe ich nicht in dem Kontext.
Achso, ich habe bei der Wehrmachtausstellung nicht zu Ende geschrieben – es war versuchte CC.
Sonst noch Fragen?
Ach ja – auf diese ominösen „vier Punkte“ bin ich gar nicht erst eingegangen, weil ihre Definition schlicht absurd ist.
In einer Demokratie ist der Schutz von Minderheiten nicht abhängig von ihrer Größe.
Das wäre nicht Demokratie, sondern die Logik des Mobs. Wenn also eine kleine Gruppe sich wehrt, zählt einzig die Relevanz und Validität ihrer Argumente – nicht ihre zahlenmäßige Stärke.
Gerade Antisemitismus ist dafür ein eindrückliches Beispiel: Die Tatsache, dass eine Minderheit betroffen ist, macht die Problematik nicht weniger real, sondern umso schützenswerter.
Was uns zu Punkt 3 bringt:
Bei welchem gesellschaftlichen oder politischen Thema sind denn nicht beide Seiten überzeugt, die besseren Argumente zu haben?
Was ist das bitte für eine absurde Prämisse?
Wenn das die Grundlage ist, dann ist jede Auseinandersetzung automatisch entwertet – weil sich ja immer beide Seiten für im Recht halten.
Und dann Punkt 4:
Wenn Sie den Begriff Cancel Culture auch noch davon abhängig machen, wie erfolgreich jemand am Ende ist, dann wurde Dieter Nuhr logischerweise niemals gecancelt.
Er ist dann also uncancelbar – was wiederum die Frage aufwirft:
Was soll dann eigentlich das ganze Gejammer?
Und genau da liegt das Problem mit Ihrer Argumentation, Mycroft:
Sie bestimmen, was Cancel Culture ist.
Sie legen fest, wann etwas berechtigt ist.
Sie definieren, wer Recht hat.
Das ist keine Analyse – das ist ein autoritärer Alleinvertretungsanspruch im Tarnanzug einer Debatte.
„In einer Demokratie ist der Schutz von Minderheiten nicht abhängig von ihrer Größe.“
Eine Minderheit findet, sie müsse bspw. vor Mockridges „Humor“ geschützt werden. Einverstanden. Soll sie sich ihm fernhalten und die Mehrheit in Ruhe lassen. Die Minderheit will aber auch nicht, dass die Mehrheit dem ausgesetzt wird. Was ja nett gemeint ist, aber etwas übergriffig.
„Wenn also eine kleine Gruppe sich wehrt, zählt einzig die Relevanz und Validität ihrer Argumente – nicht ihre zahlenmäßige Stärke.“
Ja. Welche validen Argumente wären das?
„Bei welchem gesellschaftlichen oder politischen Thema sind denn nicht beide Seiten überzeugt, die besseren Argumente zu haben?“
Joar. So gesehen kann man auf Diskussionen auch ganz verzichten.
„weil sich ja immer beide Seiten für im Recht halten.“
Eben. Keine Gerichtsprozesse mehr, keine Debatten im Bundestag, whatever.
„Wenn Sie den Begriff Cancel Culture auch noch davon abhängig machen, wie erfolgreich jemand am Ende ist, dann wurde Dieter Nuhr logischerweise niemals gecancelt.“
Ganz genau.
„Er ist dann also uncancelbar.“
Taubenschach: dass Nuhr bis dato nicht gecancelt wurde, belegt seine Uncancelbarkeit ebensowenig, wie es seine Unsterblichkeit belegt, dass er noch nicht tot ist.
„was wiederum die Frage aufwirft:
Was soll dann eigentlich das ganze Gejammer?“
Nuhr ist mir wumpe. Aber wer Nuhr nicht sehen will, soll halt Böhmermann gucken oder wen auch immer.
„Und genau da liegt das Problem mit Ihrer Argumentation, Mycroft:
Sie bestimmen, was Cancel Culture ist.“
Achwas? Eben war Ihre Beschwerde, dass niemand so richtig sagen kann oder will, was CC wäre. Jetzt beschweren Sie sich über das genaue Gegenteil. Im Eckharts Fall ist noch nicht einmal klar, WER sie nicht dabei haben wollte – wie Sie ja mehrfach betonten – also ist insbesondere unklar, mit welcher Begründung man dagegen war. Offenbar ist ein fehlendes Argument schwächer als ein vorhandenes.
„Sie legen fest, wann etwas berechtigt ist.“
Nö. Ich finde nur, dass nicht jede Ausladung oder Kündigung berechtigt ist und nenne die ungerechtfertigten Cancel Culture. Wenn Sie im Einzelfall der Auffassung sind, dass doch sie berechtigt seien, steht es Ihnen frei, dies zu begründen.
Ansonsten schönen Tag.
„Den Schmetterling verstehe ich nicht in dem Kontext.“
Gibt so ein Meme, jemand schaut auf einen Schmetterling und fragt naiv „ist das xy?“ Also bspw. xy = Cancel Culture.
Ich bin tatsächlich nicht der Ansicht, dass ein Interessenkonflikt automatisch ein Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Interessen ist, auch wenn die _Parteien_ gleichwertig oder gleich stark sind.
Aber wie auch immer. Wie ich gerade erfahren habe, sind Diskussionen eh sinnlos, weil jeder Mensch denkt, er habe Recht.
Schönen Tag auch Ihnen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Mycroft, ist es für Sie CC, dass Eckart nicht auftrat, weil schwache Argumente dazu führten (die diffuse Angst diffuser Gruppen vor diffusen Aktionen anderer diffuser Gruppen). Okay. Wenn es aber ein „starkes Argument“ gegeben hätte, sie nicht auftreten zu lassen, wäre es keine CC gewesen. Okay. Antisemitischen Witzen keine Bühne zu geben, ist schon ein starkes Argument, oder? Wäre das einfach genannt worden als Grund, wäre es Ihrer Definition nach also keine CC gewesen.
Das einzige Problem: Für den rechten Teil des Diskurses wäre das trotzdem CC gewesen, denn es geht ihnen nicht um tatsächliche starke Argumente, sondern um die Wut gegen imaginäre Argumente. Die Beschwerde über antisemitische Witze wäre (und wurde und wird!) als albernes Anstellen der fiesen Linken markiert, die wollen, dass man gar nichts mehr sagen dürfe. Egal, was das Argument ist. Längere Erläuterung siehe Anderer Max.
Wenn Begründungen „on the fly“ definiert werden, kommt genau so etwas dabei heraus:
„Eine Minderheit meint, sie müsse sich vor Mockridges ‚Humor‘ schützen. Einverstanden. Dann soll sie sich ihm halt fernhalten – und die Mehrheit in Ruhe lassen.“
Nein, Mycroft. Sie benutzen den Begriff Mehrheit wie sonst nur die Knallchargen von der AfD: als rhetorisches Faustpfand, um „das Volk“ in Geiselhaft zu nehmen.
Es reicht völlig, wenn es einen Sendeplatz für abgeschmackten Humor gibt.
Aber zu behaupten, die Mehrheit der Deutschen bestehe auf Behindertenwitze – das ist schlicht absurd.
Den meisten dürfte das Thema schlicht egal sein.
Wäre Eckhart nicht aus Österreich, sondern aus Gaza – hätten Sie vermutlich kein Problem damit, sie lebenslang aus allen Sendeanstalten zu verbannen. Und zwar für einen einzigen „Gag“.
In meiner Kindheit und Jugend galt es bei vielen als besonders freigeistig, Gaskammerwitze und Auschwitz-Humor zu machen –
so wie es bis heute für Rassismus und Sexismus im „Humor“ gilt.
Natürlich darf es keine selbsternannte Humorpolizei geben.
Aber ebenso wenig kann man Künstler zwingen, mit Flachpfeifen aufzutreten.
Ebenso wenig kann man Nachbarn verbieten, berechtigten Protest zu äußern – nur damit „jeder Idiot nebenan“ auftreten darf.
Jeder Fall muss einzeln verhandelt werden – Protest wie Darbietung.
Dann zählen Argumente, nicht Mehrheiten. Und auch nicht, was jemand in seinem Confirmation Bias für die besseren Argumente hält.
Das muss schon auf erwachsenem Niveau ausgehandelt werden.
Das Gegenteil davon ist die moralische Panik rund um „Cancel Culture“.
Wer diesen Begriff ruft, will sich nicht auseinandersetzen – sondern selbst Grenzen ziehen.
Und wenn die Argumente fehlen, muss eben die „Mehrheit“ herhalten.
@Mr Re:
„Antisemitischen Witzen keine Bühne zu geben, ist schon ein starkes Argument, oder? Wäre das einfach genannt worden als Grund, wäre es Ihrer Definition nach also keine CC gewesen.“
Joar. Ein starkes Argument wäre nicht „Ich (anonymer Mensch im Internet) finde den Witz antisemitisch und deshalb will ich nicht, dass sie auftritt, obwohl ich mir das sowieso nicht ansehe.“ sondern: „Der und der Witz ist antisemitisch, weil 1., 2., 3. …, und darum bin ich dagegen, dass das irgendwer anderes hören kann.“ Jemand anderes könnte dann einwenden, dass der Witz nicht gegen Juden, sondern gegen Linke ginge, die Dritte sagt, dass Satire alles darf, noch wer anderes wäre vllt der Auffassung, dass Eckhart auftreten möge, sofern sie andere Witze macht, Herr Gemein findet möglicherweise, dass man niemanden „zwingen“ dürfe, mit Eckhart eine Bühne zu teilen, und Anderer Max sieht vielleicht einen Interessenkonflikt zwischen Eckharts Wunsch, mit Ihren Witzen Geld zu verdienen und Preise zu gewinnen und dem Wunsch Dritter, dass Eckhart gar kein Geld mit ihren Witzen verdient. Und am Ende würde der Veranstalter sie ausladen oder nicht, je nach dem, wessen Argumente stärker wären.
Aber ja, das wäre keine CC, sondern _Diskussions_kultur. (Die zweite Frage wäre natürlich, warum ein Veranstalter machen sollte, was irgendwelche Unbeteiligten im Internet oder sonstwo gerne hätten, aber davon ganz ab.)
„Das einzige Problem: Für den rechten Teil des Diskurses wäre das trotzdem CC gewesen, denn es geht ihnen nicht um tatsächliche starke Argumente, sondern um die Wut gegen imaginäre Argumente.“ Das ist nur das halbe Problem. Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.
Bei der Personalie Mischke bin ich übrigens der Auffassung, dass das ebenso keine CC sei, weil die ARD peinlicherweise kein einziges Pro-Argument hatte und niemand weiß, warum der den Job überhaupt bekommen sollte. Andere werden das anders sehen. *schulterzuck
„(…) dem Wunsch Dritter, dass Eckhart gar kein Geld mit ihren Witzen verdient.“ Der vorrangige Wunsch „Dritter“ wäre m. E. eher, dass die gute Frau keine antisemitischen Witze macht. Wenn sie es doch tut, möchte man das evtl. auch das Geldverdienen verhindern, aber das ist ja nicht das inhärente Anliegen.
Ich bin da pragmatisch: Wenn es einen Zielmarkt für diese Witzchen gibt, wird es auch Veranstalter geben, die sie buchen (wirtschaftliches Argument). Und dann gibt es evtl. einen Interessenkonflikt zwischen Menschen, die gerne antisemitische Witze machen (oder konsumieren) und denjenigen, die das geschmacklos finden.
„Ich bin tatsächlich nicht der Ansicht, dass ein Interessenkonflikt automatisch ein Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Interessen ist, auch wenn die _Parteien_ gleichwertig oder gleich stark sind.“
Gleich „stark“ halte ich für problematisch, bei gleichwertig gehe ich mit. Aber noch mehr würde mich da das „warum“ interessieren.
„(…) dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Also mir können Sie das nicht vorwerfen. Oder?
„Das ist nur das halbe Problem. Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Der „linke Teil“, von dem Sie nicht wissen, ob es ihn überhaupt gibt und wenn, woraus er besteht, was er überhaupt gesagt hat und ob zum Veranstalter oder zu dem Betreiber des Lokals?
Dieser linke Teil, der Ihnen dann zu allem Überfluss auch keine Argumente liefern will?
Das ist next-level madness.
Allein diese Fixierung auf „links“. Als wären die Kritiker von Eckhards Programm automatisch alles Linke, als könnten nicht auch andere Künstler:innen nicht mit ihr auftreten wollen.
Es ist offen sichtbar, was Ihre eigentlich Motivation ist.
Sie sind ein Kulturkämpfer, Mycroft.
„Gleich „stark“ halte ich für problematisch, bei gleichwertig gehe ich mit. Aber noch mehr würde mich da das „warum“ interessieren.“ Ach, doch?
Mensch A hält Witz X von Possenreißer Y für lustig, Mensch B für unlustig. Mensch B hat ein Interesse daran, diesen Witz (und generell alle Witze) von Y nicht zu hören. Das ist aber kein Interessen_konflikt_, da B nicht gezwungen ist, zu einer Veranstaltung mit Y zu gehen.
Jetzt will B aber, dass Y nicht auftritt, damit A diese Witze auch nicht hört. Weil er das erreichen will, muss B bessere Argumente liefern als „Y ist nicht lustig“. Ok. Nimmt B nur die eigenen Interessen wahr, oder auch die von Dritten? Welchen realen oder potentiellen Schaden richten iose Witze an? Stellt die Vermeidung dieses Schadens ein gleichwertiges oder größeres Interesse dar als der geforderte Eingriff in As Freizeit oder Ys Berufstätigkeit? Wer sollte diese Interessenabwägung vornehmen?
