Talkrunde „Schlagabtausch“

Nur mit Links geklatscht: Die Aufregung über das Publikum in der ZDF-Wahlsendung

Bei den Linken und Grünen wird geklatscht, bei den anderen nicht. Wie kam es zu der einseitigen Publikums-Besetzung in der ZDF-Wahlsendung "Schlagabtausch"? Und was sagt der Sender dazu?

Nicht selten wird weniger das, was Politiker in einer Fernsehsendung sagen, nachher zum angeblichen Skandal, sondern das, was das Studiopublikum sagt oder tut. Zum Beispiel, wenn sich bei Formaten mit Bürgerbeteiligung Menschen äußern, bei denen sich dann herausstellt, dass sie ein Pöstchen in einer Partei haben, was in der Sendung aber nicht offengelegt wurde. So etwas gibt es öfter. Immer gibt es auch Kritik daran.

Und gestern nun der nächste Fall, etwas anders gelagert: Das ZDF hatte Spitzenpolitiker zum „Schlagabtausch“ anlässlich der Bundestagswahl eingeladen. Was schon während der Sendung vor allem auf der Plattform X lauthals kritisiert wurde und nun auch in vielen Medienartikeln thematisiert wird, ist die offensichtliche bzw. deutlich hörbare politische Positionierung der Zuschauerinnen und Zuschauer im Studio.

Junges, klatschendes Publikum in der ZDF-Sendung 2Schlagabtausch".
Auffallend jung: das Publikum der ZDF-Sendung „Schlagabtausch“. Screenshot: ZDF

Man merkte es schon bei der Vorstellung: Als Christian Lindner (FDP) und Sahra Wagenknecht (BSW) begrüßt wurden, reagierte das Publikum nicht. Bei Jan van Aken (Linke) und Felix Banaszak (Grüne) gab’s Applaus. Und bei Tino Chrupalla (AfD) und Alexander Dobrindt (CSU) wieder ohrenbetäubende Stille.

Es zeichnete sich also schnell ab, für wen das auffallend junge Publikum Sympathien hegte und für wen nicht, was sich im Verlauf der Sendung bestätigte. Als der Grünen-Vorsitzende Banaszak einmal kräftigen Applaus bekam, kommentierte Lindner das mit den Worten: „Grüne Jugend“; und Chrupalla ergänzte: „Berliner Jugend“. Banaszak erwiderte, er glaube, das seien „mündige Menschen, die selbst ihre Meinung bilden können“.

Aber was waren das denn für Menschen dort – und wieso offenbar solche, die ganz offensichtlich Positionen der Grünen und insbesondere der Linken unterstützen?

Studierende von „zwei eher linken“ Universitäten

ZDF-Redakteur Dominik Rzepka lieferte im „heute-journal update“ nach dem „Schlagabtausch“ eine Erklärung: Dort hätten, sagte er, „relativ viele Zuschauer und Zuschauerinnen von der HU Berlin und der FU Berlin“ gesessen, und das seien „zwei eher linke Universitäten hier bei uns in Berlin, die extra auch angeschrieben wurden und eingeladen wurden“. Auch von der Hertie School, einer privaten Hochschule in Berlin, seien einige im Publikum gewesen. „Es war so gesehen nicht wirklich repräsentativ.“

Nun muss ein Studiopublikum nicht repräsentativ die Bevölkerung abbilden. Es wäre auch aufwändig bis schwer möglich, das umzusetzen. Aber es wäre angebracht, dass die Leute, die dort sitzen und klatschen, nicht so offensichtlich nur einem Lager zuneigen.

