Der Autor
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Hinter Türchen 20 stecken drei Medientipps von Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier.
Ich weiß nicht, ob sie’s wussten, aber ich bin gar nicht so der positive Typ. Ich bin sehr viel besser darin, etwas zum Nörgeln zu finden als zum Feiern. Selbst in guten Sachen kann ich gut das kleine Misslungene entdecken. Umso mehr freue ich mich, dass ich hinter diese Tür des Adventskalenders drei reine Empfehlungen legen durfte, die mir in diesem Jahr zuverlässig gute Laune gemacht haben.
Seit 2015 sammelt Matt Nelson Fotos und Videos von Hunden und verbreitet sie auf seinen Social-Media-Kanälen mit Wertungen von bis zu 15 von 10 Punkten (sic!). Inzwischen scheint sich daraus ein gut gehendes Geschäft entwickelt zu haben samt angeschlossener Stiftung, die sich um schwer vermittelbare Hunde kümmert und im Notfall dank Spenden auch Operationen für Tiere bezahlt.
Jeden Freitag postet WeRateDogs seine Spitzenhunde der Woche, und das ist natürlich einerseits kein besonders origineller, viraler Content: niedliche Hunde, die niedliche Sachen machen, gehen halt immer. Andererseits ist es gerade in Zeiten, in denen man aus dem Doomscrollen gar nicht wieder rauskommt, ein so schöner zuverlässiger kleiner Ort der Aufmunterung, dass er fast unverzichtbar ist.
„WeRateDogs“ auf X, Instagram, Bluesky, Tiktok, YouTube.
In den vergangenen Wochen lief schon die 18. Staffel der britischen Spielshow, in der immer fünf Komiker um die Wette Aufgaben erfüllen, die Geschick verlangen und kreatives Denken, Ausdauer und Witz, Ehrgeiz und die Bereitschaft, sich zum Horst zu machen. Ich liebe auch die meisten der 17 Staffeln davor, abgesehen vielleicht von einigen, die unter dem fehlenden Publikum während der Aufzeichnungen in der Corona-Pandemie leiden, sind sie alle sehenswert, aber die neueste war noch etwas Besonderes: Eine Kandidatin war Rosie Jones, eine Komikerin, die eine frühkindliche Hirnschädigung hat. Nicht, dass das als irgendetwas besonderes in der Sendung angekündigt oder behandelt worden wäre, gelegentlich half ihr nur mal der Spielleiter (und Sendungserfinder) Alex Horne mit ein paar Handgriffen, manchmal machte sie ein paar Witze über ihre Behinderung, so wie andere Witze über andere Dinge machten.
Doch sie ist beim Reden nicht immer leicht zu verstehen, es braucht ein bisschen Geduld, wenn man ihr zuhört, und ich fand es am Anfang nicht immer leicht, ihr bei ihren ausladenden, unkontrollierten Gesten und Gesichtsausdrücken zuzusehen. Ehrlich gesagt war ich schon kurz davor, diese Staffel auszulassen, weil ich dachte: Es ist so toll, dass sie das machen, aber mir ist das doch ein bisschen zu anstrengend. Ich habe dann aber doch weitergeguckt, und ich bin froh, weil es eine richtig gute Staffel geworden ist, mit vielen guten Spielen, mit tollen Kandidaten (ein herrlich schlecht gelaunter Jack Dee) und einer Kandidatin, die nicht nur toll mit ihrer Behinderung umgeht, sondern auch umwerfend lustig ist. Es lag an mir, dass ich das erst nicht wahrnahm, nicht an ihr.
Alle Folgen sind in Deutschland auf YouTube zu sehen.
Von dieser Cartoonserie gibt es schon 15 Staffeln mit fast 300 Episoden, aber in Deutschland ist sie immer noch fast ein Geheimtipp. Sie zeigt das Leben der Belchers, die eine kleine Burgerbraterei betreiben: Vater Bob, Mutter Linda und die Kinder Tina, Gene und Louise. Es sind Familiengeschichten und Arbeitsplatzgeschichten, es geht um knappes Geld, die erste Liebe, Probleme von und mit neunjährigen vorlauten Mädchen, die Konkurrenz mit der Pizzeria gegenüber, Ärger mit dem Vermieter und jedes Jahr natürlich irgendwas mit Halloween und Thanksgiving und Weihnachten.
Es ist, so gesehen, eine handelsübliche Comedyserie. Aber was sie – neben ihrem eigenen Humor und den Gesangseinlagen und der Tatsache, dass gleich zwei der weiblichen Hauptrollen von Männern gesprochen werden – von anderen unterscheidet, ist vor allem ihre Menschlichkeit. Es gibt unter all den Witzen und Konflikten einen außerordentlich warmherzigen Kern, in der Art, wie die Figuren miteinander umgehen, und noch mehr, wie die Serie mit ihren Figuren umgeht.
Und je länger „Bob’s Burgers“ läuft, umso mehr nehmen sich die Macher die Freiheit, das zu erkunden. In der vergangenen Staffel gab es eine herausragende Folge, die die Nebenfigur des kleinen Rudy ganz in den Mittelpunkt rückte und am Beispiel eines einzigen Abendessens zeigt, was es für ihn bedeutet, dass sich seine Eltern getrennt haben. In dieser Staffel schildert eine Folge die Planung einer Open-Mic-Night, die die übliche Dramaturgie mehrerer Handlungsstränge aufgibt und am Ende nur verschiedenen (Neben-)Figuren die Chance gibt, ihr Talent auf der Bühne zu zeigen, darunter nicht zuletzt der unvergleichlichen Marshmallow. Eine andere Folge handelt von der Rivalität der beiden sehr unterschiedlichen Belcher-Schwestern, deren Perspektiven auf den Streit sie in unterschiedlichen Zeichenstilen visualisiert.
Man muss es gesehen haben, in all seiner überbordenden kreativen Lust und Liebe. Und in der einzigartigen Art, wie es „Bob’s Burgers“ gelingt, Albernheit und Warmherzigkeit zu kombinieren.
„Bob’s Burgers“ läuft im Free-TV nach einem von mir nicht durchschauten Schema bei Comedy Central, oft anscheinend auch im Original. Die ersten 14 Staffeln sind zum Glück aber auch komplett bei Disney+ zu sehen.
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Alle anderen bereits geöffneten Türchen finden Sie hier.
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