Das sind, was mich betrifft, keine rhetorischen Fragen. Sie werden aber eher selten beantwortet.
„Also mir können Sie das nicht vorwerfen.“
Ok, dann frage ich anders: hielten Sie die Ausladung von Eckhart, ungeachtet der Frage, auf wessen Veranlassung hin und aus welchen Gründen das geschah, für gerechtfertigt? Wenn ja, warum hielten _Sie_ sie für gerechtfertigt?
@Frank Gemein:
„Der „linke Teil“, von dem Sie nicht wissen, ob es ihn überhaupt gibt und wenn, woraus er besteht, was er überhaupt gesagt hat und ob zum Veranstalter oder zu dem Betreiber des Lokals?“
Na, erstens, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Und zweitens: Was kritisiert man denn an Eckharts Programm? Die politische Mittigkeit ja wohl nicht.
„Als wären die Kritiker von Eckhards Programm automatisch alles Linke, als könnten nicht auch andere Künstler:innen nicht mit ihr auftreten wollen.“ Angenommen, nächste Woche kickt Eckhart einen Konkurrenten aus dem Programm geworfen, mit dem sie nicht auftreten möchte – fänden Sie _das_ ok?
Ich bezog mich aber nicht auf Eckharts Programm allein, sondern auf die Diskussion über CC – weil der Begriff angeblich unscharf definiert sei, so erfahre ich, könne man ihn nicht verwenden, und weil man ihn nicht verwenden kann, braucht man darüber nicht zu diskutieren, und wer nicht zu diskutieren braucht, braucht keine Argumente.
Dass ein Künstler mit einem anderen nicht auftreten will, mag ja vorkommen, ist für mich aber kein besonders überzeugendes Argument – natürlich will niemand Konkurrenz.
@Mycroft: „ Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Naja. Der linke Teil – ich gehe in der Vereinfachung mal mit, passt schon – bringt in echten Diskussionen schon echte Argumente und erklärt, warum bestimmte Witze z.B. antisemitisch sind, auch wenn sie vielleicht von anderen nicht so empfunden werden. Aber CC ist ja in so vielen Fällen eben keine Diskussion, an der Linke teilnehmen, weil es weder das Canceln noch die Diskussion gibt: Wenn sich in Talkshows gesetzt und gesagt wird, man dürfe ja nix sagen, dann sind keine Argumente von links dabei – was aber nicht daran liegt, dass sich Linke diese Argumente klemmen, sondern dass von vornherein keine Diskussion da war, sondern sich Rechte nur das angebliche Mundtotmachen ausgedacht haben, um eben gegen einen imaginierten Gegner und imaginierte Argumente angehen zu können. CC-Debatten sind Debatten, in denen (vereinfacht gesagt) Rechte mit Rechten reden, um die Mitte davon zu überzeugen, dass die Linken böse sind und die Mitte angeblich links ist, aber lieber rechts sein sollte.
„Der linke Teil – ich gehe in der Vereinfachung mal mit, passt schon – bringt in echten Diskussionen schon echte Argumente und erklärt, warum bestimmte Witze z.B. antisemitisch sind.“
Manchmal ist das so, ja. Aber auch dann fehlt häufig irgendein Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Wie gesagt, bei Mischke halte ich die Argumentation für schlüssig.
„CC-Debatten sind Debatten, in denen (vereinfacht gesagt) Rechte mit Rechten reden, um die Mitte davon zu überzeugen, dass die Linken böse sind und die Mitte angeblich links ist, aber lieber rechts sein sollte.“
Eigentlich ärgern sich Rechte nur, dass sie selbst es nie schaffen, Leute von den Veranstaltungen _anderer leute_ zu canceln, was sie sicher gerne täten.
Uneigentlich haben sie ein Argument dahingehend, dass es unfair ist, dass das überhaupt wer kann.
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Einen herausragenden Sendeplatz im ÖR sein Eigen nennen und dortselbst unablässig verkünden, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe – ich werde nie verstehen, wie man mental verdrahtet sein muss, um so einen Unsinn ernsthaft vertreten und leben zu können.
Jammert Herr Poschardt wirklich darüber, dass er sich nicht so äußern kann, wie er es will? Dem geht es doch wirklich gut bei Axel Springer. Aber ist das das „Märchen von den sozialen Kosten“ wirklich ein Märchen? Wenn junge Männer sich im Urlaub besaufen und bescheuerte Texte grölen, so kann man zwar die Köpfe darüber schütteln, aber ihnen deshalb ihre Jobs zu kündigen, erinnert mich doch sehr an die zu Recht von links kritisierten Berufsverbote. Wenn ein Rentner das Meme mit dem „Schwachkopf professionell“ teilt, sollte er nicht mit einer Hausdurchsuchung bedacht werden und vor Gericht landen. Der Besitz von Jagdwaffen sollte nicht an eine Parteizugehörigkeit geknüpft werden. Beamte sollten nicht bevorzugt werden, wenn sie in Bayern zur CSU gehören oder in Bremen zu linksgrünen Parteien, aber entlassen werden, wenn sie zur AfD gehören. Womit der Autor recht hat: Wer sich (extrem) rechts äußert, der muss mit (extrem) linken Gegenäußerungen rechnen und umgekehrt. Da sollte man nicht mimosenhaft reagieren. Aber seine Arbeit zu verlieren wegen politischer Meinungen gehört nicht in eine Demokratie. Die Ansichten der Person hinter „Clownswelt“ anzuprangern, das ist völlig in Ordnung. Aber sein privates Leben in der Öffentlichkeit auszubreiten, das ist schäbig.
Erstaunlich ist allerdings auch, wie präsent fragile Männlichkeit in all diesen Debatten ist.
9.6. 21:00, 3 Kommentare und noch keiner veröffentlicht.
Uiuiui.
„Machtvergessenheit“, schöne Wortschöpfung.
Das in etwa meinte ich, als ich gestern unter das Interview mit Leonie de Jong schrieb:
„Die Rechte muss ja ein virtuelles „die-da-oben“ geradezu produzieren, um nicht komplett absurd zu erscheinen.
Die Mehrheit aller VT lebt von dieser Klientel.“
Die Form in der diese Personen ihren Anteil an den aus Amerika importierten Culture War, dem auch Politiker wie Markus Söder und Jens Spahn immer wieder neuen Anschub geben, erinnert doch sehr an das Verhalten der AfD: die politische Öffentlichkeit mit ihrem „Diskurs“ dominieren, die Politik in Ländern und Bund indirekt beeinflussen, und zugleich immer wieder auf die Opferrolle setzen, wenn sie angegriffen, ihre Machenschaften und Verbindungen offengelegt werden.
@Florian Blechschmidt:
Zunächst einmal werden Hausdurchsuchungen in Deutschland immer noch von Staatsanwaltschaften veranlasst – das sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen. Und dass so etwas in München vielleicht schneller passiert als anderswo, als „soziale Kosten“ zu framen, bloß weil diesmal Habeck betroffen hat, wirkt doch ziemlich konstruiert.
Angesichts dessen, was sich manche Staatsanwaltschaften in diesem Land sonst einfallen lassen, rangiert die Durchsuchung nach einer Minister-Beleidigung jedenfalls nicht ganz oben auf meiner Skandalhitliste. Aber das „Opfer-Narrativ“ hat sich der rechte Rand ja ohnehin dauerhaft gesichert.
„Was hast du mich da wieder tun lassen, Stan?“
Wie stehen Sie denn eigentlich zu den sozialen Kosten, die der „Letzten Generation“ auferlegt werden – bei all dem Verständnis für besoffen gegrölte Neonazi-Parolen? Wobei die meisten da froh wären, wenn es bei denen geblieben wäre.
Sehr schön das ganze Thema nochmal aufgeschrieben, danke!
@Florian Bechschmied Weil hier wieder eine Falschbehauptung geteilt wird: Es gab keine Hausdurchsuchung, weil Robert Habeck jemanden wegen des Schwachkopf-Memes angezeigt hatte. Die Hausdurchsuchung war bereits vorher wegen des Verdachts der Volksverhetzung beantragt gewesen. Inzwischen wurde der Mann übrigens zu 90 Tagessätzen verurteilt, und zwar wegen „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Volksverhetzung“, nicht wegen der angezeigten Beleidigung von Habeck. (siehe https://www.deutschlandfunk.de/strafbefehl-nach-hausdurchsuchung-unter-anderem-wegen-schwachkopf-beleidigung-gegen-habeck-100.html)
„Die Linken sind also schuld am Aufstieg der Rechten – und nicht Männer wie Nuhr, die deren Talking points seit Jahren öffentlich vertreten.“
Dass Nuhr oder Männer wie er am Aufstieg Trumps Schuld sein sollen, halte ich aber ebenfalls für falsch.
@6 und @8: Es geht mir gar nicht um den Politiker Robert Habeck. Jeder Politiker sollte Kritik, auch unsachliche Kritik, selbst Beleidigungen nicht mit dem Strafrecht abwehren. Das muss er aushalten, zumal die meisten Politiker auch gerne austeilen. Insofern sollte insbesondere der § 188 StGB wieder gestrichen werden. Besonders häufig wurde er von Herrn Habeck und Frau Baerbock „missbraucht“, berichtet die Presse. Rekordhalterin sei aber Frau Strack-Zimmermann, die ich ansonsten sehr schätze. Aber auch Frau Weidel hat, wie jetzt bekannt wurde, sehr intensiv Anzeigen nach § 188 StGB gestellt. Das irritiert mich besonders, da die AfD die Abschaffung dieses Paragraphen fordert. Ich befürworte nicht, dass Bürger sich beleidigend gegenüber Politikern äußern. die anderer Meinung sind als sie selber. aber die Politikern sollten das tolerieren. Sie selbst können ja mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie ihre politischen Gegner in der Sache kritisieren, nicht aber deren persönliche Integrität beschädigen.
Dann ziehen wir doch mal Bilanz:
Herr Blechschmied findet also, Politiker*innen sollten sich „nicht so haben“. Ein Standpunkt, der auf bemerkenswerte Weise gleichzeitig dramatisiert und bagatellisiert. Chapeau.
Zur Einordnung: Robert Habeck hat keine Hausdurchsuchung veranlasst. Die Empörung darüber basiert auf einer gezielten Verdrehung der Fakten.
Was dabei gern unter den Tisch fällt: Die massiven Kampagnen, die von rechten Troll-Armeen und Desinformationsnetzwerken gegen Politiker*innen wie Habeck, Baerbock und ganz besonders Ricarda Lang gefahren wurden – systematisch, mit enormer Reichweite und oft jenseits jeglicher zivilisatorischer Standards.
Dass man sich dieser gezielten Verrohung nicht einfach aussetzen muss, ohne dagegen vorzugehen, sollte eigentlich Konsens sein. Stattdessen erleben wir eine routinierte Täter-Opfer-Umkehr: Der Hetzer wird zum vermeintlich Bedrohten, während der Versuch, sich juristisch gegen Verleumdung zu wehren, als autoritär gebrandmarkt wird.
Die eigentliche Schlagseite in dieser Debatte liegt jedoch tiefer: Sie ignoriert völlig, dass es längst nicht mehr um einzelne verbale Entgleisungen geht, sondern um ein strukturelles Problem – die Erosion des demokratischen Diskurses durch Desinformation, Empörungskapitalismus und die Normalisierung von digitaler Hetze.
Währenddessen driftet die Öffentlichkeit weiter – auf einer schrägen Ebene, geschmiert von Fake-News, Framing und absichtlicher Verwirrung.
Und viele schauen zu. Oder schlimmer: reden sie schön.
Da wissen Sie mehr als die Staatsanwaltschaft.
Alexander Baum von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bamberg hat am 21.11.2024 klargestellt, dass es bei Anordnung der Wohnungsdurchsuchung ausschließlich um den Schwachkopf ging.
„Bamberg / Lkr. Haßberge, 21.11.2024 Einem 64-jährigen Mann aus dem Landkreis Haßberge wird vorgeworfen, über das Internet den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck beleidigt zu haben. Am 12.11.2024 erfolgte bei dem Beschuldigten eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Tatverdachts einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gem. §§ 185, 188, 194 StGB. „
Link zur Presseerklärung
https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und-gerichte/staatsanwaltschaften/bamberg/pm_46-2024_-_sta_bamberg_-_beleidigung_zu_lasten_dr._habeck_-_erg%C3%A4nzung_zur_pm_vom_15.11.2024.pdf
@12 und @13
„Die Durchsuchung wegen des „Schwachkopf“-Posts bei dem Mann hatte selbst im Umfeld des noch amtierenden Wirtschaftsministers Verwunderung ausgelöst. Die Staatsanwaltschaft Bamberg teilte später mit, die Durchsuchung sei schon beantragt worden, bevor der Grünen-Politiker in dem Fall selbst Anzeige stellte. “
Vom April 2025.
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/bayern/habeck-beleidigung-auf-x-strafbefehl-nach-durchsuchung-wegen-schwachkopf-post-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-250416-930-443765
@FrankD
Warum verbreitest du denn eine veraltete Presseerklärung? ist es aus Versehen, aus Inkompetenz oder vielleicht sogar absichtlich/aus Bösartigkeit? Hmmm…
Da Habeck erst am 12.09.2024 (siehe Text) Strafantrag gestellt hat, ist diese Information sehr entscheidend.
Hier, nur für dich, die aktuelle Version (vom 22.11.2024, also auch schon über ein halbes Jahr alt) ohne Schreibfehler:
„Anmerkung vom 22.11.2024:
In der ursprünglichen Fassung der Pressemitteilung wurde aufgrund eines Schreibfehlers in
Absatz 4 mitgeteilt, dass der Durchsuchungsbeschluss am 08.08.2024 beantragt wurde. Dies
wurde korrigiert. Der Durchsuchungsbeschluss wurde tatsächlich am 05.08.2024 beantragt.