Es ist sicherlich nicht der Skandal, zu dem es manche machen wollen, dass die Sendung so verlaufen ist. Aber so eine Zusammensetzung des Publikums ist dennoch fatal, gerade weil es um einen öffentlich-rechtlichen Sender geht und um politische Ausgewogenheit vor einer Wahl. Sich um mehr Ausgewogenheit zu bemühen, würde nicht nur der Sendungsdynamik guttun und einer möglichst kontroversen Debatte. Es würde auch nicht zuletzt dem erwartbaren Vorwurf vorbeugen, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sitze ein erwartbar linkes Publikum, und das sei doch alles abgekartet.

Tatsächlich stellt sich die Frage, weshalb das ZDF eigens Studierende dieser Universitäten eingeladen hat, die der Redakteur als „eher links“ bezeichnet. Es kann so wirken, als wäre das absichtsvoll. Der Vorwurf, der Sender habe manipuliert, also bewusst solche Leute ausgewählt, stand schnell im Raum. Es lässt sich ja auch schnell mal behaupten, und auch das kann man natürlich kritisieren. ARD-Redakteur Gabor Halasz findet es „erschreckend, wie schnell auch von seriösen Politikern der Vorwurf der Manipulation erhoben wird“.

FDP-Lautsprecher Wolfgang Kubicki etwa sagt gegenüber „Bild“, es sei „offensichtlich, dass Grüne und Linke ihre Claqueure zielgerichtet in diese Sendung geschleust haben, um das Meinungsbild der Fernsehzuschauer zu beeinflussen“. Und „Bild“ meint: „Linksgrüne Bewunderer wurden offenbar bevorzugt gecastet!“ Es bahne sich „ein echter TV-Skandal“ an: Das ZDF habe „offenbar absichtlich“ die Stimmung „durch einseitige Auswahl des Publikums zugunsten von Linken und Grünen massiv beeinflusst“.

„Verschiedene Berliner Institutionen“

Wir haben beim ZDF nachgefragt, wie das Publikum rekrutiert wurde und auf welche Weise. Die Pressestelle antwortet, für die Live-Sendung hätten sich „interessierte Bürgerinnen und Bürger“ anmelden können.

„Bei solchen Sendungen ohne direkte Publikumsbeteiligung ergibt sich daraus in der Regel eine ausgewogene Verteilung. Die politische Einstellung wird nicht abgefragt.“

„Bild“ meint, das sei ein Widerspruch zu dem, was der ZDF-Redakteur eingestanden habe. Aber das ist es nicht. Grundsätzlich werden Tickets für Fernsehsendungen über Dienstleister wie tvtickets.de angeboten, aber auch über die Sender selbst. Nicht immer ist das Interesse so groß, dass die Studios voll wären. Deshalb wird manchmal nachrekrutiert. Oder die Sender gehen, wie in diesem Fall, direkt auf Ortsansässige zu.

Im Vorfeld seien „unter anderem auch verschiedene Berliner Institutionen kontaktiert“ worden, schreibt das ZDF auf unsere Anfrage. Das sei ein übliches Verfahren, auch „mit Blick auf die Möglichkeit einer kurzen Anreise des Publikums“. Der ZDF-Sprecher nennt folgende Institutionen, die „unter anderem“ kontaktiert worden seien:

  • J.F.K.-Institut für Nordamerikastudien
  • Politik- und Kommunikationswissenschaften der Freien Universität (FU)
  • Hertie School
  • Humboldt-Universität
  • Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
  • Demographie Netzwerk e.V.
  • Tönissteiner Kreis und die Familienunternehmen e. V.

Man kann nicht sagen, dass das alles linke Institutionen wären. Die Friedrich-Naumann-Stiftung, zum Beispiel, steht der FDP nahe; und das Führungskräfte-Netzwerk Tönissteiner Kreis ist ein überparteilicher Verein, in dessen Kuratorium etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sitzt.

(Nachtrag, 20:10 Uhr. Das ZDF hat sich inzwischen korrigiert: Offenbar wurde die Friedrich-Naumann-Stiftung doch nicht kontaktiert. Die Stiftung schreibt auf X, der Sender bedauere die falsche Darstellung.)