Die Pressemitteilung wurde am 22.11.2024 im 5. Absatz (Datum des Erlasses des
Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht Bamberg) ergänzt.“
„Ebenfalls am 02.08.2024 wurde der Sachverhalt von
der Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt dem Bundesminister Dr. Habeck zur Prüfung der
Stellung eines Strafantrags mitgeteilt. Strafantrag wurde durch diesen am 12.09.2024 gestellt.“
Quelle:
https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und-gerichte/staatsanwaltschaften/bamberg/korrektur_-_pm_46-2024-_sta_bamberg_-_beleidigung_zu_lasten_dr._habeck_-_erg%25C3%25A4nzung_zur_pm_vom_15.11.2024.pdf&ved=2ahUKEwj_2PLe0ueNAxUPSPEDHTObKakQFnoECCIQAQ&usg=AOvVaw2yctfUBgM9NMQd8l6Etcb5
„Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung
wurde hier durch die Staatsanwaltschaft Bamberg bei Beantragung des
Durchsuchungsbeschlusses am 08.08.2024 bejaht, da es sich bei Herrn Dr. Habeck um den Bundesminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland handelt und zudem Verdachtsmomente einer antisemitischen Gesinnung des Beschuldigten bestehen. […]
Staatsanwälte tun staatsanwaltliche Dinge. Für die Beweisführung bei diesen Delikten ist es extrem hilfreich, wenn das Device, mit dem sie ausgeführt wurden, unprepariert sichergestellt werden kann. Ohne ist die Zuordnung weit schwieriger (da hat jemand mein WLAN benutzt, bspw.).
Aber mir liegt es fern, Staatsanwälte zu verteidigen. Nur haben wir es bei den Rechten mal wieder mit einem Jammern auf hohem Niveau zu tun. Wenn ich mich an die Durchsuchungen (deutlich Plural) von Radio Dreyeckland bspw. erinnere (Anlass: ein Beitrag über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform Indymedia Linksunten), dann erscheint mir diese ganze Habeck-und-sein-Troll-Geschichte oberlächerlich. Teil einer breiten Kampagne eben. Oder hier in HH nach der „Pimmel“-Affäre um den Innensenator oder die PlanB-Durchsuchung:
https://taz.de/Skandaloeser-Polizeieinsatz/!5520469/
Ich möchte auch auf gar keinen Fall §188 verteidigen, aber diesen gerade zu einer Zeit in den Fokus zu nehmen, in der solche Übergriffe inflationär und konzertiert betrieben werden (wobei die Player dann mitunter in der Größenordnung ganzer Verlagshäuser daherkommen), ist schon bezeichnend. Oder wo sich anderswo Billionäre Plattformen kaufen, um Shitstorms nach Belieben lenken zu können.
FrankD, lesen Sie doch einfach Ihre eigene Quelle. Hausdurchsuchung beantragt durch StA am 8.8., Anzeige erstattet durch Habeck am 12.9. Es bleib also dabei, keine Hausdurchsuchung weil Habeck das wollte. Passt halt nicht in Ihr Narrativ, aber ist halt die Wahrheit. Da Sie aber auch an Menschen-Importe glauben, lassen Sie sich aber bestimmt nicht von solchen nervigen Dingen wie Tatsachen beeinflussen.
@Mr Re:
Anscheinend hat die Staatsanwaltschaft „von Amts wegen“ ermittelt. Was jetzt zwar nicht beweist, dass Habeck da nicht auf dem kurzen Dienstweg angerufen hätte, aber wenn nicht, verschiebt das das Problem eben mehr zur Staatsanwaltschaft.
Aus meiner Sicht, und gemessen an den Beleidigungen, die man sonst so bei TwiX und Co lesen kann, war die anlässliche Beleidigung recht harmlos, und es stellt sich zumindest die Frage der Verhältnismäßigkeit.
„Was jetzt zwar nicht beweist, dass Habeck da nicht auf dem kurzen Dienstweg angerufen hätte“
Sobald die andere Seite bei einer Diskussion anfängt, in Richtung von Verschwörungserzählungen abzudriften, weiß man, dass man recht hat.
@Surfguard:
Wieso? Wenn ich argumentiere, muss ich solche Argumente wählen, von denen ich hoffen kann, dass die andere Seite sie akzeptiert. Dass Habeck erst nach der Durchsuchung Anzeige erstattete, wird niemanden überzeugen, der an Habecks „Schuld“ glaubt.
Aber wenn wir uns darauf einigen, dass Habeck dafür nichts konnte, ist die StA da mMn sehr übereifrig gewesen, was eigentlich das größere Problem ist, weil Habeck ja abgewählt wurde, diese StA aber noch da ist.
Und wenn man sagt, dass die StA in der Frage leider keinen Handlungsspielraum hat, ok, dann sollte man eine Bagatellgrenze einführen.
Habecks berühmter heisser Draht zur Staatsanwaltschaft Bamberg, wer kennt ihn nicht?
@Mycroft, Sie haben aber schon diesen Halbsatz im Schreiben des Staatsanwaltes gelesen?
„und zudem Verdachtsmomente einer antisemitischen Gesinnung des Beschuldigten bestehen.“
Er ist letztlich imho auch wegen anderer Delikte in diesem Komplex verurteilt worden, gar nicht wegen der Beleidigung.
Was also hätte da eine Bagatellgrenze geholfen?
Täglich werden Menschen rassistisch, sexistisch, transfeindlich etc beleidigt, diskriminiert, gekündigt und erfahren Polizeigewalt. Trotzdem hat es ein laut angezeigtem Vor- und Nachnamen vermutlich weißer Mann geschafft, dass sich die ganze Kommentarspalte um die Grenzen der Freiheit für weiße Männer dreht.
Wer hat hier also Diskursmacht?
@erwinzk:
Ebend
Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Bei der oben. verlinkten Hausdurchsuchung im PlanB hat sich die Polizeibehörde einen Durchsuchungsbefehl auf Halde beschafft, den Wochen später in anderem Kontext gezogen, um dann mit automatischen Waffen im Anschlag und nach Aufbrechen der Wohnungstür ( obwohl die anwesende Wohnungseigentümerin sich erboten hatte diese aufzuschliessen ) auch noch Teile der Wohnung zu durchsuchen, die gar nicht im Beschluss vorkamen. Alles komplett illegal, wie es das Gericht im Nachhinein beschied.
Beim Radio Dreyeckland wurde der Durchsuchungsbefehl auch willkürlich ausgedehnt und komplett Unbeteiligten wurden die Arbeitsgeräte ( Computer, Laptops ) beschlagnahmt.
Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge. Nur wenn das Opfer mal eine rechte Lobby hinter sich weiß, wird es zum Angriff auf die Freiheit.
„Er ist letztlich imho auch wegen anderer Delikte in diesem Komplex verurteilt worden, gar nicht wegen der Beleidigung.“
Mag ja sein, ist aber erstens vom Ergebnis her argumentiert – wenn man lange genug sucht, findet man halt was, also muss es erlaubt sein, beliebig lang zu suchen – zweitens heißt das in der Konsequenz, dass Antisemiten nur mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie etwas gegen einen Minister sagen (anstatt umgekehrt), und drittens halte ich zumindest die gegenständliche Beleidigung wirklich sehr für eine Ausrede.
„Was also hätte da eine Bagatellgrenze geholfen?“
Die Staatsanwaltschaft wäre kein Staat im Staate. Zufällig hat es hier „den Richtigen“ getroffen. Sie selbst kennen Dutzende von Beispielen, wo es die Falschen trifft. Umgekehrt gibt es Millionen von Beispielen, wo jemand schlimmer beleidigt wurde als das jetzt, und keine StA interessiert’s.
Nervt Sie nicht die Arroganz der Macht? Demnächst sagt irgendwer was despektierliches gegen einen CDU-Minister, mit mutmaßlich demselben Ergebnis.
@Mycroft:
Kurz gesagt: Nein.
Mich nervt, wenn die „Arroganz der Macht“ immer nur dann entdeckt wird, wenn sich die Opfer unterirdischer Kampagnen mal zur Wehr setzen.
Der Typ ist ein notorischer Querulant und Troll. Schön, wenn es auch mal einen von denen trifft.
Ich kann Ihnen nur raten, Ihren Kompass gelegentlich neu zu justieren – wenn die Nadel seltsamerweise immer nur dann ausschlägt, wenn irgendein weißer Möchtegern-Arier mal die Minimalkonsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt.
Wenn Sie doch so ein ausgeprägtes Rechtsempfinden haben, warum ist es dann so selektiv?
„Der Typ ist ein notorischer Querulant und Troll. Schön, wenn es auch mal einen von denen trifft.“
Der Typ ist vor allem ziemlich unwichtig. Aber selbst wenn es anders wäre: ethische Urteile sollten nicht von meinem oder Ihren Sympathien abhängig sein.
„Ich kann Ihnen nur raten, Ihren Kompass gelegentlich neu zu justieren – wenn die Nadel seltsamerweise immer nur dann ausschlägt, wenn irgendein weißer Möchtegern-Arier mal die Minimalkonsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt.“ Nicht alles, was gebildet klingt, ist eine Metapher: Kompassnadeln schlagen nicht aus.
JETZT sind Sie gegen eine Bagatellgrenze und verharmlosen den Vorgang als „Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge“; demnächst, wenn es wen trifft, den Sie leiden mögen, kann ich mich darauf beziehen, dass ich ja schon immer für eine Bagatellgrenze war, egal, wer davon profitiert.
@Mycroft:
Sie wissen von dem Vorfall, weil ein riesiger Player im Hintergrund daraus eine Geschichte gemacht hat, im Rahmen einer konzertierten Kampagne gegen die Grünen im Allgemeinen, und gegen Habeck im Besonderen.
Daraufhin den moralisch Überlegenen zu spielen ist weit jenseits von lächerlich. Aber klar, ihr moralischer Kompass hat ausgeschlagen. Ansonsten ist er halt immer auffallend ruhig.
[Google]
Übersicht mit KI
Der Ausschlag einer Kompassnadel beschreibt die Ablenkung der Nadel von ihrer ursprünglichen Position, wenn sie in der Nähe eines magnetischen Feldes ist. Dies liegt daran, dass die Kompassnadel selbst ein kleiner Magnet ist, der sich in Richtung der magnetischen Feldlinien ausrichtet.
Der Ausschlag einer Nadel bezieht sich auf die Nadel einer altmodischen Anzeige (heute ist sowas meist digital), wenn beispielsweise an einem Geigerzähler die Nadel die Skala schlagartig hochzuckt und wieder herunterfällt, sagt man, dass sie ausschlägt. Dies zeigt dann Radioaktivität, also Gefahr an.
Einen Geigerzähler kann man kalibrieren.
Eine Kompassnadel ist kein Messgerät im eigentlichen Sinne, da es kein Maß angibt; sie schlägt auch nicht aus, sondern orientiert sich am örtlich stärksten Magnetfeld.
Einen Kompass kann man nicht kalibrieren. Ihr Metapher ist nur dazu da, Sie intelligent wirken zu lassen.
„Daraufhin den moralisch Überlegenen zu spielen ist weit jenseits von lächerlich.“ Sie unterstellen mir, dass mein Sinn für Recht und Unrecht nur bei „weißen Möchtegern-Ariern“ reagiert.
Es ist nicht meine Schuld, dass die StA nur bei Beleidigungen gegenüber Ministern reagiert, insbesondere bei Beleidigungen, die mir egal wären, wenn sie mir gälten. Es ist nicht meine Schuld, dass Habeck irgendwann doch Anzeige erstattet hat, was er nicht musste. Es ist nicht meine Schuld, dass die politischen Gegner der Grünen dergleichen instrumentalisieren, was ziemlich erwartbar ist.
Aber weil mein Track-Rekord zum Thema „Willkür der Exekutive“ Ihnen anscheinend nicht gut genug ist, soll ich meine Meinung zum Thema nicht sagen.
Sie hingegen verteidigen etwas, was Sie sonst kritisieren, in Abhängigkeit davon, ob es weiße Möchtegern-Arier betrifft oder nicht.
Wir haben derzeit einen Innenminister, der bekräftigt, Gerichtsurteile ignorieren zu wollen. Wir haben eine bayerische Staatsanwaltschaft, die Carla Hinrichs und vier andere Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt hat. Wir haben eine Antifa-Aktivistin im Hungerstreik, die in höchster Eile nach Ungarn verschleppt wurde – bevor am selben Tag das Bundesverfassungsgericht das hätte verhindern können – und der dort nun 24 (!) Jahre Haft drohen, wegen des angeblichen Verprügelns von Nazis auf einer Nazikundgebung.
Und Sie tragen hier wieder seitenlang der Springerpresse ihr Kampagnenfutter hinterher – wegen eines Soziopathen, dessen Beleidigung der eingesetzten KI der Grünen-Prominenz zum Opfer gefallen ist und der deshalb automatisch angezeigt wurde.
Ihr Gerechtigkeitsempfinden ist dermaßen verwackelt, dass das Lesen nur noch weh tut.
Ich kann beim besten Willen nicht so bescheuert sein, diesem Mob – von Springer bis Nius – die Talking Points nachzuplappern, wie Sie das begeistert exerzieren.
Und zur Kompass-Geschichte: Kommen Sie sich nicht wenigstens manchmal selbst idiotisch vor, wenn Sie so etwas ablassen?
„Wir haben derzeit einen Innenminister, der bekräftigt, Gerichtsurteile ignorieren zu wollen. Wir haben eine bayerische Staatsanwaltschaft, die Carla Hinrichs und vier andere Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt hat.“
Und das habe ich an keiner Stelle verteidigt, weder hier noch anderswo. Es belegt allerdings das Narrativ, das die Obrigkeit unliebsame Meinungen unter Missbrauch oder Umgehung rechtsstaatlicher Mittel unterdrücken würde. Dass es nicht unbedingt unliebsame _rechte_ Meinungen sind, macht die Sache ja nicht besser. Auch wenn Nius und Co das behaupten.
„Und Sie tragen hier wieder seitenlang der Springerpresse ihr Kampagnenfutter hinterher“ Kontaktschuld? Eine Aussage wird nicht in Abhängigkeit davon wahr oder unwahr, aus welcher Quelle sie kommt.
„wegen eines Soziopathen, dessen Beleidigung der eingesetzten KI der Grünen-Prominenz zum Opfer gefallen ist und der deshalb automatisch angezeigt wurde.“
Persönlich ist mir der Mann egal. Ich habe allerdings genug Abstraktionsvermögen, vom konkreten Fall auf die Allgemeinheit zu schließen, und bin nicht der Auffassung, dass das allgemeines Prinzip sein sollte.
„… zur Kompass-Geschichte: Kommen Sie sich nicht wenigstens manchmal selbst idiotisch vor, wenn Sie so etwas ablassen?“
Ich sag mal so – wenn KIs nach Beleidigungen, ad hominems und dergleichen suchen und ggfs. die StA alamieren, wird es Sie eher erwischen als mich. B-)
@29: Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, Dobrindt würde Gerichtsurteile ignorieren wollen. Dobrindt setzt die Entscheidung punktgenau um. Es ist lediglich das Narrativ interessierter Kreise, nennen wir sie freundlich „Open-Border-Blase“, aus der Einzelfalleilentscheidung einer zweifelhaft besetzten Kammer eines Verwaltungsgerichts ein Grundsatzurteil konstruieren zu wollen. Zu einem solchen ist die Kammer nicht befugt, im Eilverfahren gleich gar nicht.
Die ehemaligen Verfassungsrichter Di Fabio und Papier vertreten die Auffassung, dass die Dublin-Verordnungen das deutsche GG bzw. die deutsche Asylgesetzgebung nicht brechen können und Zurückweisungen an den Grenzen selbstverständlich möglich sind. Dieser Rechtsauffassung darf ein deutscher Innenminister durchaus nähertreten. Bis halt ein befugtes Gericht vielleicht grundsätzlich anders entscheidet…
@ #29:
„Antifa-Aktivistin“
Unser linksgrüner ÖRR berichtete gestern sehr faktisch und überhaupt nicht vage oder schwammig in 3:37 Minuten:
https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tagesthemen/video-1475602.html
Am Ende sogar noch ein „RAF“ reingequetscht. Abschließender Satz: „Das OLG Dresden muss noch über die Zulässigkeit der Klage entscheiden.“ Kein Hintergründe dazu, oder so.
Ich hoffe ja auch auch noch auf einen Artikel hier bei üm über die Berichterstattung über den Verfassungsschutz-Extremismusbericht und wie einfach Dobrindt alle Journalisten auf das Nachplappern von „alles ist gestiegen, alles ist gleich schlimm“ einschwören konnte.
Arne Semsrott, Volksverpetzer, etc. haben dazu schon was aufgeschrieben.
@Lake_of_the_Woods
„Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, Dobrindt würde Gerichtsurteile ignorieren wollen.“
Es ist natürlich grober Unfug zu behaupten, dem sei nicht so.
Rein formal sind es Einzelfallurteile, das stimmt. Rechtlich ist er nicht verpflichtet, deren Argumentation auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Politisch und praktisch bringt er damit aber nicht nur die betroffenen Zurückgewiesenen, sondern auch die ausführenden Beamt*innen in eine nahezu unlösbare Situation.
Im Übrigen widersprechen zahlreiche Expert*innen dieser Einschätzung ganz entschieden.
→ https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/03/zurueckweisungen-an-der-grenze-was-sagen-fachleute-zu-dobrindts-aussagen/
@33: Noch einmal: Der Minister setzt die Entscheidung punktgenau um. Zu mehr ist er nicht verpflichtet. Seine Beamten sind auch nicht in Schwierigkeiten, denn für sie gilt die Dienstanweisung des Ministers.
Ob durch nämliche irgendwelche „Betroffenen“ Schwierigkeiten haben, ist herzlich egal.
Sie wollen mir nicht wirklich „correctiv“ als seriöse Quelle verkaufen? Machen Sie sich nicht lächerlich.
Was sei Correctiv eine unseriöse Quelle?
@Lake_of_the_woods
Natürlich ist CORRECTIV eine seriöse Quelle – besonders im Vergleich zu dem, was Sie hier ins Feld führen: ein bruchstückhaft und schwammig wiedergegebenes Phönix-Interview mit Herrn Di Fabio.
Und auch wenn Ihnen das abwegig erscheinen mag: Beamte sind nicht nur dem Gesetz, sondern auch ihrem Gewissen verpflichtet. Zum Glück gibt es Menschen im Staatsdienst, denen das Schicksal der Betroffenen eben nicht „herzlich egal“ ist – anders als es bei Ihnen den Anschein hat.
Ihr Angriff auf CORRECTIV ist ein klassisches Beispiel für eine ad hominem-Strategie: Inhaltlich haben Sie nichts entgegenzusetzen, also greifen Sie die Autoren an. Dabei macht CORRECTIV in der Regel genau das, was Sie vermutlich nicht getan haben: Sie sprechen mit ausgewiesenen Expert:innen.
Rhetorik Anfängerlevel.
@36: Hängen bleiben (bei der Zielgruppe) muss ja nur „dass da was ist“ (analog das Gleiche beim Klima-NGOs-Thema heute). Die Experten sind sich zum allergrößten Teil einig, dass die Maßnahmen unrechtmäßig sind. Das ist der Fakt. Die spekulative Debatte am Köcheln zu halten, hilft also ausschließlich denen, die Zweifel an der Unrechtmäßgkeit säen wollen. So machen es andere Teilnehmer hier (und überall im Interwebz) es ja auch immer wieder.
Und auch nicht vergessen: Der Behaupter muss belegen. Wenn jemand Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines unabhängigen Nachrichtenmediums sät, dann muss er das halt belegen. Ihre Schnappatmung (und meine zugegebenermaßen auch des Öfteren) ist einkalkuliert.
Das sind alles rein rhetorische Mätzchen, aber dass sie Anfängerlevel seien, wage ich zu bezweifeln.
@37:
Name dropping ( Di Fabio ) und ad hominem, Ich bitte Sie.
Dass damit Kulturkampfstrategien auf einem ganz anderen Level bedient werden, bleibt unbenommen. Das ahnen die Ausführenden aber meistens selber nicht ( „Trump spielt 4D Schach“ ).
Man könnte mal den Begriff „unmoralisch“ mal in die Debatte einführen, denn der „Moralisierend!“-Vorwurf in Dauerschleife und Finger-Pointing in Richtung links dient vor allem dem Kaschieren des eigenen (zunehmend) unmoralischen Verhaltens, dass man lieber nicht diskutieren möchte.
Ist wohl eher ein letztes Aufbäumen jener, die der „alten Welt“ hinterhertrauern. Die kommt aber nicht zurück, egal wie sehr Ulf Poschardt auf den Boden stampft. Er ist noch ein bisschen Posterboy im Dienste des fossilen Konsortiums, das großer Anteilseigner bei der WELT ist und dann wird die Welt halt doch „grüner“, ist ja schon längst der Fall. Ich lehne mich zurück und schau mal, wie lange es dauert.
Heute auf N-TV:
https://www.n-tv.de/politik/Dobrindts-Taktik-koennte-Grenzbeamten-zum-Verhaengnis-werden-article25831510.html
„Grober Unfug“ also?
Oh Mann, was für ein Diskussionsniveau. Die Staatsanwaltschaft ist übrigens eine weisungsgebundene Behörde. Das wird vielfach international an der Bundesrepublik kritisiert, dass die Behörde nicht unabhängig ist.
Übrigens ein sehr schöner Artikel über die Verteilung der Macht und die freiwillige Einnahme von Opferrollen. Vielen Dank dafür.
„Oh Mann, was für ein Diskussionsniveau.“
Na endlich – es geht bergauf.
„Die Staatsanwaltschaft ist übrigens eine weisungsgebundene Behörde. Das wird vielfach international an der Bundesrepublik kritisiert, dass die Behörde nicht unabhängig ist.“
Aha. Und weiter?
Helfen Sie mir doch bitte kurz aus:
War das jetzt eine Insinuation – oder habe ich im Kontext die Frage überlesen?
Einfach ein Einwurf.
Wenn ich so Sachen lese wie „ Staatsanwälte tun Staatsanwaltdinge“ oder „Staat im Staat“, dann finde ich das immer schwierig.
Da möchte ich so Sachen sagen: Ja, Handwerker tun so Handwerkersachen. Außerdem gibt es eine riesige Handwerkerverschörung. So finden Sie keinen Elektriker, der ihnen das Klo repariert, wenn Sie überhaupt einen finden.
Wir können hier aber auch, das für und wieder der Verwendung von Butter gegenüber von Margarine diskutieren.
Nur, was hat das mit dem Thema des Artikels zutun?
@Frank Gemein: Ihrer Einschätzung zum Erlass des Bundesinnenministers folge ich gerne. Auch halte ich Correctiv für eine glaubwürdige Quelle.
Und ich sehe auch die Situation der Beamten der Bundespolizei für problematisch an (Kadavergehorsam hatte wir ja schon in unserem Land).
Aber alles off topic.
@Frank Hansche
Ob Staatsanwälte auf Weisung oder aus eigenem Antrieb handeln, ist im Einzelfall sicherlich oft umstritten. Häufig dürfte beides zusammenkommen – ebenso wie Fälle vorauseilenden Gehorsams.
Am Ergebnis ändert das jedoch nichts – unabhängig davon, wer der eigentliche Agens war.
Nehmen wir die Staatsanwaltschaft Bamberg: Es mag zutreffen, dass es eine generelle Weisung gab, bei §188 strenger vorzugehen.
Dass aber ausgerechnet Habeck über Buschmann direkten Einfluss auf diesen konkreten Fall genommen haben soll, erscheint höchst unwahrscheinlich. Genau diese unbelegte Annahme wird jedoch zur Grundlage für das bekannte Kampagnenfutter.
Wie groß der tatsächliche politische Einfluss auf Staatsanwaltschaften ist, kann ich nicht mit Gewissheit sagen.
Was ich aber beurteilen kann, sind die Ergebnisse – und davon habe ich in meinem Leben schon einige gesehen. Die Trennschärfe zwischen Judikative, Exekutive und Legislative war dabei nicht immer erkennbar.
https://netzpolitik.org/2025/polizeichats-so-jetzt-mal-zu-dir-du-hamburger-schlaechter/
„Es ist lediglich das Narrativ interessierter Kreise, […] aus der Einzelfalleilentscheidung einer zweifelhaft besetzten Kammer eines Verwaltungsgerichts ein Grundsatzurteil konstruieren zu wollen. “
Was genau macht die Entscheidung zum Einzelfall, also welche Charakteristika deuten auch nur vage darauf hin, dass eine Entscheidung in irgend einem anderen Fall anders ausfallen würde?
Noch mal kurz zurück zum Thema:
„Für Precht bedeutet das nicht weniger, als jemanden in „bester mittelalterlicher Tradition an den Pranger“ zu stellen, „nackt ausgezogen und dem öffentlichen Spott und dem öffentlichen Hass preisgegeben“.“
Ich dachte das Narrativ sei „Ätschibätsch ihr doofen Denunzianten-Linken, der Kanal ist um 50% gewachsen und ihr habt das Gegenteil von dem erreicht, was ihr wolltet!“
Man muss sich mal irgendwann festlegen, ist man unverschuldetes Opfer von Hass und Spott oder ist man Profiteur einer missglückten Kampagne? Im rechten Alternativitätsmainstream ist man immer gleich alles auf einmal.
„Ich dachte das Narrativ sei „Ätschibätsch ihr doofen Denunzianten-Linken, der Kanal ist um 50% gewachsen und ihr habt das Gegenteil von dem erreicht, was ihr wolltet!““
Ich dachte, das Narrativ sei, dass es schon deshalb keine Cancel-Culture gäbe, weil die angeblich Gecancelten davon immer profitieren. Denn es sei nicht links, immer dasselbe zu tun und trotzdem mit anderen Ergebnissen zu rechnen.
Aber natürlich ist das nur ein Narrativ. Böhmermann zu unterstellen, er wolle den Ketzerclown irgendwie Klicks zuschustern, ist eine besonders abwegige VT.
Dieser Artikel ist zwar gut geschrieben und zutreffend, aber nichtsdestotrotz völlig überflüssig. Das Argument „Leute wie Sarrazin, Nuhr, Lanz, Precht usw. behaupten zwar immer wieder, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde, beweisen aber, indem sie das in der Öffentlichkeit immer wieder sagen, faktisch das Gegenteil“ ist inzwischen zur Stanze geworden. „Es ist zwar alles schon gesagt worden, aber noch nicht von jedem“.