Wieso dann am Ende vor allem Studierende im Publikum waren, ist nicht klar. Deren Interesse ist aber auch nicht fernliegend: Gerade für angehende Politikwissenschaftler ist so ein „Schlagabtausch“ von Spitzenpolitikern im Fernsehen und vor einer wichtigen Wahl natürlich spannend. Dass das ZDF aber nicht gegensteuerte, als sich abzeichnete, dass so viele, vermutlich eher linke Studierende teilnehmen möchten, ist rätselhaft. Hat es denn niemand kommen sehen, wie das zu werden droht?

Man bedauere, schreibt der ZDF-Sprecher, dass es im Verlauf der Sendung „zu einseitigen Reaktionen gekommen“ sei. „Während der Sendung konnte die Redaktion aber keinen Einfluss darauf nehmen“. Ja, wie auch? Die Frage wäre eher, was man künftig schon vorher für eine breitere Besetzung unternehmen könnte – und möchte: Diese Frage hat uns das ZDF leider nicht beantwortet. Und ARD-Redakteur Halasz fragt auf X leicht aufgebracht, was das ZDF und die anderen Sender denn tun sollten:

„Publikum vorher nach politischen Meinung fragen? Nach der aktuellen Wahlumfrage besetzen? Und was ist mit Wechselwählern?“

Der Vorwurf der Manipulation sei „eindeutig drüber“, findet Halasz, man könne und solle aber „darüber diskutieren, ob Einladungen breiter gestreut werden“.

Ich denke, das sollte man nicht nur diskutieren. Man sollte alles dransetzen. Für mehr Breite müsste man nicht zwingend die politischen Positionen der Teilnehmer:innen abfragen, das ist auch nur begrenzt möglich und würde obendrein voraussetzen, dass es alle ehrlich beantworten. Aber gerade in einer Stadt wie Berlin sollte es doch nicht unmöglich sein, Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft aufzutreiben, die unterschiedliche Berufe haben. Was eine breitere politische Positionierung jedenfalls wahrscheinlicher macht.

Man könnte das allein schon deswegen anstreben, um nicht so ein Skandal-Geschrei während und nach einer Sendung zu haben, das dann übertönt, worum es eigentlich geht: um Politik und was die Politikerinnen und Politiker, die sich am 23. Februar zur Wahl stellen, so anzubieten haben.

4 Kommentare

  1. Ich weiß nicht. Immerhin hat das ZDF zum Ausgleich den Dobrindt da reingelassen, obwohl man die CSU oft gar nicht wählen kann. Da ist die konservative Seite doch besser besetzt als nur mit ein paar Klatschern.

  2. Das ZDF kann ja die nächste Sendung zum Ausgleich einfach mit Leuten aus der Jungen Union und ein paar Burschenschaftlern besetzen. Dann werden dieselben Medien, die das hier kritisiert haben ganz sicher ihre Kritik wiederholen (Zwinker Zwonker). Und die geladenen Politiker von den Grünen und der Linken werden dann genauso laut rumheulen. Nicht.

  3. Es ist mir unbegreiflich, warum man beim ZDF so dumm ist, wenn man von einer gewissen Seite eh schon unter Dauerbeschuss steht, den „Kritikern“ soviel Angriffsfläche zu bieten. Und dann die weinerliche Reaktion von Halasz auf der platform formerly known as twitter…

    Apropos: Die beiden Links zu Halasz‘ Tweets gehen auf den gleichen Tweet. Ich denke, der erste sollte auf einen anderen Tweet gehen…

    Und nochwas: Ich habe kürzlich festgestellt, dass es neuerdings noch jemand anderen hier gibt, der unter dem Namen „Bernhard“ postet. Es gibt also jetzt 2 von uns. An die Mitkommentatoren: Seid so gut und schiebt dem neuen nicht meine fehlgeleiteten Beiträge unter. ;-)

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