@Mycroft: Bis „profitieren.“ konnte ich folgen. Selbstverständlich ist das aber nicht das Narrativ der Clownswelt-Seite, weswegen ich den Vergleich zu meinem unterstellten Narrativ nicht wirklich verstehe. Ich selbst bin der Meinung, „Cancel Culture“ unterstellt, dass der linksgrüne Mainsteam tatsächlich existiert, was ich für Quatsch halte. Letztenendes läuft es auf demokratischen Diskurs hinaus, in dem viele einfach nicht aushalten, dass man nicht ihrer Meinung ist. Da ist der Ausweg über die Opferrolle einer Unterdrückungskultur einfacher, als inhaltlich zu argumentieren (oft mit „musste ich früher auch nicht …“ garniert).
Dass „Cancel Culture“ nicht existiere, weil „die Gegenseite“ ja immer auch von der Aufmerksamkeit profitiere, halte auch ich für eine schwache Herleitung. Immerhin ist eine Kausalität zu erkennen und nicht ein ausschließlich axiomatisch-gefühlsgetrieber Ansatz, wie die „Cancel Culture“ einfach zu unterstellen.
Ich würde das insgesamt differenzieren: Jede homogene Gruppe cancelt. Es gibt also nicht die eine Cancel Culture sonden viele verschiedene Cancel Cultures, je nach Gruppe / Ideologie / Interesse etc.
Zu unterstellen, es gäbe nur die Eine (linksgrüne) ist der eigentliche kommunikative Kniff.
Den Rest verstehe ich nicht wirklich, sorry.
„immer dasselbe zu tun und trotzdem mit anderen Ergebnissen zu rechnen.“ ist doch diese viel zitierte „Definition von Dummheit“. Aber den Kontext zum Vorherigen verstehe ich nicht.
„Böhmermann zu unterstellen, er wolle den Ketzerclown irgendwie Klicks zuschustern, ist eine besonders abwegige VT.“ Da simmer uns einig.
@ Robert Kruse:
„ist inzwischen zur Stanze geworden.“ Na und? Macht es ja nicht unwahr. Mein Eindruck ist, dass das noch laaaange nicht oft genug gesagt wurde.
Ulf Poschard steht auf Platz 2 der Spiegel-Bestseller und sitzt bei Lanz um rumzuheulen, dass er ja nichts mehr sagen dürfe.
Solange diese Daueropfer von anderen Meinungen immer noch frei im ZDF sagen dürfen, dass sie ja nichts mehr sagen dürfen, so lange ist auch das hinweisen darauf nicht „völlig überflüssig.“
@Mycroft:
„Ich dachte, das Narrativ sei, dass es keine Cancel Culture gäbe, weil die angeblich Gecancelten am Ende immer profitieren – und es sei schließlich nicht links, ständig dasselbe zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten.“
Irgendwie scheint es schwer vorstellbar zu sein, dass Linke mitunter nur am Rande beteiligt sind.
Tatsächlich ist es längst ein Geschäftsmodell, sich öffentlich als Cancel-Opfer zu inszenieren – völlig egal, ob an der Kritik etwas dran ist oder man schlicht keinen Widerspruch verträgt.
Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen denen der Auftritt angeblich abgesagt wurde.
Ich sollte vielleicht eine Agentur gründen, bei der man sich das Canceln bestellen kann – als letzter PR-Trick für mittelmäßige Künstler.
Ein schlechter Musiker verkauft über die Wutbürger-Schiene noch ein paar Tonträger.
Ein miserabler Autor funktioniert noch über das Narrativ: „Endlich sagt es mal einer!“ – obwohl er es längst schon hundertmal in Talkshows gesagt hat.
Was mich bei Poschardt interessieren würde: Wird sein Buch ähnlich selten gelesen wie die von Sarrazin – oder dient es auch bloß als pseudo-intellektuelle Requisite im Bücherregal?
@Frank Gemein: Tja, da sehen Sie mal, wie krass die linksgrüne Diskursdominanz schon ist – die müssen nicht mal was sagen, diese Fiesen, oder auch nur mitkriegen, dass jemand etwas ‚Verbotenes‘ sagen will, und die Person wird trotzdem gecancelt!
@AM:
„Ich selbst bin der Meinung, „Cancel Culture“ unterstellt, dass der linksgrüne Mainsteam tatsächlich existiert, was ich für Quatsch halte.“
Cancel Culture funktioniert ja auch nicht (zuverläsig). Das liegt halt daran, dass dieser Mainstream nicht existiert, bzw., der „Stream“ ist nicht „Main“ genug. Ändert nichts daran, dass häufiger _versucht_ wird, Leute zu Canceln.
@FG
„Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen denen der Auftritt angeblich abgesagt wurde.“
Na, das zumindest ist aber logisch. Lisa wurde natürlich nicht wegen der linken Nachbarschaft abgesagt (oder wegen den Juden vllt.?), sondern wegen des „schwarzen Blockes“. Kann natürlich sein, dass das einfach ein paar Kollegen von Ihr waren, die Ihr einen Streich spielen wollten. Oder Ihr eine Rolle als Opfer verschaffen wollten, False Flag und so.
@Mycroft:
„Na, das zumindest ist aber logisch. Lisa wurde natürlich nicht wegen der linken Nachbarschaft abgesagt (oder wegen den Juden vllt.?), sondern wegen des „schwarzen Blockes“. “
Dafür, dass Sie offensichtlich keine Ahnung haben, klingen Sie aber mächtig überzeugt. Aber genau das ist wohl das Problem.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Lisa-Eckhardt-konstruierte-Debatte-um-Cancel-Culture,lisaeckhart102.html
„Es gab keine Drohungen
Allein, die Drohungen hat es gar nicht gegeben. Das schreibt der Nochtspeicher in einer Pressemitteilung auf der Homepage selbst: Es habe lediglich Warnungen aus der Nachbarschaft gegeben, aber eben keine Drohungen, von denen der Festivalleiter mit Bezug auf den Nochtspeicher sprach. Auf ZAPP-Anfrage bestätigt der Nochtspeicher noch einmal, dass es keine Drohungen etwa des Schwarzen Blocks oder anderer gab. So ist das gezeichnete Schreckensbild von gewalttätigen Autonomen nicht mehr als eine überdimensionierte Projektion einer mikroskopischen Darstellung.“
Aha. Es gab keine Drohungen, nur Warnungen. Ja dann. Wovor genau warnte die liebenswerte Nachbarschaft denn genau?
Doch nicht etwa, sich totzulachen?
@Lake_of_the_woods:
Lesen Sie meine Kommentare bitte etwas aufmerksamer. Weiter oben schrieb ich:
„Niemand war wohl überraschter über die Absage des Auftritts der antisemitischen Lisa Sowieso in Hamburg als ausgerechnet die linken Wohnprojekte und Gruppen in der Nachbarschaft – jene, wegen derer der Auftritt angeblich abgesagt wurde.“
Fragen Sie doch den Veranstalter – der scheint es als Einziger zu wissen.
Oder halten Sie es wie Die Zeit:
„Das kann einem schon Angst einjagen. Also: Dass man an die Existenz eines Gespenstes so sehr glauben kann, dass man mit Schilderungen über das Unwesen, das es vermeintlich treibt, das Dorfgespräch derart bemühen kann. Der Witz an Gespenstern ist nun aber dieser: Es ist völlig egal, wenn man ganz viel über sie redet, es belegt ihre Existenz nicht einen Deut mehr, es macht ihre Existenz nicht einmal wahrscheinlicher. Es spukt dann bloß in mehr Köpfen.“
https://www.zeit.de/kultur/literatur/2020-08/lisa-eckhart-comedian-cancel-culture-hamburg
Lisa „Sowieso“ jedenfalls taucht ohne Gerüchte und/oder Antisemitismus deutlich seltener in den Medien auf.
Honi soit qui mal y pense.
Variante 1:
Linke Gruppen haben mit Warnungen Eckharts Ausladung bewirkt.
Variante 2:
Veranstalter denkt sich Warnungen aus, um sie auszuladen, weil sie ihm zu rechts ist. Das wird von vielen, tendenziell eher linken Kommentatoren unterstützt.
Variante 3:
Sie selbst hat diese Warnungen ausgesprochen. Dass das funktionierte, belegt, dass echte Linke das auch hinbekommen hätten. Zumal die Ausladung auch Zustimmung erhielt.
Variante 4:
Herr Mycroft neigt dazu zu spekulieren, sobald ihm der Verlauf der Diskussion missfällt.
Festzuhalten bleibt lediglich:
Einmal mehr fiel sorgfältige Recherche der Klicklogik der Medien zum Opfer.
Cancel Culture verkauft sich hervorragend – da geht doch noch was, oder?
Hat die Sowieso nicht auch Streit mit einem jüdischen Intellektuellen?
Wurden in Hamburg nicht Farbbeutel auf das Haus von XYZ geworfen – von der Antifa?
Reicht das nicht für eine kleine Serie?
Wir empören uns gern über Bannons „flood the zone with shit“ –
aber von wem hat er das wohl gelernt?
@F. Gemein
Aus Ihrem Link:
„Wer da wie warum und aufgrund welcher möglichen Hinweise vor was genau gewarnt hat, ließ sich nicht unmittelbar herausfinden, auch Veranstalter haben ein Wochenende.“
Wenn also sogar in der Zeit spekuliert statt recherchiert wird, größeres deutsches Medium und so, darf ich das natürlich auch.
Aber ich gestehe Ihnen zu, dass der Veranstalter Eckhart einfach canceln wollte und sich die Drohungen/Warnungen vielleicht auch komplett ausgedacht hat.
Was die Sache irgendwie nicht besser macht.
„Wer da wie warum und aufgrund welcher möglichen Hinweise vor was genau gewarnt hat, ließ sich nicht unmittelbar herausfinden, auch Veranstalter haben ein Wochenende.“
Wenn also selbst in der Zeit nicht recherchiert, sondern spekuliert wird – einem der größten deutschen Medienhäuser –, dann darf ich das natürlich auch.
Dabei ist die Aussage, etwas lasse sich nicht herausfinden, eigentlich das genaue Gegenteil von Spekulation.
Aber da Sie das Spekulieren so lieben:
Bereits im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass andere Künstler ihre Teilnahme davon abhängig machten, dass Frau Sowieso nicht auftritt – mit Verweis auf ihre angeblich „antisemitischen Äußerungen“.
Wie macht man daraus am besten eine Win-win-Situation?
„Dabei ist die Aussage, etwas lasse sich nicht herausfinden, eigentlich das genaue Gegenteil von Spekulation.“
Wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft wären, etwas herauszufinden, ja.
Wenn man auf den laufenden Urlaub von jemanden verweist, nicht.
„Bereits im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass andere Künstler ihre Teilnahme davon abhängig machten, dass Frau Sowieso nicht auftritt – mit Verweis auf ihre angeblich „antisemitischen Äußerungen“.“
Ok – dann hat man die anderen Künstler also befragt? Die könnten diesbezüglich natürlich einen Kommentar verweigern oder sogar lügen, aber so gänge Recherche.
„Wie macht man daraus am besten eine Win-win-Situation?“
Indem man Eckhardt oder wie sie heißt känzelt, und dann behauptet, das käme von linken Gruppen, und dann behauptet, es käme nicht von irgendwelchen linken Gruppen? Keine Ahnung.
Leute … die Lisa Eckart Cancel-Opfer-Debatte war vor 5 Jahren. Ohne sie wäre Lisa Eckart heute nicht Stammgast bei Dieter Nuhr. (Nach 5 Jahren könnte man auch fragen: Wurde da wer gekänzelt oder war das der Publicity Boost, der überhaupt erst für ihren „Durchbruch“ gesorgt hat?)
https://uebermedien.de/52132/canceln-wir-die-idee-der-cancel-culture/
Kein Protest war angekündigt, es wurde ein „schwarzer Block“ herbei imaginiert um Cancel Culture zu „belegen“. Die „besorgten Bürger™“ mussten dann als Prellbock für das diffuse Gefühl von Angst vor bösen linken schwarzen Buhmännern herhalten.
Und mal ehrlich … Muss die Kommentarspalte unter jedem dritten Artikel jetzt in einem Gemeincroft-Kleinkrieg enden?
@Anderer Max:
Im Prinzip ist es ja sehr freundlich, dass Sie deeskalieren möchten – Übertreibungen helfen dabei allerdings selten weiter.
Aktuell gibt es zwei aktive Threads, auf die Ihre Einschätzung in gewissem Maße zutrifft. Bei einem davon („Neue Softies braucht das Land“) habe ich mich allerdings bereits vor fünf Tagen aus der Diskussion zurückgezogen. Seither dreht Mycroft dort mit einem anderen Kommentator seine endlosen Runden.
In Ihrem Kommentar wiederholen Sie letztlich genau das, was ich die ganze Zeit über betont habe. Mein Insistieren lag schlicht daran, dass mir dieses Thema besonders am Herzen liegt. Ich kenne die „Nachbarschaft“ des Nochtbunkers ziemlich gut und bin generell auf St. Pauli sehr gut vernetzt.
Wenn man Dinge aus erster Hand erlebt hat, ist es umso ärgerlicher, wenn Fremde versuchen, einem ein absurdes Narrativ wie das der „Cancel Culture“ aufzuzwingen – als wollten sie einem erklären, was man selbst erlebt hat.
@Anderer Max: Ich halte niemanden davon ab, hier zu diskutieren. Insofern nehme ich dasselbe „Recht“ in Anspruch, dass ich allen anderen auch zugestehe.
„Nach 5 Jahren könnte man auch fragen: Wurde da wer gekänzelt oder war das der Publicity Boost, der überhaupt erst für ihren „Durchbruch“ gesorgt hat.“
Tja.
Fassen wir zusammen:
– es ist nicht ganz klar, von wem sie damals gecancelt oder vielleicht nur „gecancelt“ wurde, anscheinend will es niemand gewesen sein
– sofern man sie wirklich canceln wollte, wird sich „niemand“ jetzt ärgern
– sofern man sie „boosten“ wollte, hat das jetzt geklappt
Dieselbe Diskussion könnte man auch für aktuellere Fälle führen, insofern ist es EGAL.
Wenn die versuchte Cancelierung nicht klappt (Woody-Alan-Biographie), heißt es: es gibt keine Cancel-Culture, weil es nicht funktioniert.
Wenn sie klappt, aber die Cancelierten daraus später Vorteile ziehen (Lisa Eckhart), heißt es, es gibt keine Cancel-Culture, weil es nicht die erwünschte Wirkung hat.
Wenn sie klappt, und die Cancelierten daraus keine späteren Vorteile ziehen (Johnny Depp), heißt es, dass das keine Cancel-Culture sei, sondern gerechtfertigt.
https://www.derstandard.at/story/3000000273174/wirbel-um-pensmuseum-warum-schnellschuesse-bei-komplexen-feministischen-themen-allen-schaden
Was meinen Sie, ist das keine Cancel-Culture, weil Frau Klemm später darüber ein Buch schreiben wird, oder ist es keine Cancel-Culture, weil Frau Klemm es verdient hat? Aus dem Buch ist sie ja bereits entfernt worden.
Aus dem von @Mycroft verlinkten Beitrag:
„Die Skandalisierungsrhetorik hat sich bei den Debatten der vergangenen Jahre rund um den Nebelwerferbegriff ‚Cancel Culture‘ noch nie als produktiv erwiesen – außer für rechte Politiker.“
Und genau das ist das Problem: Der Begriff ist völlig beliebig einsetzbar.
Er reicht von der Teenagerin, die ihren ersten Freund verlässt, über Künstler, die nicht mit bestimmten Kollegen auftreten wollen, bis hin zu Gewaltandrohungen gegen Veranstalter, die bestimmten Personen eine Bühne bieten.
Warum ist der Begriff so beliebig?
Weil er Teil einer rechten Kulturkampfstrategie ist – einer inszenierten moral panic.
Nur so wird das ständige Rumgeopfer privilegierter, weißer Männer überhaupt möglich: Die Begrifflichkeit hat längst keinen Bezug mehr zum konkreten Anlass.
Wer will schon „Cancel Culture“ differenzieren – nach Gründen fragen, nach Unterschieden, nach Berechtigungen?
Etikett drauf, Urteil gesprochen, Klappe zu.
Und später? Dann werden Gesetze erlassen, die Sprachverbote bedeuten, Bücher verboten, Menschen entlassen – alles im Namen der Freiheit, im vermeintlichen Kampf gegen Cancel Culture und Diversität.
„Er reicht von der Teenagerin, die ihren ersten Freund verlässt, über Künstler, die nicht mit bestimmten Kollegen auftreten wollen, bis hin zu Gewaltandrohungen gegen Veranstalter, die bestimmten Personen eine Bühne bieten.“
Die Teenagerin, die ihren Freund verlässt, würde ich erstmal rausnehmen. Außer, wenn die Teenagerin es schafft, dass der Freund auch seinen Job verliert.
Und meinetwegen könnte man die Gewaltandrohungen auch rausnehmen, weil es dafür den Begriff „Nötigung“ gibt.
Dass jemand nicht mit jemand anderen eine Bühne teilen will, ist noch keine Cancel-Culture, aber wenn die Bühne schon dabei klein bei gibt, was macht die erst bei Nötigung?
„Wer will schon „Cancel Culture“ differenzieren – nach Gründen fragen, nach Unterschieden, nach Berechtigungen?“ Keine Ahnung? Wenn _ich_ das mache, höre ich jedesmal nur so Billig-Ausreden wie: „Das ist ja gar keine Cancel-Culture, Cancel-Culture ist [beliebige Nebenbedingung].“
„Und später? Dann werden Gesetze erlassen, die Sprachverbote bedeuten, Bücher verboten, Menschen entlassen.“ Welche Gesetze wären das? Aber ja, man wollte Reden, Bücher und Kapitel von Büchern verhindern, und Leute sind entlassen worden. Was man selbst macht, unterstellt man anderen, woll?
Gegen Wahn kommt man nicht an. Zum Schluss noch eine Buchempfehlung.
https://shorturl.at/JRxFv
“
Adrian Daub
Cancel Culture Transfer
Wie eine moralische Panik die Welt erfasst
Ein Gespenst geht um in Europa, ja in der ganzen Welt – das Gespenst der Cancel Culture. Glaubt man diversen Zeitungen, dürfen insbesondere weiße Männer jenseits der vierzig praktisch nichts mehr sagen, wenn sie nicht ihren guten Ruf oder gar ihren Job riskieren wollen. Ist da etwas dran? Oder handelt es sich häufig um Panikmache, bei der Aktivist:innen zu einer Gefahr für die moralische Ordnung stilisiert werden, um ihre berechtigten Anliegen zu diskreditieren?
Der Ursprung der Cancel Culture wird üblicherweise an US-Universitäten verortet. Adrian Daub lehrt im kalifornischen Stanford Literaturwissenschaft. Er zeigt, wie während der Reagan-Jahre entwickelte Deutungsmuster über Campus-Romane verbreitet und auf die Gesellschaft insgesamt übertragen wurden. Man pickt einige wenige Anekdoten heraus und reicht sie herum, was auch hierzulande zu einer verzerrten Wahrnehmung führt. Anhand quantitativer Analysen zeichnet Daub nach, wie diese Diagnosen immer weitere Kreise zogen, bis sie auch die Twitter-Kanäle deutscher Politiker erfassten.
„
„Glaubt man diversen Zeitungen, dürfen insbesondere weiße Männer jenseits der vierzig praktisch nichts mehr sagen, wenn sie nicht ihren guten Ruf oder gar ihren Job riskieren wollen.“
Das ist eine Taktik, die man das „Verschieben des Torpfosten“ nennt. Dass Wham „praktisch nichts mehr sagen“ dürfen, ist eine Maximalbehauptung, die ich nirgends getroffen habe.
Stattdessen wird mir treuherzig erzählt, dass die Känzelung Eckharts nicht durch Gewaltdrohung zustande kam, sondern durch die Missbilligung irgendwelcher anonym gebliebener Menschen, also wäre das nicht schlimm. D.h., eine kleine Gruppe kann den Auftritt unliebsamer Menschen mit viel weniger Aufwand als Gewalttätigkeit verhindern. (Dass das nicht die Linken waren, die Sie persönlich kennen, glaube ich mal, aber Sie kennen nicht alle persönlich.)
@Anderer Max: das mit dem „immer dasselbe machen und erwarten, dass sich was ändert“ ist mEn die Definition von Wahnsinn, aber egal:
dass regelmäßig auf diese Weise versucht wird, Leute oder Texte der Öffentlichkeit fernzuhalten, liegt daran, dass das eben „oft genug“ funktioniert, sonst würde das von allein aufhören.
So ein Schwachsinn:
Mycroft bastelt sich irgendeine passende Geschichte zusammen – mit der absurden Begründung, die Beteiligten hätten das ja nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Und dann kommt er ernsthaft mit dem Argument, das Fehlen bestimmter Geschichten sei der Beweis, dass Cancel Culture funktioniere.
Anders gesagt: Weil angeblich niemand mehr etwas sagt, muss es sie geben – diese Cancel Culture.
Ein Paradebeispiel für ein zirkuläres Argument: Der fehlende Beweis wird selbst zum Beweis erklärt.
Und dann wirft er anderen vor, die Torpfosten zu verschieben?
Das ist nicht nur ironisch – das ist intellektuelle Bankrotterklärung.
Mycroft spielt mal wieder Taubenschach.
Ich bin da (inhaltlich) bei Frank Gemein: Den Begriff kann man für alles beliebig einsetzen, daher ist er wertlos. Er adelt eine Seite eines Interessenkonflikts durch Pseudo-Objektivierung.
Davon unabhängig ist er m. E. ein wesentlicher Teil der Opferkommunikation. Wer „objektiv“ das Opfer einer Kultur wird, der muss sein Argument inhaltlich weniger verteidigen.
„Leute oder Texte der Öffentlichkeit fernzuhalten“ ist halt Teil von Interessenkonflikten, war es schon immer. Diese Methode nun zu einer ausschließlich links-woken Kultur zu stilisieren, ist der rhetorische Kniff, der das Ganze pseudo-objektiviert und das vermeintliche Opfer dieser Kultur von inhaltlicher Argumentation befreit.
Zu Eckart: Ich erzähle hier nichts „treuherzig“. Es hat die Gewaltandrohung von links nicht gegeben, wie soll sie dann Beleg für eine Känzelkultur sein? Weil sich Anwohner vorstellen konnten, dass es evtl. zu gewaltsamen Protesten gegen Eckart kommen könnte … Irgendein Kabarettist prägte mal das Wort „Präventivparanoia“. Im Artikel von 2020 in #12 findet man meine Argumente: Wir wissen ja immer noch nicht, wer hier überhaupt aktiv gekänzelt haben soll.
Meine Argumentation ist keine von denen, die Sie in #63 anführen, Mycroft. Letztlich halte ich diese ganzen Vokabeln für rhetorische Mittel, die schwache Argumente in einem Interessenkonflikt kaschieren sollen.
„Ich bin da (inhaltlich) bei Frank Gemein: Den Begriff kann man für alles beliebig einsetzen, daher ist er wertlos.“
Ja, manche nennen auch Schmetterlinge „Cancel Culture“, man kennt’s.
Ok, der guten Ordnung halber, _ich_ verwende den Begriff für einen Vorgang, der folgendem Muster entspricht (aber kennen Sie wirklich jemanden, der etwas grundsätzlich anderes meint?):
1. Person xy (muss kein WHAM sein) wird für eine öffentliche Aufgabe vorgesehen (Vortrag, Veröffentlichung, Job)
2. eine kleine Gruppe von Leuten (muss nicht links sein) hat etwas gegen die Person, wobei die Gruppe – wenn überhaupt – nur einen sehr kleinen Teil des zukünftigen Publikums darstellt, und versucht die Veranstalter/Verleger/Arbeitgeber dazu zu bringen, der Person abzusagen (das eigentliche canceln)
3. das Argument, das die Gruppe gegen die Person vorbringt, ist ziemlich schwach, sofern es nicht erfunden ist
4. Veranstalter/Verleger/etc. geben dem trotzdem nach (das ist der „culture“ Anteil)
Ob das bei der Eckhart jetzt gewaltbereite Linke oder besorgte Nachbarn oder irgendwelche Kollegen waren, ist EGAL, da das in jedem Fall Schritt 2 ist. Da niemand dazu steht, wird auch kein Argument genannt, was ich mal kackdreist als „schwaches Argument“, Punkt 3, verbuche. Punkt 1+4 haben unstrittig stattgefunden. Klar soweit?
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass das vielleicht bei Eckhart Personen waren, die politisch eher rechts stehen, und Eckhart entweder puschen wollten oder tatsächlich canceln, aber weil sie zu links ist oder was, und dass das damit keine _linke_ Känzelkaltscher war. Was mir jetzt auch kein Trost wäre, aber nunja. Ist das Ihr Vortrag?
„Ist das Ihr Vortrag?“
Nein. Meinen „Vortrag“ (?!) finden Sie in #69. Dort steht, was ich gesagt habe, nicht in #70.
„Klar soweit?“
Ich verstehe, dass Sie CC subjektiv so verstehen und kann das auch nachvollziehen. Aber verstehen Sie auch, dass es andere nicht tun?
„aber kennen Sie wirklich jemanden, der etwas grundsätzlich anderes meint?“
Kurz: Ja, klar. Das ist ja das Problem: Jeder interpretiert was anderes in den Begriff. Eine objektivierbare Definition finden zu wollen, ehrt Sie ja, aber es liegt in der Natur solcher Kampfbegriffe, dass sie ein Bild im Kopf auslösen (sollen). Das ist ihr Zweck. Und das ist m. E. Bestandteil der Opferkommunikation, wie erläutert. Ebenfalls unabhängig von links oder rechts.
Was Sie unter „2“ definieren, ist ja so nicht passiert. Es hatte ja keiner was gegen die Person, außer dass sie vermutlich öffentlich für ihre Inhalte (u. A. flache Judenwitze) kritisiert wurde. Wo da das Problem sein soll, erschließt sich mir nicht.
Der Auftritt wurde abgesagt, weil angeblich besorgte Anwohner (ich bezweifle sogar, dass es die tatsächlich gab) gewaltsame linke Proteste fürchteten, die nie angekündigt waren oder stattgefunden haben. Die Presse machte daraus CC von links.
Und auch das Thema „Markt regelt“ könnte man da wieder ansprechen. Wenn Heidi Reichinek nicht von Compact zum Interview geladen wird, ist das doch auch keine CC.
Für mich ist jetzt Ende der Diskussion. Alles wurde schon viel zu oft gesagt. Ich kann nur ans Herz legen, die Kolumne von Samira aus 2020 noch einmal aufmerksam zu lesen.
„Ich verstehe, dass Sie CC subjektiv so verstehen und kann das auch nachvollziehen. Aber verstehen Sie auch, dass es andere nicht tun?“
Ja, um sich um Argumente herumzudrücken. Ist das meine Schuld?
„Es hatte ja keiner was gegen die Person, außer dass sie vermutlich öffentlich für ihre Inhalte (u. A. flache Judenwitze) kritisiert wurde.“
Wenn ich jemanden für einen Antisemiten halte, habe ich was gegen soi persönlich, nicht nur gegen iose Witze. Außerdem argumentieren Sie jetzt mit der mutmaßlichen Motivation von Leuten, von denen Sie und FG mir die ganze Zeit erzählen, dass man sie gar nicht kennt.
„Und auch das Thema „Markt regelt“ könnte man da wieder ansprechen.“ Ja. Das wäre, wenn Eckhart gar nicht erst eingeladen worden wäre (1) oder aber, wenn daraufhin so wenig Tickets verkauft würden, dass man sie darum wieder auslädt. Aber dann wäre es kein sehr kleiner Anteil des Publikums mehr (2), der was gegen Eckhart hätte.
„Ich kann nur ans Herz legen, die Kolumne von Samira aus 2020 …“
Ja. Wenn Sie oder El Ouassil oder Herr Gemein der Auffassung sind, dass der Begriff „Cancel Culture“ als solcher verbrannt sei, weil er zu polemisch aufgeladen ist, mögen Sie gerne einen anderen vorschlagen.
Aber ja, die Diskussion ist meinetwegen vorbei.
Und weiterhin: freies Assoziieren bei Mycroft:
„Wenn ich jemanden für einen Antisemiten halte, habe ich etwas gegen ihn persönlich, nicht nur gegen seine Witze.“
Das mag bei Ihnen so sein, aber daraus wird kein Naturgesetz. Bleiben Sie bitte bei dem, was Sie wissen – und verschonen Sie uns mit dem, was Sie nur annehmen.
Schauen Sie doch einfach mal in die Jüdische Allgemeine und nutzen Sie die Suchfunktion zu Lisa Eckhart. Dort finden sich wohlartikulierte, differenzierte Auseinandersetzungen mit ihrer Arbeit. Aber Sie machen daraus ein persönliches Sentiment.
„Außerdem argumentieren Sie jetzt mit der mutmaßlichen Motivation von Leuten, von denen Sie und FG mir die ganze Zeit erzählen, dass man sie gar nicht kennt.“
Der Unterschied ist gravierend: Sie insistieren auf eine Bewertung des Vorgangs – obwohl Sie ebenso wenig wissen wie wir. Warum? Weil Sie ihn verwerten wollen.
Wir hingegen liefern alternative Erklärungen. Auch unbeweisbar – aber mindestens ebenso plausibel wie Ihre Spekulationen.
Sie hingegen wollen das Ergebnis zum Beweis des Vorgangs machen. Das ist die Grundlage jeder Verschwörungstheorie. Ein „Cui bono?“ für ganz Arme.
Und selbst wenn es Künstler:innen waren, die den Auftritt verhindert haben: Das ist nichts Neues. So etwas passiert, seit es Bühnen gibt.
Was macht es zur Cancel Culture – außer dass es sich gut in rechte Kulturkampf-Narrative einfügt?
Ein paar Fragen zur Einordnung:
War der Israel-Boykott des BDS Cancel Culture?
War es der Südafrika-Boykott zu Apartheidszeiten?
Ist ein Russland-Boykott Cancel Culture?
Waren Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung Cancel Culture?
Ist ein Boykott der Bild-Zeitung Cancel Culture?
Oder eine Kampagne gegen Böhmermanns Sendung?
Sind Kampagnen gegen Baerbock, Habeck und Ricarda Lang Cancel Culture – oder politische Meinungsäußerung?
Und wie sieht es bei Jette Nietzard aus?
Luke Mockridge ist Cancel Culture – gilt das dann auch für Harvey Weinstein? Für Sean Combs? Oder machen Sie da Unterschiede – und wenn ja, woran?
Warum ich so vehement widerspreche?
Weil es sich um einen von rechts initiierten Kulturkampf handelt, mit dem Ziel, die kulturelle Hegemonie zurückzuerlangen.
Dafür wird ein Popanz aufgebaut: eine angeblich „linke Meinungsdiktatur“, die angeblich „den Diskurs verunmöglicht“.
Dass diese Darstellung in der Realität völlig absurd ist – zeigt ein Blick auf Medienmacht, Verkaufszahlen, Sichtbarkeit und Gesetzgebung. Alles weist in die gegenteilige Richtung.
In den USA, wo diese moral panic ihren Ursprung hat, zeigt sich das besonders deutlich:
„Konservative und Rechte berufen sich dabei auf die Rede- und Meinungsfreiheit und rufen immer dann Cancel Culture, wenn ihre Positionen kein Gehör finden, etwa durch Ausladungen oder Kritik im Netz.
Umgekehrt sind es in den USA gerade die Republikaner, die mit parlamentarischer Mehrheit eine echte Cancel Culture durchsetzen: Bücherverbote in Bibliotheken, Einschränkungen von Schulunterricht, Verbote von Drag-Shows, Ausschluss von Transpersonen aus der Gesundheitsversorgung, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.“
→ Quelle: Deutschlandfunk Kultur
Nochmal die Quelle zum Zitat:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kulturkampf-cancel-culture-anti-woke-usa-100.html
Alles klar – ein Diskurs!
„War der Israel-Boykott des BDS Cancel Culture?“
Wieso „war“? Hat der aufgehört? Aber soweit die Auftritte und Veröffentlichungen von Israelis verhindert werden sollen, ja. Außerdem halte ich die Argumente auch für dünn.
„War es der Südafrika-Boykott zu Apartheidszeiten?“
Da hatte mWn die Mehrheit des „Publikums“ (Punkt 2) sich demokratisch gegen den Handel mit Südafrika entschieden, bzw. demokratisch gewählte Regierungen, also nein.
„Ist ein Russland-Boykott Cancel Culture?“
Dito.
„Waren Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung Cancel Culture?“
Die Demonstranten waren wohl die eigentliche Zielgruppe. Aber waren die Argumente gegen die Wehrmachtsausstellung etwa stark, Ihrer Meinung nach? Außerdem wurde die Ausstellung nicht beendet, es fehlte also Punkt 4.
„Ist ein Boykott der Bild-Zeitung Cancel Culture?“
Nein. Wenn das genug machen, dass die BILD pleite geht, ist das kein kleiner Anteil des Publikums mehr, außerdem gibt es eine Menge starker Argumente, keine BILD zu kaufen.
„Oder eine Kampagne gegen Böhmermanns Sendung?“
Käme drauf an – ginge die vom Publikum aus? Hat sie gute Argumente?
„Sind Kampagnen gegen Baerbock, Habeck und Ricarda Lang Cancel Culture – oder politische Meinungsäußerung?“
Die sind schon deshalb keine CC, weil Punkt 2 nicht zutrifft, und eventuell Punkt 3 nicht. Die gegen Gelbhaar schon.
„Und wie sieht es bei Jette Nietzard aus?“
Eventuell.
„Luke Mockridge ist Cancel Culture – gilt das dann auch für Harvey Weinstein? Für Sean Combs? Oder machen Sie da Unterschiede – und wenn ja, woran?“ Ich mache Unterschiede. Siehe Punkt 3: der Mindestanspruch an ein Argument, um keine CC zu sein, wäre, dass es _zutrifft_. Also bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen, dass es zumindest ein laufendes Verfahren gibt und man das Urteil abwarten will. Das ist der Unterschied zwischen Mockridge einerseits und Weinstein und Combs andrerseits.
Aber wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben, würde ich das Gespräch an dieser Stelle beenden.
Okay … Eine Runde um den Block noch … Weil es so viel Spaß macht … *hust*
„(..) mögen Sie gerne einen anderen vorschlagen.“
George Carlin wäre begeistert. Ist wirklich nicht klar geworden, dass ich der Meinung bin, dass „Auseinandersetzung“ oder „Meinungsverschiedenheit“ oder das mehrfach schon benutzte Wort „Interessenkonflikt“ völlig ausreichen, um das zu beschreiben? Diesen Worten wohnt inne, dass es sich um einen Konflikt zweier (gleichwertiger) Parteien handelt.
Eben das genaue Gegenteil dessen, was eine unterstellte „Kultur der Abschaffung“ semantisch beinhaltet (also, dass eine Partei generell Diskurs-übermächtig sei und der Kampf dagegen deshalb nobel, nötig und Bürgerpflicht sei – All das abseits jeglicher inhaltlicher Argumente zu dem jeweiligen Sachthema).
Die unterstellte Ungleichwertigkeit ist der rhetorische Kniff.
Subjektiver Meinungsexkurs:
Und das haben sich die Rechten von den Linken abgeschaut. Nur, dass die Linken (nicht die Partei) tatsächlich gegen institutionalisierte Ungerechtigkeit gekämpft haben. Da diese institutionalisierte Ungerechtigkeit immer noch die gleiche (konservativ, kapitalistisch, imperialistisch) ist, taugt sie nicht als Begründung für den rechten Kulturkampf. Also brauchen rechte Akteure so etwas wie die herbeiphantasierte CC, um ihren noblen David-gegen-Goliath-Kampf gegen so schlimme institutionalisierte Dinge wie Gleichberechtigung, Menschenwürde und Freiheitsrechte zu rechtfertigen – ironischerweise, indem man die eigenen Gelüste zur Ungleichbehandlung auf die Gegenseite projiziert (durch Gleichsetzung von Widerspruch mit Unterdrückung, wie auch schon vor 5 Jahren von mir aufgeschrieben und oben mit dem Wort „Gleichwertikeit“ durchargumentiert).
Ich kommentiere bereits vor 5 Jahren: Dann ist die Entnazifizierung auch Cancel Culture … Damit will ich nur die Beliebigkeit betonen, mit der man CC einfach vorwerfen kann. Wenn alles CC ist, ist nichts CC und dann ist der Begriff wertlos und kann weg (und braucht auch keinen politisch korrekten Ersatzbegriff).
Den Schmetterling verstehe ich nicht in dem Kontext.
Achso, ich habe bei der Wehrmachtausstellung nicht zu Ende geschrieben – es war versuchte CC.
Sonst noch Fragen?
Ach ja – auf diese ominösen „vier Punkte“ bin ich gar nicht erst eingegangen, weil ihre Definition schlicht absurd ist.
In einer Demokratie ist der Schutz von Minderheiten nicht abhängig von ihrer Größe.
Das wäre nicht Demokratie, sondern die Logik des Mobs. Wenn also eine kleine Gruppe sich wehrt, zählt einzig die Relevanz und Validität ihrer Argumente – nicht ihre zahlenmäßige Stärke.
Gerade Antisemitismus ist dafür ein eindrückliches Beispiel: Die Tatsache, dass eine Minderheit betroffen ist, macht die Problematik nicht weniger real, sondern umso schützenswerter.
Was uns zu Punkt 3 bringt:
Bei welchem gesellschaftlichen oder politischen Thema sind denn nicht beide Seiten überzeugt, die besseren Argumente zu haben?
Was ist das bitte für eine absurde Prämisse?
Wenn das die Grundlage ist, dann ist jede Auseinandersetzung automatisch entwertet – weil sich ja immer beide Seiten für im Recht halten.
Und dann Punkt 4:
Wenn Sie den Begriff Cancel Culture auch noch davon abhängig machen, wie erfolgreich jemand am Ende ist, dann wurde Dieter Nuhr logischerweise niemals gecancelt.
Er ist dann also uncancelbar – was wiederum die Frage aufwirft:
Was soll dann eigentlich das ganze Gejammer?
Und genau da liegt das Problem mit Ihrer Argumentation, Mycroft:
Sie bestimmen, was Cancel Culture ist.
Sie legen fest, wann etwas berechtigt ist.
Sie definieren, wer Recht hat.
Das ist keine Analyse – das ist ein autoritärer Alleinvertretungsanspruch im Tarnanzug einer Debatte.
„In einer Demokratie ist der Schutz von Minderheiten nicht abhängig von ihrer Größe.“
Eine Minderheit findet, sie müsse bspw. vor Mockridges „Humor“ geschützt werden. Einverstanden. Soll sie sich ihm fernhalten und die Mehrheit in Ruhe lassen. Die Minderheit will aber auch nicht, dass die Mehrheit dem ausgesetzt wird. Was ja nett gemeint ist, aber etwas übergriffig.
„Wenn also eine kleine Gruppe sich wehrt, zählt einzig die Relevanz und Validität ihrer Argumente – nicht ihre zahlenmäßige Stärke.“
Ja. Welche validen Argumente wären das?
„Bei welchem gesellschaftlichen oder politischen Thema sind denn nicht beide Seiten überzeugt, die besseren Argumente zu haben?“
Joar. So gesehen kann man auf Diskussionen auch ganz verzichten.
„weil sich ja immer beide Seiten für im Recht halten.“
Eben. Keine Gerichtsprozesse mehr, keine Debatten im Bundestag, whatever.
„Wenn Sie den Begriff Cancel Culture auch noch davon abhängig machen, wie erfolgreich jemand am Ende ist, dann wurde Dieter Nuhr logischerweise niemals gecancelt.“
Ganz genau.
„Er ist dann also uncancelbar.“
Taubenschach: dass Nuhr bis dato nicht gecancelt wurde, belegt seine Uncancelbarkeit ebensowenig, wie es seine Unsterblichkeit belegt, dass er noch nicht tot ist.
„was wiederum die Frage aufwirft:
Was soll dann eigentlich das ganze Gejammer?“
Nuhr ist mir wumpe. Aber wer Nuhr nicht sehen will, soll halt Böhmermann gucken oder wen auch immer.
„Und genau da liegt das Problem mit Ihrer Argumentation, Mycroft:
Sie bestimmen, was Cancel Culture ist.“
Achwas? Eben war Ihre Beschwerde, dass niemand so richtig sagen kann oder will, was CC wäre. Jetzt beschweren Sie sich über das genaue Gegenteil. Im Eckharts Fall ist noch nicht einmal klar, WER sie nicht dabei haben wollte – wie Sie ja mehrfach betonten – also ist insbesondere unklar, mit welcher Begründung man dagegen war. Offenbar ist ein fehlendes Argument schwächer als ein vorhandenes.
„Sie legen fest, wann etwas berechtigt ist.“
Nö. Ich finde nur, dass nicht jede Ausladung oder Kündigung berechtigt ist und nenne die ungerechtfertigten Cancel Culture. Wenn Sie im Einzelfall der Auffassung sind, dass doch sie berechtigt seien, steht es Ihnen frei, dies zu begründen.
Ansonsten schönen Tag.
„Den Schmetterling verstehe ich nicht in dem Kontext.“
Gibt so ein Meme, jemand schaut auf einen Schmetterling und fragt naiv „ist das xy?“ Also bspw. xy = Cancel Culture.
Ich bin tatsächlich nicht der Ansicht, dass ein Interessenkonflikt automatisch ein Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Interessen ist, auch wenn die _Parteien_ gleichwertig oder gleich stark sind.
Aber wie auch immer. Wie ich gerade erfahren habe, sind Diskussionen eh sinnlos, weil jeder Mensch denkt, er habe Recht.
Schönen Tag auch Ihnen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Mycroft, ist es für Sie CC, dass Eckart nicht auftrat, weil schwache Argumente dazu führten (die diffuse Angst diffuser Gruppen vor diffusen Aktionen anderer diffuser Gruppen). Okay. Wenn es aber ein „starkes Argument“ gegeben hätte, sie nicht auftreten zu lassen, wäre es keine CC gewesen. Okay. Antisemitischen Witzen keine Bühne zu geben, ist schon ein starkes Argument, oder? Wäre das einfach genannt worden als Grund, wäre es Ihrer Definition nach also keine CC gewesen.
Das einzige Problem: Für den rechten Teil des Diskurses wäre das trotzdem CC gewesen, denn es geht ihnen nicht um tatsächliche starke Argumente, sondern um die Wut gegen imaginäre Argumente. Die Beschwerde über antisemitische Witze wäre (und wurde und wird!) als albernes Anstellen der fiesen Linken markiert, die wollen, dass man gar nichts mehr sagen dürfe. Egal, was das Argument ist. Längere Erläuterung siehe Anderer Max.
Wenn Begründungen „on the fly“ definiert werden, kommt genau so etwas dabei heraus:
„Eine Minderheit meint, sie müsse sich vor Mockridges ‚Humor‘ schützen. Einverstanden. Dann soll sie sich ihm halt fernhalten – und die Mehrheit in Ruhe lassen.“
Nein, Mycroft. Sie benutzen den Begriff Mehrheit wie sonst nur die Knallchargen von der AfD: als rhetorisches Faustpfand, um „das Volk“ in Geiselhaft zu nehmen.
Es reicht völlig, wenn es einen Sendeplatz für abgeschmackten Humor gibt.
Aber zu behaupten, die Mehrheit der Deutschen bestehe auf Behindertenwitze – das ist schlicht absurd.
Den meisten dürfte das Thema schlicht egal sein.
Wäre Eckhart nicht aus Österreich, sondern aus Gaza – hätten Sie vermutlich kein Problem damit, sie lebenslang aus allen Sendeanstalten zu verbannen. Und zwar für einen einzigen „Gag“.
In meiner Kindheit und Jugend galt es bei vielen als besonders freigeistig, Gaskammerwitze und Auschwitz-Humor zu machen –
so wie es bis heute für Rassismus und Sexismus im „Humor“ gilt.
Natürlich darf es keine selbsternannte Humorpolizei geben.
Aber ebenso wenig kann man Künstler zwingen, mit Flachpfeifen aufzutreten.
Ebenso wenig kann man Nachbarn verbieten, berechtigten Protest zu äußern – nur damit „jeder Idiot nebenan“ auftreten darf.
Jeder Fall muss einzeln verhandelt werden – Protest wie Darbietung.
Dann zählen Argumente, nicht Mehrheiten. Und auch nicht, was jemand in seinem Confirmation Bias für die besseren Argumente hält.
Das muss schon auf erwachsenem Niveau ausgehandelt werden.
Das Gegenteil davon ist die moralische Panik rund um „Cancel Culture“.
Wer diesen Begriff ruft, will sich nicht auseinandersetzen – sondern selbst Grenzen ziehen.
Und wenn die Argumente fehlen, muss eben die „Mehrheit“ herhalten.
@Mr Re:
„Antisemitischen Witzen keine Bühne zu geben, ist schon ein starkes Argument, oder? Wäre das einfach genannt worden als Grund, wäre es Ihrer Definition nach also keine CC gewesen.“
Joar. Ein starkes Argument wäre nicht „Ich (anonymer Mensch im Internet) finde den Witz antisemitisch und deshalb will ich nicht, dass sie auftritt, obwohl ich mir das sowieso nicht ansehe.“ sondern: „Der und der Witz ist antisemitisch, weil 1., 2., 3. …, und darum bin ich dagegen, dass das irgendwer anderes hören kann.“ Jemand anderes könnte dann einwenden, dass der Witz nicht gegen Juden, sondern gegen Linke ginge, die Dritte sagt, dass Satire alles darf, noch wer anderes wäre vllt der Auffassung, dass Eckhart auftreten möge, sofern sie andere Witze macht, Herr Gemein findet möglicherweise, dass man niemanden „zwingen“ dürfe, mit Eckhart eine Bühne zu teilen, und Anderer Max sieht vielleicht einen Interessenkonflikt zwischen Eckharts Wunsch, mit Ihren Witzen Geld zu verdienen und Preise zu gewinnen und dem Wunsch Dritter, dass Eckhart gar kein Geld mit ihren Witzen verdient. Und am Ende würde der Veranstalter sie ausladen oder nicht, je nach dem, wessen Argumente stärker wären.
Aber ja, das wäre keine CC, sondern _Diskussions_kultur. (Die zweite Frage wäre natürlich, warum ein Veranstalter machen sollte, was irgendwelche Unbeteiligten im Internet oder sonstwo gerne hätten, aber davon ganz ab.)
„Das einzige Problem: Für den rechten Teil des Diskurses wäre das trotzdem CC gewesen, denn es geht ihnen nicht um tatsächliche starke Argumente, sondern um die Wut gegen imaginäre Argumente.“ Das ist nur das halbe Problem. Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.
Bei der Personalie Mischke bin ich übrigens der Auffassung, dass das ebenso keine CC sei, weil die ARD peinlicherweise kein einziges Pro-Argument hatte und niemand weiß, warum der den Job überhaupt bekommen sollte. Andere werden das anders sehen. *schulterzuck
„(…) dem Wunsch Dritter, dass Eckhart gar kein Geld mit ihren Witzen verdient.“ Der vorrangige Wunsch „Dritter“ wäre m. E. eher, dass die gute Frau keine antisemitischen Witze macht. Wenn sie es doch tut, möchte man das evtl. auch das Geldverdienen verhindern, aber das ist ja nicht das inhärente Anliegen.
Ich bin da pragmatisch: Wenn es einen Zielmarkt für diese Witzchen gibt, wird es auch Veranstalter geben, die sie buchen (wirtschaftliches Argument). Und dann gibt es evtl. einen Interessenkonflikt zwischen Menschen, die gerne antisemitische Witze machen (oder konsumieren) und denjenigen, die das geschmacklos finden.
„Ich bin tatsächlich nicht der Ansicht, dass ein Interessenkonflikt automatisch ein Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Interessen ist, auch wenn die _Parteien_ gleichwertig oder gleich stark sind.“
Gleich „stark“ halte ich für problematisch, bei gleichwertig gehe ich mit. Aber noch mehr würde mich da das „warum“ interessieren.
„(…) dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Also mir können Sie das nicht vorwerfen. Oder?
„Das ist nur das halbe Problem. Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Der „linke Teil“, von dem Sie nicht wissen, ob es ihn überhaupt gibt und wenn, woraus er besteht, was er überhaupt gesagt hat und ob zum Veranstalter oder zu dem Betreiber des Lokals?
Dieser linke Teil, der Ihnen dann zu allem Überfluss auch keine Argumente liefern will?
Das ist next-level madness.
Allein diese Fixierung auf „links“. Als wären die Kritiker von Eckhards Programm automatisch alles Linke, als könnten nicht auch andere Künstler:innen nicht mit ihr auftreten wollen.
Es ist offen sichtbar, was Ihre eigentlich Motivation ist.
Sie sind ein Kulturkämpfer, Mycroft.
„Gleich „stark“ halte ich für problematisch, bei gleichwertig gehe ich mit. Aber noch mehr würde mich da das „warum“ interessieren.“ Ach, doch?
Mensch A hält Witz X von Possenreißer Y für lustig, Mensch B für unlustig. Mensch B hat ein Interesse daran, diesen Witz (und generell alle Witze) von Y nicht zu hören. Das ist aber kein Interessen_konflikt_, da B nicht gezwungen ist, zu einer Veranstaltung mit Y zu gehen.
Jetzt will B aber, dass Y nicht auftritt, damit A diese Witze auch nicht hört. Weil er das erreichen will, muss B bessere Argumente liefern als „Y ist nicht lustig“. Ok. Nimmt B nur die eigenen Interessen wahr, oder auch die von Dritten? Welchen realen oder potentiellen Schaden richten iose Witze an? Stellt die Vermeidung dieses Schadens ein gleichwertiges oder größeres Interesse dar als der geforderte Eingriff in As Freizeit oder Ys Berufstätigkeit? Wer sollte diese Interessenabwägung vornehmen?
Das sind, was mich betrifft, keine rhetorischen Fragen. Sie werden aber eher selten beantwortet.
„Also mir können Sie das nicht vorwerfen.“
Ok, dann frage ich anders: hielten Sie die Ausladung von Eckhart, ungeachtet der Frage, auf wessen Veranlassung hin und aus welchen Gründen das geschah, für gerechtfertigt? Wenn ja, warum hielten _Sie_ sie für gerechtfertigt?
@Frank Gemein:
„Der „linke Teil“, von dem Sie nicht wissen, ob es ihn überhaupt gibt und wenn, woraus er besteht, was er überhaupt gesagt hat und ob zum Veranstalter oder zu dem Betreiber des Lokals?“
Na, erstens, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Und zweitens: Was kritisiert man denn an Eckharts Programm? Die politische Mittigkeit ja wohl nicht.
„Als wären die Kritiker von Eckhards Programm automatisch alles Linke, als könnten nicht auch andere Künstler:innen nicht mit ihr auftreten wollen.“ Angenommen, nächste Woche kickt Eckhart einen Konkurrenten aus dem Programm geworfen, mit dem sie nicht auftreten möchte – fänden Sie _das_ ok?
Ich bezog mich aber nicht auf Eckharts Programm allein, sondern auf die Diskussion über CC – weil der Begriff angeblich unscharf definiert sei, so erfahre ich, könne man ihn nicht verwenden, und weil man ihn nicht verwenden kann, braucht man darüber nicht zu diskutieren, und wer nicht zu diskutieren braucht, braucht keine Argumente.
Dass ein Künstler mit einem anderen nicht auftreten will, mag ja vorkommen, ist für mich aber kein besonders überzeugendes Argument – natürlich will niemand Konkurrenz.
@Mycroft: „ Das ganze Problem ist, dass der vereinfacht gesagt linke Teil des Diskurses das zum Vorwand nimmt, sich Argumente einfach zu klemmen.“
Naja. Der linke Teil – ich gehe in der Vereinfachung mal mit, passt schon – bringt in echten Diskussionen schon echte Argumente und erklärt, warum bestimmte Witze z.B. antisemitisch sind, auch wenn sie vielleicht von anderen nicht so empfunden werden. Aber CC ist ja in so vielen Fällen eben keine Diskussion, an der Linke teilnehmen, weil es weder das Canceln noch die Diskussion gibt: Wenn sich in Talkshows gesetzt und gesagt wird, man dürfe ja nix sagen, dann sind keine Argumente von links dabei – was aber nicht daran liegt, dass sich Linke diese Argumente klemmen, sondern dass von vornherein keine Diskussion da war, sondern sich Rechte nur das angebliche Mundtotmachen ausgedacht haben, um eben gegen einen imaginierten Gegner und imaginierte Argumente angehen zu können. CC-Debatten sind Debatten, in denen (vereinfacht gesagt) Rechte mit Rechten reden, um die Mitte davon zu überzeugen, dass die Linken böse sind und die Mitte angeblich links ist, aber lieber rechts sein sollte.
„Der linke Teil – ich gehe in der Vereinfachung mal mit, passt schon – bringt in echten Diskussionen schon echte Argumente und erklärt, warum bestimmte Witze z.B. antisemitisch sind.“
Manchmal ist das so, ja. Aber auch dann fehlt häufig irgendein Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Wie gesagt, bei Mischke halte ich die Argumentation für schlüssig.
„CC-Debatten sind Debatten, in denen (vereinfacht gesagt) Rechte mit Rechten reden, um die Mitte davon zu überzeugen, dass die Linken böse sind und die Mitte angeblich links ist, aber lieber rechts sein sollte.“
Eigentlich ärgern sich Rechte nur, dass sie selbst es nie schaffen, Leute von den Veranstaltungen _anderer leute_ zu canceln, was sie sicher gerne täten.
Uneigentlich haben sie ein Argument dahingehend, dass es unfair ist, dass das überhaupt wer kann.